Archiv für September 2022

Journal Freitag, 9. September 2022 – Absprung in den Uralub

Samstag, 10. September 2022

Letzter Arbeitstag vor Uralub (Sie erinnern sich vielleicht: Nur in dieser Schreibweise wirkt er), irgendwie fühlte sich die Aussicht auf die Tage danach nicht recht nach Aussicht auf Erholung an.

Düsterer Himmel, es wird kühler (zum Glück langsam).

Arbeitsweg ein vorerst letztes Mal über die Gollierstraße, bevor sie um diese Zeit wieder den Schulkindern gehört (im Westend übrigens nur sehr wenige begleitende Eltern).

Ich hatte alles Übergabe-Nötige schon bis Donnerstag so gut abgearbeitet, dass ich mich gestern im Büro ungehetzt nur mit aktuell Hereinkommendem beschäftigen musste.

Zu Mittag gab es die ersten beiden Äpfel aus Ernteanteil (zwei verschiedene Sorten, zwei verschiedene Geschmäcker), Pumpernickel mit Frischkäse sowie Ernteanteil-Tomaten.

Erkenntnis: Eine Eigenschaft, die ich an Kolleg*innen und Führungskräften schätze, die es aber seltsamerweise nie in Stellenanzeigen schafft: Güte. Es ist schön, mit gütigen Menschen zusammenzuarbeiten. (Um einen davon sorge ich mich derzeit ein wenig.)

Kurz vor vier war wirklich alles weggeschafft und abgelegt, ich packte meinen Arbeitsrechner ein (für alle Fälle, vielleicht ist in in vier Wochen nach dem Oktoberfest ja wieder Pandemie) und ging durch Jackentemperatur und unter gemischten Wolken nach Hause.

Daheim erst mal zackiges Programm: Vorteige fürs samstägliche Brotbacken, Zwetschgenkuchen backen.

Jahreszeitlicher Obstkorb.

Dann durfte ich eine Runde Yoga, diese war wohltuend. Und jetzt: WOCHENENDE! URALUB!

Wir stießen darauf mit Martinis an. Nachtmahl war der Ernteanteil-Kopfsalat, Gurke, Paprika mit einem Dressing aus Kirschbalsamico vom Freiburger Ireneus und Walnussöl, ganz ausgezeichnet. Dazu aufgetautes selbstgebackenes Brot, ein Restl Käse, im Glas österreichischer Feinstrick Gemischter Satz. Nachtisch Schokolade, weil Herr Kaltmamsell ganz entschieden darauf hinwies, dass Kuchen (z.B. der frisch gebackene Zwetschgenkuchen) kein Dessert sei. Wir probierten die Kustermann-Pralinen: Gut!

Sehr früh ins Bett, weil sehr müde.

§

Mediengeschichte zum Tod von Queen Elizabeth II.:
“Here is the moment BBC Radio 1 entered The Protocol.”

Chris Stokel-Walker in Wired mit einem Techniknachruf auf die englische Königin:

“Queen Elizabeth II Has Died. Here’s How the Internet Will Remember Her”.

For a 96-year-old representing an institution that dates back centuries, the queen was more tech-savvy than many imagine. Defying stereotypes about women of her age, Elizabeth—through her handlers—was an enthusiastic adherent of technology. She sent her first email when visiting the Royal Signals and Radar Establishment in Malvern, England, in 1976 as part of the early development of Arpanet, the precursor to today’s global internet.

(…)

But in recent years, the queen, whose motto through the royal family was “never complain, never explain,” became more than an early tech adopter. She became a meme, enthusiastically deployed by social media users looking to offer wry commentary on their peers. “The internet loves a little old lady being quirky,” says Idil Galip, who studies memes at the University of Edinburgh and operates the Meme Studies Research Network.

Wie könnte ich jemanden nicht mögen, die diese Gaudi mitmachte?

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https://youtu.be/1AS-dCdYZbo

Und diese?

https://youtu.be/7UfiCa244XE

§

Bitte lassen Sie Ihren elterlichen Unmut über mangelnde digitale Ausstattung an Schulen nicht an Lehrer*innen aus. Lehrer Herr Mess beschreibt eine typische Situation:
“Holpriger Start”.

