Journal Mittwoch, 22. Februar 2023 – Zahnrüge
Donnerstag, 23. Februar 2023 um 6:27Zackiger Morgen, denn ich musste früher als sonst los: Jahrestermin bei meiner Zahnärztin inklusive Zahnreinigung.
Ein herrlicher, strahlender Frühlingsmorgen, das Vogelkonzert immer dichter besetzt – allerdings sah ich von der U-Bahn aus nicht viel davon.
Zahnreinigung wie immer unangenehm, zudem holte ich mir diesmal nicht das gewohnte Lob für meine Mund-Hygiene ab, sondern wurde vorsichtig gefragt: “Sie benutzen aber schon Zahnseide?” Ja, täglich – aber anscheinend hat mich die Routine nachlässig gemacht und ich muss mich künftig stärker konzentrieren. Dann fand Frau Doktor auch noch ein Löchlein (und zeigte es mir über Zahnfernsehen), ich musste einen Folgetermin vereinbaren. Ist meine Zeit als berüchtigter Ruin jeder Zahnarztpraxis endgültig vorbei?
Später als gedacht kam ich an meinen Schreibtisch und machte mich über das E-Mail-Postfach her, das nach dem langen Wochenende gut gefüllt war.
Mittags ging ich raus in die herrliche Luft auf einen Cappuccino.
Am Schreibtisch gab zu essen Birchermuesli, Grapefruit, Mandarine.
Auch der Nachmittag voller hochkonzentrierter und eng getakteter Arbeit. Eigentlich war ich mit Herrn Kaltmamsell zum Abschluss unseres #Lindwurmessens verabredet, doch ich fühlte mich erkältungskränklich (bitte nicht wieder von vorn) und erschöpft. Also ging ich lediglich ein wenig Lebensmittel einkaufen und bat Herrn Kaltmamsell um Verabredungsverschiebung.
Statt dessen turnte ich die Abschlussfolge von Adrienes “Center”, in der 30. Folge gibt es keine Ansagen und Adriene ermutigt uns Mitturnerinnen, selbst eine Abfolge zusammenzustellen. Diesmal schaffte ich es zum ersten Mal das wirklich zu tun, die Bewegungen und Haltungen aneinanderzureihen, nach denen mir gerade war, sie so lange und so oft zu wiederholen, wie mir war – zumal Adrienes Zusammenstellung, die ich aus dem Augenwinkel auf dem Fernsehbildschirm sah, sehr schnell, zackig und eher wie ein Cardio-Traininig wirkte. Insgesamt war mir das diesjährige 30-Tage-Programm zu fad und zu wenig anregend, vermutlich bin ich über dieses Anfänger-Level hinaus.
Zum Abendessem war ja noch Linsen-Sellerie-Kartoffel-Eintopf da, außerdem hatte sich Herr Kaltmamsell an Hefeblätterteig versucht (Tierdoku-Sprecherstimme: “Doch das war kein Hefeblätterteig.”), und Schokolade gibt es immer.
Ich lese weiterhin gefesselt Franz Schiermeier, Beate Bidjanbeg (Hrsg.), Ludwigvorstadt. Reiseführer für Münchner von 2022, tief recherchiert, reich mit historischen Ansichten und Fotos bebildert, die Infos reichen bis ins Veröffentlichungsjahr. Was ich schon alles über mein Wohnviertel gelernt habe! Zum Beispiel dass das hier im 19. Jahrhundert das Münchner Künstlerviertel war, ein Atelier am anderen, dazwischen Künstlerwohnungen (die Schwanthalerstraße, einst Lerchenstraße, heißt heute so, weil Ludwig Schwanthaler, der mit der Bavaria, daran sein Atelier und Wohnhaus hatte). Dass hier der Schauplatz der bayerischen Revolution war, die zur Räterepublik führte. Oder über die Sonnenbaulehre von Christoph Faust, nach der die Sonnenstraße benannt ist (die dort aber nicht umgesetzt wurde).
Traurig macht mich nur, dass ich dieses spannende neue Wissen nicht an Besucher werde weitergeben können: Praktisch nichts von der vergangenen Herrlichkeit steht noch, das südliche Bahnhofsviertel war das im 2. Weltkrieg durch Bomben am schlimmsten zerstörte in München, zu 80 bis 90 Prozent. Und “hier war mal”, “schon Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde hier” oder “vor dem 2. Weltkrieg hätte man hier sehen können” ist bei Stadtspaziergängen erfahrungsgemäß nicht spannend. Aber dass mein Lieblings-Süpermarket Verdi dort steht, wo in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert das berühmteste Künstlerzentrum Schwabenburg war, gegründet vom Kunstmaler Anton Braith und seinem Lebenspartner Christian Mali, werde ich ab jetzt bei jedem Einkauf dort mitdenken. Und zumindest beim Besichtigen des Deutschen Theaters kann ich darauf hinweisen, dass hier 1918 der Bund sozialistischer Frauen gegründet wurde und 1918/19 der Münchner Arbeiterrat tagte.
Sehr früh sehr müde gewesen (Coronatest negativ, mir war danach).
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 22. Februar 2023 – Zahnrüge“
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23. Februar 2023 um 6:50
Ich habe ja eine ganze Stadtführung im Programm (mit Bilderordner und so), die Unsichtbares München heißt und in der vorwiegend verschwundene Dinge besichtigt werden, unter anderem ein Elefant. Die kommt prima an, das Buch werde ich gleich mal in der Bibliothek bestellen. Einen fantasiebegabten Menschen ficht die bloße Abwesenheit von Gebäuden – oder Elefanten – nicht an.
Das diesjährige Adriene-Programm fand ich als wirkliche Anfängerin auch eher lasch, aber es ist das erste, das ich ganz durchgezogen habe, juhu. Jetzt mach ich auf Empfehlung einer Freundin mit der DownDog-App weiter, die alle möglichen Anpassungen bereit hält. Gelegentlich schiebe ich dann doch Adriene ein, weil sie halt sehr gut erklärt, auf Form hinweist und motiviert, aber die App scheint mir gut gemacht.
23. Februar 2023 um 8:18
So eine Bilderordner-basierte Stadtführung, Sabine, habe ich mal in Madrid zum spanischen Bürgerkrieg gemacht (Tablet statt Ordner) – aber da waren zumindest Straßenzüge und Gebäudekomplexe noch nachvollziehbar. Die unsichtbare Ludwigvorstadt könnte ich auch in meinem Wohnzimmer zeigen.
23. Februar 2023 um 10:48
So begegnen mit die Herren Braith und Mali wieder. Sie waren neben anderen Münchner Künstlern die heiße Leidenschaft meines Kunstlehrers. So wurde ich tatsächlich in Kunst ausgebildet an Kuh- und Schafsgemälden.
In Herrn crocos Heimat gibt es ein Museum der beiden, das Braith-Mali-Museum.
Dass sie ein Paar waren, ließ mein Kunstlehrer leider weg.
23. Februar 2023 um 12:08
Wie sich wieder alles zusammenfügt, Croco: DAS waren also die Kuhmaler, von denen du mal erzähltest, als ich beim Wandern höchst malerisch drappierte Rindviecher fotografierte. Und im Biberacher Museum steht jetzt das ehemals Münchner Atelier der beiden – wie schön.