Archiv für Oktober 2022

Journal Dienstag, 18. Oktober 2022 – Mittägliches #Lindwurmessen im Café Regenbogen

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Die erste Schlafphase Montagnacht war wegen Menschenlärms vorm Fenster etwas unruhig gewesen, doch ich gönnte mir zehn Minuten spätere Weckzeit: Geduscht war ich schon vom Vorabend, und ich würde das Rad in die Arbeit nehmen.

Radeln wegen einer Mittagsverabredung, auf dem Arbeitsweg begleitete mich Aurora mit ihrer Morgenröte. Es war ein letzter warmer Tag angekündigt, ich radelte sockenlos in Pumps zur Jeans (wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, trage ich gerne die schönen Schuhe auf, in denen ich nicht allzu flott laufen kann).

Büroblick Richtung Heimeranplatz.

Eigentlich hatte ich allen Grund, einen ruhigen Bürotag zu erwarten, ich plante Planung und Datenbankzeugs. Tatsächlich aber sprang ich im Carré vor lauter Querschüssen, Spontananfragen, Ungeplantem.

Diesmal fand das #Lindwurmessen1 mittags statt, denn das Café Regenbogen der Münchner Aidshilfe ist seit September leider nicht mehr abends geöffnet. Ich radelte jackenlos in herrlicher Sonne um die Theresienwiese (immer noch belegt von Oktoberfest in Abbau) hin.

Der Raum und die Speisekarte sind klassisches (gutes!) Kantinenprogramm.

Ich hatte den Matjes (schmeckte gut, vor allem die frisch gekochten Kartoffeln und die Remoulade mit reichlich frischen Apfelstückchen), Herr Kaltmamsell war mit seinem Hackbraten und Spätzle überaus zufrieden. Dazu eine freundliche und entspannte Atmosphäre, ich mochte auch sehr, dass ich die Leute in der Küche sehen konnte.

Was ich aber schnell merkte: An einem Arbeitstag mittags eine richtige Mahlzeit kann ich nicht mehr. Das herzhafte Essen machte mich müde, mein Bauch war schwer, und beim zackigen Zurückradeln in die Arbeit stieß mir der Matjes auf (die Zwiebeln hatte ich vorsichtshalber fast gesamt zur Seite geschoben).

Aber wie’s halt so ist, wenn ich den Stationen des #Lindwurmessens hinterherrecherchiere, entdeckte ich auch hier Interessantes: Zum Beispiel das monatliche Queer Breakfast mit den Drag Mimosas. Drag zum Frühstück klingt attraktiv abgefahren.

Der Arbeitsnachmittag war nicht mehr ganz so wild, nach und nach schoben sich immer dunklere Wolken über den Himmel. Nach Feierabend radelte ich in die Maxvorstadt, um nochmal etwas abzuholen. Zurück reihte ich mich in die großen Fahrradherden der Rush Hour ein und träumte von einer Stadt, in der die parkenden Autos am Rand gegen Radwege getauscht werden, die Fußwege gleichzeitig verbreitert.

Daheim eine Wiederholung der anstrengenden Yoga-Einheit vom Sonntag, ging schon leichter. Zum Nachtmahl gab es Restl von den Vorabenden (Blumenkohl, Spaghetti), außerdem Apfel, Käse. Nachtisch Quitten-Streusel und Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen.

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []

Journal Montag, 17. Oktober 2022 – Mein Lieblingskuli, Sport im Verein

Dienstag, 18. Oktober 2022

Bei sperrangelweit offenem Fenster in die laue Nacht richtig gut geschlafen, ich kann es noch. Da ein weiterer warmer Tag angekündigt war, ging ich mit nackten Beinen unterm Etuikleidchen in die Arbeit – das war vor Sonnenaufgang doch sehr frisch, aber nicht unangenehm.

Irgendwann ließ ich dann doch die großen Jalousien herunter, weil die Sonne mein Büro sonst zu stark aufheizte.

Der Vormittag voller Besprechung.

Mittags gab es Äpfel, Breze, Mango (nackig schmeckte sie nicht so gut wie mit Joghurt, merken).

