Journal Donnerstag, 3. November 2022 – Grüßen, Warmwachs, Menschliches offline und online
Freitag, 4. November 2022 um 6:36Etwas zu lang vor Wecker wachgeworden, ich hätte gerne länger geschlafen.
Ein nebliger Morgen auf dem Weg zur Arbeit.
Ich bin kurz vor einer neuen Gruß-Bekanntschaft auf dem Arbeitsweg. Ein paar Mal kam mir eine Frau entgegen, die ich besonders gern ansah, doch ich konnte ihren Blick nie auffangen. Gestern war ich früher unterwegs und unsere Wege kreuzten sich an anderer Stelle, vermutlich näher an ihrem Zuhause. Vielleicht guckte sie offener, weil sie sich dort noch nachbarschaftlicher fühlte: Wir tauschten ein erstes Lächeln.
Aushäusiges Cappuccino-Trinken in der Mittagspause scheiterte an weiteren Guerillakrieg-ähnlichen Zuständen in der Arbeit, wenn sie auch nicht so schlimm ausuferten wie am Mittwoch.
Mittags mit Pause gab es Apfel sowie Sahnequark mit Zwetschgenröster (was mir übrigens ausgesprochen gut schmeckt).
Nach Feierabend marschierte ich in die Maxvorstadt zu einem kosmetischen Termin: Mich nervt das Beinerasieren genug, dass ich mal wieder für Wachsenthaaren zahlte. Die Angestellte ging sehr hurtig vor – wie ich daheim feststellte, allerdings nicht sehr sorgfältig; von den klebrigen Wachsresten auf meinen Beinen werde ich noch lang etwas haben. Sehnsüchtige Erinnerungen an meine ersten Wachsenthaarungserlebnisse in Spanien, wo nicht nur mit Pinzette nachgearbeitet wurde, sondern man auch alle Wachsreste gründlich entfernte – ich werde beim nächsten Mal einen anderen Anbieter ansteuern.
Zum Nachtmahl war ich mit einem ausgewanderten Freund auf Geschäftsreise in München beim Eritreer ums Eck verabredet. Der Termineintrag “19.15 Uhr im Roten Meer” klang ein bisschen nach Moses, der sich mit seinen Leuten abspricht. Wir verbrachten einen viel zu kurzen Abend mit dem vegetarischen Menü (wieder sehr gut), vor allem aber intensivem Austausch – inklusive nicht nur schönen Nachrichten. Ich kehrte heim mit einem Glas selbstgemachtem Apfelmus (auch in der Mitte Deutschlands war die Ernte überbordend) und einem geliehenen Reiseführer für den Harz.
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Maximilian Buddenbohm beschreibt sehr schön, warum so manche von uns Web-Ureinwohner*innen schon lange von den Entwicklungen des Social Web (wie es heute genannt wird, wir sagten ja noch einfach Internet dazu) abgehängt sind.
Und abgesehen von den großen Deutungen geht es natürlich auch um die Geschichten, wie man was viele Jahre benutzt hat und warum. Einige, so mein Gefühl, und bitte, es ist nicht böse gemeint, haben gar nicht gemerkt, wie wir in den letzten beiden Jahrzehnten älter geworden sind. Aber es ist so, dass unsere Kinder in der Pubertät sind oder schon aus dem Haus. Es ist so, dass unsere Eltern krank sind, pflegebedürftig, dass sie abbauen oder schon gegangen sind. Man konnte diese Thememverschiebung auf Twitter deutlich beobachten. Es ist so, dass wir selbst krank sind oder werden, dass wir auch viel darüber schreiben, dass einige von uns sogar gehen oder schon gegangen sind und spätestens in diesem Jahr fiel es allen auf, dass man auch damit irgendwie umgehen muss und dass, wenn man weit genug voraussieht, der oder die Letzte irgendwann das Licht ausmachen wird, auch in unserem Online-Blasen, wo immer die dann sein werden, in Blogs oder auf Social-Media-Plattformen, an deren Zukunft im Moment allerdings niemand recht zu glauben scheint, und es ist auch egal.
Selbst habe ich das durchaus gemerkt, aber halt einfach so weitergemacht wie bisher: Ins Blog geschrieben, Blogs gelesen, auf Twitter und instagram mitbekommen, wie es Freund*innen und Bekannten gerade geht, was und wo sie so treiben, mir vor allem auf Twitter Hinweise auf interessante Themen und Texte geholt (das war bislang und von Anfang an tatsächlich mein Nachrichtennetzwerk online). Mein Web besteht aus Menschen. Ich biege mir die Möglichkeiten des Internets weiter so hin, dass sie mir das Leben erleichtern, es bereichern, wenn nicht gar verschönern – wer sollte mich daran hindern?
Erst dieser Wochen ist mir zweimal sehr klar geworden, wie weit entfernt diese Web-Nutzung von der allgemein verbreiteten ist: Erst las ich einen Fachtext, der spekulierte, Social-Media-Inhalte würden sich in Zukunft weg von Algorithmen-Empfehlungen hin zu persönlichen entwickeln. Schlagartig merkte ich, wie groß der Mittelteil war, den ich nicht mitbekommen hatte, denn ich hatte schon immer teils große Anstrengungen unternommen, um Algorithmus-Empfehlungen zu unterdrücken. Das zweite Mal war die Bekannte, die mir erzählte, wie wichtig instagram und tiktok für sie seien: Hier bekomme sie Trends mit, und sie wolle doch nicht den Anschluss verlieren. Aha, diesen Zweck konnten Social-Media-Dienste also auch erfüllen. Vielleicht ist es ja doch Zeit für einen neue Begriff, denn “Social” sollen diese Plattformen anscheinend gar nicht mehr sein, also gesellig. Sie sollen seit vielen Jahren nicht etwa Menschen zusammenbringen, Austausch, Kontakt, neue Begegnungen ermöglichen – die Ausnahmen sind ausdrücklich gekennzeichnet, seien es Partnervermittlungs-Plattformen oder Nachbarschaftsnetzwerke.
