Archiv für August 2022

Journal Mittwoch, 3. August 2022 – Eritreisches #Lindwurmessen im Restaurant Rotes Meer

Donnerstag, 4. August 2022

Morgens nochmal die perfekte Temperatur für Balkonkaffee in herrlichem Sommermorgenduft, die Sonne ging in einen wolkenlosen Himmel auf.

Auf dem Weg in die Arbeit einen Mauersegler überm Westend gesehen – aber keine schrillenden Banden mehr.

Im Büro erst mal eine Kanne Tee mit einer Neuerwerbung vom Kräuter- und Wurzelsepp (Geheimtipp für München-Besuche, liegt fünf Minuten vom Viktualienmarkt entfernt). Und leider muss ich neu auf die Liste von Brauch-ich-nicht-in-meinen-Früchte-und-Kräutertees setzen: Fenchel. Nach Süßholz, Minze, Brombeerblättern. Wobei ich Fencheltee mag. Auch Tee aus frischer Minze.

Vormittags nutzte ich das Angebot meines Arbeitgebers, ein neues Portrait fürs Mitarbeitenden-Portal machen zu lassen. Mein derzeitiges Foto ist sieben Jahre alt, und ich möchte nicht, dass Menschen bei meinem deutlich gealterten Anblick erschrecken. Ich finde Fotos im Firmen-Intranet ausgesprochen praktisch, vor allem wenn man mit jemandem zum ersten Mal verabredet ist – oder sich versucht zu erinnern, wer das nochmal war. Möglicherweise habe ich alle Spielregeln von Fotosessions zerschossen, als ich als Ziel “Erkennbarkeit” nannte und bereits die erste Runde Aufnahmen mit “Passt!” abnickte. Aber mit meinen 55 Jahren weiß ich doch inzwischen, dass ich leicht fotografierbar bin, das ist ja kein Verdienst.

Mit dem Ergebnis war ich rundum zufrieden: Das bin eindeutig erkennbar ich.

Wegen einer längeren Besprechung und eines IT-Termins, der mir wichtig war, kam ich erst um halb zwei zu meinem Mittagessen: Pumpernickel mit Butter, köstliche weiße Pfirsiche mit Kefir.

Draußen wurde es über den Nachmittag heiß. Aber als ich das Gebäude nach Feierabend verließ, fand ich den Heimweg möglichst im Schatten erträglich.

Bei Sankt Paul bog ich ab: Ich kaufte im Süpermarket Verdi Obst. Daheim nur kurzes Verschnaufen, ich war mit Herrn Kaltmamsell endlich zum nächsten #Lindwurmessen1 verabredet, und zwar im eritreisch/äthiopischen Lokal Rotes Meer.

Wir setzten uns raus in den (typischen unglamourösen Lindwurmstraßen-)Hinterhof.

Erst brachte uns der sehr freundliche und liebe Kellner gemischte vegetarische Vorspeisen: Teigtaschen mit Linsenfüllung, interessant gewürzte Hirse und Grünkohl mit Frischkäse – alles ganz hervorragend.

Dann gab es Injera, gesäuerte Hirsemehlfladen (ein Fladen auf der Servierplatte, links daneben Streifen, die auch als Esswerkzeuge dienten) mit Schirowat (gemahlene Erbsen gewürzt) und Begalitsch (Lamm in Curcumasauce, ich glaubte die typische eritreische Gewürzbutter daran zu entdecken). Anders als bei der privaten eritreischen Einladung versuchten wird uns diesmal an der Einwickeltechnik ohne Besteck: Die Saucen werden auf den großen Fladen gelöffelt, dann ein Stück Injera abreißen, über ein Stück Sauce stülpen, es damit greifen und in den Mund schieben – ging ganz gut! Und schmeckte hervorragend, der Erbsenbrei eigentlich noch exotischer als das Lamm. Wir schafften nicht mal alles. So waren wir nicht nur aufs Angenehmste satt: Meine Bedenken, das Lokal könnte nach dem Lob in der Süddeutschen Zeitung überlaufen und überfordert sein, hatten sich nicht im Geringsten bewahrheitet.