Nach einer Woche Zwangspause ist mein Lieblingskuli wieder einsetzbar. Vor Jahren hatte ich ihn auf einer Konferenz als Werbegeschenk der Leibniz-Gemeinschaft bekommen, er besteht hauptsächlich aus Holz und erwies sich als der für mich perfekte Kuli (es ist ganz erstaunlich, wie weit Vorlieben der Menschen bei Kulis auseinanderliegen). Im Jahr drauf bat ich auf der Folgekonferenz um einen weiteren, jetzt habe ich zwei. Während ich sonst recht freigiebig mit meinen Kulis bin (es ist halt alles im Fluss), passe ich auf diese beiden auf wie ein Haftlmacher und fordere sie bei möglichst seltenem Ausleihen hartnäckig zurück.

Als die Tinte des ersten Kulis versiegte, ließ ich mir beim Kaut Bullinger, dem mittlerweile geschlossenen Schreibwaren-Fachhandel am Marienplatz, die No-name-Mine bestimmen (es ist ganz erstaunlich, wie viele Arten Kugelschreiberminen es gibt und wie wenige davon in einen beliebigen Kugelschreiber passen – zunächst hatte ich nämlich einfach versucht, die Minen anderer Werbekulis in meinem Bestand zu verwenden, keine hatte gepasst) und zahlte einen überraschend hohen Preis für diesen Ersatz.

2021 versiegte die Mine des zweiten Leibniz-Holzkulis, vergangene Woche die Nachfüllmine des ersten. Das Ladengeschäft Kaut Bullinger gibt es nicht mehr, doch zum Glück weiß ich dank deren Fachpersonal, nach welcher Mine ich online suchen muss. Meine Bestellung traf am Wochenende ein, der Preis ist pro Mine mit 5,40 Euro immer noch überraschend, aber gestern konnte ich beide Lieblinge wieder startklar machen.

Ich hatte Sportzeug dabei, um den Crosstrainer-Sport von Samstag nachzuholen. Also spazierte ich nach Feierabend in kurzen Ärmeln durch herrlichen Sonnenschein zum Sportverein.

Es hatte sich seit meinem letzten Besuch vor Monaten nichts Grundlegendes geändert, ich fand fast direkt zur Umkleide und von dort mit nur einem Fehlversuch zur Galerie über der Sporthalle mit ihren Sportgeräten.

Unten in der Halle wurde in der Gruppe und auf kleinen Matten eine Art Gymnastik geturnt, wie ich sie nicht kannte (ohne Musik, aber es gab am Anfang Technikprobleme, könnte also unbeabsichtigt gewesen sein); sah für mich nach einer Kombination von Yoga und Pilates aus: keine Wiederholungen, eher Flow und Halten, wirkte ziemlich anstrengend. Daheim sah ich im Trainingsplan: Das war also bodyART. Ich wiederum strampelte zu Musik auf Kopfhörern und hatte eine Stunde lang meinen eigenen Spaß.

Während ich daheim duschte, bekam ich Abendessen gekocht: Herr Kaltmamsell servierte auf meinen Wunsch Spaghetti mit Linsen-Bolognese (sehr gut – aber Bolo ist was Anderes), zum Nachtisch testete er ein Rezept für Quitten-Streusel-Pie (ein Genuss, aber vielleicht nicht das beste Gebäck mit Quitten) und Schokolade.

Im Bett Elizabeth Wetmore, Valentine weitergelesen. Die Gewaltpassagen sind wirklich gerade nichts für mich, aber der Roman ist sehr gut geschrieben und ich möchte wissen, wie die Handlung weitergeht. Also lese ich die schlimmen, bedrohlichen Stücke ganz schnell und mit nur einem Auge.

§

Einen Langstreckenflug nicht als selbsterständlich heutzutage nehmen, sondern als ein Wunder, als ein Ereignis, von dem man Geschichten erzählt. Wie bezeichnend, dass uns das nahezu verloren gegangen ist. Nahezu, denn dann gibt es diese aktuelle Geschichte auf Camp Catatonia:
“Langstreckenflug mit Karibubullen”.

“Stories only happen to those who are able to tell them, someone once said.” laut Paul Auster? Man muss das aber auch wollen und sie erkennen.
Beeindruckbar beiben.

Journal Sonntag, 16. Oktober 2022 – Oktobersommer in Ingolstadt und München

Montag, 17. Oktober 2022

Nach unruhiger Nacht ziemlich verkatert aufgewacht. Aber zu diesem Ausblick auf den Elterngarten.