Journal Donnerstag, 8. September 2022 – Vietnamesisches #Lindwurmessen und die Queen ist tot

Freitag, 9. September 2022

Nachts hatte ich das Schlafzimmerfenster schließen müssen, weil jemand im Park davor mich mit ausdauerndem “HEY!”- und “HALLO!”-Rufen wachhielt.

Düsterer Morgen: Nach zwei Spätsommerabenden draußen im Nachspiel war der Wetterumschwung dann doch da.

Selbe Zeit wie sonst, komplett anderes Licht auf dem Weg in die Arbeit.

Regen setzte erst später ein.

Mühsame Arbeit, es fiel mir schwer, die nötige Energie für den Endspurt vor Urlaub aufzubringen. Ein Vormittag als Aneinanderreihung innerer Rempler.

Mittags machte der Regen eine Pause. Ich ging auf den Markt am Freundorfer-Platz und holte am Gärtnerei-Stand Zwetschgen (der Baum bei meinen Eltern trägt dieses Jahr praktisch keine Früchte), kleine, helle Knuspertrauben (seit @katha_esskultur die so verhassten Traubenkerne vor Jahren als “knusprig” bezeichnete, komme ich damit zurecht, die Macht des framing), eine Paprika, eine Knolle Knoblauch.

Die Trauben wurden gleich mal der Beginn meines Mittagessens, gefolgt von Pumpernickel mit Frischkäse und von Sahnequark mit Joghurt.

Arbeitsreicher Nachmittag, Übergaben.

Schmerzliche Nachricht in der Zeitung: Um Energie zu sparen, ist das Dantebad diesen Winter nicht in Betrieb. Für mich also gar kein Bahnenschwimmen mehr auf absehbare Zeit – oder ich nähere mich dann doch dem Neoprenanzug an.

Auf dem Heimweg holte ich in der Lindwurmstraße etwas ab, bei dieser Gelegenheit schwenkte ich endlich mal in die traditionsreiche Konditorei Kustermann, um deren hausgemachte Pralinen zu testen. Als die Chefin gerade nach meinen Wünschen ein Tütchen füllte, kam ein Mann mit Männerdutt herein und fragte: “Habt ihr irgendwas ohne Zucker?” Ihm wurde freundlich beschieden, dass nur die Frühstücks- und sonstige Speisekarte Speisen ohne Zucker biete.

Daheim frischte ich Sauerteig auf, dann gab’s eine Runde Yoga – allerdings war diese ruhige Folge nicht das Richtige, um mich gestern runterzuholen.

Zum Nachtmahl war ich wieder mit Herrn Kaltmamsell zum #Lindwurmessen verabredet.1 An der Reihe war das vietnamesische Lokal Oanh 65.

Foto vom 24.8.

Der Gastraum war sehr gut besucht, voll fröhlicher Gruppen. Wir teilten uns gemischte Vorspeisen.

Hauptspeise war bei mir eine Noodle Bowl mit Rindfleisch in Wildbetelblättern (herrlich viel Gemüse und Kräuter), bei Herrn Kaltmamsell Com Chay Thap Cam: Im Tontopf gebratene Jakobsmuschel, Garnele, Hühnchen, Rindfleisch in Austernsauce mit knusprigem braunem Reis serviert, mit Gemüse, Zuckererbsen, Thai-Spargel.

Zwischen beiden Gängen erreichte mich die Nachricht vom Tod der britischen Königin Elizabeth II., trotz ihrem sehr langen Leben doch sehr plötzlich. Ich war seltsam berührt, ich kenne kein United Kingdom, keine Welt ohne sie. Die Formulierung wird oft leichtfertig verwendet, doch in diesem Fall trifft sie sicher nicht nur für mich zu: Eine Ära geht zu Ende.

Daheim guckte ich zu Nachtisch Schokolade noch eine Doku über die verstorbene im Fernsehen: Alles vertraute Bilder, sie hatte ein öffentliches Leben gelebt.

