Archiv für März 2023

Journal Donnerstag, 16. März 2023 – Geburtstagsbesuch in Ingolstadt

Freitag, 17. März 2023

Nacht deutlich besser, ich wachte nur eine knappe Stunde zu früh auf – bei ohnehin früher gestelltem Wecker, ich wollte das Morgensport-Modell vom Vortag wiederholen.

Das klappte auch, um halb sieben war es an diesem klaren Morgen hell genug, dass ich meine Runde Yoga-Gymnastik ohne künstliches Licht turnen konnte.

Umständehalber radelte ich in die Arbeit: In Abwesenheit von Herrn Kaltmamsell war ich für die Abholung des Ernteanteils zuständig, ein Anschlusstermin (wie wir das in meiner Berufswelt nennen) erforderte dafür Tempo.

Die Sonne wärmte mein Büro, über einen emsigem Vormittag schaffte ich einiges weg, erledigte Gespräche, terminierte weitere. Wenn ich das Fahrrad schon dabei hatte, nutzte ich es mittags für eine Cappuccino-Empfehlung am Goetheplatz.

Heimeliges kleines Café, Cappuccino in Ordnung, ernsthafte Jazz-Beschallung.

Zurück am Schreibtisch Mittagessen zwischen Erledigungen: Etwas Blaukraut-Kimchi von Herrn Kaltmamsell (sehr gut!), restliche Linsen vom Vorabend, zwei wunderbare Tarocco-Orangen.

Unruhiger Nachmittag mit viel Belastendem, aber ich kriege halt Geld dafür, das mir spaßige Dinge ermöglicht.

Sehr pünktlicher Feierabend. Im Sonnenschein radelte ich zum Abholen des Ernteanteils (so sieht der diese Woche aus – allerdings war in unserer Kiste Asiasalat statt Mangold – bei mittlerweile versorgten 2.000 Haushalten kommte es immer wieder vor, dass ein geerntetes Gemüse nicht für alle reicht).

Daheim nur kurzes Verräumen, dann spazierte ich zum Bahnhof: Ich fuhr nach Ingolstadt, um mit meinem Vater seinen Geburtstag zu feiern.

Unterwegs in der Schwanthalerstraße ein wegges Haus fotografiert.

In diesem verschwunden Hotel Ecke Goethestraße hatte ich vor 20 Jahren mal eine Veranstaltung organisiert. Die Schwanthalerstraße verändert sich gerade durch ein paar große Neubauten – die Süddeutsche fasste zusammen (€):
“Wie eine Münchner Straße gerade ihr Schmuddel-Image verliert”.
(Bitte nicht ganz, ich bin immer froh, wenn ich München-Besucher*innen ein wenig Schmuddel präsentieren kann.)

Weil er beim Umbau des Hauptbahnhofs entfernt werden soll, bekomme ich schon heute beim Anblick des Grundig-Schriftzugs nostalgische Gefühle.

Ereignislose Fahrt durch den sinkenden Abend, ich las liegengebliebene Zeitungen auf. Meine Eltern holten mich vom Nordbahnhof ab, wir fuhren nach Gaimersheim, wo in einem italienischen Lokal bereits der größte Teil der Bruderfamilie auf uns wartete. Geplauder über Antipasti für alle, als Hauptspeise mit Spinat gefüllte Nudeltaschen für mich. Abschied von der Bruderfamilie mit: “Wir sehen uns in Madrid.”

Am Nordbahnhof stellte sich heraus, dass mein Zug zurück nach München gehörig verspätet eintreffen würde, ich marschierte einmal in die Innenstadt und zurück (dauert vom Nordbahnhof aus insgesamt 20 Minuten). Der Leerstand in der Fußgängerzone hat sich auf die großen Geschäfte ausgeweitet und wirkt immer grusliger, in der nächtlichen Verlassenheit nahm ein Auto einfach in mittlerem Tempo die Strecke längs durch die Ludwigstraße – gab ja keine Fußgänger, die gefährdet werden konnten.

Ich kam erst spät ins Bett.

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Solche Threads darüber, wenn in der Landwirschaft mal richtig was schiefläuft (also konkret, nicht grundsätzlich), würde ich gerne auch auf Deutsch lesen. In diesem Fall richteten schlechte Schließen an Viehgattern großen Schaden an.

Journal Mittwoch, 15. März 2023 – Zahnrenovierung

Donnerstag, 16. März 2023

Der Tag begann so.