Das Wetter war herrlich, wie geplant zog ich zu Fuß los: Ich wollte über den hervorragenden Cappuccino im Café District Five zum Hauptbahnhof auf der anderen Seite der Stadt laufen.

Gleich auf dem Weg zum Rathausplatz und Cappuccino machte ich einen Umweg über ein paar hundert Meter Park – der in Ingolstadt dem früheren Festungswall folgt, ein großes Hufeisen, “d’ Glací” (tatsächlich wohl das Glacis).

Eine hervorragende Idee – auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass die Wege bei den Sonntagsspaziergängen meiner Kindheit fast doppelt so breit waren.

Meinen einstigen Radl-Schulweg ins Gymnasium konnte ich nicht nachgehen, weil er durch eine große Baustelle am Landgericht versperrt war. Aber einen Blick aufs Reuchlin-Gymnasium warf ich, an dem ich Abitur gemacht habe: Deutlich stärkere Alma-Mater-Gefühle als für die Uni, auch wenn die alte Fassade aus dem 19. Jahrhundert vor lauter Anbauten fast nicht mehr zu sehen ist.

Durch die Innenstadt vorbei an viel Leerstand, doch die Cafés und ihre Außenbereiche waren rege genutzt. Ich bekam meinen super Cappuccino, las dabei Internet.

Gemütlich weiter zum Hauptbahnhof.

Wie bei meinem letzten Besuch der Innenstadt saß auf dem Steinhaufen in der Donau ein Kormoran.

Was ich noch nie richtig angesehen hatte: Dieses riesige Wandbild im Ingolstädter Hauptbahnhof. Dabei sieht man genau das, was den Aufbau von Ingolstadt so besonders macht: Die Militär- und Festungsbauten – die Schanz.

Ereignislose Bahnfahrt nach München, herrliche Aussichten auf die sonnige, herbstliche Holledau.

Daheim schrieb ich erst mal den Blogpost über Samstag, dann gab’s Frühstück: Apfel, Semmeln – eine davon mit selbstgemachtem cabello de angel. Herr Kaltmamsell war in Spanien sehr davon angetan, recherchierte die Zubereitung und verwendete den Spaghettikürbis des jüngsten Ernteanteils für einen Versuch. Resultat: Das Beste, was man aus einem (sonst eher wässrigen und fad schmeckenden) Spaghettikürbis machen kann, interessant stückig-glasige Konsistenz, durchaus Eigengeschmack.

Das Wetter war immer noch schöner und wärmer geworden. Herr Kaltmamsell hat ja in seinem Sabbatjahr jeden! Sonntag! frei! So gingen wir zusammen raus auf einen Spaziergang zu den Menschenmengen auf dem Alten Südfriedhof und an der Isar.

Selbst für lange Ärmel und Hosen war es zu warm, die Wetter-App zeigte 26 Grad an.

Daheim packte ich das Bügeln an, damit das Zeug weg war, dabei Musik auf den Ohren. Sie wussten das alle wahrscheinlich längst, aber ich entdeckte gestern über den Spotify Familiy Mix, dass es einen superniedlichen Folksong übers Schwimmen gibt.

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https://youtu.be/fuz5TKzaJoE

Eine Runde Yoga (brutal anstrengend, die mache ich sicher nochmal). Zum Nachtmahl verwandelte Herr Kaltmamsell den wunderschönen ersten Ernteanteil-Blumenkohl der Saison in ein duftend-aromatisches Aloo Gobi.

Mit Mango Chutney und ganz hervorragend. Zum Nachtisch ein Restl tarta de queso und viel Schokolade.

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Weiterdenken an Ausgrenzung und Abwertung anderer: Maximilian Buddenbohm fand sich nicht nur in Konkurrenz um eine Metaphernquelle, sondern musste auch durch Schwarzlichtminigolfen durch (gelernt: ja, sowas gibt es).
“Liebe Gemeinde”.

