Journal Mittwoch, 14. September 2022 – Paris 2: Seine-Fahrt, Louvre, Moulin Rouge

Donnerstag, 15. September 2022 um 9:58

Nach guter Nacht früh und erfrischt aufgewacht. Wie erwartet wurde es in Paris deutlich später hell als in München. Ein bewölkter, milder Morgen.

Ich postete den am Vorabend erstellten Blogpost – mit Mühen, denn die Internet-Verbindung des modern daherkommenden Hotels ist ausgesprochen wackelig. Das Zimmer wiederum ist so klein, dass ich mich zu komplettem Aufräumen aller meiner Dinge genötigt sah (inkl. Rechner und aller Kabel), damit das Personal überhaupt eine Chance zum Reinigen bekam.

Draußen kündigte sich wieder größere Wärme an, ich verließ das Hotel in kurzen Ärmeln. Erst mal Morgenkaffee in einer vertrauenswürdig aussehenden Kneipe ums Eck.

Foto: Herr Kaltmamsell.

Wir saßen ein wenig herum und sahen zu, wie hier Nachbarschaftsleute auf dem Weg zur Arbeit ihren Morgenkaffee tranken, einige im Stehen halb im Freien, man kannte und grüßte sich, es war viel Plauderns. (Und der mittelalte, weiße Wirt erfüllte mit seinem schwarzen Schnauzbärtchen ein weiteres meiner Paris-Klischees.)

In Montparnasse hat’s natürlich überall Kunst.

U-Bahn zum Eiffelturm. Von dort startete die von Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch gebuchte Seine-Fahrt: Wenn eine große Stadt schon einen Fluss hat, verschaffe ich mir mit einer Touri-Fahrt darauf gerne Überblick.

Erst mal ein wenig Eiffelturm geguckt. Ganz schön groß – aber in augenscheinlich erbärmlichem Zustand. Ich möchte wirklich nicht für die Rostlaube zuständig sein.

Vom Schiff aus sah ich nochmal einen inszenierten Heiratsantrag mit Profifotograf: Das war der dritte innerhalb einer halben Stunde. Aber wie jede Influencerin weiß: Authentizität erfordert halt sorgfältige Inszenierung. (Später sahen wir auf unserem Spaziergang entlang der Seine noch einige Foto-Situationen mit Paaren in Hochzeitskleidung.)

Die Erklärungen zu den Aussichten unserer Seine-Fahrt kam über WLAN aufs Handy: Die Informationen waren eingebettet in einen fiktiven Dialog zwischen der Stadt Paris (Schauspielerstimme) und der Seine (Schauspielerinnenstimme) – gewöhnungsbedürftig. Es kam dennoch genug Info rum.

Île de la Cité mit schwer baubearbeiteter Kathedrale Notre-Dame de Paris. Sobald die Sonne herauskam, wurde es sehr warm.

Wasserpolizei mit Taucher.

Interessante Vogelsichtung: Fliegende Kormorane.

Auch sehr interessant: Zwei Passagierinnen inszenierten sich (unabhängig voneinander) für Fotos auf dem Schiff mit schwarzer Baskenmütze und großer Sonnenbrille, eine davon zudem im Trenchcoat.

Auf unserem anschließenden Spaziergang zum Louvre kamen wir auch an einem großen professionellen Fotoshooting auf einer Brücke vorbei, drei Frauen in Abendkleidern hielten dabei schicke Vorhängeschlösser hoch – Werbeaufnahmen?

Herr Kaltmamsell war ja fürs Parisprogramm zuständig, ich hatte einige Wünsche geäußert – die er mir alle erfüllt. So hatte er uns Eintrittskarten für den Louvre reserviert (man bucht für bestimmte Zeiten): Ich hatte mir einmal Reinschmecken gewünscht, eher erste Orientierung für einen ausführlicheren Besuch.

Zu unserer Überraschung war die Schlange von Menschen, die Tickets für denselben Zeit-Slot hatten wie wir (ein Angstellter ging durch und versicherte sich), ganz schön lang – wir warteten mehr als 20 Minuten am Eingang.