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []

Journal Mittwoch, 7. September 2022 – Lebenswege nach dem Abitur, Omas Krautwickel

Donnerstag, 8. September 2022

Nochmal Sandalen an den Füßen: Düstere Wolken am Himmel, doch es war immer noch mild. Kurz vor Ankunft im Büro erwischte mich aber ein Regenduscher.

Es wurde nochmal ein spätsommerlicher Vormittag, den ich nach extra emsigen Stunden für einen Cappuccino-Spaziergang nutzte. Ich testete das Café Gollier, in dem ich eine Siebträgermaschine gesehen hatte: Gut!

Als Mittagessen gab es Pumpernickel mit Frischkäse, Hüttenkäse.

Emsiger Nachmittag, schlechtes Gewissen über vier Wochen Urlaub verstärkt durch die länger werdende Übergabeliste: In vier Wochen passieren halt Dinge.

Nach Feierabend ging ich durch Sonne und Wärme zum Jakobsplatz: Ich war im Stadtcafé mit zwei Mitabiturientinnen verabredet; das Klassentreffen vor einem Jahr und die kürzliche Beerdigung eines Mitschülers hatten uns bewusst gemacht, dass wir seit vielen Jahren in derselben Stadt wohnen (einer der beiden begegne ich hin und wieder auf dem Weg in die Arbeit, der sich mit ihrer Joggingstrecke kreuzt), und hatte jetzt zu dieser Verabredung geführt. Ich erfuhr ein wenig, wie das Leben der beiden seit dem Abitur verlaufen war, wie es den Eltern in Ingolstadt ging, über Baumaßnahmen in Arztpraxen (Spezialgebiet der einen, die auch über Arbeitszeit-Ansprüche von rarem Fachpersonal berichtete), über Abendveranstaltungen des Wirtschaftsreferats und das Munich Urban Colab (die andere arbeitet bei der Stadt).

Über unseren Gesprächen wurde es dunkel auf dem Jakobsplatz. Da mich daheim ein Nachtmahl erwartete, hatte ich nur zwei alkoholfreie Weißbiere getrunken, kam sehr hungrig nach Hause.

Aus den Blättern eines länger zurückliegenden Ernteanteil-Spitzkohls (blanchiert eingefroren) hatte Herr Kaltmamsell Krautwickel zurbereitet. Ich hatte als Wunsch die Beschreibung der Krautwickel meiner polnischem Oma selig vorgegeben (Hackfleischfüllung mit Reis, Tomatensauce, kein Chichi) – und das Resultat kam erstaunlich nah ran.

Die Exemplare meiner Oma waren doppelt so groß, aber das setzt größere Krautblätter voraus, die nunmal nicht da waren. Der Geschmack war so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nachtisch Süßigkeiten.

Wachsende Vorfreude auf knapp drei Wochen San Sebastián, die Ende nächster Woche beginnen. Wenn Sie die Stadt und die Gegend kennen: Was sollte ich auf keinen Fall verpassen?

§

Energiepreise sind steil gestiegen (u.a. durch den Angriff Russlands auf die Ukraine), Lebenshaltungskosten sind steil gestiegen (u.a. durch Lieferkettenprobleme, angestoßen durch Pandemie-Maßnahmen). Die Bundesregierung hat Maßnahmen erarbeitet, die die Belastung der Bevölkerung mildern sollen und die naturgemäß umstritten sind.

@herzbruch nimmt sich freundlicherweise Zeit für präzise Formulierungen über unpräzise offizielle Formulierungen.
“06.09.2022”.