Ich habe dann auch nichts am Schwarzlichtminigolf gemocht (aber natürlich gewonnen, denn man muss, Sie wissen es, stets bemüht bleiben), was für eine absurde Freizeitverschwendung ist das denn. Aber bitte, wenn Ihnen das gefällt, ich bin da liberal und es wird auch seine Fans haben, es ist oft ausgebucht. In einem früheren Kolumnistenleben hätte ich mich darüber lustig gemacht, über den Ort und die Menschen, die es dort mögen, da bin ich mittlerweile rausgewachsen. Das ist billig und falsch, so zu spotten, und ich bereue einige Texte in dieser Richtung. Man wird älter, man lernt, oder man bildet es sich zumindest ein. Gehen Sie ruhig Schwarzlichtminigolfen, es ist okay. Also für Sie zumindest.

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@novemberregen hat von ihrem Neuen Oberchef einfühlsame Formulierungen gelernt und erklärt in einem Twitter-Thread deren Nutzen. Sehr nützlich.

Journal Samstag, 15. Oktober 2022 – Konfrontation mit meiner Chorvergangenheit

Sonntag, 16. Oktober 2022

Wieder erst nachmittags fertiggestellt und gepostet – dafür mit Zusatzerkenntnissen.

Doofe Nacht: Das Kopfweh vom Freitagmorgen kam mit Verstärkung wieder, ich wachte mehrfach auf. (Ziemlich sicher keine Migräne.)

Ein regnerischer und grauer Tag, sowieso angeschwächelt zog es mich nicht zu einem Isarlauf. Morgens packte ich statt dessen, um meinen monatelang ungenutzten Mitgliedbeitrag an den MTV für Crosstrainerstrampeln und Rudermaschine einzusetzen. Doch noch vor dem Umziehen entschied ich, dass es mir zu schlecht dafür ging, und jemand, die sich so gern bewegt wie ich, Bewegungsunlust ernst nehmen sollte. (Das resultierende Versagensgefühl packte ich halt zu den vielen anderen solchen.) Ich legte mich letztendlich ins Bett und schlief nochmal eine gute Stunde (doch Migräne?).

Zum Frühstück schnitt ich (nach Äpfeln und Pumpernickel) den baskischen Käsekuchen an.

Er schmeckte ganz hervorragend, könnte man so lassen. Dennoch werde ich auch ein einfacheres Rezept ohne Crème fraîche testen.

Am frühen Nachmittag packte ich Mitbringsel für meine Eltern ein (süßen Anis, Käsekuchen, galicischen Käse, nachgetragene Geburtstagsgeschenke für meine Mutter) und stieg in den Zug nach Ingolstadt: Mein einstiger Jugendchor, der Jugendkammerchor Ingolstadt (ich sang zwischen 1984 und 1987 mit), feierte sein 40-jähriges Bestehen mit einem Konzert im Festsaal des Stadttheaters und mit anschließender Party. Die Ehemaligen waren zu aktivem Singen eingeladen worden, doch unter anderem jahrzehntelanges Nichtsingen machten mich dafür ungeeignet.

Zu Beginn sang der aktuelle Jugendkammerchor geleitet von Eva-Maria Atzerodt (die zu meiner Chorzeit auch darin sang, Tochter meines gymnasialen Musiklehrers), unter anderem Orlando di Lasso, Clara Schumann, Hugo Distler, Benjamin Britten, alles sehr hörenswert.

Jetzt kam der Ehemaligenchor dran, einstudiert und geleitet von Chorgründer Felix Glombitza. Die farbigen Accessoires bezeichneten die Epoche der Chormitgliedschaft – eine zauberhafte Idee. Das Programm: Ernst Pepping, Gerald Kemner (“Now Shout!” – viele Erinnerungen, das Viech ist schwer), Felix Mendelssohn Bartholdy, vom Chorleiter arrangiertes “Wade in the Water”. Da war ordentlich Dynamik und Schmiss drin, richtig gut und machte Spaß.

130 Sängerinnen und Sänger waren es im dritten Teil mit einmal alles: Rachmaninow, Mendelssohn Bartholdy, Jack Halloran, zum Abschluss Rheinberger (“Abendlied”, eh klar). Das war herrlich voll und laut und schön und herzhaft. Die Bruderfamilie insgesamt mit fünf Sänger*innen am stärksten vertreten – und der Nachname im Programm konsistent falsch geschrieben (alles sollte Korrektur gelesen werden).

