Archiv für April 2023

Journal Samstag, 8. April 2023 – Großfamilienurlaub 7: Stadtspaziergang mit mehr Familie, georgisches Essen

Sonntag, 9. April 2023

Gestern trafen wir uns vormittags mit meinem Madrider Cousin, seiner Frau und seiner erwachsenen Tochter im Zentrum zum Spaziergang zu zehnt (meine Eltern ruhten sich aus): In sommerlichen Temperaturen (bis 27 Grad, die vor einer Woche nicht vorhergesagt waren, deshalb reisten wir alle ohne Sandalen oder sonstige Sommerkleidung) ließen wir uns Besonderheiten zeigen, vor allem aber unterhielten wir uns miteinander.

Einschätzung meine Cousins, eines zwar interessierten, Fachkenntnis-freien Einwohner Madrids, warum Großprojekt wie Madrid Río oder Madrider Stadtwald hier funktionieren: Kein Mitspracherecht der Büger. “No preguntan”, es wird nicht gefragt, sondern einfach gemacht.

Einkehren für Pinchos und Bier (gerade richtig für meinen Mittags-Cappuccino), später gab es noch eine Runde Bocadillo de Calamares (Weißbrot mit panierten, frittierten Tintenfischringen – hat man derzeit sehr, also schon immer), ich fand öffentliche Trinkwasserbrunnen ums Eck, die es laut der einheimischen Verwandtschaft schon seit Jahren nicht mehr in Madrid gibt. (Ich hoffe Sie wissen, dass sie meine Informationen über mein einheimisches München mit einem ähnlich großen Korn Salz nehmen sollten.)

Wir kamen nicht weit, weil immer wieder in der Menschenmenge auf jemand gewartet werden musste, jemand in ein Geschäft ging (oder zum Wasserholen losflitzte). Erst nach fünf kam ich mit Herrn Kaltmamsell zurück in die Ferienwohnung und musste dann trotz immer noch abwesendem Appetit etwas essen – es lagen noch eine Banane und Joghurt rum, altes Brot weichte ich mit etwas Milch auf.

Ausruhen mit möglichst wenigen Menschen bis zum Nachtmahl. Dafür ging ich dann doch nochmal mit Herrn Kaltmamsell aus, wir steuerten das georgische Lokal Kinza ums Eck an, das uns bereits bei unserer Ankunft positiv aufgefallen war. Denn – confession time: Ich hab’s nicht so mit der traditionellen spanischen Küche, der schlichten und fleischlastigen, und das, was mir davon schmeckt, bekomme ich auch in München (Chorizo, Jamón, Salchichón, Käse) oder koche ich mir selbst (Eintöpfe). Die exotischeren callos a la madrileña hatte ich ja bereits gegessen. Zudem: Es gibt in München kein gutes georgisches Restaurant mehr.

Der Abend war dann auch ein voller Erfolg. Das Lokal ist schön eingerichtet, das Personal war fröhlich und herzlich, die Atmospäre entspannt, wir wurden gut versorgt, aßen ausgezeichnet. Dazu kam immer wieder Livegesang, das Personal sang und groovte mit.

Erst mal georgischen Salat, die Brösel oben waren geröstete Streusel.

Oben und auf meinem Teller Khachapuri Megruli – dieser unvergleichliche Hefeteigfladen, mit georgischem Käse gefüllt und überbacken. Den Käse bietet das Lokal auch zum Kauf an.
Und dann bekam ich endlich mal Khinkali – mit ungewöhnlich gewürztem Hackfleisch und Brühe gefüllte gedämpfte Teigtaschen, die mit Spielanleitung serviert wurden: Umgedreht eine Seite anbeißen und erst die Brühe ausschlürfen, dann den Rest essen. Schmeckten ganz hervorragend. Dazu tranken wir georgischen Wein: im Holzfass gereiften Bagateli Saperavi 2019, der mir sehr gefiel (und der Alkohol entspannte mich endlich).

Auch Nachtisch schafften wir noch (gerade so): Eine Zusammenstellung georgischer Süßigkeiten, sehr Walnuss-lastig, von schwarzen Walnüssen in Sirup über Walnusskonfekt bis gerösteten Walnüssen, außerdem Trockenbeeren in Blattform mit Honig.

Zurück in der Wohnung Absprachen zum sonntäglichen Wohnungsräumen und zum Packen: Am Ostersonntag verlassen wir Madrid und ziehen weiter nach Sepúlveda nördlich der Hauptstadt – aus dieser Gegend kommt meine Yaya, dort verbrachte mein Vater seine Kindheitssommer.

Journal Freitag, 7. April 2023 – Großfamilienurlaub 6: Verschwundene Yaya-Wohnung, mehr Madrid Río

Samstag, 8. April 2023

Zu früh aufgewacht, aber dann doch froh gewesen um die extra Alleinzeit am Morgen fürs Fertig-Bloggen. (Die gut zwei Stunden, die ich täglich ungefähr dafür aufwende, fehlen mir durchaus manchmal als Blöd-Schau-Zeit aka Urlaubsentspannung. Zudem fühle ich mich mittlerweile ohne Zeitungs- und Blog-/Twitter-/Mastodonlektüre ein wenig aus der Zeit gefallen – war was?)

