Journal Sonntag, 23. Oktober 2022 – Äpfelpflücken

Montag, 24. Oktober 2022 um 6:22

Früher Wecker nach kurzer, aber guter Nacht: Ich hatte Herrn Kaltmamsell und mich gestern zum Apfelernten angemeldet. Der Apfelgarten unseres Kartoffelkombinats trägt eine Rekordmenge an Früchten (gestern gelernt: es werden um die 70 Tonnen werden), seit sieben Wochen sind Genossenschaftler*innen aufgefordert, sich samstags und sonntags zum Ernten zu melden, denn die Gärtnereimannschaft schafft das unmöglich.

Die Wettervorhersage hatte einen herrlichen Tag angekündigt, durch meine Verschlafenheit hindurch freute ich mich auf den Einsatz. Ich hatte gerade mal Zeit für Morgenkaffee und Bloggen, das schmutzige Geschirr von der Vorabendeinladung (das Porzellan nicht spülmaschinenfest) ließen wir in der Küche stehen. Fast hätte ich mein Schlafzimmer zum ersten Mal seit Jahrzehnten mit ungemachtem Bett verlassen, dann war aber doch noch Zeit.

Herr Kaltmamsell hatte geschafft, uns Zugtickets und Fahrradtickets zu kaufen (ging erst, als er die neue MVV-App auf seinem Handy installierte). Wir radelten zum Haupbahnhof und nahmen den 9-Uhr-Zug Richtung Donauwörth bis Mammendorf. Bereits im Zug stießen wir auf andere Kartoffelkombinat-Erntehelfer*innen mit Radl.

Kurzer Check am Mammendorfer Bahnhof auf Google Maps, wie wir die letzten drei Kilometer zur Gärtnerei radeln mussten, ein bisschen erinnerte ich mich auch. Als wir uns der Gärtnerei in der Morgenfrische näherten, begrüßte uns künftiger Ernteanteil:

Hallo Schwarzkohl! Hallo Grünkohl!

Vorstand Daniel Überall begrüßte uns, er organisiert mit einem weiteren Kartoffelkombinatler die Apfelernte und verbringt seit Wochen nicht nur die Arbeitswoche mit dem Kartoffelkombinat, sondern auch die Wochenenden draußen in Spielberg. Bis die gestrigen Erntehelfenden beisammen waren, sah ich mich nach Jahren Corona-bedingtem Fernbleiben mal wieder in der Gärtnerei um.

Die Türen der Gewächshäuser standen offen, ich fotografierte rein. Links Feldsalat, rechts Pakchoi.

Links Petersilie, rechts Ruccola.

Viel Liebe für unsere Kartoffelkombinats-Schrift, die bis ins Klo verwendet wird.

Einführung von Daniel zum Apfelgarten und der Rekordernte (und offizielle Eintragung in Liste mit Unterschrift wegen Berufsgenossenschaft – in deren System freiwillige, unentgeltliche Arbeit bei gewerblichen Betrieben nicht vorgesehen ist, es ist kompliziert). Er erklärte auch, warum so viel wie möglich davon in die Ernteanteile kommt: Unser neu zu bauendes Lager, ein schlichter Schuppen, ist erst noch in der Phase des Fundamentaushubs – erst brauchte die zuständige Stelle acht Monate für die Baugenehmigung, dann sind Baufirmen ausgebucht oder können ihre Aufträge wegen reihenweise Ausfällen durch Corona-Erkrankungen nicht ausführen. Zwar hat der Kartoffelkombinat-Vorstand bei einem Spargelbauern ein saisonal leeres Lager zu mieten gefunden, doch Daniel rechnete vor, wie hoch der Zeitaufwand mit unserer personellen und maschinellen Ausstattung ist, die Äpfel zum Einlagern zu bringen – und später zur Verteilung in die Ernteanteile wieder zu holen. Also wird so viel wie möglich (2 Kilo pro Kiste) erntefrisch in die Gemüsekisten verteilt. Und Daniel empfahl uns, beim Pflücken so viele Äpfel wie möglich zu probieren, um die unterschiedlichen Geschmäcker je nach Sorte und selbst nach Lage im Baum kennenzulernen.

Ab in den Apfelgarten. Er gibt dort nur wenige Einzelbäume (Streuobst), schließlich war das schon immer ein kommerzieller Bio-Apfelgarten, der auf einfacheren Anbau und einfachere Ernte ausgelegt wurde (hier die Erklärung in einem YouTube-Film von Obstgärtner Fussi). Am lebenden Beispiel erklärte uns Daniel das Abernten der Bäume: Immer von unten nach oben und von außen nach innen, um möglichst wenige Äpfel zum Fallen zu bringen. Die Sortierung: Äpfel mit Stellen, die sie nicht lagerbar machten, oder Falläpfel kamen als Saftobst in grüne Kisten (dass es keinen vegetarischen Bio-Apfelsaft gibt, wussten Sie aber schon, oder?). Äpfel mit offenen oder faulen Stellen: Liegenlassen für die Schnecken. Die anderen, also Tafeläpfel, legten wir nach dem Pflücken (Stiel knicken oder bei etwas Widerstand drehen und knicken) in spezielle Ernteschürzen, die wir uns umbanden. Wenn diese voll waren: Vorsichtig unten öffnen und in eine der drei großen Holzkisten am Traktor rollen/legen.

