Journal Mittwoch, 29. März 2023 – Die Zukunft, vor der uns die Drogenaufklärung in der Schule gewarnt hatte

Donnerstag, 30. März 2023 um 7:47

Früher Wecker, ich musste ans G’richt. Dazu ging ich nach Morgenkaffee zu Fuß zum Justizzentrum, nahm die etwas weitere, aber schönere Strecke über die Hackerbrücke.

In der Verhandlung erlebte ich zum ersten Mal, dass die Richterin uns Schöffen darum bat, die Handys im Richterzimmer zu lassen. Die Strafsache selbst betraf zwei Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz: Drogis nach Jahrzehnten Abusus, genau die Zukunft, vor der man meine Generation in den 80ern in der schulischen Drogenaufklärung gewarnt hatte.

Ich erlebte eine sehr konstruktive Staatsanwaltschaft, eine geschickte Verteidigung und einen Ausgang der Verhandlung, der mich mit dem Gefühl entließ, der Gesellschaft einen Dienst erwiesen zu haben. Interessante Wörter: entzügig (“Sonst wird man entzügig.”), Beigebrauch (illegaler Drogenkonsum neben der Substitutionstherapie), und die Substitutionsmedikamente heißen tatsächlich Compensan und Substitol.

Nach zwei Stunden waren wir fertig, ich spazierte Richtung Josephsplatz, um im San Lucas frisch gemahlene Espressobohnen zu kaufen und bei dieser Gelegenheit mal den Cappuccino dort auszuprobieren. Doch der Laden machte erst in einer Weile um 12 Uhr auf. Also setzte ich mich ins Café nebenan und bestellte einen großen Cappuccino. Er schmeckte wie ein riesiger Espresso macchiato, ich bekam nach dem zweiten Schluck Herzrasen.

Ich las Zeitung (das gedruckte Exemplar hatte trotz Abbestellung wieder im Briefkasten gesteckt), bis San Lucas öffnete, besorgte dann auch gleich Frühstückssemmeln.

Weiterspaziert Richtung Sendlinger Tor, immer den Weg einschlagend, den ich am längsten nicht mehr gegangen war.

Zum Beispiel am Denkmal für die Alte Hauptsynagoge vorbei, die im Juni 1938 auf den direkten Befehl Hitlers hin innerhalb weniger Tage abgebrochen wurde. (Idee: Wenn jetzt eh alle Kaufhäuser nach und nach dichtgemacht werden – könnte man hier doch wieder eine Synagoge hinbauen? Tempel statt Konsumtempel? Die liberale jüdische Gemeinde in München hat zum Beispiel noch keine.)

Ziel meines Wegs war am Sendlinger Tor die Apotheke, die in den vergangenen Monaten mit Corona-Impf geworben hatte und bei der vor einigen Wochen Herr Kaltmamsell umstandslos seine fünfte Dosis gekommen hatte. Also Corona-Impf 5 sieben Monate nach Infektion, laut Apothekerin bekam ich die aktuellste Variante Impfstoff.

Daheim Frühstück um halb zwei: Körner-Semmeln und Blutorangen. Gemütlicher Nachmittag mit Zeitung- und Romanlesen.

Als Yoga-Gymnastik suchte ich mir eine Folge Mady Morrison aus: Halbes Stündchen Kräftigung, allerdings ging gestern mit Balance gar nichts.

Fürs Nachtmahl erfüllte mir Herr Kaltmamsell wieder einen Wunsch: Aus dem Gethsemane-Klosterkochbuch eine Vollkorn-Lasagne mit Grünkernschrot-Bolognese.

Ganz hervorragend, Hackfleisch hat in der Bolo hiermit ausgespielt (wir fanden ja schon Soja-Hack super). Und die Vollkornnudeln, zu denen ich den Koch ein wenig überreden musste, störten überhaupt nicht. Nachtisch reichlich Schokolade.

die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 29. März 2023 – Die Zukunft, vor der uns die Drogenaufklärung in der Schule gewarnt hatte“

  1. Glumm meint:

    Was hast du denn in dem Fall der Gesellschaft für einen Dienst erwiesen? Junkies gehören eher selten in den Knast, nur für den Fall, dass du davon noch nicht gehört hast. Es ist einfach Pech, einer Droge verfallen zu sein, die irgendwer für illegal erklärt hat, während man sich lustig an jeder Strassenecke mit der legalen Variante Alkohol totsaufen kann. Wäre Schnaps illegal, würde eine Flasche Wodka auf dem Schwarzmarkt 100 EUR kosten statt 10 und du wüsstest nie, was alles so beigemischt wird zwecks Profitoptimierung. Was glaubst du, wieviel Trinker ab morgen wegen Ladendiebstahl im Knast landeten und allmählich verendeten. Diese Arroganz den Heroinsüchtigen gegenüber macht mich immer noch fassungslos. Seid froh, dass die Sucht euch nicht erreicht hat, und belasst es dabei.

  2. Beate meint:

    Frau Kaltmamsell schrieb nicht über Knast, oder?

    Aber ich wurde abgelenkt: Werte Frau Kaltmamsell, wissen Sie, welcher Impfstoff das genau war? Ich habe die vierte Impfung Anfang Oktober 2022 bekommen, mit dem damals aktuellen.

    Vielen Dank auch für den Reisebericht. Es ist erschreckend, wie sehr der Wald “ausgedünnt” ist. 2016 im Herbst war es bei weitem noch nicht so schlimm.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Ich stimme dir zu 100 Prozent zu, Glumm, und konnte das umsetzen, das Gericht war sich einig.

    Es war laut Klebezettelchen Comirnaty Omicron BA.4-5, Beate.

  4. Kuchenschwarte meint:

    (micdrop.)

  5. Sebastian meint:

    Bin für “Wieder was gelernt” im Kommentaromat, oder auch nur “Was gelernt”

    Eine der vielen guten Dinge an der Vorspeisenplatte ist, dass die Kommentare die Beiträge oft bereichern, hier grad jede(r) und alle zusammen. Wo gibt’s denn sowas noch im Freien Internet.

  6. Glumm meint:

    Hab eindeutig an der falschen Stelle losgepoltert. Sorry.

  7. die Kaltmamsell meint:

    Es hat sich wirklich viel verändert, Glumm. Der Abschlusssatz eines der beiden Angeklagten war: „Danke fürs Zuhören.“

  8. Glumm meint:

    Schön. Haha. Sehr schön.

  9. Wibke meint:

    Sehe das wie Sie, Frau Kaltmamsell, das Hack in der Bolo hat keine Berechtigung mehr. Wir haben für uns eine großartige Variante mit roten Linsen entdeckt.

  10. Sigrid meint:

    Grünkernbolognese werde ich auch gerne noch testen. Vor kurzem habe ich Walnussbolo mit Pilzen ausprobiert, bisher mein Favorit, Geschmack und Biss am besten.

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