Archiv für Januar 2023

Journal Dienstag, 24. Januar 2023 – Werbung fürs Schöffenamt

Mittwoch, 25. Januar 2023

Wenn es irgendwie möglich ist: Bewerben Sie sich bitte für das Schöffenamt.
“Schöffen gesucht – Deutschland fehlen die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter”.

Für Hintergrundinfos Schöffenamt in Bayern empfehle ich die aktuelle Broschüre des Bayerischen Justizministeriums.

Viele Formalien unterscheiden sich je nach Bundesland, hier berichtet eine Hamburger Schöffin über ihre bisherigen vier Jahre Amtszeit, deren Struktur und Bürokratie sich deutlich von meinen unterscheiden. Zum Beispiel bekommen in München neue Schöffinnen und Schöffen eine eintägige Einführung am Gericht, inklusive Besuch eines Gefängnisses. Ich war bis September 2022 als Hilfsschöffin gerufen, bekam also nicht wie jetzt (Hauptschöffin) am Jahresanfang eine Liste mit Sitzungsterminen, sondern wurde bei Ausfall von regulären Schöff*innen eingesetzt; meist zwei bis drei Wochen vorher informiert, zweimal aber auch am Tag selbst angerufen. Seit ich reguläre Schöffin wurde, habe ich deutlich seltener Einsätze: Bis auf einen wurden alle angesetzten Termine bislang abgesagt.

Ich kann die Erfahrung eines Schöffenamts sehr empfehlen: In diesen Jahren habe ich viel über unser Rechtssystem gelernt, habe ganz unterschiedliche Polizisten und Polizistinnen im Zeugenstand erlebt, ganz unterschiedliche Staatsanwält*innen und Strafverteidiger*innen, weiß jetzt unter anderem, was Täter-Opfer-Ausgleich ist, dass es Fußballanwälte gibt. Mir wurde bald klar, wie wichtig diese Gerichtsverhandlungen in Echt sind: Hier macht sich das Gericht in aller Öffentlichkeit ein Bild, was eigentlich passiert ist. Für das Urteil berücksichtigt werden darf nur, was hier zur Sprache kommt, was hier gezeigt und von Richter*innen, Staatsanwaltschaft, Verteidigung gesehen und gehört wird.

Und dann natürlich die menschlich-gesellschaftliche Seite.

Ich habe einen Angeklagten Ende 50 erlebt, der laut Vorstrafenregister sein ganzes Leben mit Kleinkriminalität finanzierte, aber im Gerichtssaal stolz betonte, nie einen Euro staatliche Hilfe beantragt zu haben.

Oder die junge Angeklagte, die die Gründung eines Luxusgeschäfts erfunden hatte, von einer Agentur ein Marketingkonzept dafür erstellen ließ, die Unterschriften namhafter angeblicher Geschäftspartner fälschte, die teure Goodie-Bags für die erfundene Eröffnungsfeier erstellen ließ. Verhandelt wurde, dass sie die hohen Rechnungen dafür nie bezahlte. Die aber von ihrem Schweigerecht als Beschuldigte Gebrauch machte und kein Wort zu dieser ganzes seltsamen Sache sagte – von der sie ja nicht mal profitierte, denn nichts an ihrem Konstrukt existierte. Uns als Gericht war durch ihr Schweigen die Möglichkeit genommen, uns ein Bild von ihr und ihren Beweggründen zu machen.

Dann war da der Angeklagte, der scheinbar aus dem Nichts und aus einem völlig unbescholtenen Leben in langer Serie straffällig wurde, mit gefälschten Fahrscheinen oder ohne durchs Land flog und fuhr, Hotelrechnungen prellte. Diesen Beschuldigten konnten wir befragen und herausfinden, was da passiert war.