Endlich drin bewunderte ich die Eingangshalle unter der Glaspyramide (ich erinnere mich noch an die Berichterstattung über den großen Umbau), dann holte ich uns erst mal noch einen Kaffee und für Herrn Kaltmamsell Croissant. Weitere Orientierung anhand des Gebäudeplans.

Wenn ich schon mal da war, wollte ich etwas für mich Neues sehen, nicht ohnehin Bekanntes. Plan war, den Gebäudeteil mit der Mona Lisa und seinen Menschenmassen weiträumig zu meiden (zumal ich, hier unter uns kann ich’s ja zugeben, dieses Renaissance-Poträt nie außergewöhnlich interessant fand – schon gar im Vergleich zu niederländischen Porträtknallern wie “Bildnis einer jungen Frau” von Rogier van der Weyden).

Neu war mir die große Abteilung mit islamischer Kunst aus fast allen historischen islamischen Gebieten der Erde und aus mehreren Jahrhunderten – von der mir eine Fachfreundin bereits erzählt hatte.

Hier sahen wir uns ausführlich um (konnten allerdings nur einen Bruchteil der riesigen Sammlung würdigen). Die Beschilderung lieferte Informationen in Französisch, Englisch und Spanisch.

Das erste Mal, dass ich einen Ameisenbären (Aardvark) künstlerisch umgesetzt sah.

Ich beobachetet (und fotografierte, aber nicht für hier) einen jungen Touristen, der seiner Begleiterin eine arabische Inschrift auf einem Grabstein vorlas, und war schwer beeindruckt. Er musste sich schon anstrengen und stückeln – so wie wir Ex-Lateinerinnen vor einer lateinischen Inschrift halt.

Um unser Wahrnehmungszentrum zu beruhigen, gingen wir abschließend zu Vertrautem: Im obersten Stock eines anderen Gebäudeteils hingen Alte Niederländer, einmal Queren des gesamten Museums gab einen winzigen Einblick, WIE riesig und ausgedehnt der Louvre ist. Kam gleich mal auf die Liste für einen richtigen Paris-Urlaub: Ein Tag im Louvre, von früh über Mittagessen bis spät.

Durch das hochpreisige Einkaufszentrum unter dem Louvre (?) gingen wir zur U-Bahn und fuhren ins Hotel. U-Bahn-Durchsagen übrigens auf Französisch, Englisch und Spanisch.

Kurzes Ausruhen (ich hatte immer noch weder Hunger noch Appetit), dann machten wir uns fertig fürs Abendprogramm: Ebenfalls auf meinen Wunsch hatte Herr Kaltmamsell Karten für eine Vorstellung im Moulin Rouge besorgt, volles Programm inklusive Abendessen und Champagner. Nach der atemberaubenden Show im Friedrichstadtpalast hatte ich etwas Vergleichbares sehen wollen, außerdem mal wieder alte Hollywoodfilme voller Klischees im Kopf, vor allem aber schöne Frauen mit endlosen Beinen und Federschmuck auf dem Kopf.

Wir nahmen die U-Bahn zum Place de Clichy. Die U-Bahn-Ausschilderung in Paris macht mich ja schon wuschig: Ich bin gewohnt, nach klaren, wiedererkennbaren Zeichen für U-Bahn-Stationen Ausschau halten zu können – hier ist nichts wiedererkennbar, selbst die zeitgenössische Ausschilderung (ein großes M) entscheiden sich nicht für eine klare Gestaltung.

Wir verbrachten einen sehr schönen Abend mit der Show Féerie. An unseren langen Tisch direkt vor der Bühne wurden wir von einer Angestellten gebracht; wir teilten ihn uns mit weiteren Paaren, Beleuchtung Nachtischlampen mit roten Schirmen. Es gab Champagner (ich hatte mich sehr auf Alkohol gefreut), zur Vorspeise aromatische Melone mit Rinderschinken (und einem Hauch frischen Muskat, gute Idee), als Hauptspeise Hähnchenbrust mit Hummer-gefüllter Zucchini und Gemüse, zum Dessert Tiramisu.

Dazu spielte eine kleine Band amerikanische Standards, ebenso aus der Zeit gefallen wie der Rest der Veranstaltung. Das Publikum (der Saal mit zwei Rängen fast ausgebucht) ähnelte dem im Friedrichstadtpalast (minus Kinder und Teenager): Ältere, konservativ aussehende Herrschaften, ganz klar Touristen (einige Gruppen kamen mit Reisebussen), keine Einheimischen.