Nach einem Spaziergang auf dem Heimweg hatten dann doch noch Süßigkeiten zum Nachtisch Platz.

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Man kann es sich denken, aber es hilft, die expliziten Aussagen zu lesen. 2012 erschoss ein Massenmörder an der Sandy Hook Elementary School 27 Menschen (ich tue mich mit der Bezeichnung “Amoklauf” schwer, das hier war ein geplanter und systematischer Mord, kein spontanes Ausrasten). Nur: Der Rechtsextreme Alex Jones verbreitete seit kurz darauf den Mythos, das sei alles eine Inszenierung gewesen – unterstützt von Tausenden Anhänger*innen. Jetzt steht Jones deshalb vor Gericht, und die Eltern der ermordeten Kinder berichten, was seine Lügen angerichtet haben.
“Sandy Hook parents testify about the ‘hell’ Alex Jones inflicted on them through lies about the shooting”.

(Gestern stellte sich im Prozess außerdem – versehentlich – heraus, dass Alex Jones durch seine reißerischen Lügen mit seiner Online-Plattform in besten Zeiten bis zu 800.000 Dollar TÄGLICH verdiente.)

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Ein Fußballfoto, das auch mich bewegte, war das der englischen Nationalspielerin Chloe Kelly nach ihrem Europameisterschaftstor. Lucy Ward analysiert im Guardian, warum:
“Pure joy and a sports bra: the photo that encapsulates England Women’s Euros win”.

This is a woman’s body – not for sex or show – just for the sheer joy of what she can do and the power and skill she has.

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []

Journal Dienstag, 2. August 2022 – Mittagsabenteuer

Mittwoch, 3. August 2022

Gute Nacht, durch die offenen Fenster wehte es regenkühl herein.

Sehr angenehmer Weg in die Arbeit. Ich begegnete einer Sonderform der Typografie: Gemischte Botschaften.

Zunächst dachte ich, das sei eine große Text-Font-Schere – doch dann sah ich, dass sich die Schriftart auf die Mühle bezieht. Typografie-Humor.

Mittags ging ich auf großes Abenteuer. Erinnern Sie sich noch an das Café, an dem ich außerhalb der fünf Oktoberfest-Monate auf meinem Arbeitsweg vorbeikomme und das in mir oft Sehnsüchte nach einer alternativen Identität weckt? Ich folgte der verwegenen Idee, dort einfach mal mittags auf einen Cappuccino hinzugehen.

Volkskunst auf dem Heimeranplatz.

Allein der Spaziergang zum Café Colombo war den Ausflug wert: Ein perfekter Sommertag, an dem es um die sonnige Mittagszeit noch nicht heiß war, an dem es nach Ferienglück roch, die Farben strahlten (es half, dass ich den orange people begegnete, die gerade Straße kehrten), die Menschen in bunte Flatterkleidung gehüllt waren.

Im Café war ordentlich was los, in den Regalen entdeckte ich interessante Weine und Lebensmittel (darunter Orecchiette) mit hübschen Etiketten, der Cappuccino schmeckte.

Zurück am Schreibtisch aß ich zu Mittag Gurke, Quark mit Joghurt, Nektarine und Pfirsich.

Geschäftiger Nachmittag, bunt durch weitere Bluescreen-Ereignisse auf einem weiteren Rechner.

Auf dem Heimweg nur ein kurzer Einkaufsabstecher, Herr Kaltmamsell hatte unsere Liste bereits abgeräumt. Zu Hause eine ausführliche Runde Yoga, die Abschlussfolge von Adrienes Home, die sie immer ohne Ansagen turnt. Ich musste also fast durchgehend auf den Bildschirm gucken, eher unentspannt. Nein, selbst kann ich mir nicht 40 Minuten Yoga zusammenstellen, ich brauche Vorgeturntes.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell nach Langem mal wieder mein geliebtes Shakshuka – ohne dass ich es explizit gewünscht hatte.