Gestern gab’s wieder Churros, Porras und heiße Schokolade für den frühstückenden Teil der Großfamilie.

Draußen zunächst Feiertagsruhe am Karfreitag, vormittags gingen wir auf einen weiteren Teil von Vaters Vergangenheit: Wir nahmen U-Bahnen zur Station Méndez Álvaro und gingen von dort zur Straße, in der meine Yaya vor 45 Jahren wohnte, mein Vater seine Kindheit verbracht hatte: Zur Calle de Leganés.

Das war seinerzeit ein Gässchen mit alten Gebäuden (ca. drei Stockwerke). Seither wurde das gesamte Viertel plattgemacht (vor fünf Jahren war ich schon mal hier gewesen und hatte noch das Nebengebäude meiner Yaya mit einer Autowerkstatt gesehen), jetzt entstehen vor allem Bürogebäude. Aber mein Vater entdeckte noch das Haus, in dem er zur Grundschule gegangen war. Daneben eine große Unterführung, die früher laut meinem Vater nur ein Auto breit war, wegen Kurve in der Unterführung auch noch uneinsehbar. Es habe, so erzählte er, immer einen Mann gegeben, der davorstand, und dem Autofahrer ein Münze gaben, damit er nachsah, ob gerade frei war.

Mein Vater mit ca. 18 Jahren in Madrid, neben ihm seine jüngere Schwester.

Wir gingen die Straße Méndez Álvaro rauf zum Bahnhof Atocha, ich erinnerte mich daran, wie langweilig dieser Weg in Kindheitsurlauben war: Rechts eine hohe Mauer (dahinter Bahngleise), links eine vielspurige Straße. Ist auch jetzt kein Idyll.

Nach einem Rundgang durch den Bahnhof (wird gerade umgebaut), trennten wir uns: Ich spazierte mit Herrn Kaltmamsell weiter.

Erst mal gab’s Mittags-Cappuccino in einem Speciality Coffee Shop bei Antón Martín.

Weiter zum Corte Inglés, dort ausführliche Besichtigung der Lebensmittelabteilung: Immer noch drei Regalmeter Spargel im Glas und in Dosen, aber mehr als doppelt so viele Regalmeter Thunfisch in Dosen und im Glas – klare kulinarische Schwerpunkte. Unsere Einkäufe:

Cabello de Angel – eine Kürbismarmelade, die zum Füllen von altmodischem Gebäck verwendet wird und die Herr Kaltmamsell bereits zweimal selbst gemacht hat, mit übersichtlichem Erfolg. Und Tintenfischtinte in vier kleinen Portionen (u.a. für schwarze Pasta, von der es in den Rezepten immer heißt, man bekomme die Tinte beim Fischhändler hahahaha).

Zurück zur Wohnung, jetzt hatten sich Straßen und Plätze mit Menschen gefüllt. Um vier musste ich dann doch mal was essen: Apfel und den zweiten Teil Frischkäse-Wackelpudding (“queso fresco”) mit Mandarinen und Banane.

Später wollte ich nochmal raus, mich interessierte der nördliche Teil von Madrid Río. Herr Kaltmamsell begleitete mich.

Das Stück zwischen Plaza de España und Palacio Real, das sich am meisten verändert hat.

Auch Richtung Norden gefiel mir Madrid Río sehr gut. Soweit ich das beurteilen kann, wird das riesige Parkgebiet nur von Einheimischen genutzt – mal sehen, wann es zu den Sehenswürdigkeiten vom Rang des Parque del retiro aufsteigt. (Auch hätte ich dort gerne Hinweise zur Forschungsbegleitung des Projekts – Flora und Fauna, Auswirkung aufs Stadtklima etc. – die es sehr sicher gibt. Aber vielleicht habe ich diese unter den vielen gut gestalteten Info-Tafeln einfach übersehen.)

Hier wurde mit Blick auf die Almudena-Kathedrale Sport getrieben.

Wir sahen unter anderem Bachstelzen, Teichhühner, Nilgänse, Distelfinken, Stockenten, Amseln, Kohlmeisen, Türkentauben, Elstern, Spatzen. Am Puente Reina Victoria kehrten wir um.

Der Plan, fürs Abendessen mit Herrn Kaltmamsell einen Happen auswärts zu essen, erwies sich schnell als zu anstrengend. Es gibt viele Lokale um unsere Wohnung, doch wir wollten nicht viel Zeit verbringen (also kein Restaurantessen) und die Bares, an denen wir vorbeikamen, waren entweder brechend voll oder servierten nur Getränke. Also holten wir etwas im Supermarkt und aßen in der Wohnung Empanade de atún, Ensaladilla rusa, Palmera de chocolate und ein wenig Tarta de Queso. Schmeckte gut, war reichlich.

§

Einem Projekt hinterherrecherchiert, von dem mein stadtpolitisch interessierter Madrider Cousin erzählt hatte: Hier arbeiten sie an einem Stadtwald, dem Bosque Metropolitano. Im Sinne von Grüngürtel rund um Madrid. In der deutschen Großfamilie rätseln wir, warum diese Hammer-Ideen (siehe Madrid Río) hier funktionieren und München die zweite S-Bahn-Stammstrecke nicht gebacken kriegt.

