Journal Sonntag, 12. Februar 2023 – Erkältungssonntag
Montag, 13. Februar 2023 um 6:34Gute Nacht, trotz Rotz (ah, dieses verheißungsvolle Knistern in den Nebenhöhlen, wenn das Nasespray die Schleimhäute abschwellen lässt und endlich wieder Atemluft durchkommt!). Aber am Morgen halt die verschnupfte Benommenheit wie von einem großen Glas Rotwein, bloß minus Genuss.
Das Draußen versuchte sich in melancholischer Vernebelung, das muss auch München mal üben.
Hier sieht man ein wenig die Auslichtung des Nußbaumparks durch extremen Beschnitt der Büsche, man kann jetzt von jeder Seite durch den ganzen Park sehen. Was wohl genau die Absicht war: “Wie die Abteilung Gartenbau im Baureferat bestätigt, erfolgte die Auslichtung nicht nur aus gärtnerischen Gründen besonders gründlich, sondern auch, um durch freiere Sicht das Sicherheitsgefühl der Parkbesucher zu erhöhen.”
Mein Gesundheitszustand wies mit einem bunten Strauß an Symptomen darauf hin, dass Sport nicht in Frage kam, selbst beim Gedanken an ein wenig Hanteltraining zogen die Bronchien bereits die Augenbrauen hoch. (Ja wie, dann machen Sie sich ihre Metaphern halt selber.) Ich versuchte mich also in Gammeln und Tändeln.
Nach dem Aufstehen hatte ich noch geplant, die zwölf Fotos für Teilnahme an #12von12 zusammenzubekommen, doch das war gestern ein echter Krankheitstag, mit Arbeits- und damit auch Vergnügensunfähigkeit.
Nach gründlicher Überlegung für künftiges Reiben von Nüssen, Mandeln, Schokolade auf dem Gebrauchtmarkt die Trommelreibe für unsere Kenwood-Küchenmaschine bestellt: Sie sieht schnell montier- und waschbar aus, nicht umständlicher als meine anstrengende Handreibe.
Warum lese ich über sowas nie launige Elternkolumnen?
Zeit, endlich diese schon länger eingemerkte Doku auf arte anzugucken:
“Sisters with Transistors: Die verkannten Heldinnen der der elektronischen Musik”.
Große Empfehlung – so viele schillernde Künstlerinnen, und was sie aus Elektronik rausgeholt haben!
Nach einer Dusche fühlte ich mich bereit für ein wenig Draußen und ging Semmelholen.
Frühstück um zwei also Semmeln (die Butter, die ich Donnerstag am Käsestand auf dem Markt gekauft hatte, schmeckte hervorragend) und Buchweizenkuchen. Das war zu viel, ich brauchte ein wenig Siesta.
Inzwischen schien die Sonne und wärmte das Wohnzimmer, ich las in Zoë Becks Das alte Kind. Gegen fünf wollte ich aber doch noch ein wenig Frischluft und spazierte mit Herrn Kaltmamsell entlang seiner Laufstrecke um die Theresienwiese.
Über den Tag schneuzte ich eine Schneise in die deutsche Papiertaschentuchindustrie. Am späten Nachmittag hatte ich Lust auf Yoga und turnte nochmal die Dehn-lastige Folge vom Samstag.
Als Abendbrot gab es Saucenreste vom Samstag und das übrige Kartoffelpü, Nachtisch Vanillepudding und Schokolade.
Menschen sind ja doch rätselhaft, das ist durchaus schön. Auch bei Kommentarversuchen hier. Wer zum ersten Mal in diesem Blog kommentieren möchte, muss erst von mir freigeschaltet werden. Und wenn da eine ihren Kommentar abschließt mit: “Aber das werden Sie ja eh nicht veröffentlichen, weil Sie andere Meinungen nicht gelten lassen.” Dann ist mir durchaus klar, dass das in erste Linie ein Angriff auf mich sein soll. Aber könnte es sein, dass die Kommentarversucherin gleichzeitig annimmt, sie erhöhte die Chance auf ein Gespräch oder ein Freischalten damit? Dann würde mich der Gedankengang dahin interessieren.
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Johannes Franzen (der das Pech hat, dass sein Name dem des Romanautors Jonathan Franzen ähnelt, weswegen ich immer erst mal stutze) schrieb schon vor zwei Jahren in der Zeit über:
“Das Ende vom Buch”.
Tatsächliches Thema ist die sich ändernde Definition von Allgemeinbildung.
Diese Unsicherheit ist die Folge einer Demokratisierung der gültigen Allgemeinbildung. Es reicht heute nicht mehr, sich das stabile Wissen der Gruppe anzueignen, die über kulturelle Hegemonie verfügt; es gibt viele verschiedenen Vorstellungen davon, was Allgemeinwissen eigentlich umfassen sollte – und sie alle kämpfen um Aufmerksamkeit. Dazu gehört auch eine Explosion des kulturellen Kanons: Man muss sich eben nicht mehr nur mit Büchern oder Theater auskennen, sondern auch mit Filmen, Serien, Games; nicht mehr nur mit klassischer Musik, sondern mit Pop, Rap, Elektro. Und es reicht auch nicht mehr, die Geschichte und Gegenwart des mitteleuropäischen und anglo-amerikanischen Raumes zu kennen. Das Wissen, das man besitzen sollte, hat sich in den letzten Jahrzehnten fragmentarisiert, globalisiert und damit vor allem vervielfacht.
Auch ich finde “Bücher als intellektuelle Nutztiere und Statusobjekte” traurig – und möchte sie lieber als Bereicherung, Unterhaltung, Spielzeug: “intellektueller Hedonismus”.
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Apropos: Hier eine völlig wahnsinnige Büchergeschichte. Madeline Kripke sammelte in ihrer Wohnung (und ein paar Lagern) in Manhattan Wörterbücher, viele, viele, viele – Fachleute, die mit ihr und ihrer Sammlung zu tun hatten, erkannten, “it’s better than what’s in the Bodleian and the NYPL combined”. Kripke liebte vor allem Wörterbücher, die sich auf vulgäre Wörter spezialisierten.
Her business card read “Madeline Kripke” and identified her as a book collector. On the back, it said, “Lexicunt.”
2020 starb sie mit 76 überraschend an COVID-19. Über ihre unfassbare Sammlung und was nach ihrem Tod daraus wurde, schreibt Heidi Landecker hier:
“The Mistress of Slang”.
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Wunderschöner Thread auf Twitter: “Portraits famous photographers have taken of their partners”.
via @fragmente
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 12. Februar 2023 – Erkältungssonntag“
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13. Februar 2023 um 16:13
Danke für “The Mistress of Slang” – Es gibt so unglaublich faszinierende Menschen in dieser Welt und besonders in New York City.
13. Februar 2023 um 18:26
Die Gedankengänge der potentiellen Kommentatorin sind …. unergründlich. Genau wie das “NIX DARF MAN MEHR SAGEN”-Geplärre, das man überall lesen/hören muss.
14. Februar 2023 um 7:48
Auch von mir Danke für “The Mistress of Slang”! Mir fiel sofort “The Dictionary of Lost Words” von Pip Williams ein, falls Sie das noch nicht kennen. Es geht um die Entstehung des Oxford English Dictionary und eine Frau, die Wörter sammelt, die es nicht ins Dictionary schaffen. Ein sehr schönes, melancholisches Buch.
14. Februar 2023 um 9:09
Metapherfeuerwerk! Danke dafür, und gute Besserung