Nachtisch reichlich Schokolade.

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Ah, da schau her: Da hat jemand in Salzburg versucht, die Fleißer besser als die Fleißer zu machen. Laut Rezension ging das schief.
“‘Ingolstadt’
Die Antwort auf den ‘Jedermann'”.

In Ingolstadt ist man zu Ingolstadt verdammt. Und bei der Ingolstädterin Marieluise Fleißer heißt das: Der Katholizismus ringt alle nieder.

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Langer, aber hochspannender Artikel über den Forschungsstand zur Evolutionstheorie, also über die Diskussionen der Rolle von natürlicher Auslese, Mutationen, Genetik, Epigenetik – und der (für mich eine neue Bezeichnung) Plastizität (Fähigkeit von Organismen, sich der Umwelt in der Entwicklung und bei konkreten neuen Bedingungen anzupassen), über die Suche nach einer unifying theory.
“Do we need a new theory of evolution?”

Journal Montag, 1. August 2022 – Schulferien auf dem Arbeitsweg

Dienstag, 2. August 2022

Nachts nur leichter Schlaf, ich hatte mich beim Zu-Bett-Gehen seltsam aufgekratzt gefühlt. Das Wetter: wolkig-sonnig mittelkühl.

Jetzt sind Sommerferien, also freue ich mich für ein paar Wochen auf dem Weg in die Arbeit an anderen Wegen, die ich sonst wegen Schulkinderbevölkerung meide.

Gollierstraße.

In der Arbeit eher Ungemütliches, unter anderem musste ich auf einen Ersatzrechner ausweichen. Mittagessen Birchermuesli mit Sojajoghurt, marmeladig reife Pflaumen, Nektarine.

Geschäftiger Nachmittag. Der Tag war sommerlich geworden, aber nicht heiß. Auf dem Heimweg Süßigkeiten- und Obsteinkäufe. Der Himmel zog zu, aber über dem Westend sah ich nochmal Mauersegler.

Daheim eine wohltuende Runde Yoga, ich turnte nochmal die vorletzte Folge in Adrienes Programm Home.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell Zucchini aus Ernteanteil mit eh noch vorhandenen Limetten, Chili (vom Balkon!), Minze, Thai-Basilikum, Ingwer plus zugekauften Garnelen in ein köstliches Gericht verwandelt, mit genau der richtigen Schärfe. Und der Thai-Basilikum ist mit seiner Anis-Note eine echte Entedeckung: Welche Speisen lassen sich wohl noch damit bereichern? Nachtisch reichlich Süßigkeiten, auf die ich mich den ganzen Nachmittag gefreut hatte.

In der Dämmerung begann es zu regnen, es gab nachts immer wieder hochwillkommene Schauer.

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Nichelle Nichols ist gestorben, eigentlich unsterblich geworden als Lieutenant Uhura auf der USS Enterprise. Sie spielten wir auch gerne als Kinder beim Raumschiff-Enterprise-Nachspielen, irgendein Haarschmuck musste als Antenne im Ohr dienen. Ich weiß gar nicht, ob mir als Kind auffiel, wie selbstverständlich in dieser Fernsehserie eine Frau als Technikerin ernst genommen wurde – sicher nicht, dass sie auch noch als Schwarze Frau ernst genommen wurde. Schön fand ich Nichols ganz sicher, auch als alte Frau. Im Guardian ein Nachruf in Bildern.

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@formschub hat mir einen Wunsch erfüllt und über Typografie gebloggt:
“Die Welt(en) hinter den Buchstaben”.
(München habe ich mindestens zweimal entdeckt.)