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Nützliche Erkenntnisse von novemberregen.
Ich habe Frau Herzbruch immer noch nicht verraten, was für Kleidung ich für Prag einpacke. Mal ganz dahingestellt, ob ich mir darüber schon Gedanken gemacht habe, vordergründig eher nicht aber so ein Gehirn tut ja zig Dinge im Hintergrund, ich nehme an, da ist schon irgendwo eine Entscheidungsvorlage, die mir Donnerstagabend nach vorn ins Bewusstsein angereicht wird.
So ähnlich funktioniert mein Hirn auch. Das vermittle ich Herrn Kaltmamsell vor gemeinsamen Unternehmungen, deren Details vermeintlich noch offen sind, gerne mit der vorsichtigen Ankündigung: “Mein Gehirn hat schon wieder Pläne gemacht.” Dann schildere ich die besagte Entscheidungsvorlage, die das Hirn komplett ohne meine Absicht oder aktive Mitwirkung erstellt hat. Manchmal ist das praktisch, oft aber nervt es, weil ich mir dieses “Treibenlassen” so schön vorstelle, das dadurch völlig unmöglich ist. Herr Kaltmamsell versichert mir übrigens, dass sein Gehirn entschieden nicht so funktioniert.
Zudem hat dieses mein Gehirn die These aufgestellt, dass Menschen mit derartigen inneren Abläufen (inklusive 120-seitigem Würfel, lesen Sie gerne den gesamten Blogpost) überdurchschnittlich oft zu Migräne neigen.
die Kaltmamsell7 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 3. November 2022 – Grüßen, Warmwachs, Menschliches offline und online“
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4. November 2022 um 9:02
Ich hatte in den Nullerjahren gefühlt eines der ersten Blogs (inspiriert übrigens durch Luisa Francia, die ich 2006 in irgendeinem Fernsehinterwiew sah und mehr von ihr wissen wollte) – und führte dieses bis etwa in die Mitte der Zehnerjahre hinein als eine Art Tagebuch inklusive Kaffeeklatsch mit einem kleinen Kreis anderer Bloggerinnen aus ganz Deutschland.
Auffälliger Weise lebten (und leben, mit einigen habe ich bis heute sporadisch bis intensiv Kontakt) fast alle im Allgäu oder am Alpenrand bei München, immerhin um die 500 km entfernt.
Irgendwann bemerkte ich an mir, dass ich in meinem Alltag und besonders auf Reisen oder Ausflügen alles quasi durch die Kamera beobachtete und im Geiste mitschrieb, scannend auf “Blogbares”.
Das wurde mir zutiefst zuwider, also änderte ich Haltung und Verhalten rigoros, es fühlt sich bis heute zu fremdbestimmt an.
Ich war nie wirklich bei Twitter und habe mich auch aus den anderen Sachen (Insta, FB, TikTok … ) herausgehalten.
Durch meine erwachsenen Kinder und meine Arbeit bleibe ich nahe dran an den Entwicklungen, um zu wissen, wovon die Rede ist, wie ich das einordnen muss – aber dies überwiegend von Berufs wegen.
Allerdings merke ich zunehmend ein neues Blogbedürfnis an mir. Mal sehen, ob – und wie, verdammich? – ich das Realität werden lasse.
Ich versuche jedenfalls, diesen Mitteilungsdrang meinerseits nicht allzu überbordend in Kommentare zu anderen Blogposts fließen zu lassen, daher bitte ich um Verzeihung ob der Überlänge dieses Kommentars!
4. November 2022 um 12:25
Mein Gehirn arbeitet auch so. Mehrere Gedanken laufen parallel. Für Außenstehende kann das irritierend wirken. Ich gebe meinem Gehirn eine Aufgabe, es arbeitet im Hintergrund und irgendwann spuckt er das Ergebnis aus. Das zu all den Assoziationen, die ich zu allem und zu jedem habe, habe ich immer den Eindruck, mein Gehirn arbeitet am Anschlag. Gibt es mal kein Futter, ist ihm langweilig. Hat es zu viel, schaltet es sich selbst ab: Migräne.
4. November 2022 um 13:13
Von der umsichtig wachsenthaarenden Stube lese ich beizeiten hier, oder?
Wie lange hält das vor?
4. November 2022 um 13:27
Ich lasse meine Beine auch immer mit Wachs enthaaren und kann das New York Beauty Department in Schwabing empfehlen und hier vor allem Katharina. Man kann die gewünschte Kosmetikerin namentlich dazu buchen.
https://www.nybd.de/
Wachsreste bleiben aber auch hier, die ich eigentlich immer ganz gut mit einem Wattepad und etwas Olivenöl wegbekomme.
4. November 2022 um 13:45
Ich berichte, Stadtneurotiker – aber eher als DM.
Schon mal danke für den Tipp, Claudia, kommt auf die Liste.
5. November 2022 um 9:26
Die Kosmetikerin meines Vertrauens verwendet Zuckerpaste. Da haben sich eventuelle Reste nach der ersten Dusche erledigt.
5. November 2022 um 10:43
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Gerne gelesen
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