Feier gab es wenige Meter weiter im Obergeschoß der VHS, altes Feuerwehrhaus. Viele Stunden Wiedersehen, Wiedererkennen, Fotosgucken, (Essen und Trinken), Gespräche, Hallo! – und zu meiner Überraschung Programm: Gesangseinlagen, ein Quiz. Ich nutzte die Gelegenheit auch für Gespräche mit meinem Bruder und Neffen 1 – Letzterer erlebt gerade in einem Praktikum Berlin, und ich war ungeheuer gespannt, wie es ihm dabei ging (Kurzfassung: sehr gut).

Um Mitternacht war ich eine der ersten, die nicht mehr konnte und das Fest verließ. Ich freute mich sehr über den Fußmarsch zu meinen Eltern in einer jahreszeitlich unpassend milden Nacht. Allerdings reichte er nicht für Runterkommen, völlig überdreht schlief ich nur schwer ein, auch wenn ich vorsichtshalber gar keinen Alkohol getrunken hatte.

Erst am nächsten Tag und bei weiteren Spaziergängen begann ich mit der Verarbeitung all der Wiedersehen vom Vorabend. Und mit sinkendem Herzen wurde mir klar, dass ich zwar nicht in der Schule, aber in meiner Jugendchorzeit klassische jugendliche Ausgrenzungsmechanismen erlebt habe: Bewertungen, Abwertungen, Verurteilungen, Nicht-Mitspielen-Lassen. Und dass ich zu den Täterinnen gehörte, ganz klar zu den Bösen. Das tut mir sehr leid. Hätte ich mal rechtzeitig „with great power comes great responsibility“ gelernt – aber Comics durfte ich ja nicht. (Scherz, ich hätte diesen Hinweis nicht verstanden, schon gar nicht auf mich bezogen.) Dass eine damalige Mitsängerin, zu der ich lang rübersah, um mich endlich an ihren Namen zu erinnern (erfolgreich), nicht zurückguckte, aber immer panischer wurde – das wird mir noch lange nachgehen, geschieht mir recht. Dass es mir erst viel zu spät am nächsten Tag bewusst wurde (in Zwischenmenschlichem bin ich eine erbärmliche Spätcheckerin), ließ die Gelegenheit für eine Besänftigung welcher Art auch immer am eigentlichen Abend ungenutzt bleiben.

§

Margarete Stokowiski ist seit Anfang des Jahres an Long Covid erkrankt. Am Freitag berichtete sie darüber in der Bundespressekonferenz sachlich und gleichzeitig persönlich. Ansehenswert.

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https://youtu.be/wADUEtHedHo?t=788

(Dass sich danach die Hater-Attacken auf Twitter auf sie vervielfachten, erzähle ich nur der Vollständigkeit halber.)

Journal Freitag, 14. Oktober 2022 – Käsekuchenversuche

Samstag, 15. Oktober 2022

Vom Wecker wieder aus tiefem Schlaf gerissen, Vorfreude auf Ausschlafen am Wochenende.

Der Bürovormittag war heftig, doch der Nebel zog ab, und das Herbstlicht schaltete auf Technicolor.

Die Arbeit verlief gestern von heftig nach turbulent, alles außerhalb meines Einflusses – was auch eine Erleichterung sein kann. Böse Kopfschmerzen, die sich zum Glück durch Ibu bändigen ließen.

Zum Mittag gab es die derzeitige Standard-Kombo Ernteanteil-Äpfel und Pumpernickel mit Butter – vielleicht etwas zu viel Äpfel, nachmittags rumpelte es in meinem Bauch.

Nachmittags verschwand auch die Sonne, der Himmel zog zu und ließ ein paar Regentropfen fallen.

Früher Feierabend. Ich verzichtete auf einen Schirm, wurde auf dem Weg nach Hause mit Einkaufsabstecher in Supermarkt und Vollcorner nur ein bisschen feucht.

