Journal Sonntag, 2. April 2023 – Großfamilienurlaub 1: Ankunft in Madrid, eine neue Welt des Öffentlichen Nahverkehrs

Montag, 3. April 2023 um 9:25

Huiuiui: So schlecht hatte ich schon lang nicht mehr geschlafen, mit zwei Stunden wach ab Lichtaus, mit nur vier Stunden leichtem Schlaf, dann war ich schon wieder wach.

Egal, das gab mir Zeit für gemütliche Morgenroutine, dann weckte ich meine Eltern. Mit genug Zeit fuhren wir hinaus zum Flughafen (Herr Kaltmamsell reiste separat). Dort Morgen-Cappuccino, reibungsloses Einsteigen in ausgebuchtes Flugzeug (ich war nicht die ganz einzige Maskenträgerin), reibungsloser Flug. Einzige Irritation: An keiner Stelle wollte irgendwer unsere Ausweise sehen und verifizieren, dass wir die Menschen waren, deren Namen auf den Flugtickets standen.

Wie seit dem Vortag waren alle reisenden Einheiten des Großfamilienurlaubs über WhatsApp in Kontakt, wir tauschten Status aus.

In Madrid war Sonne angekündigt, und Barajas lieferte.

Einer meiner spanischen Cousins,1 der zusammen mit seiner Frau und einer großen Tochter unweit wohnt, holte uns vom Flughafen ab, nahm uns mit heim. Wir lernten Menschen und Katzen kennen, bekamen nochmal wohltuenden Café.

Cousin-Familie erklärte das Metro-System und dass ja kürzlich die Preise für Öffentliche Verkehrsmittel gesenkt wurden, für die Verbindungen aus den Vorstädten sogar halbiert, damit die Leute weniger Auto fahren. Mir war bis zu diesem Augenblick nicht klar gewesen, dass eine Senkung von Öffipreisen physikalisch möglich ist.

Und so luden wir in der nächstgelegenen Metro-Station an einem Automaten die Öffikarte mit dem extrem uncoolen Namen “tarjeta transporte público” auf und zahlten für zehn Fahrten so weit wir wollten (fast) – wait for it – 6,10 Euro. Ja, ich weiß, entsetzliche Zustände, linksgrün versiffter Kommunismus, muss ja scheitern, und wenn es nur wegen dem fehlenden Marketing-tauglichen Namen ist (lässt sich ja nicht mal schmissig abkürzen). Das Ganze übrigens finanziert durch die Übergewinnsteuer. (Gegen die derzeit durchaus auch geklagt wird.)

Fahrt in die innere Innenstadt, die Metro wurde immer voller mit herrlicher Menschenvielfalt (das hätte es unter Franco NICHT gegeben!). Wir fanden gut zu unserer Ferienwohnung an einer Nebenstraße der Gran Vía, trafen uns nach ein wenig Hin und Her in den Tagen davor und bis dahin mit einer Angestellten der Ferienwohnungsagentur. Sie erklärte und zeigte alles, stellte sich als charmante Analusierin heraus (Markenkern Andalusierinnen: graciosa).

Die Ferienwohnung erwies sich als sehr schön, das Foto oben zeigt das schönste Schlafzimmer mit Flügeltür, Stuck, verzierten Eisenträgern, Sprudel-Badewanne, links separatem Klo, rechts separater Dusche, noch rechtser begehbarem Kleiderschrank (Kammerl halt). Für instagram habe ich einen Film über die Wohnung aufgenommen, wenn Sie schaun mögen.

Meine Eltern gingen die erste Runde einkaufen, kamen mit Brot, Chorizo, Jamón, Blauschimmelkäse und Weißwein zurück, jetzt machten wir in der Küche erst mal Brotzeit. Dann tauchte Herr Kaltmamsell auf, machte ebenfalls Brotzeit, und schließlich traf das fünfköpfige Rollkoffergeschwader der Bruderfamilie ein (hatte das Anreise-Auto am Stadtrand beim Cousin gelassen, weil sie damit gar nicht zur Ferienwohnung fahren durften, Madrid schränkt die Auto-Zufahrt in die Innenstadt stark ein – ich nehme an, die haben hier nicht mal eine FDP).