Die Nacht war überraschend schlecht verlaufen: Zum ersten Mal seit Start Hormontherapie konnte ich nach einem Klogang um halb zwei nicht mehr einschlafen, aus jedem Sinken in den Schlaf rissen mich Angst und Sorgen (überhaupt nichts Ernsthaftes) wieder hoch. Ich gab irgendwann auf, zog mich warm an und las im Wohnzimmer mein aktuelles Buch aus. Danach ging’s irgendwann, das Loch wird ca. anderthalb Stunden lang gewesen sein.

Abweichen vom gewohnten Morgenablauf: Ich hatte den Wecker etwas früher gestellt, um das etwas spätere Verlassen des Hauses für eine Runde Yoga-Gymnastik zu nutzen. Außerdem konnte ich so Herrn Kaltmamsell Milchkaffee servieren: Er brach sehr früh zu einer mehrtägigen Fortbildung auf. Die Yoga-Gymnastik tat sehr gut.

Mein erster Weg führte mich mit der U-Bahn (im dichten Berufsverkehr geschätzte fünf Prozent der Fahrgäste mit FFP2-Masken) zur Münchner Freiheit: Termin bei meiner Zahnärztin, den ich nicht nur wie vereinbart zum Füllen eines kleinen Lochs nutzte, sondern auch zur Komplettierung eines in der Vorwoche abgebrochenen Backenzahns.

Schneefall war von Sonne abgelöst worden.

Schöne Aussicht vor der Behandlung.

Und Entdeckung von Dental-Poesie: Bissflügel.

Die vertraute Zahnärztin reparierte beide Stellen routiniert (ihr “Oh!” beim Anblick des abgebrochenen Zahns erschreckte mich also zu Unrecht), die abgelehnte Betäubungsspritze war wirklich unnötig: Bohren ist halt unangenehm und verursachte bei mir enorme Gänsehaut, ist aber nicht schmerzhaft (die Abbruchfläche war nicht schmerz- oder temperaturempfindlich gewesen).

Ich kam nur eine gute Stunde später als sonst an meinen Schreibtisch. Der Sonnenschein hatte das Büro vorgewärmt, so schön! Das war’s dann aber auch mit schön, das Öffnen des E-Mail-Postfachs stürzte mich umgehend in einen Strudel. Die unangenehmsten der kleinen Jobs brachte ich so schnell hinter mich, dass keine Zeit für Widerstand und Verdrängen war.

Zu Mittag gab es eine Körnerbreze, Karottensalat mit Koriander (den mir Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil zur Brotzeit bereitet hatte), eine Banane.

Nachmittags ging’s strukturierter weiter, ich hatte sogar Zeit für Hinterhergucken einer aufgezeichneten Infoveranstaltung aus der Vorwoche.

Nach Feierabend marschierte ich in winterlicher Kälte in die Stadtmitte: Da ich den Donnerstabend bereits verplant hatte, wollte ich Zutaten fürs Freitagabendessen einkaufen. Der Marsch war schön, doch im Eataly, wo ich die Einkaufsliste leerzukaufen geplant hatte, scheiterte ich: Keine Salsicce für Füllung, und das Kilo Weizenmehl tipo 00 sollte 6,60 Euro kosten – fast hätte ich schallend gelacht. Zum Vergleich: In der Hofbräuhausmühle gemahlenes heimisches Bioland 00 kostet 2,80 Euro. Ich kaufte also nur ein Kilo wunderschöne Tarocco-Halbblutorangen und ging für den Rest in die Feinkostabteilung des Kaufhofs am Marienplatz (der die aktuelle Kaufhaus-Schließungswelle überlebt, doch den Hertie am Bahnhof, der gerade umgebaut wird, wird es nie mehr geben – ein Verlust, er fällt mir bei vielen Bedarfen immer als erste Anlaufstelle ein).

Daheim war ich in Abwesenheit von Herrn Kaltmamsell fürs Abendessen auf mich selbst gestellt: Ich briet die letzte Zwiebel aus Ernteanteil gehackt weich, machte damit eine Dose Linsen heiß, mischte ein wenig getrocknete Tomaten in Öl unter. Schmeckte hervorragend, das Restl Paprikamajo passte überraschend gut. Nachtisch eine sensationell süße Blutorange und reichlich Schokolade.

Journal Dienstag, 14. März 2023 – Weiterer Pizza-Test

Mittwoch, 15. März 2023

Sehr gut geschlafen, das Weckerklingeln störte.