§

Meine Krautrporter-Mitgliedschaft erlaubt mir, einige Artikel an Sie weiterzuverschenken. Diesen von Rebecca Kelber habe ich mit Genuss und Belehrung gelesen, da er den Reichtum von Unternehmer-Clans aus der umgekehrten Perspektive als sonst beleuchtet:
“Mein Urururopa hat den Kühlschrank erfunden – warum hat meine Familie kein Geld?”

Journal Donnerstag, 6. April 2023 – Großfamilienurlaub 5: Madrider Stadtgeschichte, Parque del Retiro, ein bisschen Museo Reina Sofía

Freitag, 7. April 2023

Plan für gestern Morgen: Ausschlafen. Ich tat das sogar bis neun, langsam komme ich in einen lokalen Rhythmus. (Spanien gehört ja eigentlich zur falschen Zeitzone, mit der Stunde Verschiebung, die das ähnlich gelegene England hat, würde sich alles korrekt anfühlen.)

Gestern teilten wir uns nach dem Frühstück (keine Churros und Porras, alle noch voll vom Abendessen) von Anfang an in verschiedene Interessen und Ziele. Ich besuchte mit meinem Vater und anderen zunächst das nahe gelegene Museo de Historia de Madrid. In der Nähe hatte meine Großtante gewohnt, tía Vitória, Schwester meiner Yaya, an die ich liebe Erinnerungen von der Sommerfrische auf dem Dorf habe.

Auf dem Weg dorthin sahen wir bereits Absperrungen für die nächste Karwochen-Procesión. Das Museum erwies sich als nett, aber dann doch eher nüchtern zur Geschichte Madrids – zumal es beim Ersten Weltkrieg endet (Darstellung der Zeit danach zu politisch heikel und umstritten?). Im Eingangsbereich gab es eine Sonderausstellung zu 120 Jahren Policía municipal mit zahlreichen historischen Fotos: Die setzten bei meinem Vater am meisten Erinnerungen frei (unter anderem dass man die weißen Helme der Verkehrspolizisten, die vor der späten Einführung von Ampeln in den Kreuzungen standen, “urinales” genannt habe).

Als wir wieder hinaustraten, hatte die Sonne auch die Luft gewärmt, die Jacke konnte offen bleiben. An der Plaza de Barceló entdeckte ich zu meiner Überraschung Bauhaus-Architektur: Das Teatro Barceló von 1930.

Nach ein wenig Recherche: Vielleicht doch nicht Bauhaus, sondern “Racionalismo madrileño”?
Jetzt vereinzelte ich mich und spazierte Richtung Parque del Retiro. Auf dem Weg dorthin setzte ich mich zu einem Mittags-Cortado.

Er schmeckte mir sehr gut. Der Gründonnerstag ist hier wie der Karfreitag Feiertag (nicht aber Ostermontag, der hiesige Katholizismus feiert ausufernd Leid und Tod Christi, die Auferstehung eher nicht).

Straßen und Plätze waren voll, nicht nur voller Touristen.

Beim Kreuzen der Plaza de Cibeles entdeckte ich ein Denkmal für die Todesopfer der COVID-19-Pandemie.

Der Parque del Retiro so gut besucht wie der Englische Garten in München bei solchem Wetter, ich spazierte ausgiebig.

Pavo real – Königstruthahn.

Das Dunkelpink der Judasbäume sticht in der ganzen Stadt heraus.

Endlich bekam ich ein wenig Appetit, und zwar auf Quark mit Joghurt und vorhandenen, sehr süßen Mandarinen. Kurz vor der Ferienwohnung bog ich also in einen Supermarkt für den Kauf von Zutaten. Der queso fresco erwies sich als sturzfest gelatiniert, ich bekam also nur eine Annäherung an meinen Wunsch, doch mit einem Apfel vorab wurde ich um halb fünf gut satt (um diese Uhrzeit greife nicht mal ich mehr zu Bezeichnung “Frühstück”).

Später war ich nochmal mit der verwandten Reisegruppe verabredet: Einige von uns nutzten den freien Eintritt, den das Museo Reina Sofía in den letzten beiden Öffnungsstunden von 19 bis 20 Uhr gewährt. Ich spazierte von der Ferienwohnung rüber, der andere Familienteil hatte sich bereits in die lange Schlange am Eingang gestellt.

Sie ging fast einmal um den ganzen Platz.

Um Punkt sieben begann der freie Einlass, ab dann ging es sogar recht zügig.

Ich hatte Lust auf Zeitgenössisches (außerdem hatte ich die “Ach-da-hängt-das!”-Gassenhauer Picasso/Cubismus bereits ausführlich gesehen), konzentrierte mich auf den 1. Stock mit den derzeitigen Ausstellungen politischer Kunst und mit der Sammlung Susana y Ricardo Steinbruch, die mir Zeitgenössisches aus Brasilien nahebrachte.

Die Eröffnung neuer Perspektiven, das Ankratzen unhinterfragter Blicke und Annahmen, also was ich mir von zeitgenössischer Kunst erhoffe – das schaffte dann der Museums-Shop, genauer: deren großer Teil mit Guernica-Merchandise.