Zu Hause begann ich meine Versuchsreihe baskischer Käsekuchen mit dem Rezept, das ich lang vor unserem Baskenland-Urlaub aus dem SZ-Magazin rausgerissen hatte – allerdings ausnahmsweise nur als groben Rahmen und von Anfang an mit Abwandlungen (mache ich sonst echt ehrlich nie). Über unseren Liebling vom mercadillo in San Sebastián wusste ich, dass er Idiazábal-Käse enthielt, also ersetzte ich den Käse damit – da Brillat-Savarin ein cremiger Frischkäse ist, Idiazabal aber ein Hartkäse, allerdings nicht komplett (150 Gramm statt 250 Gramm). Da der baskische Käsekuchen, wie wir ihn vor Ort gegessen hatten, immer sehr wenig süß war, halbierte ich die Zuckermenge auf 150 Gramm. Für diese Gesamtmenge erschienen mir sechs Eier zu viel, ich verwendete nur fünf. Im Ofen sah der Kuchen gut aus, jetzt wird spannend, wie er am Samstag schmeckt.
(Nächster Versuch wird dieses Rezept, dessen Zutaten mit denen im Online-Shop des mercadillo-Lieblings identisch sind.)

Nach ein paar Wochen Zwicken und Schmerzen werde ich es wohl zugeben müssen: Meinem Kreuz geht es nicht gut. (Aber hey: Keine Ausfälle, also kann’s ja nicht so schlimm sein.) Die gestrige Runde Yoga tat gut, aber Wunder kann Yoga halt auch nicht wirken.

Ich hatte große Lust auf ein Glas Sekt, also öffneten wir zum Aperitif eine Flasche von Buhl Rosé, der auch sehr gut schmeckte.

Zur Feier des Wochenendes hatte Herr Kaltmamsell Kalbsbäckchen mit viel Gemüse geschmort und servierte sie mit Orecchiette. Ich bereitete aus den Ernteanteil-Tomaten (mit einer zugekauften Ochsenherz-) und Zwiebel (Herr Kaltmamsell hatte wieder eine gefunden, die als “süß” verkauft wurde – auch sie kein Vergleich mit den spanischen) Salat.

Schmeckte alles hervorragend. Dazu ein Glas roten Naturwein: Blaufränkisch von Judith Beck aus dem Burgenland. Nachtisch 1 war Ofenquitte (mit dem Käsekuchen gegart) mit Crème fraîche und Honig.

Nachtisch 2 Schokolade.

Im Bett begann ich nach den doofen Känguru-Chroniken ein neues Buch: Elizabeth Wetmore, Valentine. Mal sehen, ob Mord und böse Menschen im Moment das Richtige sind. Draußen hörte ich Regen.

Journal Donnerstag, 13. Oktober 2022 – Radlhölle quer durch die Stadt

Freitag, 14. Oktober 2022

Die Nacht auf Donnerstag war zu früh vorbei, nach einem Aufwachen um halb fünf schlief ich nicht mehr ein.

Da ich nach der Arbeit entfernter einkaufen wollte, machte ich mein Fahrrad einsatzbereit. Beim Zeitung-Hochholen hatte ich eine Luftpumpe dabei und ging weiter in den Fahrradkeller, füllte Luft nach, stellte das Rad gleich raus.

Diesmal dachte ich endlich daran, auch meinen Fahrradhelm rauszukramen – UND aufzusetzen! Auch an die Warnweste über dem schwarzen Ledermantel dachte ich, in der Dunkelheit war ich schon lang nicht mehr radelnd unterwegs.

Im Büro ein emsiger Vormittag.

Mittags ging ich kurz raus für eine Erledigung, es war weiterhin mild. Mittagessen zurück am Schreibtisch: Mango und Maracuja mit Hüttenkäse.

Das größte Abenteuer gestern: Viel Büromaterial im Katalog zu bestellen (das war zuvor wegen eines anderen Prozesses unnötig gewesen). Schritt 1: Die Recherche, wie all die Sachen offiziell heißen, um sie im Katalog zu finden. (Nein, “Tacker” gibt’s da nicht.) Ein Resultat war der Wunsch, auf Briefumschlägen (aka “Versandtaschen”) möge bitte immer draufstehen, wie sie genau heißen, auf jedem einzelnen, z.B. “C4 weiß ohne Fenster Haftklebung”. Denn einige gewünschte fand ich auch nach längerer Suche nicht im Katalog, weil mir diese Angaben fehlten. Ich sollte mal einen Ausflug zum nahe gelegenen Büromarkt machen und dort einkaufen, dann die Packungsetiketten mit der Bezeichnung aufbewahren.