Oder die BTM-Prozesse (Betäubungsmittel, also illegale Drogen). Alles junge Leute, und bei der Einschätzung stand im Vordergrund, wie wir als Gericht die Sozialprognose sahen. Ich erlebte unter anderem einen Angeklagten, der in mehreren Monaten U-Haft (Tourist aus dem Ausland, also Fluchtgefahr, plus Verzögerungen durch Pandemie) einen Entzug durchgezogen hatte und sein Leben komplett neu aufgestellt. Ein Pärchen, dass den Eigenkonsum immer mehr mit Dealen verbunden hatte. Einen Mann, der nach dem Erwischtwerden mit Drogen die Polizei unaufgefordert zu seinen Vorräten geführt hatte – er wirkte erleichtert ob der Gelegenheit, mit all dem abzuschließen.

Doch da waren auch die Angeklagten, die sich offensichtlich über dem Gesetz sahen, für die unsere gesellschaftlichen Regeln subjektiv nicht zu gelten schienen. Dann wieder Verhandlungen mit komplett verlorenen Gestalten, auch für ihre Verteidigung nicht erreichbar, mit langen psychologischen Gutachten, langen Vorstrafenregistern, wenig Perspektive.

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Erst Dienstag. Ich werde in den vier Wochen bis Fasching (vier Tage frei am Stück) irgendwo einen freien Tage einbauen müssen.

Draußen dicker Winternebel über sulzigem Schnee.

Ein emsiger Arbeitsvormittag mit kalten Händen und eisiger Nasenspitze.

Zu Mittag gab es Ernteanteil-Äpfelchen, Pumpernickel mit Butter, viele Orangen (noch sieben Stück übrig von den zehn Kilo, ächz). Ich fror und schlüpfte in meinen dicken Janker. (Und hörte durch die geschlossene Bürotür jemanden sagen: “Ich gehe. Mir ist zu kalt.”)

Herr Kaltmamsell meldete sich von der Elternfahrt, verwendete die Begriffe “Pralinenkauf” und “Augenmaß verloren” im selben Satz und machte mich damit glücklich (ich wusste, dass er von den besonders guten aus dem Königsbrunner Café Müller schrieb).

Nach Feierabend Lebensmitteleinkäufe. Daheim nur kurzes Hinsetzen, dann Aufbruch zur dritten Lindy-Hop-Stunde. Der Saal war noch einmal übersichtlicher belegt, ich lernte Neues mit wechselnden Leadern, das ich sicher noch üben muss. Herr Kaltmamsell wollte anschließend daheim mit mir die Schritte durchgehen – und ich merkte, dass ich auf die Füße am wenigsten geachtet hatte, die laufen von allein (sondern auf Führungssignale, Richtungen, Haltung, Abstände).

Er servierte aufgewärmten Wirsingstrudel (mit selbst gemachtem Strudelteig!) und je eine kleine, perfekt reife Crowdfarming-Avocado. Zum Dessert gab es die restliche Orangencreme vom Samstag, außerdem Ergebnisse des Pralinenkaufs.

10 11 Oscar-Nominierungen für Everything Everywhere All at Once, den das hiesige Feuilleton mit achselzuckenden Kurzmeldungen wegbesprochen hatte, HA! Endlich ein Film, der das Multiverse-Konzept sinnstiftend verarbeitete (jede Lebensentscheidung eine mögliche Abzweigung), hier hatte ich nach dem Gucken von dem Film geschwärmt. Und wenn Sie noch mehr Michelle Yeoh fangirlen wollen, hier lang zu “Time 2022 Icon of the year Michelle Yeoh”.

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Von wegen Annie Lennox: Hier einer meiner Lieblinge der Eurythmics – wegen des Texts, der Stimmung und der Stimme von Lennox.

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https://youtu.be/5-DEARoQeqY

Journal Montag, 23. Januar 2023 – Zehn Jahre #Aufschrei

Dienstag, 24. Januar 2023

Eine Stunde zu früh aufgewacht, doch ich schlief nochmal ein.

Alleiniger Morgen (Herr Kaltmamsell fort auf Familienbesuch), ich reaktivierte meine kleine Alu-Cafetera (und hatte am Vortag mit Fern-Hilfe von Herrn Kaltmamsell die Adapter-Platte für den Induktionsherd suchen müssen, die seit Kauf einer Induktions-tauglichen Cafetera unnötig geworden war).

Fußmarsch in die Arbeit in frostiger Lusft und unter bedecktem Himmel. Auf der Theresienwiese ein großer Krähenschwarm, der mal flog, sich dann wieder im Schnee niederließ, dann wieder aufflog und über die mächtigen Peitschenlampen verteilte, alles unter vergnügt klingendem Knarzen, Rasseln und Krähen.

Mittags ein Cappuccino-Ausflug zum Notting Hill, draußen wurde mir durchs stramme Gehen wärmer, als mich im Sitzen im Büro Unterzieh-Shirt, Pulli, Woll-Stola, Schneestiefel halten konnten.

Mittagessen am Schreibtisch: Avocado, Pumpernickel, Orangen.

An diesem düsteren Tag wurde es früh dunkel.

Daheim eine Runde Yoga. Das Abendessen stand auf dem Balkon: Herr Kaltmamsell hatte schon am Freitag aus Ernteanteil-Schwarzkohl und -Kartoffeln mit weißen Bohnen und Wurst einen Eintopf gekocht.

Schmeckte hervorragend und wärmte. Nachtisch Orangencreme und Schokolade.

Als Abendprogramm sah ich mir eine arte-Doku über die wundervolle Musikerin Annie Lennox an. (Dass sie fast 70 ist, konnte ich kaum glauben – und ließ mich sehr alt fühlen.)

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Zehn Jahre ist es her, dass ich morgens den Laptop zu einem #aufschrei öffnete: Menschen, vor allem Frauen berichteten auf Twitter unter diesem Hashtag in 140 Zeichen von sexuellen Belästigungen im privaten und beruflichen Alltag, von sexuellen Misshandlungen, von alltäglichem Sexismus. Eine Aktion, die in der Nacht zum 25. Januar 2013 angestoßen worden war von den Twitterinnen @vonhorst und @marthadear. Was ich damals darüber bloggte, treibt mich bis heute um:
“#Aufschrei – Es geht nicht um mich”.

Es ist viel passiert seither in Sachen Aufmerksamkeit für sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt, selbst das reflexartige Gemaule “aber das kann man ja heute nicht mehr sagen, weil gleich wieder jemand ‘sexuelle Belästigung’ schreit” sehe ich als Symptom dieser Sensibilisierung an. Und hoffe auf mediale Aufmerksamkeit für diesen Jahrestag, auf Resümees und Reflexion.

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Eine halbe Stunde über “The Untold Story of Disco” und seine US-amerikanischen Wurzeln bei “homosexuals, blacks and latins”. (Ich hatte mal wieder keine Ahnung.)

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https://youtu.be/q_c2dCO5WLo

Dass es eine (schwulenfeindliche, rassistische) Anti-Disco-Bewegung gab, war mir ebenfalls völlig neu.

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Als Ausländerin bei der Ausländerbehörde Essen, ein alltäglicher Erfahrungsbericht. Nachtrag: Auch die Drunterkommentare lohnen ein Lesen.

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Eine vor der Landtagswahl in Bayern leider nützliche Warnung auf Donnerhall, der ich mich anschließe:

Ich möchte mich an dieser Stelle einfach schon mal für das kommende Dreivierteljahr entschuldigen. Für Söder und Aiwanger (oh Gott, Aiwanger), für Dobrindt und Scheuer, die schlimme Frau Ludwig (die Abgeordnete für meinen Wahlkreis, ehemals Drogenbeauftragte, die gern, nachdem sie rauchbare Drogen verurteilt hat, beim Brauereiverband auf ein Glas vorbeisah. ) und alles was diese Baggage so sagen und behaupten wird. Sie machen sich ja keine Vorstellung wie schlimm das hier wird.

Wobei ich noch ein Glück habe: Der Abgeordnete für meinen Wahlkreis München Mitte ist der Grüne Ludwig Hartmann, dem wir 2018 mit 44 Prozent das Direktmandat “mit dem landesweit besten Erststimmenergebnis seiner Partei” erwählten. Aber Koalitionspartner der Regierung und Wirtschaftsminister ist halt “Die-Veganer-tun-uns-vielleicht-Insekten-ins-Essen”-Aiwanger.

Journal Sonntag, 22. Januar 2023 – Schnee im Englischen Garten

Montag, 23. Januar 2023

Herr Kaltmamsell hatte sich einen Wecker gestellt, er fuhr am Vormittag für ein paar Tage zu seinen Eltern. Da er bei mir übernachtet hatte, wachte auch ich davon auf, munter und ausgeschlafen.

Draußen war es weiterhin weiß, da wollte ich hin. In Laufklamotten nahm ich eine U-Bahn zum Odeonsplatz und startete im Hofgarten.

Überm Hofgarten und jenseits des Hauses der Kunst flog laut quakend eine Gruppe Gänse, mal hin, dann wieder her – vielleicht auch beim Morgensport.

Schlittenspaß am Monopteros.

Blick vom Monopteros.

Chinesischer Turm.

Es begann ein wenig zu schneien, Winterlaufvergnügen aus dem Bilderbuch.

Föhringer Wehr.

Hinter der Leinthalerbrücke.

Blick vom Föhringer Wehr nach Norden.

Schöner Lauf, der alternde Körper spielte gut mit. Im Englischen Garten war ich schon Jahre nicht mehr bei Schnee gewesen.

An der Haltestelle Tivoli musste ich nur kurz warten, gemütliche Tramfahrt nach Hause. Dort eine unüblich lange heiße Dusche, mir war kalt.

Zum Frühstück kochte ich mir warmes Porridge, aß es mit vielen Orangen und mit Sojajoghurt.

Auch nach dem Essen blieben die Probleme mit der Körperwärme, ich füllte mir erstmals tagsüber eine Wärmflasche. Als ich mich für eine Siesta hinlegte und auch beim Aufwachen meine Füße in zwei Paar Socken kalt waren, machte ich mir Sorgen: Nicht wärmbare Füße sind bei mir bislang das erste Symptom einer Bomben-Erklältung.

Am Samstag hatte ich einen Teil der andalusischen Crowdfarming-Mandeln enthäutet. Jetzt waren sie trocken, ich konnte sie mahlen und daraus Amaretti morbidi nach diesem Rezept machen (statt Amaretto, den ich nicht hatte, verwendete ich Grand Marnier).

Wochenendzeitung gelesen, Roman gelesen. Am späten Nachmittag hatte ich noch Lust auf eine Runde Yoga, ich erwischte eine wunderbar passende Folge mit viel Dehnen.

Zum Abendessen gab’s die restliche Hühnersuppe vom Samstag mit dem Suppengemüse und restlichem Reis – die machte mir mit ihren vielen Pfefferkörnern endlich richtig, durch und durch warm. Und das hielt bis Schlafengehen an. Nachtisch Orangencreme und Schokolade.

Weder wie geplant im Kino gewesen noch gebügelt, selbst für Romanlesen nur eine halbe Stunde gefunden – wo ist dieser Sonntag hin?

Journal Samstag, 21. Januar 2023 – Ich darf kochen: Kurkuma-Cocktail, Hühnerfrikassee, Orangencreme

Sonntag, 22. Januar 2023

Mein Namenstag, übrigens, ich bekam bei meiner Taufe die Heilige Agnes zugeteilt. Schutzpatronin der Jungfrauen und der jungen Mädchen, der Verlobten und der Keuschheit. Seit ich diese Daseinsformen hinter mir gelassen habe, muss ich selbst zurechtkommen.

Gut und ausgeschlafen, zu Schneefall in Morgendämmerung erwacht. Nach dem Morgenkaffee bereitete ich erstmal den Nachtisch fürs Abendessen vor: Englische Orangencreme nach einem Rezept im Guardian. Jetzt ist das Rezept gesichert genug, dass ich es auf meiner Rezepte-Seite festgehalten habe. Der Guardian nennt das Dessert “Panna cotta”, doch meiner Ansicht nach weckt das falsche Erwartungen an glatte Textur.

Dann erst bastelte ich den Blogpost über den Vortag fertig. Schwimmpläne ließ ich fahren: Ich hatte mehr Lust auf gemütliches Einkaufen und Kochen, außerdem keine auf Radeln im und auf Schnee.

Die Sporteinheit des Tages bestand dann aus einer Runde Lindy-Hop-Üben mit Herrn Kaltmamsell (auf Spotify hatte ich im Handumdrehen eine Übungs-Playlist dafür zusammengestellt: ein Stück im gewünschten Tempo als neue Playlist gespeichert, schon bekam ich Empfehlungen, die zu 90 Prozent passten), vor allem die vergangenen Dienstag neu gelernte Figur, deren Ende wir erst mal unseren Füßen zuordnen mussten, damit sie lief. Das diente mir als Warm-up fürs anschließende Rundum-Hanteltraining bei Fitnessblender: Ich probierte alle Übungen mit den neuen 3-Kilo-Hanteln, und da ich mich zwar anstrengen musste, aber die korrekte Ausführung einhalten konnte, zog ich’s durch (Muskelkater garantiert).

Nach Körperpflege eine Einkaufsrunde durchs Glockenbachviertel im sanften Schneefall (nicht sehr kalt, nasse Spuren auf den Wegen).

Der Stephansplatz ist auf beiden Seiten der Stephanstraße seit einiger Zeit nahezu unpassierbar, weil Christbaumsammelstelle.

Kurz nach zwei zum Frühstück Äpfel (Ernteanteil) und Semmeln.

Gestern durfte ja mal ich Herrn Kaltmamsell bekochen – und wurde daran erinnert, wie viel Zeit das kostet (ich bin so dankbar für seine Rundumversorgung!). Zunächst setzte ich die Hühnersuppe auf, die am Ende ein Hühnerfrikassee fürs Abendessen ergeben sollte, und zwar nach diesem Rezept. Ich verwendete für intensiven Geschmack ein echtes Suppenhuhn aus dem Bioladen, dessen sehnigem Körper mit dunklem Fleisch man ansah, wie hart es gearbeitet hatte, zusätzlich zwei Hähnchenschenkel für edleres Fleisch.

Draußen weiter Schneefall. Meine Güte, WIE dekorativ können Schneeflocken eigentlich fallen? Ist das ein Schönheitswettbewerb? Miss Flake 2023?

Der Schnee auf der Brüstung des Küchenbalkons sah aus wie Panko.

Neben dem Kochen las ich Internet.

Das Nachtmahl startete mit einem Cocktail: Ich probierte den marmalade and turmeric cocktail von derselben Guardian-Seite aus.

Vor allem begeisterten mich die rohen Kurkuma-Würfelchen, die schmecken ja großartig! Schon der Duft beim Hacken hatte mich fasziniert. Mal sehen, ob ich Rezepte mit rohem Kurkuma finde, die nicht in erster Linie auf Gesundheit und ewiges Leben zielen.

Das Frikassee (unbedingt mit geformtem Reis zu servieren, das stand fest) wurde gut, wir aßen reichlich. Dazu ein Sauvignon Blanc aus Navarra, von dem ich ein wenig zum Kochen verwendet hatte, nicht sehr interessant.

Die Orangencreme schmeckte hervorragend, kommt ins Standardrepertoire. Danach noch ein Stückchen Schokolade, denn Schokolade schließt bekanntlich den Magen.

§

Frank Rieger schreibt über einen Besuch in der Normandie und viele technische Hintergründe:
“Ingenieurskunst und Krieg: D-Day”.

Journal Freitag, 20. Januar 2023 – Ein Abend im Green Beetle mit Besuch aus dem Internet

Samstag, 21. Januar 2023

Geschäftiger Morgen daheim, während draußen Schneeklocken herabsanken und liegenblieben. (Den Vertipper lasse ich mal, denn jetzt möchte ich, dass es Schneeklocken gibt. Das gestern waren allerdings ziemlich sicher keine. Könnten so diese Brocken Schnee heißen, die sich beim Autofahren am Rand des Kotflügels sammeln?)

Laune unerklärlich grottig, ich hielt mit meiner bescheuerten Mütze gegen, die Passanten dazu bringen sollte, ein wenig zu lächeln. Und mich dadurch aufzumuntern.

Im Büro strukturiertes Abarbeiten, überraschend gestört von saublödem Schwindel – ich fühlte mich wie betrunken (konnte aber klar denken). Das legte sich zum Glück bis Mittag.

