Journal Freitag, 7. April 2023 – Großfamilienurlaub 6: Verschwundene Yaya-Wohnung, mehr Madrid Río
Samstag, 8. April 2023 um 10:06Zu früh aufgewacht, aber dann doch froh gewesen um die extra Alleinzeit am Morgen fürs Fertig-Bloggen. (Die gut zwei Stunden, die ich täglich ungefähr dafür aufwende, fehlen mir durchaus manchmal als Blöd-Schau-Zeit aka Urlaubsentspannung. Zudem fühle ich mich mittlerweile ohne Zeitungs- und Blog-/Twitter-/Mastodonlektüre ein wenig aus der Zeit gefallen – war was?)
Gestern gab’s wieder Churros, Porras und heiße Schokolade für den frühstückenden Teil der Großfamilie.
Draußen zunächst Feiertagsruhe am Karfreitag, vormittags gingen wir auf einen weiteren Teil von Vaters Vergangenheit: Wir nahmen U-Bahnen zur Station Méndez Álvaro und gingen von dort zur Straße, in der meine Yaya vor 45 Jahren wohnte, mein Vater seine Kindheit verbracht hatte: Zur Calle de Leganés.
Das war seinerzeit ein Gässchen mit alten Gebäuden (ca. drei Stockwerke). Seither wurde das gesamte Viertel plattgemacht (vor fünf Jahren war ich schon mal hier gewesen und hatte noch das Nebengebäude meiner Yaya mit einer Autowerkstatt gesehen), jetzt entstehen vor allem Bürogebäude. Aber mein Vater entdeckte noch das Haus, in dem er zur Grundschule gegangen war. Daneben eine große Unterführung, die früher laut meinem Vater nur ein Auto breit war, wegen Kurve in der Unterführung auch noch uneinsehbar. Es habe, so erzählte er, immer einen Mann gegeben, der davorstand, und dem Autofahrer ein Münze gaben, damit er nachsah, ob gerade frei war.
Mein Vater mit ca. 18 Jahren in Madrid, neben ihm seine jüngere Schwester.
Wir gingen die Straße Méndez Álvaro rauf zum Bahnhof Atocha, ich erinnerte mich daran, wie langweilig dieser Weg in Kindheitsurlauben war: Rechts eine hohe Mauer (dahinter Bahngleise), links eine vielspurige Straße. Ist auch jetzt kein Idyll.
Nach einem Rundgang durch den Bahnhof (wird gerade umgebaut), trennten wir uns: Ich spazierte mit Herrn Kaltmamsell weiter.
Erst mal gab’s Mittags-Cappuccino in einem Speciality Coffee Shop bei Antón Martín.
Weiter zum Corte Inglés, dort ausführliche Besichtigung der Lebensmittelabteilung: Immer noch drei Regalmeter Spargel im Glas und in Dosen, aber mehr als doppelt so viele Regalmeter Thunfisch in Dosen und im Glas – klare kulinarische Schwerpunkte. Unsere Einkäufe:
Cabello de Angel – eine Kürbismarmelade, die zum Füllen von altmodischem Gebäck verwendet wird und die Herr Kaltmamsell bereits zweimal selbst gemacht hat, mit übersichtlichem Erfolg. Und Tintenfischtinte in vier kleinen Portionen (u.a. für schwarze Pasta, von der es in den Rezepten immer heißt, man bekomme die Tinte beim Fischhändler hahahaha).
Zurück zur Wohnung, jetzt hatten sich Straßen und Plätze mit Menschen gefüllt. Um vier musste ich dann doch mal was essen: Apfel und den zweiten Teil Frischkäse-Wackelpudding (“queso fresco”) mit Mandarinen und Banane.
Später wollte ich nochmal raus, mich interessierte der nördliche Teil von Madrid Río. Herr Kaltmamsell begleitete mich.
Das Stück zwischen Plaza de España und Palacio Real, das sich am meisten verändert hat.
Auch Richtung Norden gefiel mir Madrid Río sehr gut. Soweit ich das beurteilen kann, wird das riesige Parkgebiet nur von Einheimischen genutzt – mal sehen, wann es zu den Sehenswürdigkeiten vom Rang des Parque del retiro aufsteigt. (Auch hätte ich dort gerne Hinweise zur Forschungsbegleitung des Projekts – Flora und Fauna, Auswirkung aufs Stadtklima etc. – die es sehr sicher gibt. Aber vielleicht habe ich diese unter den vielen gut gestalteten Info-Tafeln einfach übersehen.)