Journal Sonntag, 31. Juli 2022 – Von Jakobidult bis Preysinggarten

Montag, 1. August 2022

Guter, erholsamer Schlaf bis um sieben. Draußen war der Himmel bedeckt, die Luft kühl. Eigentlich hatte ich einen Freibadschwumm geplant, doch überm Bloggen und Morgenkaffee schwand die Lust darauf. Dann fiel mir auch noch die Jakobidult ein und ich plante um.

Als ich nach Körperpflege und Ankleiden bereit zum Aufbruch war, hatte sich das Wetter zwar doch für Freibad-Tauglichkeit entschieden, aber das war mir jetzt egal. Mit Herrn Kaltmamsell ging ich erst noch auf einen Cappuccino in ein Café an der Hans-Sachs-Straße, dann die Fraunhoferstraße entlang zur Isar und zur Auer Dult.

Jahnstraße.

Diese Jakobidult war wieder so groß wie vor Corona. Wir gingen systematisch alle Gassen ab, sahen viel Interessantes. Unterwegs entwickelte sich ein Gespräch über die Risiken von Herrn Kaltmamsells Sabbatjahr, als er nämlich bei allem, was im Haushalt anstand (wir gingen gerade an den Ständen mit “Neuigkeiten” vorbei und dachten an den dringend entkalk-bedürftigen Wasserhahn in der Küche), meinte: “Das kann ich ja in meinem Sabbatjahr erledigen.” So soll das auf keinen Fall sein: Dass er plötzlich für alles zuständig ist, schließlich ist war sein zentraler Vorsatz für die Auszeit Nichtstun.

Entdeckung: Die Alpen-Cocosnuss.

Gekauft haben wir nichts: Das Doppel meiner hochgeschätzten Bürotasse, nach der ich suchte, gab es nicht, diese Töpferei hat in den sechs Jahren seit Erstkauf zu anderen Tassenformen gewechselt – und irgendeine Riesentasse brauche ich nicht.

Zurück daheim gab es Mittagessen: Herr Kaltmamsell hatte die Roten Beten aus Ernteanteil gegart und servierte sie mit zweierlei Mohn-Dripping.

Mohnbröselbutter und Mohnjoghurt – beides sehr gut, aber die Butter bräuchte als Gericht noch etwas dazu. Außerdem gab es Kartoffelsalat vom Vorabend und eine große Portion Trifle.

Supertüchtiger Nachmittag, ganz erstaunlich, zu wie viel ich ohne Sportprogramm komme: Wochenendzeitung gelesen, Lieblingstweets des Monats zusammengestellt, gebügelt. Herrn Kaltmamsell streng angesehen und betont, dass er die drei T-Shirts nur gebügelt wiederbekommt, wenn er sie unten in seinen Stapel legt (er trägt seit Sommeranfang dieselben drei) (für Arbeit und Ausgehen aber auch Hemden) (weiteres Risiko des Sabbatjahrs Kleidungsverkommen?). Vor meiner Abendverabredung fand ich sogar noch Zeit für ein halbes Stündchen Yoga.

Mangels Lust auf Radfahren nahm ich eine Tram nach Haidhausen – dachte ich, doch sie fuhr nur bis zum Isartor: Bauarbeiten. Schnell in die S-Bahn bis Rosenheimer Platz umgestiegen, von dort zu Fuß weiter. Im Preysinggarten verbrachte ich einen sehr schönen Abend. Unter anderem stellten meine Verabredung und ich fest, dass sie vor 20 Jahren fast in Sichtweite des Lokals gewohnt hatte, ich vor wenig länger hatte in Sichtweite meine erste Arbeitsstelle in München. Ich genoss die Begegnung und den Austausch, das ist schon ein besonderer Mensch in meinem Kontaktkreis.

Zu Essen gab es rote Paprika mit Schafskäsefüllung und Salat, dazu zwei Rhabarberschorlen. Heimweg mit der U-Bahn vom Wiener Platz – auch die Rückreise umständlich mit Pendelverkehr ab Odeonsplatz: Bauarbeiten.