Es ist vollkommen egal, ob man arm oder reich oder in der Mitte ist, wenn die Milch vorher 89 Cent gekostet hat und jetzt 2 Euro, dann ist das doof, und wenn es mit allen Produkten im Einkaufswagen so aussieht, dann ist das ganz besonders doof. Für alle. Nicht nur für arme Menschen. Und deshalb wäre es natürlich schön, wenn alle von dieser Scheiße entlastet werden könnten. Ich möchte spoilern: Draußen ist Krieg, ein Irrer stellt das Gas ab, wir können nicht alle entlasten von der Scheiße. Und nein, es ist nicht die Verantwortung der Bundesregierung, das Problem zu lösen, dass plötzlich 80 Mio Deutsche ganz teure Milch kaufen müssen. Das ist leider einfach Pech. Die Verantwortung der Bundesregierung ist es, das Problem zu lösen, dass Menschen, die vorher schon nur knapp über die Runden gekommen sind, nicht ins Nichts fallen. Das hat aber mit Entlastung nichts zu tun, das ist Rettung. Hieße das Paket Rettungspaket statt Entlastungspaket, dann müssten nicht ALLE Leute in Deutschland das Gefühl haben, dass sie da auch mitmachen wollen, viele Leute müssen nämlich einfach nicht gerettet werden. Rettungspaket ist aber als Wort leider auch irgendwie durch, wir hatten Lufthansa, wir hatten Griechenland, ein Rettungspaket kann man den Deutschen auch nicht mehr guten Gewissens verkaufen.

Journal Dienstag, 6. September 2022 – Griechischer Abend draußen

Mittwoch, 7. September 2022

Eher leichter Schlaf mit mehrfachem Halbaufwachen, dabei hatte ich das Licht wirklich müde ausgeschaltet.

Auf meinem Weg in die Arbeit bemerke ich täglich das Sinken und Kürzerwerden der Sonnenlaufbahn: Mittlerweile schafft ihr Licht es auf meinen ersten hundert Metern gar nicht mehr in die Straße. Und abends verschwindet die Sonne wieder hinterm Klinikgebäude, bevor sie über das Dach des daneben liegenden Forschungsinstituts wandert.

Geschäftiger Vormittag, gestern kein Auswärts-Cappuccino. Mittagessen war der mitgebrachte Kohlrabisalat mit frischem Majoran und Joghurt, ein Laugenzöpferl.

Nachmittags ein seltener Teil meines Jobs: Einsatz als Licht-Double. Erst Stunden später fand ich den passenden Soundtrack (man sollte zu jedem Schlüsselmoment den passenden Soundtrack haben).

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https://youtu.be/yulmgTcGLZw

Auf meinem nachmittäglichen Hofgang merkte ich, wie warm der Tag war.

Auch auf dem feierabendlichen Weg nach Hause war mir mit langen Ärmeln etwas zu warm. Doch die Milde führte zu einem weiteren wundervollen Sommerabend: Daheim stellte ich nur schnell meinen Arbeitsrucksack ab, ich war in der Taverna Melina mit einer Freundin verabredet.

Wir saßen draußen, ich aß Bauernsalat und dann eine Dorade vom Grill, auf die ich mich seit Tagen gefreut hatte, mit Spinat und Selleriepüree. Wieder stellte ich fest, dass in der Taverna Melina deutlich überdurchschnittlich griechisch gekocht wird.

Dazu holte ich mit der Freundin die vergangenen Monate auf, wir hatten uns lange nicht gesehen: Wohnungskauf, Exkursion nach Paris mit jungen Leuten, neue Liebe in der Familie, Trauerfall in der Familie – es war sehr viel passiert.

Da wir den Tisch nur für zwei Stunden bekommen hatten, aber danach noch lange nicht mit Reden fertig waren, zogen wir anschließend im Dunklen um in einen Biergarten ums Ecke, den des Paulaner Bräuhauses. Hätten uns nicht mitten unter der Woche anderntags ein Arbeitsmorgen erwartet, wären wir noch länger gesessen; so aber spazierten wir bald zum Sendlinger Tor.

§

Wenn Sie noch nie von Mariano Fortuny und seinen Delphy-Kleidern gehört haben – macht nichts. Für den Rest ist dieser atemberaubende Twitter-Thread mit vielen, vielen Fotos aus über 100 Jahren.

Journal Montag, 5. September 2022 – Verschwindende Comicläden

Dienstag, 6. September 2022

Ich gönnte mir 20 Minuten späteren Wecker (wegen des späten Zu-Bett-Gehens nach Kino am Vorabend), schon hing der ganze Morgen schief, zumal ich auch noch über den Film bloggen wollte: Herr Kaltmamsell musste sich seinen Milchkaffee selbst angießen, ich übersprang die tägliche Morgengymnastik, bat Herrn Kaltmamsell um Übernahme des Blumengießens.