Guernica auf Hoodie, als 1000- oder 3000-Teile-Puzzle, auf Fächer, Einkaufstasche groß oder klein, Untersetzer, T-Shirt, Kaffeetasse, Platzdeckchen, Schreibheft.

Ich bin noch in erster Linie innerlich am Stolpern, kann mir aber vorstellen, dass hier eine ganze Seminararbeit drinsteckt (Kunstgeschichte? Kulturwissenschaften? Soziologie?).

Nach Museumsschließung spazierten wir in die Ferienwohnung zurück, die Abendrosa-beleuchteten Straßen der Innenstadt wimmelten vor Menschen in Feierabend-/Feiertagslaune.

Herr Kaltmamsell hatte bereits Teile des Abendessens vorbereitet, gemeinsam komplettierten wir es, so dass es für alle neun Heimgekehrten gab: Tortillas, Wok-Gemüse mit Reis und Tofu-Topping, Salat, Brot. Schmeckte alles sehr gut, tat gut, danach wurden noch geröstete Maiskörner und Mandelschokolade geknabbert.

Während ein Teil der Gruppe zu Bett ging, räumte und spülte der andere – das funktionierte ohne weitere Absprachen (<3).

Journal Mittwoch, 5. April 2023 – Großfamilienurlaub 4: Kein Relevo Solemne, aber Madrid Río, Größerfamilenabend

Donnerstag, 6. April 2023

Nach einer Pause nach halb sechs schlief ich lange – bis halb neun.

Goldenes Morgenlicht beim Blick aus unserem Schlafzimmerfenster.

Ich erschrak ein wenig über das späte Aufwachen, denn auch gestern hatten wir etwas Konkretes vor: Nach dem linksalternativen Erlebnis am Dienstag wollten wir den Relevo Solemne am Palacio Reál ansehen (Zusammenhang eben erfunden), den großen, fast einstündigen Wachwechsel im Außenhof, der jeden ersten Mittwoch im Monat um 12 Uhr stattfindet. Da die Madrider Familie uns mit anderen Zeitangaben verunsichert hatte, recherchierten wir besonders gründlich: Vier verschiedene offizielle Quellen gaben als nächstes Termin 5. April, 12 Uhr an. Alles klar.

Wir brachen mit viel Zeit bis dahin auf, waren schon wieder überrascht, wie scheißkalt ein wolkenlos sonniger April-Vormittag in Madrid ist. Zeitiger Aufbruch, denn wir wollten früh am Veranstaltungsort sein: Alle Reiseführer weisen darauf hin, dass man die beste Sicht von den Stufen der benachbarten Kathedrale hat, die wollten wir uns sichern.

Wir spazierten über die Plaza de España, und nach dem Abbiegen zum Palacio Reál war ich dann doch beeindruckt: Dieses Zwischenstück, das ich nur als mehrspurige Autobahn kenne, ist wirklich schön geworden.

Jardines de Sabatini. Auf der Tonspur jetzt Elstern und Papageien, aber kein Autolärm.

Wir positionierten uns auf besagten Stufen, unterhielten uns, beobachteten ein professionell Salsa tanzendes Paar bei Handy-Filmaufnahmen, machten Abstecher zum Blick über Casa Campo.

Als 12 Uhr immer näher kam und der Platz immer noch nicht geräumt wurde, die Stufen der Kathedrale sich auch nicht füllten, wurden wir misstrauisch: Konnten sich alle vier Quellen geirrt haben? Stellte sich heraus: Ja, konnten sie. Kurz nach zwölf stand auf einer davon plötzlich, der nächste relevo solemne finde am 12. April statt (was ganz klar nicht der erste Mittwoch im Monat ist).

Schade, aber wir machten uns eher verdutzt als verärgert einfach zum nächsten Programmpunkt des Tages auf: Ein Spaziergang die neue Uferpromenade des Flusses Manzanares entlang, den Parque Madrid Río.

Auf dem Weg dorthin Abstecher in die Almudena-Kathedrale, dann bot bereits der Abstieg zum Puente de Segóvia herrliche An- und Ausblicke.

Wir kamen am Club La Riviera vorbei – und es stellte sich heraus, dass meine Eltern dort schon 1966 zum Tanzen ausgegangen waren.

Madrid Río beeindruckte mich sehr. Der Park entstand zwischen 2006 und 2012 (hier ein Artikel in der Welt zur Eröffnung). Das Fußballstadion, unter dessen Tribüne man zu meinem Entzücken als Kind durchfahren konnte, steht nicht mehr, dort wird gebaut. In den gut zehn Jahren seit Eröffnung ist der Fluss (weiterhin eingemauert, doch mit viel Platz für Uferbänke und Inseln) ein idyllisches Biotop mit Pflanzen- und Vogelreichtum geworden, wahrscheinlich auch weil Menschen nicht rankommen – man sieht wie im Zoo darauf hinunter.

Alle Anlagen wunderbarst gepflegt und sauber, es ist eigentlich ein Rätsel, dass und wie das funktioniert.

Graureiher unter der Baustelle, wo einst das Fußballstadion lag.

An der spacigen Brücke Arganzuela wurde uns um halb drei mittagshungrig. Wir entschieden uns für Supermarkteinkäufe und Picknick im Schatten, denn zu neunt ist Einkehren in einem Bar eher anstrengend.

Wir kauften wie für eine Großfamilie ein – aber das waren wir ja auch, es blieb nach einem gemütlichen Picknick auf Steinbänken unter Kiefern tatsächlich nur wenig übrig. Ich aß Brot mit Manchego, dann ein ganzes Töpchen Hummus.

Wir kreuzten die Brücke und liefen weiter zum ehemaligen Schlachthof, aus dem ein beeindruckend vielfältiges Kulturzentrum Matadero Madrid geworden ist und das unter anderem das spanische Nationalballet beherbergt.

Interessante Akzente-Typografie.

Jetzt verteilten wir uns wieder, Herr Kaltmamsell und ich nahmen den Fußweg zurück nach Hause und lernten beim Folgen des von Google vorgeschlagenen Wegs unter anderem in Lavapiés die afrikanisch beeinflusste und wuslige Calle del Mesón de Paredes und die Plaza Nelson Mandela kennen.

Zum Abendessen waren wir mit Madrider Familie in einem Restaurant verabredet, nämlich mit einem Teil der meines tío Felix, Bruder meines Vaters. Wir neun nahmen eine U-Bahn in die Nähe der Stierkampfarena Las Ventas, dort hatte mein Cousin einen Tisch in einem andalusischen Restaurant reserviert (die vertrauenserweckend kleine Speisekarte unterschied sich in nichts von der des baskischen Restaurants am Abend zuvor, ich bleibe dabei: die angeblich so regionaltypische Küche Spaniens ist es nicht). Mein Onkel und meine Tante standen schon davor, ich hatte die beiden ebenso wie einen weiteren ihrer Söhne mehr als zehn Jahre nicht mehr gesehen – das Ganze wurde sehr emotional. Kurz darauf trafen der vertrautere Cousin und seine Frau vom Sonntag ein.

Über die nächsten zweieinhalb Stunden schlemmten wir, mein Cousin und seine Frau fragten nur kurz Vorlieben ab (Grillgemüse für die Veganer*innen, huevos rotos für den Vegetarier) und bestellten für alle Platten mit Fisch und Meeresfrüchten, a la plancha und frittiert, Pimientos de padrón, croquetas, frittiertes Wammerl, wir tranken dazu Rotwein (u.a. ich), Bier, Soft Drinks. Ich saß neben meinem Vater und seinem Bruder, gegenüber meine Tante – ich freute mich sehr.

Zum Nachtisch stellte der Wirt, der wohl Spaß an unserem Besuch hatte, drei Fläschchen mit Likören (Hierbas, Kaffee-Sahne-Likör, Pacharán) auf den Tisch, außerdem Eiskonfekt, und dann orderte mein Cousin auch noch Platten mit gemischten Desserts: jahreszeitliche torrijas, eine Platte mit Flan, Vanilleeis und Schokoladentorte, eine Platte mit Crêpes – es kam alles weg.

Ich hatte mich gerade zu dem lang nicht gesehen Cousin gesetzt, da begann bereits der Aufbruch: Die Metro fährt nur bis Mitternacht, und das (sehr herzliche) Personal des Restaurants war nur noch wegen uns da – da in Spanien ja erst nach 21 Uhr zu Abend gegessen wird, überaschte mich das. An der Metro trennten sich unsere Wege, es war viel Herzens und Küssens.

Journal Dienstag, 4. April 2023 – Großfamilienurlaub 3: Museo del Prado, Fortsetzung Vaters Vergangenheit, Tabacalera

Mittwoch, 5. April 2023

Gestern hatte ich mir den Wecker gestellt, ich hatte für alle Neune Tickets fürs Museo del Prado gekauft.

Zum Frühstück hatten die Frühstücker und Frühstückerinnen wieder Churros und Porras (bestehen nur aus Mehl und Wasser, werden in Pflanzenöl frittiert, sind also immer schon vegan – haut rein, Veganist*innen!), diesmal brachten meine Eltern aus der Churrería/Chocolatería auch einen Liter fertige heiße Schokolade zum Eintunken mit.

Zum Museum spazierten wir durch die erwachende Altstadt von Madrid unter strahlend blauem Himmel.

Spanischer Humor (ich brauchte ein bisschen).

Typoliebe (links stark angeschnitten Neffe 2).

Am Museo del Prado standen wir dank bereits gekaufter Karten nur kurz an und verteilten uns je nach Neigung.

Ich nahm mir erst “El Prado en femenino” for, “The female perspective”.

It draws our attention to the women who commissioned, collected or inspired some of the most important works of art in the Museum’s collection.

As such, the route encourages us to explore new narratives and discover unique and surprising accounts in which women are subjects in their own right: artistic promoters, patrons of the arts, the women who lie behind the Museo del Prado and who made such a vital contribution to the formation of its collections during a specific chronological timespan, from 1451 to 1633, in other words the lifetimes of Isabella the Catholic to Isabel Clara Eugenia.

Markierte Tafeln vor Kunstwerken erklärten die Bedeutung der abgebildeten Frauen oder die Rolle von Frauen bei der Entstehung oder der Erwerbung – jede davon hochspannend. Ich freute mich sehr über diesen Ansatz.

Nach einer Pause mit Café von leche und Wasser nahm ich mir mit Herrn Kaltmamsell Goya vor. Ich hatte gelesen, dass das Museum über die Corona-Schließung alles neu gehängt hatte und war gespannt darauf. Das Ergebnis gefiel mir sehr gut: Goyas Werk ist jetzt in seine Schaffensphasen thematisch zusammengefasst und nutzt architektonische Eigenheiten des Baus. So sind zum Beispiel die heiteren ländlichen Szenen, Vorlagen für Tapisserien, im obersten Stockwerk unter Glasdach mit natürlichem Licht zu sehen. Und die düstersten Bilder aus Goyas letzter Schaffensphase hängen ebenerdig in fensterlosen Räumen.

Was mir ebenfalls gut gefiel: Im Museo del Prado darf nicht fotografiert werden. Ich nehme an, dass das nichts mit Urheberrecht zu tun hat, sondern mit dem Fluss der Besucher*innenströme. In den vergangenen Jahren waren meine Besuche in Kunstmuseen davon geprägt, dass die meisten Menschen mit ihren Handys fotografierten, manche machten sogar nichts anderes, oft in Form von Selfies. Das beeinflusste den Aufenthalt, den Blick und die Bewegungsmöglichkeiten von allen Besuchenden – und nicht unbedingt positiv. Wenn einfach niemand fotografiert, so mein Eindruck, ist die gesamte Atmosphäre entspannter und offener.

Drittes Lob: Die wenigen Zeilen Textinformationen zu den Bildern auf Spanisch und Englisch. Ich lernte aus jeder davon über Kunst, denn die Texte wiesen mich auf Besonderheiten wie Gesichtsausdruck oder Komposition hin, ordneten diese Besonderheiten in Gesamtwerk oder in die Zeit ein, oder sie rissen die Rezeptionsgeschichte an – ohne mir Interpretationen oder Reaktionen vorzugeben. (Allerdings lernte ich daraus auch, dass die Spanier, die fremdsprachige Wörter ja ohne Rücksicht auf Verluste hispanisieren, aus Dürer ernsthaft “Durero” gemacht haben. Brutal.)

Um halb drei trafen wir uns draußen mit allen, der größte Teil ging einen Happen essen: Pinchos, Bierchen, Raciones – in einem Lokal, in dem laut meinem Vater bis in die 1970er die Bank war, bei der seine jugendlichen Ersparnisse lagen.

Danach spazierten wir wieder alle zusammen, und zwar zur Salesianerschule, die mein Vater seinerzeit besucht hatte und die es immer noch (völlig umgebaut) gibt.

Ohne familiären Bezug gingen wir weiter zur Tabacalera – ich hatte die Geschichte des Orts erzählt. Diesmal ergab sich durch Zufall (Spruch in Spanien: “El mundo es un pañuelo.” – Die Welt ist ein Taschentuch.) die Möglichkeit, auch mal reinzuschauen.

Auf den Wändern wurde getanzt, unter anderem eindeutig Jota.

Jetzt teilten wir uns wieder auf, ich spazierte mit Herrn Kaltmamsell in der endlich auch wärmenden Sonne über die Calle de la Ribera de Curtidores (wo sonntags der Flohmarkt Rastro) zur Wohnung zurück.

Tagesgesicht der Fassade.

Das Nachtgesicht, am Morgen fotografiert.

Zum Abendessen zu fast spanischen Zeiten um 21 Uhr überließen wir die vegane Jugend sich selbst und gingen zu sechst ums Eck in eine urige Wirtschaft, die madrilenische und baskische Küche servierte.

Es gab ganz hervorragende Tomaten, aromatisch und mit recht harter, dunkelgrün gestreifter Schale.

Und für mich wie einige andere Kutteln nach Madrider Art, callos a la madrileña. Mit einem Glas jungen basikschen Weißwein Txakoli.

Journal Montag, 3. April 2023 – Großfamilienurlaub 2: Vaters Vergangenheit und Iglesia patólica

Dienstag, 4. April 2023

Eine gute Nacht, der Schlaf hätte allerdings länger dauern können.

Morgentoilette, ich machte erst mal Café con leche.

Churros und Porras zum allgemeinen Frühstück (später wurde noch ein Glas Zucker zum Reinstippen dazugestellt) – ich bedauerte wirklich, dass ich morgens kein Essen runterbringe, denn ich erinnerte mich an den Genuss, den mir dieses Gebäck einst zum Frühstück bereitet hat.

Schließlich zogen wir als Großfamilie zu neunt los: Wir wollten uns vom Papá/Abuelo Stätten seiner Kindheit und Jugend zeigen lassen. Auf dem Weg ins Viertel Atocha, wo diese lagen, meanderten wir erst mal durch unsere Wohngegend nördlich der Gran Vía, also durch Malasaña und Chueca. Zwei bis vier aus der Gruppe fotografierten heftig, jeder und jede entdeckte ständig Sehenswertes, blieb stehen und zeigte es den anderen, meinem Vatern fielen Details seiner Madrider Kindheit und Jugend ein, die er erzählte, dann stoppte wieder jemand an einem interessanten Laden und wollte reingucken, kurz: Wir verhielten uns genau wie jede andere entsetzliche Tourist*innengruppe, die wir Bewohner*innen touristischer Gegenden so fürchten.