Und ich bekam, worauf ich gehofft hatte: Viele wunderschöne Frauen (deutlich weniger Männer) mit endlosen Beinen, die in sensationellen Kostümen tanzten, oft mit Federn auf dem Kopf. Auch hier genoss ich es, so nah an der Bühne viele Details sehen zu können, die Unterschiede zwischen den wunderschönen Frauen – und wie die gelenkigsten von ihnen beim Beinehochschleudern ihren Kopf leicht zu Seite drehten, wohl um zu vermeiden, sich mit der eigenen Kniescheibe die Zähne einzuschlagen.

Die Show im Vergleich zum Friedrichstadtpalast: Viel kleinere Bühne mit entsprechend weniger Möglichkeiten, kein Live-Orchester, keine durchgängige Geschichte, sondern reine Nummernrevue (darin wie im Friedrichsstadtpalast drei akrobatische Einlagen). Die schönen Frauen waren meist barbusig, es gab ohnehin viel mehr sichtbare Haut – was zur Folge hatte, dass ihre Körper nicht nur normschöne Formen hatten, sondern zudem die Haut makellos sein musste, ohne Narben, Risse, Muttermale. (Umso mehr entzückte mich, dass eine der Damen, und zwar die, die beim Cancan am atemberaubendsten Räder schlug und Überschläge hinlegte, auf dem linken Oberschenkel zwei beachtliche blaue Flecken trug – das lässt sich halt dann doch nicht vermeiden). Die große Cancan-Nummer ist wahrscheinlich, was “die Reihe” für den Friedrichstadtpalast ist.

Späte U-Bahn-Fahrt zurück nach Montparnasse.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 14. September 2022 – Paris 2: Seine-Fahrt, Louvre, Moulin Rouge“

  1. Cloudpiep meint:

    Kleine Anmerkung: Erdferkel sind keine Ameisenbären und auch nicht mit ihnen verwandt.
    Danke dass Sie uns mitnehmen nach Paris!

  2. Croco meint:

    Ein ganz klassischer Paristag, wie schön.
    Und das mit der Kniescheibe löst ein Rätsel, danke.
    Die Influencerwelle hat wohl den Selfiestick der Zeit um 2015 abgelöst.
    Ich glaube, bei einem inszenierten Heiratsantrag wäre ich weggelaufen.
    Oder wissen jetzt beide, dass er nun kommt?

  3. Anne Rüsing meint:

    Liebe Frau Kaltmamsell
    wenn Sie noch Zeit haben steht hinter dem Bon Marché die Kapelle von Notre-Dame de la médaille miraculeuse. Früher gab es am Eingang einen Automaten, aus dem man wundertätige Medaillen herauslassen konnte so wie andere Leute Kaugummi oder Kondome.
    Ob es den Automaten noch gibt? Eine solche Medaille täte gänz entzückend zu Ihrem T-Shirt auf dem Café-Photo passen …
    Gruss nach Paris, auch schweizerdeutsch heisst das “au wott …”
    Herzlich ar

  4. Joel meint:

    Ja der Louvre ist schon der Wahnsinn. Wenn Ihr den nochmal sehen wollt, einen ganzen Tag lang, gehe ich mit. Deal? Ich bin ja nur zwei TGV Stunden entfernt.
    Das letztem mal dass ich dort war, war mit der Schulklasse und da gab es die Pyramide noch nicht.

  5. Pressepfarrerin meint:

    Das Marien-T-Shirt. Wo, bitte, gibt es das?!

  6. die Kaltmamsell meint:

    Vor 17 Jahren auf ebay, Pressepfarrerin, Firma “cheer”.

  7. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Wow, die Fahrt auf der Seine haben wir auch gemacht und ich bekomme heute noch Gänsehaut wenn ich daran denke wie auf einmal diese riesige Kirche vor uns auftaute.
    Die `Mona Lisa` haben wir damal eher als Cronistenpflicht mitgenommen, da gibt es wahrlich so viel interessanters zu entdecken.
    Weiterhin viel Spaß!

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