Nach Feierabend radelte ich unter mittelbedecktem Himmel und in milder Luft zum Ostbahnhof und zu Mittemeer: Einkäufe für ein baskisches Essen in zehn Tagen, außerdem süßen Anis für meine Eltern, auf dass sie ihn mit Schlehen zu Pacharán verarbeiten.

Das Radeln im Münchner Berufsverkehr war die Hölle: Die Verkehrsführung ist weiterhin vor allem Fahrrad-feindlich, und das bei enorm gestiegenem Fahrradverkehr. Am Stress-ärmsten ist für mich Mobilität zu Fuß oder mit Öffentlichen. Jetzt bedauerte ich, dass ich San Sebastián nie geradelt war und nie echte Fahrrad-Infrastruktur ausprobiert hatte.

Daheim eine Runde Yoga, auch die konnte mich nach der Radlaufregung (inklusive Martinhorn lang direkt neben mir – diesmal half es nicht genug, die Ohren fest zuzuhalten, ich musste auch dagegen anbrüllen, bitte um Entschuldigung, werte Umstehende) nicht richtig runterbringen.

Abendessen: Der Ernteanteil hatte den ersten Radicchio der Saison gebracht, einen schönen, großen. Den machte ich mit Balsamico-Thymiandressing an, dann gab es Käse, abschließend aus Spanien mitgebrachte Süßigkeiten.

Ich denke weiter rum an der Arbeitswelt mit jungen Menschen, die andere Ansprüche haben und die jetzt oder in der Homeoffice-geprägten Pandemie ins Arbeitsleben einsteigen. Wobei ich jetzt mal an ganz normale Bürojobs denke, nicht an besondere Jobs für hochqualifizierte und überdurchschnittlich motivierte Menschen (die dazu tendieren, ihre Arbeitssituation und ihr Erleben für repräsentativ zu halten und die Zukunft der Arbeitswelt enstprechend zu bewerten). Zumal in einer Vielzahl von unverzichtbaren Arbeitswelten Diskussionen über New Work ohnehin unmöglich sind, von Einzelhandel über Erziehung und Gebäudereinigung bis Pflege.

Ich sehe in großen Unternehmen/Organisationen auf der einen Seite Betriebsräte, die um Gleitzeit gekämpft haben und darin um eine möglichst optimal definierte Kernzeit: Damit AUSSERHALB dieser Kernzeit niemand von den Mitarbeitenden Verfügbarkeit fordern darf. Und erlebe auf der anderen Seite Neulinge im Erwerbsleben, die sich durch Kernzeit zu Verfügbarkeit gezwungen fühlen, die private Abwesenheiten ganz selbstverständlich jederzeit einschieben.

Was nicht allein ein bürokratischer (und arbeitsrechtlicher) Konflikt ist: Kernzeiten mit verpflichtender Verfügbarkeit/Erreichbarkeit (im Büro oder im Homeoffice) verhindern vor allem in komplexen Projekten aller Themen und mit vielen Beteiligten Ausbremsen – in dieser Zeit sind Absprachen, Anfragen, Nachfragen, Besprechungen am wahrscheinlichsten. Auf der anderen Seite steht das Argument, dass doch egal ist, wann eine Aufgabe erledigt wird, Hauptsache sie ist erledigt.

Ich bin sehr gespannt darauf, wie das in Zukunft ausgehandelt wird, vor allem eben in den ganz normalen Massen-Bürojobs, in denen sich Betriebsräte um solche Themen kümmern (und Betriebsräte habe ich nicht zuletzt nach meinem Agenturleben zu schätzen gelernt, in denen nicht nur jede*r einzelne seine Arbeitszeiten mit dem Arbeitgeber aushandeln musste, inklusive Veränderungen in Krisen, sondern in denen eine Verweigerung überbordender Überstunden nicht vorgesehen war).

§

Wie froh ich bin, dass es solche Menschen gibt – die Menschen ansprechen, deren Schilde an den richtigen Stellen durchlässig sind. Menschen wie Smilla.
“Mann mit Tretroller”.

Journal Mittwoch, 12. Oktober 2022 – Fortsetzung #Lindwurmessen

Donnerstag, 13. Oktober 2022

Wieder gut geschlafen (ein HOCH! auf Hormonersatztherapie!), wieder zu früh vom Wecker rausgerissen worden – an den eigentlichen Traum kann ich mich nicht erinnern, nur daran, dass ich gerne gewusst hätte, wie er weitergeht.