Liebevolles Zimmerverteilen, Bestandsaufnahme in allen Küchen, Erstellen der Einkaufsliste, eine weitere Einkaufstour. Draußen war es mild geworden, aber nur in praller Sonne wirklich warm.

Fürs Abendessen hatten wir Aufteilung vereinbart, das Jungvolk zog allein los. Und schickte kurz darauf einen Restauranttipp mit Foto der Speisekarte – ob wir auch kommen wollten? Diese Hummusería sah ganz ausgezeichnet aus: Während meine Eltern bereits müde die Segel strichen, machten wir vier uns auf den Weg dorthin.

Wir spazierten durch Chueca, stellten fest, dass wir die Begeisterung der jugendlichen Cousin-Tochter über dieses wuslige, bunte und schicke Viertel (Indiz: jedes zweite Lokal vegan) nachvollziehen konnten.

Ich hatte eine Bohnen-Gemüsesuppe mit Reis (Khoresht Sabzi), dazu einen Rosenwasser-Gin-Tonic, sonst wurden Shakshuka-Variationen, Hummus und Salat gegessen.

Auf dem Rückweg zur Wohnung holte uns die Jahreszeit ein: Wir gerieten dann doch in eine Semana-Santa-Prozession und musste drumrum gehen.

  1. Service-Fußnote zum familiären Hintergrund, grob vereinfacht: Mein Vater ist gebürtiger Madrilene, kam 1960 als Gastarbeiter nach Bayern, heiratete in Ingolstadt meine Mutter, blieb dort. Er hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester in Madrid, alle zwei Jahre verbrachten wir in meiner Kindheit die Sommerferien in Spanien, sahen dort auch Familie. Den Kontakt bis heute hat mein Bruder gehalten, am intensivsten zu dem ältesten Sohn meine Onkels – zu eben diesem. []
die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Sonntag, 2. April 2023 – Großfamilienurlaub 1: Ankunft in Madrid, eine neue Welt des Öffentlichen Nahverkehrs“

  1. Maike meint:

    “Mir war bis zu diesem Augenblick nicht klar gewesen, dass eine Senkung von Öffipreisen physikalisch möglich ist.”
    – Made my Day, sehr wahr, leider

  2. Ina meint:

    Ich wünsche Ihnen und allen Mitreisenden eine schöne Zeit!

    Der Satz bezüglich der Öffis ist tatsächlich genial (und der Seitenhieb auf die FDP). Auch was zum Beispiel Frauenrechte angeht, hört man von Spanien beeindruckende Entscheidungen, die bei uns wohl leider undenkbar sind.

  3. Sigrid Göthel meint:

    Geht mir genauso.

  4. Thea meint:

    Ich freue mich schon aufs Weiterlesen.
    Gehe gleich bei Instagram gucken.

  5. Kathrin meint:

    So schön, dass es mit Öffis und Individualverkehr in den Innenstädten auch andere Beispiele gibt! Vermutlich sitzen auch alle ganz verbittert auf der Straße und müssen ihren Café abgasfrei genießen. Bitte mehr davon!

  6. Eva meint:

    Vielen Dank fürs Mitnehmen, leider mit dem schwer verdaulichen Nebeneffekt, dass ich jetzt ganz ungeheure Sehnsucht nach Spanien bekomme :-) Ich wünsche Ihnen und der Familie eine schöne Zeit und freu mich schon auf alle weiteren Berichte.

  7. Micha meint:

    Viel Spaß – danach sieht es bereits aus!

  8. Cora meint:

    Ich bin alles andere als ein Fan des deutschen öffentlichen Nahverkehrs, weil ich lange Jahre zu viel Lebenszeit wartend auf verspätete Bahnen an kalten, zugigen Bahnsteigen zugebracht habe …. Aber das neue Deutschlandticket ist doch de facto eine Senkung der Öffi-Preise und daher begrüßenswert.

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