Das Draußen aber hatte auf trübe gewechselt, zurück zu Mütze und Handschuhen.

In der Arbeit war der Druck nicht mehr so hoch, ich konnte emsig wegarbeiten. Mittags hatte ich sogar Zeit für einen Cappuccino-Ausflug.

Es beginnt der Abschied von Beaver Coffee – der Betreiber wechselt zum 1. April. Noch habe ich Hoffnung bis Erleben des Gegenteils auf ähnlich guten Cappuccino.

Zurück am Schreibtisch Mittagessen: eine Körnersemmel, restliche Avocado mit Grapefruit vom Vorabend.

Der Büro-Nachmittag ein wenig durcheinander und mit Ärger – es half, regelmäßig ans Gehalt zu denken.

Auf dem eher späten Heimweg (abgestimmt mit Regenradar, es gab immer wieder Sturmphasen, die dichte Tropfen warfen) füllte ich beim Aldi unsere Süßkramkiste auf. Fürs Abendessen war ich mit Herrn Kaltmamsell verabredet: Wir testeten die Pizza beim Neuhauser.

Die gspritzten Tupfen sind Schafskäse der Pizza Capra. Für eine dünne Pizza zu dick, für eine nicht vor allem dünne Pizza zu wenig Rand – nichts Besonderes. Ich aß davor einen gemischten Salat, trank dazu ein alkoholfreies Weißbier (das mir gestern sehr gut schmeckte). Daheim wartete Schokolade.

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Herr Kaltmamsell nutzt sein Sabbatjahr für viele haushaltliche Dinge, vor denen wir beide uns seit Jahren drücken: Unter anderem hat unser Rumpelkammerl endlich einen Vorhang, und unter anderem gibt es jetzt eine ROTE MAPPE – also die vom Katastrophenschutz empfohlene Mappe mit allen wichtigen Dokumenten, die man im Fall von Brand, Hochwasser, Bombenentschärfungsevakuierung, Erdbeben, Zombie-Apokalypse schnell greifen kann. Ich bin ihm sehr dankbar dafür.

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Vielleicht sollte ich nicht Yoga nennen, was ich seit drei Jahren treibe und was mir so gut tut.
“Meine Yoga-Krise”.

via hmbl.blog

Eigentlich schalte ich bei einer Formulierung wie “wahre Bedeutung und richtige Lehre von Yoga” sofort ab, dazu weiß ich zu viel über die Beeinflussbarkeit und den Wandel jeder Lehre (und bin zu wenig, nämlich null religiös oder spirituell – was meiner Ansicht nach zu den Eigenschaften gehört, die man sich nicht aussucht).

Mich zieht an dem, was ich Yoga nannte, die konzentrierte und oft kraftvolle Ruhe an, das immer wieder neue Erfahren meines Körpers, seiner Fertigkeiten und seiner Grenzen, sei es durch ungewohnte Abfolgen oder durch die Wiederholung vertrauter. Die vielen Bewegungsabläufe, auf die ich ohne die Übungen nie käme. Und das Dehnen und Strecken, mal mit Loslassen, mal mit Energie, was immer schon der Teil an sportlicher Bewegung war, den ich vernachlässigte – weil ich dieser kostbaren Zeit lieber etwas mit Power und Spaß sportelte. Bis meine damals kaputte Hüfte und die Corona-Schließungen mir die Möglichkeit zu Spaßsport nahmen und ich nach etwas suchte, was noch ging.

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Endlich Zeit gefunden, die Oscar-Fotos durchzusehen – wie immer am liebsten bei Gofug, weil die Damens einfach die besten Bildtexte machen, zum Beispiel. Dieses Jahr viel helles Glitzer, neu waren voluminöse Ausbeulungen. Und ja: Stephanie Hsu war die bessere Schauspielerin in Everything, Everywhere All At Once (EEAAO), sie war sogar atemberaubend – aber Jamie Lee Curtis freut sich so hinreißend über ihren Nebenrollen-Oscar, gucken Sie mal.

Die Süddeutsche schrieb gestern über die Hintergründe der Produktionsfirma A24, die EEAAO gemacht hat – und so manchen weiteren innovativen Film mit Oscar-Auszeichnungen in den vergangenen Jahren (€), z.B. Room:
“Wir sind die Sekte”.