So schaffte ich aber den Arbeitsantritt zu gewohnter Zeit, und das ist bekanntlich das Wichtigste. Anscheinend.

Erst jetzt gesehen, dass ein weiterer Comicladen Vergangenheit ist, der Comic Dealer in der Gollierstraße.

Im Büro sehr emsiger Vormittag. Mittags ging ich raus in den herrlichen Sonnenschein. In einer Kaffeerösterei hatte ich Cortado im Angebot gesehen: Den bestelle ich in Spanien immer, wenn ich ein dortiges Pendant zum Cappuccino in Italien haben möchte. Hier nicht so: Er war mir deutlich zu stark. Aber ich bekam meinen Spaziergang durchs sonnige, warme Westend. Im Laden eines Geigenbauers testete eine Kundin gerade ein Instrument, ich hörte und sah es durch die offene Tür.

Mittagessen zurück im Büro: Pumpernickel mit Frischkäse, Pfirsiche.

Nachmittags war mal wieder Schwindel-Time, unangenehm. Doch auf dem Heimweg konnte ich den Sonnenschein und die warme Luft genießen.

Zu Hause Maniküre, eine Runde Yoga, Brotzeit für Dienstag geschnippelt (Kohlrabisalat aus Ernteanteil mit frischem Majoran).

Herr Kaltmamsell servierte als Nachtmahl Mafaldine mit Ernteanteil-Zucchini. Nachtisch Apfelkuchen, Schokolade.

Die britischen Tories haben ihre neue Vorsitzende und damit Premierministerin gewählt. Es wird einfach nicht besser. Meine Reisepläne ins einst so geliebte UK in den vergangenen Jahren:
– Erst muss ich Brexit verdauen.
– Erst muss ich Boris Johnson verdauen.
– Erst muss ich die Parlamentswahlen verdauen.
– Erst muss ich Liz Truss verdauen.
Ich fürchte, das dauert noch.

§

Auf instagram schreibt @sinnunverstand “über den Draußentischtennis-Hype in Köln”, und ich dachte: “Ach.” Dann ist das also nicht nur im München so.

Im Park vorm Haus wird seit ein paar Jahren intensiv und viel Tischtennis gespielt. Ich hatte angenommen, das sei so eine Einwanderersache, weil ich dort vor allem sehr bunte Gruppe spielen sah, mit Musikbeschallung, die Rufe zwischen dem Gelächter waren fremdsprachig.

Doch nach diesem Hinweis fallen mir andere Draußentischtennisplatten ein (z.B. zwischen den beiden Teilen des Alten Südfriedhofs), die ebenfalls praktisch durchgehend bespielt werden, von mehrheitsdurchschnittlich aussehenden, eher jungen Menschen.

§

Maximilian Buddenbohm hat am Sonntag unter anderem einen ganz besonderen Schwimmlehrer beobachtet:
“In den Montag”.

Er redet die Kinder ins Wasser und unter Wasser und wieder hinaus, er redet sie vom Startblock hinab und einige sogar vom Einer, er redet auch das Mädchen, das zuerst weint, und das hinterher sehr stolz ist, vom Beckenrand ins Wasser hinein. Er erklärt das Schwimmen und das Tauchen, er kommt selbst ins Becken und macht vor, er springt wunschgemäß mit einem Kind an der Hand und der Kleine strahlt. Er ist, das nehme ich mit, felsenfest überzeugt, dass die Kinder gleich alle können werden, was er ihnen beibringen möchte. Ich bin nach einer Weile sicher, dass das einen großen Teil des Erfolgs erklärt, er ist sich einfach durch und durch sicher, dass sie es alle gleich können werden und er strahlt das aus. Und wie glaubhaft er das ausstrahlt.

Auch in meiner engen Verwandtschaft gibt es liebe Menschen, denen ich derzeit zurufen möchte: “Schwimmst du los!”