Ich nahm einen kleinen Rollkoffer mit in die Arbeit, um die schönen Quitten von der kollegialen Quittenfee heimtransportieren zu können. Arbeitsweg in herbstlichem leichten Nebel, der sich den ganzen Tag hielt. Kalt war es aber nicht.

Heftiger Arbeitstag, allerdings alles mit Ansage und geplant, kaum Querschüsse.

Mittags gab es wieder Ernteanteil-Äpfelchen und Pumpernickel mit Butter.

Auch am Nachmittag geackert, ein bisschen Zukunft erfahren.

Pünktlicher Feierabend, denn ich hatte einen Termin. Vorher packte ich die Quitten in den Rollkoffer, rumpelsicher geschützt durch ein Badetuch als Zwischenlagen. Damit ging’s durchs Westend zu meinem Termin: Gesichtskosmetik. Fast anderthalb Stunden bekam ich verschiedenste Masken, Dämpfe und Cremes, außerdem wundervolle Massagen, dazwischen Entspannung.

Daheim stellte ich nur die Quitten ab, denn wir nahmen das #Lindwurmessen wieder auf.1 Auf dem Fußweg zur nächsten Station sahen wir, dass in dem bereits abgegessenen Stück Straße die Eröffnung eines neuen Lokals angekündigt wurde – hoho! Was bedeutete das für unser Vorhaben? Wir waren uns schnell einig, das wir neue Lokale an bereits absolvierter Strecke ignorieren würden, sonst drohte eine Endlosschleife.

Plan war ein Essen im Café Regenbogen gewesen, dem Café der Münchner Aidshilfe. Ein Spazier-Check im Sommer hatte ergeben, dass es auch abends geöffnet war – jetzt leider nicht mehr. Wir werden uns dort also mal zum Mittagessen treffen, von meinem Arbeitsplatz aus ist das Café mit dem Fahrrad schnell erreichbar. Gestern Abend zogen wir weiter zum nächsten Lokal. Ich hatte bereits ausgekundschaftet, dass es im folgenden Häuserblock zwischen Häberlstraße und Kapuzinerstraße nichts gab, die nächste Essgelegenheit mit Hinsetzen (unsere groben Kriterien), war die Osteria Il Ritrovo, Eingang in einem Innenhof.

Die Pizzen auf den Nebentischen im kleinen, verwinkelten Lokal sahen sehr gut aus, doch hatte ich keine rechte Lust auf Pizza. Herr Kaltmamsell nahm eine Vorspeise: Vitello tonnato, er war sehr zufrieden. (Das Brot dazu hausgemacht, ich sah von meinem Sitz aus in die Küche und auf das Blech, von dem es kam.)

Dann aß Herr Kaltmamsell Orecchiette mit Pilzen und Lammfilet, ich hatte ein gegrilltes Kalbskotelett mit Pilzen, Gemüse und Salat. Das Fleisch war ganz hervorragend, Gemüse und Pilze liebevoll und gut zubereitet. Wir waren uns einig: ein überdurchschnittlicher Italiener.

Zu Hause noch ein Runde Süßigkeiten zum Nachtisch.

Wie von Fachleuten angekündigt ist die Corona-Herbstwelle eingetroffen, in der Gegend von München durchs Ansteckungs-Event Oktoberfest verstärkt. Fürstenfeldbruck meldete gestern eine Inzidenz von 1463 – da weiterhin die wenigsten einen PCR-Test machen lassen, den einzigen, der in diese Zählung einfließt, liegt sie tatsächlich viel höher.

Das medizinische Personal, schon lange knapp, in den vergangenen drei Jahren noch knapper geworden, wird natürlich auch krank. Ergebnis:

In München will man wirklich, wirklich nicht auf eine Behandlung im Krankenhaus angewiesen sein: Passen Sie auf sich auf, fahren und gehen Sie vorsichtig. (Dass Sie vernünftig geimpft sind, setze ich voraus.)

§

Definitiv kein Journalismus, dennoch vermittelt diese Demo-Berichterstattung mehr Informationen über die jüngste Klimademo von Fridays for Future in Hamburg als so manche journalistische:
“1,5 Grad Abstand”.

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []