Journal Freitag, 10. Februar 2023 – Feines #Lindwurmessen im Ederer
Samstag, 11. Februar 2023 um 8:58Unruhige Nacht, ich schob sie auf die aufziehende Erkältung. Die ich innig bat, ihren Komplettausbruch noch 24 Stunden zu verschieben, weil ich abends mit Herrn Kaltmamsell zu feinem Essen verabredet war.
Marsch ins Büro unter weiterhin wolkenlosem Morgenhimmel, auf der Theresienhöhe klopfte wieder der Buntspecht auf den Straßenlaternenschirm.
Arbeitsvormittag mit lästigem Kränkeln, da half alles heiße Ingwerwasser nicht. Doch ich genoss die Wärme, die der Sonnenschein in mein Büro brachte.
Mittags ging ich kurz raus in die Sonne, ein Abstecher zum Briefkasten musste als Anlass reichen. Mittagessen: Äpfelchen, Hüttenkäse, reichlich Blutorangen.
Pünktlicher Feierabend, es war noch hellichter Tag.
Zu Hause war noch Zeit für Yoga und Blumengießen, dann zog ich mich um für meine Abendverabredung zum #Lindwurmessen.1
Ich führte eine neue Seidenbluse aus – deren Kauf natürlich völlig unnötig war, die ich aber so lange in einem offenen Tab immer wieder sehnsüchtig ansah, dass mir die Freude über den Erwerb wichtig genug wurde. Auf dem Foto versuchte ich auch meine liebste Handtasche sichtbar zu machen: Ich besitze nur drei Handtaschen, weil ich nur etwa fünfmal im Jahr für eine Verwendung habe, aber diese mag ich sehr – diese bestickten Handtaschen waren nie wirklich modisch, ich kenne sie aus meiner Kindheit an alten Frauen, habe diese vor Jahrzehnten bei Ebay ersteigert (sie kam mit besticktem Handspiegel und mit Lippenstiftetui), das ist meine armselige Variante von Punk (siehe ganz unten).
Die Lindwurmstraße ist wirklich ideal für unser Projekt: Sie bietet an Gastronomie alles zwischen Schnellimbiss über Wirtshaus bis eben zu einem feinen Restaurant. Gestern hatte ich im Ederer reserviert, wegen feinem Essen an einem Freitagabend, der Zeit und Lust für viele Gänge und Alkohol bot – die mich dort sehr interessierten: Von dem Lokal wusste ich schon lange (Schwerpunkt auf lokalen und saisonalen Zutaten, weniger auf Originalität und Präsentation), es hatte sich irgendwie nie eine Gelegenheit für einen Besuch geboten.
Wir verbrachten einen sehr schönen Abend. Das Lokal hat einen besonderen Charme allein schon durch die Besetzung mit genau zwei Menschen: In der Küche Karl Ederer, der immer wieder in den Gastraum kam und mit (offensichtlich vertrauten) Gästen sprach, im Service eine herzliche Dame, die auf Anstippen bereitwillig Interessantes zu Zutaten und Weinen erzählte (hier werden auch mal Gemsen und Steinböcke verarbeitet!).
Als Aperitif tranken wir frisch gepressten Granatapfelsaft mit Cremant, als wärmenden Gruß aus der Küche gab es ein Tässchen Ingwer-Karotten-Süppchen.
Meine erste Vorspeise war von der Tageskarte Cardé (wilde Artischocke) mit Rindermark überbacken – sehr gut.
Herr Kaltmamsell hatte Ofen-gegarten Knollensellerie mit rauchiger Hollandaise.
Als zweite Vorspeise hatten wir beide die Kuttelsuppe mit Linsen (wenn einem schon mal Kutteln angeboten werden!), eine nachkochenswerte Kombi.
Mein Hauptgang: Fasanenbrust mit Farce im Kohlblatt gebraten – zum ersten Mal bekam ich außerhalb von England Fasan. Die Bedienung verwies darauf, dass es sich um einen Wildfasan aus Jagd handle, vorsichtes Kauen empfohlen (das kenne ich ja von erjagten Hasen – die Schrotkugeln). Er schmeckte hervorragend, und die Schrotkugeln waren natürlich gründlich entfernt worden. Gegenüber hatte Herr Kaltmamsell rosa gebratenen Lammrücken.
Als Wein hatte man uns nach meiner Beschreibung von derzeitigen Vorlieben (weiß, kräftig, eher mineralisch, bitte keine Blumen und Früchte) einen Grauburgunder aus Baden von Ziereisen empfohlen – ein Knaller, der zu jedem Gang weitere Noten entwickelte, wir waren begeistert.
Als Dessert hatten wir wieder beide das Gleiche: Stilton mit Graham-Port getränkt und einer warmen Tarte von süßen Zwiebeln. Ich ließ mir dazu noch einen wunderbar leichten Süßwein von der Nahe einschenken.
Wir hatten sehr gemütlich in dem sich langsam füllenden und für eine Johannes-Leismüller-Ausstellung genutzten Gastraum gespeist und uns unterhalten, erst kurz vor elf spazierten wir durch die nächtlich beißende Kälte nach Hause.
§
Johnny Häusler hat das Schreiben und Versenden seines Spreeblick-Newsletters wiederaufgenommen, das freut mich sehr. Die Lektüre der #44 fand ich besonders schön: Johnny erzählt, warum er Johnny heißt, und er erzählt von seinem ersten musikalischen Auftritt 1979 in seiner Heimat Berlin – ähnelt zum Verwechseln meinem Durchbruch-Versuch als Grundschülerin mit Blockflöte beim Jahreskonzert der Städtischen Sing- und Musikschule Ingolstadt 1973 oder 1974.
Wir waren nicht verprügelt worden, verbuchten unser Debüt also als Erfolg.
Exakt. Genau so.
- Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. [↩]
5 Kommentare zu „Journal Freitag, 10. Februar 2023 – Feines #Lindwurmessen im Ederer“
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11. Februar 2023 um 11:00
Wunderbar, Sie waren beim “Ederer”. Als Innereien-Fan steht dieses Lokal natürlich auf meiner München-Liste. Wenn Ali Güngörmüs über Karl Ederer spricht, kommen ihm sehr oft die Tränen, und man selbst möchte mitweinen.
Und die Ziereisen-Weine aus meiner Geburtsheimat kann ich nur empfehlen – noch sind sie halbwegs erschwinglich.
Es freut mich, dass Sie so einen schönen Lindwurm-Abend hatten.
11. Februar 2023 um 11:34
… Willkommen im Club – die Ziereisen Weine sind phantastisch!
11. Februar 2023 um 18:17
Das wollte ich auch grad schreiben ich liebe Ziereisen auch wenn er schwer zu bekommen ist
11. Februar 2023 um 21:03
Hallo Frau Kaltmamsell, Ihre Beschreibung vom “Green Beetle” vor einigen Wochen hat mich dazu gebracht, mir ein Essen dort zum Geburtstag zu wünschen. Heute wurde der Gutschein eingelöst. Das Essen war toll! Ohne Sie wären wir niederbayerischen Landeier heute niemals in die große Stadt gefahren. Ganz zu schweigen von dem kulinarischen Genuss, der uns entgangen wäre. Danke schön dafür. :)
12. Februar 2023 um 8:35
Das freut mich, Mari!