Journal Sonntag, 4. September 2022 – Letzter Freibadschwumm und Three Thousand Years of Longing

Montag, 5. September 2022

Ausgeschlafen bis sieben. Der Tag startete sonnig, aber kühl. Nach dem Bloggen las ich die Wochenendzeitung, bis es warm genug für meinen Freibadplan war: Nach gut sechs Wochen wollte ich endlich wieder schwimmen.

Ich radelte durch milde Luft ins Dantebad, dort hoffte ich auf etwas wärmeres Wasser als in anderen energiesparend kühlen Münchner Freibädern. Die Aushänge an den Eingängen informierten lediglich über gesenkte “Mindesttemperatur” in den Becken.

Doch beim Gleiten ins Becken war sofort klar: Das Wasser war sehr kalt, genauso kalt wie im Schyrenbad. Ich kraulte extra schnell los, doch schon nach 500 Metern begann ich zu frieren. Ich biss mich noch durch bis zu 1500 Metern – dann gab ich schlotternd auf. Unter der heißen Innendusche brauchte ich lange, bis ich Finger und Zehen wieder spürte.

Zwar spielte ich mit dem Gedanken, nach gründlichem Aufwärmen in der Sonne für weitere 1000 Meter auf die Schwimmbahn zurückzukehren – aber so macht mir Schwimmen überhaupt keinen Spaß, und warum sollte ich Sport treiben, der mir keinen Spaß bereitet? Ich hatte zwei Menschen im Becken in Neopren gesehen, doch noch ist mir das zu teuer und umständlich. Verzichte ich halt auf Schwimmen bis nach dem Sommer; ich hoffe, dass das Dantebad sein Wasser dann wieder heizt (kostet im Winter ja auch deutlich mehr Eintritt). Und wenn nicht geheizt wird, weil Energiesparen, setze ich mich für Oberkörpertraining halt ans Rudergerät, seufzend.

Dennoch genoss ich die Sonne, vor die sich immer wieder Wolken schoben und in der es dadurch nicht zu heiß wurde. Ich hörte Musik und döste.

Auf dem Rückweg Semmelstopp am Bäcker Wimmer beim Josephsplatz.

Zu Hause Duschen, dann Frühstück um drei mit zwei frischen Körnersemmeln, eine mit Frischkäse und Tomate, eine mit Hühnerlebercreme vom Vorabend. Internetlesen, dann bügelte ich eine Stunde Kleidung weg. Lesen auf dem Balkon, bis Herr Kaltmamsell Abendessen servierte: Aus Ernteanteil gebratene Auberginenscheiben, außerdem Corned Beef (selbst gepökelt und gestern stundenlang gedämpft) mit Pommes aus dem Speisefön. Nachtisch Apfelkuchen.

Zur Abendunterhaltung gingen wir ins Kino.

Der Trailer hatte mich sofort begeistert: Die heutige Geschichte einer älteren Frau und eines Flaschengeists, gespielt von Tilda SWINTON und Idris Elba – das konnte nur großartig werden. Und dann schwärmte auch noch Joël davon: Ich besorgte für gestern Abend Karten für Three Thousand Years of Longing im City-Kino bei uns ums Eck.

Wir sahen einen sehr schönen Film. Er steht in der langen Tradition der Geschichten mit Geist aus der Flasche und drei Wünschen, doch hier haben wir charmanterweise im Mittelpunkt und als Erzählerin eine Expertin für Geschichten, eine akademische narratologist, die sich dieser ihrer Geschichte bewusst ist. Und die in den Verhandlungen mit ihrem Flaschengeist, Dschinn, immer wieder auf die typischen Bestandteile dieser Geschichten hinweist, unter anderem, dass sie immer schlecht ausgehen, dass dem Dschinn nicht zu trauen ist, aber auch, dass er sich vor ihr als Wünscherin mehr in Acht nehmen sollte. Der Dschinn erzählt ihr, wie er in die Flasche geraten ist, die sie in Istanbul gefunden hat, wohin sie zu einer Konferenz gereist ist – und der Wunsch, den sie dann tatsächlich äußert, ist wundervoll daraus hergeleitet. Wie alle solche Geschichten hatte auch diese eine tiefe Bedeutung.