Und nachdem ich gestern im Fernsehen Deep Impact von 1998 laufen ließen, genau die Art von formelhaftem Blockbuster, der bis heute das Kino beherrscht, formelhaft in Drehbuch, Besetzung, Kamerafahrt, Schnitt, Ton – einfach allem: Everything, Everywhere All At Once ist praktisch ein 139-Minuten-Katalog von Beispielen, wie man das alles auch ganz anders machen kann.

Noch ein bisschen Academy Awards. Hatte ich hier zwar schon mal im Blog, finde es aber nicht mehr, und jetzt hat “Naatu Naatu” den Oscar für den besten Filmsong bekommen – ich bin mal wieder SO Mainstream!

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https://youtu.be/OsU0CGZoV8E

Journal Montag, 13. März 2023 – Unangenehmer Arbeits-Turbo

Dienstag, 14. März 2023

Arbeitsweg im Grauen und wieder mit Mütze und Handschuhen, ich war schon sehr gespannt auf den angekündigten Wärme-Einbruch.

Die Magnolie vor der Villa Wagner wäre so weit.

Erst nach dem ersten Arbeitsschwall guckte ich nach den Oscars der Vornacht. Oh wie schön! Die vielen Awards für Everything Everywhere all at once freuten mich für die zurecht prämierten Menschen, vor allem aber weil mal wirklich cineastische Innovation ausgezeichnet wurde (die durchaus extrem ist – ich kann gut verstehen, wenn man mit dem Film nichts anfangen kann). Hier ein ganz wundervolles Foto dreier Beteiligter.

Sehr anstrengender Arbeitstag. Ich habe ja verschiedene Rollen in meinem Job, gestern waren alle gleichzeitig gefragt, inklusive Termindruck – kommt selten genug vor, aber wenn, ist’s nicht schön. Und dann hatte ich mich im Schlaf auch noch verlegen: Schmerzen im linken oberen Rücken.

Mit der Mittagspause verkalkulierte ich mich: Ich hatte sie nach einem Termin um 13 Uhr gelegt, weil ich davor eh zu aufgeregt für Essen war. Doch danach prasselte alles Mögliche auf mich ein, ich konnte nur schnell ein Stück Pumpernickel mit Butter runterkauen und Quark mit Joghurt löffeln, Pause war keine drin. Vorm Fenster sah ich Menschen in der Sonne mit Jacken unterm Arm.

Nachmittags kamen zu all den aktivierten Rollen auch noch Querschüsse, und je länger ich bei diesem Arbeitgeber tätig bin, desto schwerer fällt mir ein ohnehin von Geburt an fehlendes “Nicht zuständig”: Weil mir zu immer mehr eine Lösungsmöglichkeit einfällt. Wenn die zwei Wochen bis Urlaub jetzt so weitergehen, werde ich sehr unglücklich.

Irgendwann gegen Ende der zweiten Überstunde riss ich mich vom Schreibtisch los, mit schlechtem Gewissen, denn es hätten eventuell noch Rückfragen kommen können. Draußen war es tatsächlich sehr warm geworden, die Spielplätze wimmelten, jeder Tisch vor Lokalen war besetzt, ich ging ohne Mütze und Handschuhe mit offener Jacke nach Hause (schnelle Einkäufe im Vollcorner).

Daheim freute ich mich sehr über eine halbe Stunde Yoga von Jessica Richburg mit überraschenden und eleganten Übergängen. Möglicherweise hat die auffallende Abwesenheit von Waden-/Achillessehenproblemen bei meinen Laufrunden seit einigen Monaten sogar mit meiner Yoga-Routine seit fast drei Jahren zu tun.

Das Nachtmahl war gestern ebenso erfreulich, geradezu feudal.

Herr Kaltmamsell hatte nach einem Ottolenghi-Rezept mit Sellerie und Kartoffeln eine Frittata gemacht, dazu scharfes Pickle und Paprika-Majo, ich hatte die ersten überraschend schnell gereiften Avocados mit Grapefruit zu einem Salat verarbeitet. Wenig Schokolade zum Nachtisch, unsere Süßkram-Kiste war nämlich nahezu leer.

Auf Twitter wurde mal wieder gefragt, wie Menschen Bücher sortieren. Fast hätte ich g’schnappig geantwortet: Nach sortiere-ich-gleich-aus und sortiere-ich-in-einer-nächsten-Runde aus. Kürzlich bemerkte ich, dass ich die Glastüren vor den neuen Bücherschränken in den anderthalb Jahren seit Kauf nur einmal geöffnet habe: Als ich mich von allen John Irvings nach Widow for one year trennte. Unsere gemeinsamen Bücherschränke enthalten mittlerweile eh zu 80 Prozent die Bücher des Herrn Kaltmamsell (und auch der hat sehr viel weggegeben), von mir stehen darin nur noch liebe Geschenke und wirklich besondere Ausgaben.
(Na gut, im Korridor hege ich die anderthalb Meter Bücher-von-Leuten-die-ich-aus-dem-Internet-kenne und fast zwei Meter Granta-Magazin.)

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Auf Masotodon eine zauberhafte Kino-Geschichte.

Journal Sonntag, 12. März 2023 – Sonntagsjoggen, -bügeln, -lesen

Montag, 13. März 2023

Mit Genuss tief und lang geschlafen, beim endgültigen Aufwachen war es bereits dreiviertel acht.

Das Draußen sah grau und kalt aus, durch die Luft flogen vereinzelte Schneeflocken.

Meine Sportpläne hatten Schwimmen vorgesehen, denn ein Lauf durchs Grau fühlte sich nicht attraktiv an. Zum Glück dachte ich daran, vor dem Packen meines Sportrucksacks auf die Website der Olympiahalle zu sehen (was ich mir eigentlich für jedes Schwimmen dort vornehme, es gibt immer mal wieder Veranstaltungen): Gestern geschlossen wegen Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi.

Übrigens habe ich erst vor Kurzem durch einen Artikel in der Süddeutschen gelernt, dass das Streikrecht nicht im deutschen Grundgesetz festgelegt ist; Artikel 9 Absatz 3 gewährt dort lediglich das Recht zur Bildung von Vereinen und Gesellschaften. Das deutsche Streikrecht leitet sich aus richterlicher Auslegung dieses Artikels ab (ist also Richterrecht), hier Hintergründe zu Geschichte und Problemen.

So oder so, ich stellte mich um auf Lauf im Grau. Das bei meinem Start auch noch schneeregnete. Also Schirmmütze über die dünne Laufmütze und los. Die Runde war dann überraschend angenehm: Die meiste Zeit regnete es nicht, mir war schnell warm, die Beine fühlten sich leicht an, ich kam ins Denken und Lassen.

Ich bin schon sehr gespannt, was nach diesem Winterlauf die für Montag angekündigten 18 Grad mit meinem Kreislauf anstellen.

Abschließendes Semmelholen, Frühstück gab’s um zwei mit Semmeln und einem Croissant (aus der Produktion von Herrn Kaltmamsell) aus der Gefriere.

Lang genug hatte ich es aufgeschoben, jetzt war der Bügelberg zwei Stunden hoch. Dabei hörte ich erst mal ein Interview von Holger Klein zu den Zuständen bei der BBC mit Annette Dittert, ARD-Korrespondentin in London, von Anfang Februar:
“Was ist das für ein korrupter Sumpf bei der BBC?”

Jetzt verstehe ich endlich, was die BBC so beeinflussbar macht – aktueller Skandal ist die Absetzung eines berühmten Fußball-Moderators, weil er die Asylpolitik der Regierung kritisierte. Eine Doku der Legende David Attenborough wurde gar aus dem Programm genommen, weil seine Kritik an Umweltzerstörung der Regierungspartei nicht gefallen könnte.
Nachtrag: In einem Interview mit dem Tagesspiegel ordnet Dittert die aktuellen Fälle ein.

Romanlesen bis zum Abendessen: Claire North, Notes from the Burning Age – leider nicht eine Utopie mit gesellschaftlichem Entwurf, sondern lediglich eine eher beliebige Zukunft, in der eine konventionelle Spionage-/Heldenhandlung spielt. Von einem Mitgucken der Oscarverleihung in der Nacht auf Montag hatte ich mich schon länger verabschiedet (als das Datum veröffentlicht wurde, hatte ich noch den Montag freinehmen wollen): Zu wenige der Filme mit Nominierungen gesehen, zu wenig Wunsch.

Nachtmahl war dann nochmal Szegediner Gulasch, zum Nachtisch gab es Ananas mit Sahne, dann Schokolade. Den Münchner Tatort wegen Fadheit nicht zu Ende geschaut.

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Die Deutsche Rentenversicherung Bund meldet “deutlich mehr freiwillige Beiträge, um Abschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn zu verringern”.

via @kid37

Dabei handle es sich vor allem um Beiträge zur Vermeidung von Abschlägen bei einem vorzeitigen Rentenbeginn, sagte die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Roßbach, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bei diesen Zahlungen habe man im vergangenen Jahr ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zu 2021 verzeichnet.

Soso. Das wäre doch ein schöner Anlass, das Lästern über dIE JUnGen leUtE (TM) einzustellen, die mit ihren Ansprüchen an Teilzeit und ihrer Überstundenverweigerung angeblich leistungsfeindlich und arbeitsscheu sind, die nicht einsehen, ihre Lebensplanung von Erwerbsarbeit dominieren zu lassen. Wir rentennahen (genau gesehen knapp nicht mehr) Babyboomer sind offensichtlich ganz ähnlich gestrickt.

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Der australisch-schweizerische Star-Regisseur und Autor Simon Stone schreibt über den Rassismus alter linker Männer – und präzisiert mein eigenes regelmäßiges Unbehagen (z.B. über so manche aktuelle Äußerung des eigentlich geschätzten Gerhard Polt).
“Bring mich doch gleich um.
Ein Essay von Simon Stone”.

Außer wenn jemand im hohen Alter oder wegen einer Geisteskrankheit den Verstand verliert, hören wir oft nicht, was die Linken wirklich denken. Wir nehmen, da es viele Beispiele für unverhältnismäßige Repräsentation gibt, an, dass das liberale Patriarchat rassistisch und sexistisch sei. Aber wir haben keinen Beweis dafür, weil die meisten Männer in Machtpositionen (und es sind fast immer Männer) schlau genug sind, sich nicht zu outen.

(…)

Anders als die Generation, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatte, die der Radikalismus ihrer Kinder in den 1960er- und 1970er-Jahren empört hatte, will die jetzige Generation der „weisen Alten“ nicht zugeben, dass sie in der Vergangenheit lebt. Sie geht davon aus, dass sie das Rad neu erfunden habe und dass die Revolution in ihrem Namen erfolgreich über die Bühne gegangen war. Jede weitere Innovation ist für sie nicht nur unergiebig, sondern beleidigend.

§

Apropos BBC: Ich bin eine große Freundin des britischen Fernsehens, gucke bei jedem Aufenthalt in UK ein Mehrfaches im Vergleich zu daheim und frage mich jedesmal, warum es diese und jene intelligente und gut gemachte Sendung nicht auch in Deutschland gibt (dass es sie wirklich nicht gibt, erfahre ich von Fernseher Herrn Kaltmamsell, selbst könnte ich das nicht beurteilen).

Aber selbstverständlich bestehen auch in Großbritannien bestimmte Genres vor allem aus Stereotypen und den immer ähnlichen Inhalten. Michael Spicer fasst zusammen:
“Half of British television always starts like this.”

Journal Samstag, 11. März 2023 – Der Großfamilienurlaub bekommt Details

Sonntag, 12. März 2023

Nach zu wenig, aber gutem Schlaf zu früh bei meinen Eltern aufgewacht (übrigens im seinerzeitigen Zimmer meines jüngeren Bruders, das nach seinem Auszug das schön eingerichtete Gästezimmer wurde; mein früheres Zimmer gestaltete meine Mutter zum Näh- und Bügelzimmer um, auf der Schlaf-Couch darin weitere Übernachtungsgelegenheit).

Das Draußen sonnig und frostig.

Die Morgentoilette umfasste einen weiteren Versuch, das Make-up vom Vorabend loszuwerden: Vor dem Schlafengehen hatten weder Creme und Taschentuch noch Wasser und Seife die letzten Reste entfernt – jetzt verstehe ich, warum die Kosmetikindustrie auch dafür spezielle Chemikalien anbietet.

Morgenkaffee mit Elterns. Wir bereiteten das Geburtstagsfrühstück für die Schwägerin vor. Im Garten reichlich Betrieb am Futterhäuschen: Meine Mutter hatte bereits die Erlenzeisige richtig bestimmt, die ich gestern zum ersten Mal sah. Außerdem sah ich Meisen und Distelfinken, auf dem Gras unter dem Häuschen pickten Ringeltauben die Reste auf.

Durchs frühe Aufstehen hatte ich noch Zeit, auf dem Gästebett sitzend den Blogpost über vorgestern fertigzustellen, half dann bei den letzten Handgriffen fürs Geburtstagsfrühstück, bevor die Bruderfamilie eintraf – minus einem Neffen, der gestern arbeitete und Frühschicht hatte.

Erst mal fröhliches Frühstück. Ich bekam meinen zweiten Milchkaffee und besprach mit der Nichte ihre Hausarbeit für die Schule (W-Seminar am bayerischen Gymnasium): Zu ihrem Thema spanische Gastarbeiter und Abgleich mit der konkreten Familiengeschichte hatte ich Tipps für Quellen und für Methodik. Sie wiederum erzählte mir erste Inhalte aus Gesprächen mit meinem Vater (die mir zum großen Teil neu waren, sehr super). Aufs Ergebnis bin ich schon sehr gespannt: Sie hatte das Thema gewählt mit dem nachvollziehbaren Argument, dass etwas von Wert über die Schule hinaus rauskommen würde.

Nächster Programmpunkt der Zusammenkunft: Pläne für den Großfamilienurlaub in Madrid und Sepúlveda. Ideen und Wünsche wurden zusammengelegt (Museen, Plätze, Parks, Wandern, Familientreffen), mit zeitlichen Möglichkeiten abgeglichen, ich schrieb mit. Meine Eltern und ich werden hinfliegen, Herr Kaltmamsell reist einzeln, die Bruderfamilie kommt zu fünft im Auto. Für die Tage in und um Sepúlveda nördlich von Madrid brauchen wir ein zweites Auto, das mieteten wir gestern live (weniger teuer als befürchtet – vielleicht profitieren wird davon, dass Spanien früh Maßnahmen gegen Inflation und Preisanstieg ergriffen hat).

Der Abschied von der Familie fiel leicht, am Donnerstag werde ich die größten Teile davon wiedersehen.

Mit Herrn Kaltmamsell nahm ich einen Zug zurück nach München, auch hier frostige Temperaturen draußen, sonnengewärmtes Wohnzimmer drinnen. Vor der Wohnungstür wartete ein Kistlein Crowdfarming-Avocados auf uns – keine davon essreif, also gab es zum Frühstück nach drei elterliche Semmeln mit Butter und Marmelade.

Danach war ich zu müde zum Zeitunglesen, aber nicht wirklich müde genug für Siesta. Ich legte mich trotzdem ein wenig hin, schlief auch ein halbes Stündchen.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Zeitunglesen, einer halben Stunde Yoga – und wieder mal unangenehmen Kreislaufkapriolen (Schwindel – Schweißausbruch – Frieren). Danach wurde mir auch mit Wolljacke und Decke nicht mehr richtig warm.

Zum Nachtmahl machte Herr Kaltmamsell nach jahrelanger Pause mal wieder Szegediner Gulasch, Anlass war das Sauerkraut im Ernteanteil. Diesmal verwendete er das klassische Schweinefleisch dafür.

Dazu Salzkartoffeln, und ich schenkte mir ein Weizen ein. Sehr gutes Abendessen, das Gulasch hatte genau die richtige Mischung von scharf und sauer. Nachtisch Schokolade.

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Die Süddeutsche stellt Crowdfarming vor (€).
“Goldene Zitronen”.

Ich freue mich sehr über den Erfolg dieser Idee – und genau von der vorgestellten Landwirtschaft Finca Los Pepones kommen unsere aktuellen Avocados.

Journal Freitag, 10. März 2023 – Verwandlung in einen verwelkten Stummfilm-Star

Samstag, 11. März 2023

Eine Stunde zu früh aufgewacht, erst nicht wegen Angst wieder eingeschlafen, dann aber einen Happy Place gefunden.

Auf dem Weg in die Arbeit wurde ich ein wenig angeregnet, das Wetter düster, aber recht mild.

Im Büro emsiges Wegarbeiten, aber ohne Hetze. Vorm Fenster wildes Wettergemisch mit Sonne, gestürmten Regenschauern, ruhiger Milde.

Emsiger Nachmittag mit großer Anstrengung, die mich ziemlich erschöpft in den Feierabend und ins Wochenende entließ.

Ich ging durch windige Regentropfen heim, Einkaufsstopp im Drogeriemarkt, denn: Für den Abendtermin brauchte ich Schminkzeugs. Mit Herrn Kaltmamsell war ich auf die Geburtstagsfeier der Schwägerin in Ingolstadt eingeladen, Motto “Gäste im Grandhotel”. Ich hatte sofort die Idee gehabt, als verwelkter Stummfilmstar zu kommen, schließlich besaß ich einen passenden Kaftan. Für die Ausgestaltung hatte ich den befreundeten Maskenbildner-Fachmann Joël um Tipps gebeten, denn ich war unsicher: Glitzer-Turban? Perlenohrringe oder was Langes, Glitzerndes in die Ohren? Grau umschattete Augen? Falsche Wimpern? Dunkle Lippen oder helle? Viel Rouge oder gar keines? Weiße Grundierung – die ein wenig bröselt?