Gleichzeitig mussten wir immer wieder zur Seite gehen: In den schmalen Gassen zwischen den herzerfrischend vielen kleinen alten Handwerksläden war bei aller Verkehrsberuhigung viel vor allem Lieferverkehr per Auto unterwegs.

Hier hatte mein Vater morgens die Churros und Porras gekauft, frisch zubereitet: Er hatte sich durchgefragt, wo es die besten gebe.

Weiter unter anderem zur Plaza Mayor – wo ich meine ersten Schwalben des Jahres sah, sie hatten unter den Balkonen an der Plaza bereits Nester gebaut.

Überraschend voll hier.

Typoliebe mal wieder, sie bekommt in Madrid besonders viel Futter. Ohnehin fasziniert mich, dass die Altstadtgassen ein Tag- und ein Nachtgesicht haben: Die Rolläden, die nach Geschäftsschluss vor die Ladenfronten gezogen werden, verändern den Anblick völlig – zumal sie heutzutage praktisch alle bunt besprayt sind.

Mein Vater zeigte uns, wo er ein paar Jahre bei seinem Onkel gewohnt hatte, in der Nähe von dessen Bodega – auch dort spazierten wir vorbei.

Es gab auch Typo-Merkwürdigkeiten.

Weiter nach Lavapiés und zu dem Haus, in der die ausbildende Werkstatt meines Vaters gelegen hatte – heute zu einem der vielen kleinen Theater umgebaut.

Auch hier glich er seine Erinnerungen mit den Veränderungen des Orts bis heute ab.

Mittlerweile war es nach drei, wir erklärten den Besichtigungstag für beendet und verschoben weitere Stationen aus Papas Madrider Vergangenheit auf den Dienstag. Die einen nahmen eine U-Bahn zur Ferienwohnung, die anderen spazierten besichtigend zurück, Herr Kaltmamsell und ich steuerten eine besonnte gastronomische Draußensitzgelegenheit an. Nachdem ich mich bis zu diesem Zeitpunkt auch in Pulli, Jacke und Schal bei jeder Möglichkeit in die Sonne gestellt hatte, weil die Luft dann doch ganz schön frisch war, legte ich jetzt endlich die Schal ab und öffnete meine Jacke.

Aber noch vor dem Niederlassen an einem Tischchen bog ich kurz in ein spannend wirkendes Seitengässchen – und stieß auf dieses.

Die Iglesia Patólica, gegründet vom Clown Leo Bassi, verehrt Gummienten (pato spanisch für Ente), wir standen vor ihrem Zentrum, dem Paticano – hier ein paar englischsprachige Informationen.

Appetit hatte ich immer noch nicht, aber jetzt musste ich wirklich mal was essen. Es wurde eine Tosta mit Lachs, ein Pincho mit sauer eingelegtem Gemüse (das in Spanien ganz anders schmeckt als irgendwo anders) und ein Glas Fanta limón (mein Muss in Spanien).

Zurück zur Wohnung machten wir einen großen Umweg über möglichst viel Gran Vía bis zur frisch fertig umgebauten Plaza de España.

Ich war nur mittel angetan: Ja, der meiste Autoverkehr ist weg – aber er wurde ersetzt vor allem durch eine Steinfläche, die sich im Sommer sicher irre aufheizt.

Über ein paar Lebensmitteleinkäufe fürs Abendessen (Herr Kaltmamsell würde kochen) gingen wir zurück in die Ferienwohnung. Diese ist weiterhin feudal, allerdings mit einigen Anstrengungen: Wir mussten die Ausstattung aus allen Küchenzeilen zusammenlegen, denn die zentrale Küche verfügte über exakt einen Kaffeelöffel, außerdem stellten wir fest, dass die Geschirrspülmachine nicht funktioniert, die wir bei neun Mitwohnenden sehr gerne zur Verfügung gehabt hätten.

Herr Kaltmamsell kochte wegen der Zusammensetzung der Gruppe vegan mit zusätzlichem Fleisch: Es gab Mejadra (mit den eingeschränkten Mitteln, also praktisch aus der Feldküche), dazu briet er Rindfleisch (ich verzichtete problemlos), ich machte dazu den klassischen spanischen Salat aus Romana-Salat, Tomaten und den wunderbaren süßen Zwiebeln, das alles mit Balsamico-Vinaigrette.

Den Nachtisch hatte die Bruderfamilie am Sonntag auf einem Zwischenstopp nördlich von Madrid in einer vertrauten Konditorei besorgt: Ponche segoviano.

Journal Sonntag, 2. April 2023 – Großfamilienurlaub 1: Ankunft in Madrid, eine neue Welt des Öffentlichen Nahverkehrs

Montag, 3. April 2023

Huiuiui: So schlecht hatte ich schon lang nicht mehr geschlafen, mit zwei Stunden wach ab Lichtaus, mit nur vier Stunden leichtem Schlaf, dann war ich schon wieder wach.

Egal, das gab mir Zeit für gemütliche Morgenroutine, dann weckte ich meine Eltern. Mit genug Zeit fuhren wir hinaus zum Flughafen (Herr Kaltmamsell reiste separat). Dort Morgen-Cappuccino, reibungsloses Einsteigen in ausgebuchtes Flugzeug (ich war nicht die ganz einzige Maskenträgerin), reibungsloser Flug. Einzige Irritation: An keiner Stelle wollte irgendwer unsere Ausweise sehen und verifizieren, dass wir die Menschen waren, deren Namen auf den Flugtickets standen.