Gefühlt war außerdem Donnerstagnachmittag die Heizung abgestellt worden. Irgendwann schlüpfte ich zu Jeans in Schneestiefeln, Rolli unter dickem Wollpulli auch noch in meinen Draußen-Janker, um endlich warme Hände zu bekommen. Zumindest den Janker konnte ich irgendwann ablegen.

Draußen war es hell, die meiste Zeit standen winzige Schneeflocken in der Luft.

Mittagessen: Quark mit Joghurt, vier vorgeschnittene Orangen.

Auch nachmittags gab es noch Arbeit. Ich beendete sie pünktlich, ging über Einkäufe im Vollcorner heim: Samstag darf ich mal wieder für uns kochen, ich hatte mir ein Menü nach Herrn Kaltmamsells Vorlieben überlegt (sonst geht’s ja immer nur um mich), kaufte dafür ein.

Kurzes Plaudern mit Herrn Kaltmamsell, dann machte ich mich fertig für meine Essensverabredung: Frau Brüllen war aus familiären Gründen in München und hatte mir den Freitagabend geschenkt. Wir trafen uns im Green Beetle, dem vegetarischen Fine-Dining-Restaurant des Käfer. Dorthin Fußmarsch in leichtem Schneefall zum Stachus, U-Bahn zum Prinzregentenplatz.

Meine Verabredung saß bereits im schönen Gastraum, und dann begannen ein paar wundervolle Stunden mit großartigen Speisen (nochmal eine deutliche Steigerung zum ersten Besuch vor einem Jahr – und schon da war ich angetan gewesen) und Gesprächen.

Das Menü im Green Beetle ist ein Überraschungsmenü, wir entschieden uns lediglich für eine Anzahl von Gängen (sechs) und verneinten Allergien und große Abneigungen. Das bedeutet allerdings, dass ich nicht genau nachschlagen kann, woraus die Teller genau bestanden, die uns in der Folge großen Genuss bereiteten.

Zwei Grüße aus der Küche, schon mal köstlich. Dazu gab’s gegenüber einen alkoholfreien Ingwer Spritz, bei mir ein Glas österreichischen Winzersekt vom Loimer.

Der umwerfende ersten Gang blieb bis zum Schluss mein Favorit: Sauerrahm-Terrine in einer Johannisbeerhülle, Mandelteigspitze darüber, Tapenade daran, in die Mitte wurde eine Basilikumbrühe gefüllt. Der Kasten darüber enthält frisch gebackenes Sauerteigbrot mit zwei Aufstrichen, das Brot handwerklich sehr gut und mild – wurde uns als Extrabestellung angeboten, sollte man auf keinen Fall verpassen.

Es folgte eine sehr intensive Consomée, darin unter anderem zweierlei Rüben, ein Grießnockerl, ein Schalotten-Chip.

Weiter ging es mit Gnocchi und Kürbis, dabei auch Birne, der Schaum darüber wurde durch Blaukraut so rosa.

Mittlerweile hatte ich mir ein Glas Weißwein empfehlen lassen: Der Pouilly Fumé Elisa Domaine Jonathan Didier Pabiot von der Loire war ein Volltreffer – zum einen wundervoll passend zu den Speisen, zum anderen genau die Art Parfum-freier Wein, die ich derzeit bevorzuge. Großes Gelächter beim Einschenken: Meine Ess-Gefährtin hatte genau diesen Wein bei einem kürzlichen Restaurantbesuch für sich entdeckt und umgehend ein Kistlein gekauft.

Dieser Gang wurde mit Deckel serviert, der erst am Tisch abgenommen wurde: Pochiertes Ei mit Trüffel und Pfifferlingen, darüber ein Knusper, der den Textur-Mix perfekt abrundete.

Sensationelles Himbeer-Sorbet dazwischen.

Als Hauptgang kam die gefürchtete Schwarzwurzel, die ich eigentlich gar nicht mag. Hier war sie als Chip richtig gut (alles wird durch Frittieren köstlich), gedämpft schmeckte sie so neutral, dass ich sie nicht erkannt hätte. Vor allem aber mochte ich die geflämmte Polenta, und der Kerbel-Crumble war ein Hit.

Das Dessert ein weiteres Feuerwerk an Texturen und Aromen: Knuspriges Engelshaar mit unter anderem Fingerlimette drauf und Schokolade drunter, mit Vanillecreme gefüllt, ein Nougateis zum Verlieben, das Zitrussößchen in der Mitte jagte ich bis zum letzten Tröpfchen vom Teller.

Zum Espresso auch noch drei Pralinchen.

Es stellte sich heraus, dass meine Verabredung genauso ungehemmt über jeden servierten Gang begeistert aahte und oohte wie ich – das waren aber auch wirklich Kunstwerke. Gegen elf verabschiedeten wir uns sehr satt (Einmerker für nächstes Mal: lieber nur fünf Gänge) von der bezaubernden Bedienung, gingen durch matschigen Schnee auf den Wegen zur U-Bahn. Bis Odeonsplatz fuhren wir zusammen, dann wieder Abschied – diesmal aber wahrscheinlich nur für wenige Monate.

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Gesundheitsmarketing am Limit: Die “Hüftmanufaktur”.
Wobei – nachdem die hiesige “Brotmanufaktur” einfach eine Bäckerei ist, verbirgt sich hierhinter vielleicht eine Hüfterei?

via @nebengleis

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Es gibt sie noch, Toon-Blog-Urgestein Lisa Neun! (Und der Wechsel-Header ihres Blogs ist immer noch mein liebster Blog-Header.)
Hier ihr Betrag zu “Protest ist ja ok – aber doch nicht so!”:
“Rotzlöffel”.

Journal Donnerstag, 19. Januar 2023 – Mühsamer Tag, aber Schnee

Freitag, 20. Januar 2023

Auch diese Woche zieht sich, ich musste mich morgens mehrfach daran erinnern, dass erst Donnerstag war, nicht schon Freitag. Aber diesmal hatte ich tief und bis Weckerklingeln geschlafen.

Herr Kaltmamsell war früh wach – und rief mich als Erstes zum namibischen Wasserloch: Sechs Giraffen waren gleichzeitig dort. Ein Schakal hielt Abstand.

Der Blick ins heimische Draußen, ohne Webcam und einfach durchs Fenster, überraschte mich ebenfalls: Es hatte geschneit. Nicht viel, aber genug, dass der Fußweg in die Arbeit hübsche Anblicke bot. Und es war kalt genug für Liegenbleiben.

Arbeitsdichter Vormittag. Die Sonne kam raus, mittags ging ich auf einen der letzten richtig guten Cappuccinos zum Emilo, der ja am 31. Janur schließt. Nur dass das Café auch gestern geschlossen war, einfach so und außer der Reihe. Also gab es einen auch guten Cappuccino im Beaver Coffee.

Später am Schreibtisch Mittagessen: Haferflocken mit Joghurt und Trockenfeigen, ein großes Glas vorschnittene Cowdfarming-Orangen (SO super!).

Nach Feierabend marschierte ich zum ersehnten Beine-Enthaaren. Doch die Enthaarerin hatte den Termin versehentlich doppelt vergeben, wir standen zu zweit für 18.05 Uhr vor ihr. Jetzt war’s eh schon wurscht, verärgert verschob ich meinen Termin auf nächste Woche.

Daheim versuchte ich, mit einer Folge Yoga runterzukommen, klappte nur so mittel.

Dafür gab es köstliches Abendessen, das ich genießen konnte.

Herr Kaltmamsell hatte aus eben geholtem Ernteanteil ein Lieblingsessen zubereitet: Sellerieschnitzel mit Majo. Diese gab es zudem mit Cranberrys (von Herrn Kaltmamsell eingekocht), Beilage Wirsinggemüse.

§

Spielen wir doch wieder Blick zurück.

Vor 10 Jahren:

Vor 20 Jahren – passe ich gleich mal, ich finde kein Foto vom Januar 2003.

Vor 30 Jahren, Selbstportrait im schraddligen Hotel in Manhatten ums Eck vom Times Square. Ich hatte die guten Ilford Schwarz-weiß-Filme mitgenommen, sie schienen mir für New York im Januar passend.