Joël war so freundlich, mich mit genau den Tipps und Fotos zu versorgen, die ich erhofft hatte. Allerdings besaß ich fast nichts von dem benötigten Material oder Werkzeug: Was ich im Alltag als “Schminken” bezeichne, hat damit kaum etwas zu tun. Und es erfordert Fertigkeiten, mit denen ich nicht vertraut bin. Also hatte ich mich in den Tagen zuvor in die Welt der Schmink-Tutorials auf YouTube begeben, um wenigstens für sowas wie Make-up/Grundierung und für die falschen Wimpern Anleitung zu bekommen. (Gelernt: Das Verhältnis Geplapper zu nützlicher Info verhält sich darin etwas so wie in zeitgenössischen Foodblogs.)

Mir war schon klar, dass es dafür eigentlich Übung braucht und ich beim ersten Versuch keine Wunder erwarten durfte, doch ich würde ja mit dem Ergebnis unter Familie und Freunden sein. Mit so viel Ruhe, wie mir menschlich möglich ist, machte ich mich Schritt für Schritt an die Umsetzung der Tipps und Anleitungen.

Mit einem Pinsel (!) grundiert und drunter geprimet (Puder kaufte ich aber nicht extra für diese einmalige Gaudi, es musste auch ohne gehen). Die falschen Wimpern kosteten mich besonders viele Nerven, weil ich die Dinger schon schier nicht von ihrer Verpackung wegbekam. Einfach war der Turban, diese alt aussehende Anleitung funktionierte.

In Echt sah das Ergebnis angemessen verwelkt aus, mit 55 Jahren und ganz normal gealtert ist mein Gesicht das ideale Rohmaterial.

Und hier nochmal (unabsichtlich, ich vermute automatische Filter) schön fotografiert.

Herr Kaltmamsell trug Anzughose, rosa Sakko und Fliege – ich nahm ihn als Accessoire-Gigolo mit.

Die Bahnfahrt nach Ingolstadt war durch Verspätungs-Durcheinander ein wenig anstrengend, wir trafen aber nur zehn Minuten nach geplanter Zeit am Bahnhof ein. Wie es sich für einen Star gehört, wurden wir abgeholt: Mein Vater brachte uns im Auto zum Fest.

Dort trafen wir auf viele malerische Grandhotel-Gäste; den Vogel schoss diejenige davon ab, die sich wie eine Spa-Nutzerin gestylt hatte: Bademantel, Handtuch auf dem Kopf, weiße Creme-Maske im Gesicht, Hotel-Schläppchen an den nackten Füßen.

Es gab bunte und unbunte Getränke, Schnittchen-Buffet, Süßes, musikalische Einlagen des Jung-Volks, viel Plauderns. Weit nach Mitternacht ließen wir uns im Taxi zu meinen Eltern zum Übernachten bringen.

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Sehr ausführlicher und lesenswerter Artikel in der New York Times über Klimakterium und Wechseljahre – auch dieser von einer Autorin, die selbst in diese Lebensphase kam und auf die harte Weise lernte, wie wenig sie darauf vorbereitet war und wie mager Faktenlage sowie Hilfe sind.
“Women Have Been Misled About Menopause”.

Contemplate a thought experiment, one that is not exactly original but is nevertheless striking. Imagine that some significant portion of the male population started regularly waking in the middle of the night drenched in sweat, a problem that endured for several years. Imagine that those men stumbled to work, exhausted, their morale low, frequently tearing off their jackets or hoodies during meetings and excusing themselves to gulp for air by a window. Imagine that many of them suddenly found sex to be painful, that they were newly prone to urinary-tract infections, with their penises becoming dry and irritable, even showing signs of what their doctors called “atrophy.” Imagine that many of their doctors had received little to no training on how to manage these symptoms — and when the subject arose, sometimes reassured their patients that this process was natural, as if that should be consolation enough.

Darin auch minutiös nachgezeichnet, wie es 2002 zu der Annahme kam, Hormontherapie erhöhe signifikant das Brustkrebsrisiko – und was das anrichtete. Außerdem geht aus dem Artikel hervor, dass das Klimakterium und Menopause erschreckend wenig erforscht sind (was der Scharlatanerie mit Nahrungsergänzungsmitteln und Cremchen – “lotions and potions” – Tür und Tor öffnet).