Journal Freitag, 21. April 2023 – Frühlingseinbruch und Grie Soß
Samstag, 22. April 2023 um 8:07Bereits das erste Licht des Tages kündigte Wetterverbesserung an.
Allerdings nur für zwei Tage, dann geht’s zurück zu grau und kalt. Ich versuchte gestern also so viel Frühling wie möglich einzufangen.
Der Weg in die Arbeit ließ mich dann kurz zweifeln, ob das Weglassen von Pulli unterm Winterkleid klug gewesen war.
Doch schon beim Aufbrühen meiner Kanne Verbene-Tees kam sie, die Büro-wärmende Sonne. Allerdings schaffte ich nach sehr Langem, mir einen Spreißl in einen Finger zu rammen, aus dem Bambusspießchen, das mir als Teebeutelhalter dient. Also erst mal fieseliger Pinzetteneinsatz.
Zum Mittagscappuccino spazierte ich ins Café Colombo, das Herz voller HACHZ.
Auf dem Rückweg kam mir eine sehr wahrscheinlich fürs Zuckerfest aufgebrezelte Familie entgegen, Damen wie Herren außerordentlich fesch, Teile sahen aus wie Tracht aus Herkunftsländern. Und sie hatte eine bockig in Jeans schlurfende, ungekämmte Teenagerin im Schlepptau, was mich erheiterte. (Leitkultur Pubertät?)
Selbst erzeugte ich Double Takes durch mein gestriges Styling.
Mittagessen zurück am Schreibtisch (Fenster gekippt!): Apfel, Pumpernickel mit Butter, Birne.
Ich machte sehr pünktlich Feierabend, um hinaus in den Frühling zu kommen.
Kurzer Einkauf im Edeka Schwanthaler Forum, eine der wenigen verbliebenen Quellen für Dickmilch – die fürs Nachtmahl benötigt wurde.
Mehr aufgebrezelte Bayram-Spaziergruppen um die Theresienwiese, auf der das Frühlingsfest ausgebrochen war, mit viel Cosplay-Volk drumrum.
Zu Hause ein wenig Räumen, eine Folge Yoga-Gymnastik, dann stieß ich mit Herrn Kaltmamsell aufs Wochenende an.
GinTonic aus Gin, der mit Kakaobohnen und Vanille aromatisiert war, drüber beigelegte Kakaobohnen-Splitter. Schmeckte ungewohnt und gut, die vom Hersteller empfohlenen frischen Himbeeren kann ich mir ausgezeichnet dazu vorstellen.
Bald gesellte sich der Übernachtungsbesuch zu uns und stieß mit an.
Nachtmahl war Grie Soß, lang schon für diesen Freitagabend geplant, jetzt passend zum Frühlingseinbruch, klassisch nach einem Rezept des Übernachtungsgastes mit frisch gekochten Eiern und Kartoffeln aus Ernteanteil. Wieder eine ganz besondere Köstlichkeit, ganz oben auf meiner ewigen Lieblingsessensliste. Im Glas ein feiner Riesling: Deidesheimer Herrgottsacker 2017 Reichsrat von Buhl.
Der Gast erzählte von seiner abenteuerlichen Anreise (weil gestern Bahnpersonal streikte, war er schon am Donnerstag gestartet), Herr Kaltmamsell und ich erzählten vom Großfamilienurlaub in Spanien.
Zum Nachtisch gab es Stracciatella-Eis mit Eierlikör, abschließend noch uralten spanischen Brandy.
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Wie sollen Klimaaktivist*innen denn protestieren? Kritische Stimmen antworten dann gern: Gezielt sachbezogen, kreativ, schadlos.
Stellt sich heraus: Wenn sie genau das tun, zum Beispiel mit einer riesigen Aktion in Göttingen – berichtet niemand. Aktivist*innen hatten ein halbes Jahr lang eine Ausstellung konzipiert, mit 35 Leuten das Museum Forum Wissen gekapert und alles aufgebaut. Das Museum war überrumpelt, ließ sie aber gewähren, schrieb darüber sogar im eigenen Blog.
“‘Forum Handeln’ – konstruktiver Klimaprotest im Forum Wissen”.
Äußerst frustrierend ist aus Sicht der Aktivist*innen allerdings, dass die Medien kaum berichtet haben. Tatsächlich waren auf ihre Initiative zwei Fernsehteams vor Ort. Als diese jedoch feststellten, dass die Aktion komplett friedlich verlief, zogen sie unverrichteter Dinge ab.
Klebt weiter, Leute, klebt weiter!
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Katatonik erzählt von einem Theaterabend:
“Ophelia’s Got Talent (Holzinger, Volkstheater, 19.4.2023)”.
An dieser Passage bleibe ich hängen:
Selbstermächtigung durch körperliche Arbeit und Selbstkontrolle, eine Macht, die aber auch an Selbstzerstörung grenzt, in Selbstzerstörung kippen kann.
Eine mögliche Wurzel meines Vergnügens an sportlicher Bewegung mag die Selbstermächtigung in einem System sein, das mir nie eine Chance auf unbefangenen Umgang mit der eigenen Körperlichkeit einräumte. Sei es durch “du könntest so eine schöne Figur haben, wenn du abnehmen würdest” in der Kindheit mit Dauerdiät, sei es durch die Körper-, Leistungs- und Schönheitsideale der Gesellschaft, omnipräsent in Medien und Köpfen. Das würde erklären, warum es mich damals existenziell traf, als die kaputte Hüfte mir Sport unmöglich machte.
Man könnte sagen, dass für Frauen immer ein Publikum bleibt, eine Beobachtungsinstanz, die der Kraftausübung Grenzen setzt, im produktiven wie im destruktiven.
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Apropos Ermächtigung. Die British Vogue-Ausgabe Mai 2023 hebt Menschen aufs Cover, die man im Modezirkus sehr selten als Models sieht.
“‘Nothing Is More Fashionable Than Inclusivity’: Sinéad Burke Introduces British Vogue’s May 2023 Cover Stars”.
4 Kommentare zu „Journal Freitag, 21. April 2023 – Frühlingseinbruch und Grie Soß“
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22. April 2023 um 8:25
Wenn ich wieder mal im München bin, und sie vermissen später die schnuckelige Schnecke am Bavariapark, dann hab ich sie mitgenommen.
22. April 2023 um 8:27
Die is fei Kunst, “Sweet Brown Snail”, Joel!
22. April 2023 um 9:23
Gerne gegessen
22. April 2023 um 9:42
Es ist dieses Bedürfnis, etwas ungefragt zu bewerten, die Menschen daran hindert, einfach vor sich hinzuleben wie sie nun mal sind.
Es gibt Dinge, die man ändern kann und möchte. Wir sind soziale Wesen und geben uns immer gegenseitig Meldung, verbal und nonverbal. Aber diese Kommentare zu Körpern sind schlicht übergriffig. Weil wir nichts daran ändern können. Und warum soll mein Körper so vielen anderen Menschen gefallen?
Die Fotos aus der Vogue sind sehr schön.