Journal Mittwoch, 18. Januar 2023 – #Lindwurmessen bei Pizza Pocci

Donnerstag, 19. Januar 2023

Wieder zu früh aufgewacht, wieder wegen Angstwallungen nicht weiterschlafen können. Diesmal verlegte ich mich aber darauf, dass halbwaches Rumliegen auch Ausruhen ist.

Für den Weg in die Arbeit zog ich mich warm an, es war frostig geworden (dringend nötig, ich glaube an Bäumen Knospen zu sehen, die da im Januar wirklich noch nicht hingehören). Die warme Kleidung war auch fürs Büro genau richtig, selbst wenn hin und wieder Sonnenstrahlen wärmten.

Zu Mittag gab es viele vorgeschnittene Crowdfarming-Orangen (köstlich) und Pumpernickel mit Butter.

Nach Feierabend marschierte ich direkt nach Hause: Ich wollte vor dem #Lindwurmessen1 noch eine Runde Yoga turnen. Das klappte auch.

Fürs Abendessen nahmen wir eine U-Bahn zur Poccistraße. Als nächstes, das wussten wir, waren drei Imbissläden mit Sitzgelegenheit dran (wir hatten als Kriterien für zu besuchende Lokale an der Lindwurmstraße Abendöffnung und Essen im Sitzen festgelegt). Der erste war Pizza Pocci, Zusatzpunkte für die Benamsung.

Ein großer Gastraum mit vielen Tischen, alle leer, beschallt mit türkischen Schlagern (ein YouTube-Mix, ich sah den Bildschirm an der Wand). Hinter der Theke ein einziger Mitarbeiter, auf Tafeln waren Pizzen und Getränke angeschrieben (die außen am Lokal zu lesenden “Burger”, “Köfte”, “Curry”, “Wurst”, “Pasta”, “Salate” waren nur Buchstaben-Deko). Wir bestellten eine Pizza Hawai für Herrn Kaltmamsell, eine mit Spinat, Knoblauch und Feta für mich, der Mann hinter der Theke bereitete sie zu und servierte.

Wir einigten uns auf “unkonventionell” und wurden satt. Während wir aßen, kam jemand vorbei und holte sich eine Mitnehm-Pizza, wir waren also nicht ganz die einzigen Gäste. Spaziergang nach Hause, dort gab’s noch Schokolade.

Ich kramte nach Fotos von vor 20 Jahren und stellte fest, dass es in meinem Bestand zwischen 1996 (die letzten in ein Album geklebten Papierfotos) und 2004 (die jüngsten Bilddateien auf meiner Festplatte) eine Archivierungslücke gibt. Bevor ich mich an die Schachtel mit wenig sortierten Papierfotos mache (in meist beschrifteten Umschlägen, zudem gemischte und freifliegende Stapel), plane ich jetzt die Festplattisierung von selbst gebrannten CDs: Die halten sich ja gefürchtet schlecht.

§

Eine sehr ausführliche, tief recherchierte und interessante Beschreibung der Vorgänge bei Twitter seit April 2022, Ergebnis einer Zusammenarbeit von New York Magazine und The Verge:
“Extremely Hardcore”.

via kl. bruellen

§

Der hoch respektierte Ted Chiang machte sich 2017 Gedanken, warum gerade die erfolgreichsten Unternehmer im Silicon Valley Künstliche Intelligenz als große Gefahr sehen.
“Silicon Valley Is Turning Into Its Own Worst Fear”.

When Silicon Valley tries to imagine superintelligence, what it comes up with is no-holds-barred capitalism.

(…)

There are industry observers talking about the need for AIs to have a sense of ethics, and some have proposed that we ensure that any superintelligent AIs we create be “friendly,” meaning that their goals are aligned with human goals. I find these suggestions ironic given that we as a society have failed to teach corporations a sense of ethics, that we did nothing to ensure that Facebook’s and Amazon’s goals were aligned with the public good. But I shouldn’t be surprised; the question of how to create friendly AI is simply more fun to think about than the problem of industry regulation, just as imagining what you’d do during the zombie apocalypse is more fun than thinking about how to mitigate global warming.

via @chrisstoecker

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []