Aufwachen zu bleiernem Himmel und kümmerlichen Schneeflecken, auch dieser Tag wurde nie wirklich hell. (Aber selbst ich traue mich nicht, bereits im Januar am Winter rumzumeckern, ich sehe die Grenze beim Faschingswochenende. Aber dann.)
Brotbacken, das Schokoladenbrot Sechzig Prozent geht am Backtag angenehm flott. Denn ich hatte Schwimmpläne.
Während Herr Kaltmamsell seine Laufrunde absolvierte (im Sabbathjahr sogar zweimal wöchentlich), beobachtete ich ein Eichhörnchen im Baum vorm Wohnzimmer, das einen trockenen Ast in Splitter zerspleißte.
Hier mit meiner Handy-Kamera eingefangen.
Als Herr Kaltmamsell vom Laufen zurückkam, zückte er seine Spiegelreflex-Superduperkamera.
Mir wurde nicht klar, was das Eichkatzerl mit den Spreißln vorhatte: Das Maul voll nahm es keinewegs mit, sondern stopfte es in die nächstgelegene Astgabel, spang dann davon.
Jetzt waren die Brote fertig gebacken.
Radeln ins Olympiabad war weniger unangenehm als befürchtet: Luft kühl, Boden feucht und nicht rutschig.
Es war nicht so viel los wie Anfang Januar und die Temperatur im Becken erschreckte mich nicht. Frösteln setzte erst ab 1.000 Metern ein, war aber nicht so schlimm, dass ich gelitten hätte. Also kam ich zu meinen 3.000 Metern in guter Zeit, auf meiner Bahn nur wenige Geräteschwimmer
Der Himmel beim Heimradeln drohte dunkel und grau mit heftigem Schnee – doch der trat nicht ein. Frühstück um halb drei war Schokoladenbrot (gut!) mit ein wenig Butter und ein paar Cranberrys, die letzte Crowdfarming-Orange (diesmal haben wir die 10 Kilo in 10 Tagen geschafft), ein paar Mandarinen.
Das Brot war nicht perfekt. Ich hätte es wahrscheinlich im Körbchen länger gehen lassen müssen (Stückgare), hatte aber meiner Wahrnehmung nicht getraut, dass es sich fürs Backen noch zu wenig vergrößert hatte. Um wirklich ein Gefühl für die einzelnen Gärschritte zu bekommen, backe ich dann doch zu selten.
Nachmittags übte ich gerade das neu Erlernte im Lindy Hop mit Herrn Kaltmamsell, als mich wieder Kreislaufturbulenzen mit Schwindel erwischten. Für die Phase Schweißausbruch legte ich ich mich ins Bett, nickte feucht geschwitzt ein wenig ein. Doch als ich danach aufstand, kam gleich die nächste Welle Schwindel und Schweißausbruch, so kurz hintereinander hatte ich das noch nie.
Ich turnte die nächste Folge Yoga in Adrienes 30-Tage-Programm “Center”. Jetzt war mir plötzlich eiskalt, ich schlüpfte in die ganz dicke Hauskleidung. Was sollte das bitte?! Ich war sehr ungehalten. Dann saß ich da in Nickianzug mit dicken Wollpulli drüber, müffelte nach einer Mischung aus Chlor und Schweiß.
Nachtmahl war auf meinen expliziten Wunsch ein Garnelen-Curry mit Kurkuma, Herr Kaltmamsell kombinierte diese beiden Zutaten mit Kokosmilch und roter Paprika, ein wenig frischer Chili, servierte mit Reis. Dazu gab es ein Glas Weißwein Feinstrick Gemischter Satz, danach Schokolade.
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Gabrielle Zevin, Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow ausgelesen, große Empfehlung.
Ein wunderschöner und hervorragend gemachter Roman über Freundschaft und Liebe, auch über die schwierige Abgrenzung und Vermischung von beidem.
Erzählt wird die Geschichte von Sam und Sadie (und Marx). Sie setzt in den frühen 1990ern ein, zeitlich markiert durch Magic-Eye-Plakate und Bücher, vor denen auch ich damals stand (allerdings nie das Bild dahinter sah). Von dort aus gibt es Rückblicke auf die Kindheit, in der sich Sadie und Sam kennenlernten, die fortlaufende Handlung der nächsten 30 Jahre schafft zudem Anlässe, weitere wichtige Ereignisse in der Vergangenheit zu erzählen, zum Beispiel den Tod von Sams Mutter.
Das Setting ist die Welt von Computerspielen, sowohl die der Spieler*innen als auch die der produzierenden Industrie. Mit nichts davon hatte ich je zu tun, mich interessieren Computerspiele schlicht nicht. Ein wenig wusste ich allerdings aus den Erzählungen von Herrn Kaltmamsell: Als ich ihn Anfang der 1990er kennenlernte (es gibt ein Foto von ihm, wie er ein Bild in einem Magic-Eye-Buch anstarrt), ging er noch gezielt in Spielhallen, weil die dortigen Videospiele die fortschrittlichste Computergrafik verwendeten – was sich mit dem Siegeszug der PC-Spiele bald änderte. Solche Sachen weiß ich halt von ihm, er weist mich auch immer wieder darauf hin, wenn ein Kinofilm auf einem Computerspiel basiert. Doch Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow ist so gut erzählt, die Figuren sind so rund und fesselnd, dass man den Roman auch ohne selbst diese Kenntnisse erfassen und genießen kann.
Wir begleiten die drei Hauptfiguren bei der Entwicklung ihrer ersten Computerspiele, die wie auch die späteren ausführlich skizziert werden und den jeweiligen technischen Fortschritt spiegeln. Weil untrennbar damit verbunden, wird auch der Verlauf ihrer Freundschaft erzählt – immer wieder gestört durch Missverständnisse und Streit, die in ihrer Willkürlichkeit an Hindernisse und Aufgaben in Computerspielen erinnern.
Auch erzähltechnisch spielt das Thema des Romans eine große Rolle: Es gibt zwei Kapitel, die aus dem realistischen Erzählen der restlichen Geschichte ausscheren. Eins ist aus der Computerspiel-Perspektive eines Sterbenden geschrieben und versucht sich an einer immersiven Schilderung – allerdings weiterhin nur mit dem Kommunikationsmittel Buchstaben (anders als die immersiven Multimedia-Kunst- und -Museums-Shows, die derzeit populär sind). Das andere vermischt realistisches Erzählen mit fantastischen Elementen, wieder ähnlich einem Computerspiel (oder wie ich es bei der speculative fiction von Ursula Le Guin erlebt habe). In diesem zweiten Beispiel dauert eine menschliche Schwangerschaft halt zwei Jahre, und es tauchen sowohl erfundene Wörter auf als auch werden exisitierende Wörter in neuer Bedeutung verwendet. Oder “Skip!” schneidet langatmige Monologe ab.
Als Leserin hatte ich von einigen Figuren erfahren, wie wichtig es in schwierigen Zeiten ihres Lebens gewesen war, in die Welt eines Spiels zu fliehen. Dieses zweite Kapitel am Ende des Romans stellt sich als solch ein Spiel heraus, ich werde als Leserin mitgenommen – und mich begeisterte, wie das einfach nur mit geschriebenen Wörtern funktionierte (gleichzeitg weit entfernt von Text-Adventure). Im Grunde ist der Roman ein Triumph der Literatur über alle Medien: Er beweist, dass es keine Bilder, Kamerafahrten, Töne und Farben für ein Eintauchen in eine reiche fiktive Welt braucht.
Man muss, da bin ich überzeugt, keine Ahnung von Computerspielen für die Lektüre von Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow haben. Doch der Roman verwendet immer wieder technische, vor allem Computertechnik-Metaphern, um die Welt zu erklären, Menschen und ihre Gefühle. Das sprach mich sehr an, auch ich sortiere meine Wahrnehmungen und Analysen oft durch solche Vergleiche.
Wenn ich überhaupt etwas zu meckern habe an diesem Roman, ist es sein zu geschmeidiges, rundes Ende. Aber das ist nun wirklich mein ganz persönlicher (und wahrscheinlich momentaner) Geschmack.
Für 24. Februar ist bei Eichborn die deutsche Übersetzung von Sonia Bonné angekündigt: Morgen, morgen und wieder morgen.
Herr Kaltmamsell mit Magic Eye in Brighton 1994.
In seiner lesenswerten Besprechung von Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow schildert Tom Bissel in der New York Times das Phänomen des Literary Gamer, “someone for whom reading and playing are, and always have been, the same voyage” – ich glaube, mit so einem bin ich verheiratet:
“How to Design a Beautiful, Cruel Universe”.