Ich war allein schon deshalb über den Originalton froh, weil Tilda Swinton (immer großartig) diesmal mit verstreutem, aber deutlichem nordenglischen Akzent spielt – vielleicht mochte sie endlich mal eine andere Herkunft spielen als ihre eigene aus der britischen Oberschicht.

Im letzten Teil des Films lachte ich laut auf, als man ihre Figur Alithea auf einer Laptop-Tastatur tippen sieht: Nur mit dem rechten Zeigefinger. Ich hatte vor über 20 Jahren eine promovierte Kollegin, die genau so tippte, für Großbuchstaben nahm sie den linken Zeigefinger zu Hilfe (als ich sie entgeistert fragte, wie sie ihre Doktorarbeit geschrieben habe, erklärte sie: “Auch so.”). Große Pluspunkte: Ich fand die Geschichte zufriedenstellend zu Ende gebracht. Und endlich mal wieder ein Film mit unter zwei Stunden Laufzeit, er dauert nur 100 Minuten. Ich hatte schon befürchtet, das sei Vergangenheit.

Dem Abspann des Films entnahm ich, dass er auf einer Kurzgeschichte von A.S. Byatt basiert – die werde ich suchen, von ihr habe ich eh schon zu lange nichts mehr gelesen (veröffentlichte zu meinen Studienzeiten Possession: A Romance, das viel Wirbel machte).

Mein erster Kinofilm, in dem Corona-Masken getragen wurde, in der U-Bahn, in Hörsälen, ohne dass es Thema war. Und im Abspann wurden die Verantwortlichen für die Corona-Maßnahmen der Dreharbeiten genannt.

Nachtrag: Sehr gut gefällt mir die Rezension des Films von Peter Bradshaw im Guardian (auch wenn er zu meiner Überraschung David Lodge einen “forgotten influence” nennt – ich bin alt): “Three Thousand Years of Longing review – heartfelt Aladdinesque adventure for grownups”. Ebenfalls interessant aber der Verriss des Films von Wendy Ide im selben Blatt: “Three Thousand Years of Longing review – djinn in need of a tonic”.

Auch auf dem kurzen Rückweg war es noch warm genug für Jackenlosigkeit. Nach elf ins Bett, huiuiui!

Journal Samstag, 3. September 2022 – Rückkehr der Migräne, Apelkuchen und Isarlauf

Sonntag, 4. September 2022

Es waren fast zwei schöne, unbeschwerte Jahre, doch in den gestrigen Morgenstunden konnte ich nicht mehr umhin, den unruhigen Schlaf, die bösen Kopfschmerzen, den Klogang mit Gähnen, die leichte Übelkeit als das zu diagnostizieren, was ich seit der Hüft-OP wirklich nicht vermisst hatte: Migräne. Um sieben griff ich also in das Sideboard neben meinem Bett und holte das Triptan-Nasenspray hervor. Bis neun schlief ich die Migräne aus.

Das Draußen war dunkel und kühl, ein paar Mal regnete es leicht.

Den Vormittag verbrachte ich mit Backen von Steyrischem Apfelkuchen – ich hatte ihn auf Twitter bei @croco_dylus gesehen und nach dem Rezept gefragt, dank Herrn Kaltmamsells Familie hatten wir die Quelle, Backvergnügen wie noch nie, sogar im Haus.

Ich fand das Rezept vor allem wegen zwei Besonderheiten spannend:
– ein Knetteig mit recht wenig Butter, dafür Milch
– die Äpfel werden geschält und dann geraspelt, davon erhoffte ich mir zum einen Arbeitsersparnis, zum anderen schnelleres Garen und andere Textur der Füllung

Meine Abwandlungen:
– Die Haselnüsse röstete ich vor dem Hacken, um ihren Geschmack zu intensivieren.
– Ich verwendete Gutebutter statt Margarine; die Backmode Margarine, die hier in vielen Rezepten auftaucht, ist zum Glück passé.
– Die Konsistenz des Teigs nach dem Kneten legte nahe, ihn lieber nicht kalt zu stellen, weil er sonst zu hart geworden wäre.
– Das Teiggitter bestrich ich nicht mit Eigelb, es würde ohnehin aprikotiert.
– Nach dem Aprikotieren ließ ich den Zuckerguss weg, er wäre mir eine Note zu viel gewesen.