Wie seit dem Vortag waren alle reisenden Einheiten des Großfamilienurlaubs über WhatsApp in Kontakt, wir tauschten Status aus.

In Madrid war Sonne angekündigt, und Barajas lieferte.

Einer meiner spanischen Cousins,1 der zusammen mit seiner Frau und einer großen Tochter unweit wohnt, holte uns vom Flughafen ab, nahm uns mit heim. Wir lernten Menschen und Katzen kennen, bekamen nochmal wohltuenden Café.

Cousin-Familie erklärte das Metro-System und dass ja kürzlich die Preise für Öffentliche Verkehrsmittel gesenkt wurden, für die Verbindungen aus den Vorstädten sogar halbiert, damit die Leute weniger Auto fahren. Mir war bis zu diesem Augenblick nicht klar gewesen, dass eine Senkung von Öffipreisen physikalisch möglich ist.

Und so luden wir in der nächstgelegenen Metro-Station an einem Automaten die Öffikarte mit dem extrem uncoolen Namen “tarjeta transporte público” auf und zahlten für zehn Fahrten so weit wir wollten (fast) – wait for it – 6,10 Euro. Ja, ich weiß, entsetzliche Zustände, linksgrün versiffter Kommunismus, muss ja scheitern, und wenn es nur wegen dem fehlenden Marketing-tauglichen Namen ist (lässt sich ja nicht mal schmissig abkürzen). Das Ganze übrigens finanziert durch die Übergewinnsteuer. (Gegen die derzeit durchaus auch geklagt wird.)

Fahrt in die innere Innenstadt, die Metro wurde immer voller mit herrlicher Menschenvielfalt (das hätte es unter Franco NICHT gegeben!). Wir fanden gut zu unserer Ferienwohnung an einer Nebenstraße der Gran Vía, trafen uns nach ein wenig Hin und Her in den Tagen davor und bis dahin mit einer Angestellten der Ferienwohnungsagentur. Sie erklärte und zeigte alles, stellte sich als charmante Analusierin heraus (Markenkern Andalusierinnen: graciosa).

Die Ferienwohnung erwies sich als sehr schön, das Foto oben zeigt das schönste Schlafzimmer mit Flügeltür, Stuck, verzierten Eisenträgern, Sprudel-Badewanne, links separatem Klo, rechts separater Dusche, noch rechtser begehbarem Kleiderschrank (Kammerl halt). Für instagram habe ich einen Film über die Wohnung aufgenommen, wenn Sie schaun mögen.

Meine Eltern gingen die erste Runde einkaufen, kamen mit Brot, Chorizo, Jamón, Blauschimmelkäse und Weißwein zurück, jetzt machten wir in der Küche erst mal Brotzeit. Dann tauchte Herr Kaltmamsell auf, machte ebenfalls Brotzeit, und schließlich traf das fünfköpfige Rollkoffergeschwader der Bruderfamilie ein (hatte das Anreise-Auto am Stadtrand beim Cousin gelassen, weil sie damit gar nicht zur Ferienwohnung fahren durften, Madrid schränkt die Auto-Zufahrt in die Innenstadt stark ein – ich nehme an, die haben hier nicht mal eine FDP).

Liebevolles Zimmerverteilen, Bestandsaufnahme in allen Küchen, Erstellen der Einkaufsliste, eine weitere Einkaufstour. Draußen war es mild geworden, aber nur in praller Sonne wirklich warm.

Fürs Abendessen hatten wir Aufteilung vereinbart, das Jungvolk zog allein los. Und schickte kurz darauf einen Restauranttipp mit Foto der Speisekarte – ob wir auch kommen wollten? Diese Hummusería sah ganz ausgezeichnet aus: Während meine Eltern bereits müde die Segel strichen, machten wir vier uns auf den Weg dorthin.

Wir spazierten durch Chueca, stellten fest, dass wir die Begeisterung der jugendlichen Cousin-Tochter über dieses wuslige, bunte und schicke Viertel (Indiz: jedes zweite Lokal vegan) nachvollziehen konnten.

Ich hatte eine Bohnen-Gemüsesuppe mit Reis (Khoresht Sabzi), dazu einen Rosenwasser-Gin-Tonic, sonst wurden Shakshuka-Variationen, Hummus und Salat gegessen.

Auf dem Rückweg zur Wohnung holte uns die Jahreszeit ein: Wir gerieten dann doch in eine Semana-Santa-Prozession und musste drumrum gehen.

  1. Service-Fußnote zum familiären Hintergrund, grob vereinfacht: Mein Vater ist gebürtiger Madrilene, kam 1960 als Gastarbeiter nach Bayern, heiratete in Ingolstadt meine Mutter, blieb dort. Er hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester in Madrid, alle zwei Jahre verbrachten wir in meiner Kindheit die Sommerferien in Spanien, sahen dort auch Familie. Den Kontakt bis heute hat mein Bruder gehalten, am intensivsten zu dem ältesten Sohn meine Onkels – zu eben diesem. []