Der allergrößte Teil des Apfelgartens war bereits abgeerntet.

Herr Kaltmamsell mit Ernteschürze, vor ihm ein sogenannter Pflückschlitten, auf den man für obere Äpfel steigen konnte. Und so legten wir los.

Einer der ungezählt vielen Äpfel, die ich unterwegs direkt vom Baum aß. Sie schmeckten tatsächlich sehr unterschiedlich, auch von derselben Sorte (gestern vor allem Rewena).

Intensive Assoziationen mit John Irvings Roman The Cider House Rules, in dem Apfelernte in den 1940ern und 50ern im US-Bundesstaat Maine eine große Rolle spielt. Vielleicht auch, weil auch zu diesem Apfelgarten (englisch orchard) Wohnhäuser und ein Maschinenschuppen gehören. Mir fiel unter anderem ein, dass die Pflückerinnen und Pflücker darin nach bushels bezahlt werden, wie das vorsichtige Pflücken mit Drehen und Stielabbrechen geschildert wird.

Es wurde angenehm warm, bald stand ich jacken- und ärmellos in der Plantage. Wir pflückten bis zwei, dann Mittagspause. Organisator Florian hatte Lasagne gemacht, dazu gab es Salat. Ich hatte als Brotzeit Hüttenkäse dabei, nach den vielen Äpfeln reichte mir der. Wir halfen noch ein wenig Räumen, dann verabschiedeten wir uns. Züge zurück nach München gab es um 15.30 Uhr und um 17.30 Uhr, so erwischten wir den früheren und mussten nicht mit unseren Rädern in den Wochenend-Rückreiseverkehr. (S-Bahnen gestern nur bis Pasing, Stammstreckenausbau.)

Abschied von weiterem künftigen Ernteanteil.

Sellerie.

Lauch.

Schon jetzt war der Zug unangenehm voll. Die Fahrradtransportplätze waren alle mit Passagieren besetzt, wir mussten im Türbereich balancieren.

Daheim legte ich mich ein Runde hin und holte Schlaf nach. Eine Runde Yoga, jetzt war ich mit Adrienes “Move” durch.

Zum Nachtmahl gab es Reste: Ensaladilla, Stockfischeintopf, baskischer Käsekuchen.

Das Rezept für Letzteren habe ich hier aufgeschrieben. Darin ein Hinweis, da ich fast zum falschen Produkt gegriffen hätte: Im Regal mit Frischkäse steht mittlerweile oft Frischkäsezubereitung (Mischung z.B. mit Sahnejoghurt), auf der das nur im Kleingedruckten steht – aufpassen!

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Sonntag, 23. Oktober 2022 – Äpfelpflücken“

  1. Doro meint:

    Oh! dieser Schwarzkohl sieht wunderbar aus!! Zum Glück wird der jetzt bei uns häufiger angebaut.
    Das Apfelpflücken erinnert mich ein wenig an die Weinlese die ich vor ein paar Jahren mitgemacht habe, da waren dann allerdings die über 80zig- jährigen die flinksten, ich bin kaum hinterhergekommen. Es macht grossen Spass bei solchen sinnvollen Tätigkeiten dabei zu sein und mit zu helfen.

  2. Croco meint:

    Apfelernte! Was für ein schöner Anlass, das so oft erwähnte Kombinat zu besuchen.
    Und mein Herbsthobby. Wobei unsere Bäume sehr alt und sehr hoch sind.
    Über eine Tonne hatten wir dieses Jahr, Fluch und Segen zugleich. Und es wurden siebenhundert Liter Saft gepresst.
    Aber den Stil drehen wir nie ab. Ich dachte immer, Äpfel mit abbenem Stil faulen schneller. Was ist denn die Begründung für das Abknicken?

  3. die Kaltmamsell meint:

    Die Knickstelle, Croco, ist zwischen Stil und Ast.

  4. Georg meint:

    Gerne gelesen und gesehen. Und wenn die Rede auf den “nicht vegetarischen” Anteil des eigenen Apfelsafts kommt, pflege ich immer zu antworten: “Des macht den Gschmack”.

  5. Croco meint:

    Oha, jetzt hab ich‘s.;)
    Und die Würmer haben auch nur Apfel gegessen, das ist nichts Schlimmes.

  6. FM meint:

    Das Abknicken mag zwar durchaus stilvoll sein, betrifft aber den Apfelstiel ;-)

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