Der Teig ließ sich gut verarbeiten, weil er nicht klebte, die Äpfel waren tatsächlich schnell geraspelt und garten trotz kurzer Backzeit durch.

Vor dem Backen.

Jetzt war der Tag hell und trocken geworden. Erst nach zwölf kam ich los zum Laufen an der Isar in der, wie sich später herausstellte, sonnigsten Phase des Samstags. Ich hatte mich lang auf den ersten Lauf seit sieben Wochen gefreut. Licht und Luft waren herrlich, die Temperatur war richtig für Ärmellosigkeit und kurze Hosen, meine Waden ließen mich gut 90 Minuten joggen, getrübt nur durch ein wenig Seitenstechen im letzten Drittel.

Das Wasser am alten Schleusenwärterhäusl war sehr willkommen, ich hatte schon jetzt Durst.

Am Hinterbrühler See. Dass ich wegen nebeneinander fahrenden Radln in die Botanik ausweichen muss, kenne ich nur zu gut. Gestern waren es erstmals zwei nebeneinander berittene Pferde.

Der Ausblick von Pullach aufs Isartal war so dicht zugewachsen wie noch nie; für das Foto musste ich durch die Absperrung schlüpfen.

Ein grauhaarigen Hundegassiführer, den ich überholte, grüßte und rief dann: “Echt fit für Ihr Alter, super!” Tja: Wer deutlich älter aussieht, als sie ist, bekommt halt leichter Komplimente. Wenn auch schräge. (Ich bin seit Teenagertagen gewohnt, für älter bis deutlich älter gehalten zu werden; es stört mich nicht und bewahrt mich davor, verlorenem jugendlichen Aussehen hinterherzutrauern – das wurde mir nie zugeschrieben. Heutzutage bietet man mir halt immer wieder an Ticketschaltern Rentnerermäßigung an. Mit 75 hält man mich dann für 90 – ich werde mich vor Komplimenten für meine Fitness gar nicht mehr retten können.)

Ich hatte Geld eingesteckt, um am Kiosk beim Schleusenwärterhäusl Isarhonig kaufen zu können, doch ein Zettel informierte mich, dass es derzeit keinen gibt.

Schönes Heimradeln durch warme Sonne.

Zu Hause aprikotierte ich den Kuchen. Während das trocknete, duschte ich.

Da es bei meiner ersten Mahlzeit des Tages dreiviertel vier war und es frischen Apfelkuchen gab, nanne ich sie nicht mehr Frühstück, sondern Kuchenessen.

Der steyrische Apfelkuchen schmeckte mir sehr gut, es gab gleich mal drei große Stücke mit Sahne. (Klar war das zu viel, ich aß auch extra schnell, damit die Gier nicht vor dem “ZU VIEL”-Signal versiegte.) Herr Kaltmamsell fremdelte ein wenig mit dem Teiggitter, hätte es lieber flach gehabt.

Der Himmel zog sehr schnell dunkelgrau zu, bald begann Donner zu knurren und zu grollen. Ein Gewitter entlud sich in Regen und Graupel.

Nach dem Regen (gestelltes Foto: Eigentlich liegt auf dem Tisch Zeug rum, und auf dem Fensterbrett steht direkt hinter der Vase etwas.).

Das Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell:

Vorspeise Kohlrabi tonnato nach Ottolenghi, mit dem jungen, zarten Kohlrabi aus Ernteanteil ganz hervorragend.

Tagliatelle mit Hühnerleber als Hauptspeise (gut, aber wirklich nicht fotogen). Auf das Glas Wein dazu verzichtete ich nach der Migräne-Attacke lieber.

§

Wunderschönes Zeitzeugnis: Die BBC ließ in den 1970ern zwei Frauen aus der viktorianischen Zeit erzählen, die sie noch selbst als junge Mädchen und Frauen erlebt hatten. (Dem Akzent zufolge allerdings beide upper class, was natürlich nicht thematisiert wird.)

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https://youtu.be/pv6V1yHvJyo