Journal Montag, 15. Mai 2023 – Mit Grau und Regen durch den Mai
Dienstag, 16. Mai 2023 um 6:30Eigentlich gut geschlafen (wenn auch mit verquasten und eher unangenehmen Träumen), dennoch fühlte ich mich auf dem Fußweg in die Arbeit (grauer Himmel, leises Tröpfeln) komplett erschlagen.
Der Arbeitsvormittag verlief sportlich, aber machbar.
Immer noch erschlagen marschierte ich auf einen Mittags-Cappuccino – die Arbeits-Cafeteria ist ja bis auf Weiteres geschlossen, und die Münz-Vollautomaten auf jedem Stockwerk erzeugen eine Qualität auf dem Niveau von Hallenbad-Automaten – Nostalgie wiegt nicht alles auf. Ich fühlte mich weiter kränklich, jetzt deutlich Richtung erkältet.
Auf dem Weg immer wieder blaue Flecken am Himmel, ein wenig Sonne auf dem Boden, überm Westend flitzten schreiend die Mauersegler.
Mittagessen, während draußen Gewitter niederregneten: Ein Stück Roggenschrotbrot (vielleicht mag ich den groben Roggenschrot sogar lieber als den mittleren, ich beiße sehr gern auf die gequollenen Körndln), aromatische Mango mit Sojajoghurt (diese Kombination schmeckt mir derzeit besonders gut).
Der Nachmittag im Büro war nicht mehr ganz so kurz getaktet. Ich machte früher als geplant Feierabend, weil ich jetzt doch endlich umgezogen werden sollte in ein Büro auf der anderen Gebäudeseite.
Auf dem Heimweg wurde ich ein paar Mal angetröpfelt, mein Schirm kam zum Einsatz. Einkaufsabstecher in den Edeka, ich will endlich mal wieder Kuchen backen und kaufte unter anderem Zutaten dafür ein.
Zu Hause Yoga-Gymnastik: nochmal die sportliche Folge vom Sonntag, die wieder richtig warm machte.
Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil Rote-Bete-Gemüse aus dem Klosterkochbuch, wieder ohne Sauerkraut, wieder köstlich. Diesmal hatte er anweisungsgemäß die Rüben nicht geschält, selbst bei der Lagerware machte das keinen Unterschied.
Dieses Im-Moment-Sein.
Im Alltag habe ich mich damit abgefunden, dass ich das nicht kann, mein Hirn ist dafür zu aktiv. Selbst bei der gelassensten Yoga-Gymnastik kann ich im besten Fall nur ohne Selbsthass zulassen, dass eine Ebene meines Hirns sich immer mit dem befasst, was ich danach tun werde.
Doch gerade jetzt, wo ich mich so auf den Urlaub in Brighton freue, werde ich traurig bei der Gewissheit, wie unwahrscheinlich es ist, dass ich dort den Moment genießen werde. Ein paar Minuten am Tag vom Palace Pier aufs Meer gucken, ohne dass mein Hirn vorauseilt, würden mir ja schon genügen.
Verdacht: Ein Wochenende reicht nicht für all die Dinge, zu denen ich unter der Arbeitswoche nicht komme UND für Erholung. Bin ab sofort für die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.
§
In meinem Internet wurde dieser Tage mehrfach ein Interview weitergereicht, dass Anja Burri und Ladina Triaca für die NZZ am Sonntag mit dem Psychologen und Männeraktivisten Markus Theunert geführt haben. Theunert weist aus männlicher Sicht auf einen Fehler hin, den viele Feministinnen seit langer Zeit unterstreichen: Dass Gleichstellung von Mann und Frau von Anfang an daran ausgerichtet war, Frauen Zugang zum scheinbar Besseren, dem Männlichen zu ermöglichen.
“‘Man tut so, als wäre es erstrebenswert, Mann zu sein'”.
Man tut so, als sei es total erstrebenswert, Mann zu sein. Für jede einzelne Frau mag es erstrebenswert sein, gleich viel zu verdienen, im gleichen Ausmass Karriere zu machen und all das. Aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive kann es aber nicht erstrebenswert sein, wenn Gleichstellung bloss heisst, dass Frauen sich auf gleiche Weise problematisch verhalten dürfen, wie das bislang den Männern vorbehalten war.
(…)
Männer wachsen auf in der Gewissheit, der Mittelpunkt der Gesellschaft zu sein, der Massstab. Deshalb ist es für viele Männer solch eine Provokation, wenn von ihnen eine Auseinandersetzung mit ihren Privilegien eingefordert wird. Ausgerechnet der Gleichstellungsbereich macht ironischerweise dasselbe: Er setzt die Männer als unhinterfragte Norm und will die «mindergestellten Frauen» dort hinaufschieben. Aber das funktioniert halt so nicht. Die Lohnungleichheit bleibt, trotz vielen Massnahmen, die unbezahlte Arbeit ist nach wie vor sehr ungleich verteilt. Kurz: Mit den gleichstellungspolitischen Instrumenten, die wir heute benutzen, kommen wir nicht ans Ziel.
(…)
Die Evidenz liegt klar auf meiner Seite. Nach traditionellen Männlichkeitsvorstellungen leben heisst: früher, unglücklicher und einsamer sterben. Natürlich gibt es Männer, die gerne über ihren Ressourcen leben. Aber die Lust an Selbstschädigung kann nicht die Leitlinie staatlichen Handelns sein.
(Dieser letzte Satz passt wunderbar für viele weitere aktuelle Themen, zum Beispiel Klima-, Gesundheits- und Mobilitätspolitik.)
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Journal Montag, 15. Mai 2023 – Mit Grau und Regen durch den Mai“
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16. Mai 2023 um 11:01
Verdacht: Ein Wochenende reicht nicht für all die Dinge, zu denen ich unter der Arbeitswoche nicht komme UND für Erholung. Bin ab sofort für die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Die Beobachtung mache ich seit langem, was man immer gut prüfen kann, wenn es mal durch Feiertage oder andere Umstände ein langes Wochenende gibt. Bei mir läuft das dann so: Tag 1 (in der Regel Samstag) erledigt man alles, was in der Woche liegen geblieben ist: Größere Besorgungen/Einkäufe, Arbeiten in der Wohnung etc. Tag 2 ist dann zum runterkommen/ausspannen/chillen, und an Tag 3 hat man dann die Energie für “eigene Projekte”.
Dummerweise kommt es im normalen Arbeitsleben mit 5-Tage-Woche praktisch nie zu Tag 3.
16. Mai 2023 um 17:16
Ist bei mir auch so ähnlich… am Sonntag Abend habe ich erst einen einigermaßen freien Kopf für kreative/existenzielle Gedanken und Pläne. Tja, zu spät, am Montag Früh muss man wieder fit für die Arbeit sein.