Hier wurde mit Blick auf die Almudena-Kathedrale Sport getrieben.
Wir sahen unter anderem Bachstelzen, Teichhühner, Nilgänse, Distelfinken, Stockenten, Amseln, Kohlmeisen, Türkentauben, Elstern, Spatzen. Am Puente Reina Victoria kehrten wir um.
Der Plan, fürs Abendessen mit Herrn Kaltmamsell einen Happen auswärts zu essen, erwies sich schnell als zu anstrengend. Es gibt viele Lokale um unsere Wohnung, doch wir wollten nicht viel Zeit verbringen (also kein Restaurantessen) und die Bares, an denen wir vorbeikamen, waren entweder brechend voll oder servierten nur Getränke. Also holten wir etwas im Supermarkt und aßen in der Wohnung Empanade de atún, Ensaladilla rusa, Palmera de chocolate und ein wenig Tarta de Queso. Schmeckte gut, war reichlich.
§
Einem Projekt hinterherrecherchiert, von dem mein stadtpolitisch interessierter Madrider Cousin erzählt hatte: Hier arbeiten sie an einem Stadtwald, dem Bosque Metropolitano. Im Sinne von Grüngürtel rund um Madrid. In der deutschen Großfamilie rätseln wir, warum diese Hammer-Ideen (siehe Madrid Río) hier funktionieren und München die zweite S-Bahn-Stammstrecke nicht gebacken kriegt.
§
Meine Krautrporter-Mitgliedschaft erlaubt mir, einige Artikel an Sie weiterzuverschenken. Diesen von Rebecca Kelber habe ich mit Genuss und Belehrung gelesen, da er den Reichtum von Unternehmer-Clans aus der umgekehrten Perspektive als sonst beleuchtet:
“Mein Urururopa hat den Kühlschrank erfunden – warum hat meine Familie kein Geld?”
5 Kommentare zu „Journal Freitag, 7. April 2023 – Großfamilienurlaub 6: Verschwundene Yaya-Wohnung, mehr Madrid Río“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
8. April 2023 um 10:30
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
*******************************************************
8. April 2023 um 10:54
Das ist ein tolles Foto!
Und das habe ich mich auch schon gefragt, warum ins Spanien Großprojekte einfach durchgezogen werden können. Vielleicht ist es die Zentralisierung, die alle schon lange gewohnt sind? Die Obrigkeit wird akzeptiert. Vielleicht ist die Bürokratie auch nicht so schwerfällig wie bei uns? Und die Widerstandsbereitschaft der Bevölkerung ist geringer. Oder wurde eben durch den Wassermangel und all die ökologischen Vergehen der letzten Jahre erkannt, dass es Zeit ist, was zu tun?
Die Tunfischverehrung in Spanien ist schon grandios.
8. April 2023 um 11:41
Dankeschön, ein spannender Artikel!
Weiterhin einen tollen Urlaub, genieße es sehr, mit dem Finger auf der Landkarte dabeizusein.
8. April 2023 um 16:33
Zu den Hammer-Ideen fällt mir auch Barcelonas gigantisches Verkehrsberuhigungsprojekt ein:
https://www.theguardian.com/cities/2016/may/17/superblocks-rescue-barcelona-spain-plan-give-streets-back-residents
Leider nur davon gelesen, nie mit eigenen Augen gesehen. Es würde mich interessieren, wie die Umsetzung funktioniert hat und welchen tatsächlichen Nutzen die Bevölkerung wahrnimmt, angehört hat es sich jedenfalls toll! Erstaunlich, was mit entsprechendem Willen machbar ist und was eben nicht, wenn Bedenkenträger und die Bürokratie das letzte Wort haben.
8. April 2023 um 20:35
Zu “was möglich ist” hat mich kürzlich ein interessanter Hinweis erreicht: visionäre Projekte in Großstädten, die das gewohnte Leben extrem verändern (z.b durch die Erschwerung von privaten Autofahrten) werden meist in Städten erreicht, in denen die Bürgermeisterinnen separat gewählt werden. Ihre Wahl ist dann nur an ihre eigene Person gebunden, und entsprechend frei können sie agieren. Vielleicht zumindest ein valider Aspekt, ich habe es allerdings nicht nachgeprüft.