Archiv für Juni 2023
Journal Donnerstag, 29. Juni 2023 – Cotswolds Way 3 von Cleeve Hill nach Birdlip, und verschärfte Umstände
Freitag, 30. Juni 2023Wieder deutlich zu früh aufgewacht. Aber wir hatten das Frühstück eh auf frühe 8 Uhr gelegt, um zeitig zu dieser langen Etappe loszukommen.
Herr Kaltmamsell bestellte auch hier zum Frühstück das Full English, war sehr zufrieden. Wie schon am Vortag bei der Anweisung, erstmal die Wanderschuhe im Stiefelraum auszuziehen, hatte die Unterkunft eine sachte Alpenverein-Note. Am Frühstücks-Buffet ebenfalls viele Anleitungen zum Selbermachen, auf dem Zimmer Anweisungen, sehr freundlich formuliert, für alles Mögliche inklusive fürs Lüften bei Abreise.
Ein ganzes Wanderhotel voller Memmen wie uns, die ihr Gepäck fahren ließen.
Aufbruch!
Blicke auf Cheltenham, das wir mit viel Mäandern und vor allem auf Höhenwegen an diesem Tag fast umrunden würden – wir sahen die Stadt nahezu von allen Seiten. Erstmal aber verließen wir das ausgedehnte Cleeve Common, nicht nur ein Naturschutzgebiet, sondern ein Rest des Allmende-Systems, das die englische Landwirtschaft einst prägte und von den enclosures beendet wurde.
Das Wetter war ganz wunderbar, mild mit viel Sonne, immer wieder gemischten Wolken, die Strecke war spannend, zudem sportlich lang. Dass sie besonders anstrengend wurde und ich nicht allzu viel davon mitbekam, lag aber an überraschender gesundheitlicher Unpässlichkeit.
Etwa zwei Stunden nach Aufbruch begannen meine Därme Samba zu tanzen und zu schmerzen, ich wünschte mir sehr innig ein Klo. Doch das lag ein ganzes Stück entfernt in einem Pub, es wurden dorthin die längsten 70 Wanderminuten meines Lebens. Im Schweinsgalopp.
Nach besuchtem Klo setzte ich mich in diesem Pub noch mit Herrn Kaltmamsell auf eine Tasse Schwarztee (er hatte ein Pint Cider), fühlte mich ganz schön wackelig. Doch vom Sitzenbleiben, so war ich sicher, würde mir auch nicht schneller besser, ging ich halt wackelig weiter.
Dazu kam: An Essen mochte ich dann nicht mal denken, die sportliche Anstrengung des Tages musste also ohne Nahrungsaufnahme auskommen (großen Dank für meinen nahezu unerschütterlichen Blutzuckerspiegel). So war ich bei all den schönen und immer wieder neuen Aussichten vor allem mit Durchhalten beschäftigt. Selbstverständlich bot der navigierende Herr Kaltmamsell Abkürzungen an, aber ich wollte doch den Cotswolds Way gehen! Das tat ich dann auch, ohne wirklich zu leiden.
Viper’s Bugloss (Gewöhnlicher Natternkopf?). Und Schmetterlinge gab’s gestern! So viele verschiedene und schöne!
Pferde-Ampel in Seven Springs, beachten Sie auch den Druckknopf auf Sattelhöhe.
Nach drei machten wir nochmal Pause am Crickley Hill Information Center.
Unbekannte Distel-Schönheit.
Nach exakt acht Stunden und knapp 26 Kilometern kamen wir an unserem Hotel im Zielort Birdlip an.
Dort fiel ich in unserem angenehm geräumigen Zimmer erst mal aufs Bett und rührte mich eine halbe Stunde nicht (davon hatte ich seit Stunden geträumt). Dann nutzte ich die überraschende Badewanne für ein Vollbad – und stellte am ablaufenden Wasser sowie am anschließend nicht mehr blütenweißen Handtuch fest, dass die Wanderung mich ganz schön dreckig gemacht hatte.
Gegen das Hungerzwicken im Bauch versuchte ich es mit Essen und packte das Lunchpaket aus, dass wir morgens vom Hotel bekommen hatten: Apfel, Käse-Gurken-Sandwich (eher trocken), Eiweißriegel. Der Bauch rumpelte nur wenig, und ich wurde satt.
Ich versuchte mich bis nach neun wach zu halten (um längeren Nachtschlaf wahrscheinlicher zu machen), unter anderem durch Bloggen. Herr Kaltmamsell guckte auf BBC Four eine sehr spannende Doku über die filmische Begleitung der britischen Kohleförderung ab den 1950ern, “The Mining Review”.
Journal Mittwoch, 28. Juni 2023 – Cotswolds Way 2 von Stanton nach Cleeve Hill, und Entschuldigungskulturen
Donnerstag, 29. Juni 2023Wegen zu frühen Aufwachens nicht genug Schlaf bekommen, etwas benommener Start in den Tag.
Die ehemalige Feuerstelle im Frühstücksraum.
Unsere B&B-Gastgeberin entschuldigte sich immer wieder für ihren Fauxpas bei unserer Ankunft, als sie unser Klingeln nicht gehört und ihr Handy auf Lautlos gestellt hatte. Mein Hauptproblem war ja erstmal gewesen, dass ich wusste: Im Englischen gebietet die Höflichkeit, auf jede Entschuldigungen mit Gegen-Entschuldigung zu reagieren, auch wenn die Verfehlung ganz eindeutig nur auf einer Seite liegt. Doch mir fiel in der Situation einfach keine ein, ich bin halt deutsch. Erst am nächsten Tag kam mir die Idee: “Sorry for all the trouble.” Das geht ja eigentlich immer. Erst beim Abschied konnte ich diese Gegen-Entschuldigung endlich anbringen.
Wir waren am Dienstag auf der Straße von Nachbarn darauf angesprochen worden, dass wir ja wohl Schwierigkeiten gehabt hätten, unsere Landlady erzählte, dass das ganze Dorf Bescheid wisse. Lustig, denn in der Situation selbst hatte uns niemand angesprochen oder gar Hilfe angeboten, auch nicht diese Nachbarn, die am Montag an uns vorbeigegangen waren.
Wir verabschiedeten uns sehr herzlich, bekamen als weitere Entschuldigung eine Schachtel edler Pralinen geschenkt.
Wieder mussten wir Taxi fahren, um an das Ziel der Vortags, den Start unserer nächsten Etappe in Stanton zu gelangen. Aber ab jetzt werden wir jeden Tag von der einen Unterkunft zur nächsten wandern.
In Stanton Pärchen-Selfie zum Start. Das Wetter war wieder trübe, doch im Gegensatz zum Vortag warm-schwül. Ich brauchte auf der ganzen Etappe keine Jacke.
Durchs malerische Stanton hinaus in eine Landschaft, die eher nach Park als nach Landwirtschaft aussah.
Diese seltsamen Wellen sind ploughing humps.
Zweimal ging es gestern recht lang, aber sacht bergauf, ich kam in der Schwüle ziemlich ins Schwitzen.
Aber es ging auch wieder runter.
Im Eingangsportal der Kirche von Hailes machten wir nach gut zwei Stunden zum ersten Mal Pause, ruhten uns eher pflichtgemäß aus.
Keine Stunde später kamen wir ins lebendige Örtchen Winchcombe und kehrten in einem Pub ein. Herr Kaltmamsell probierte Ciders, ich bekam meinen Mittagscappuccino.
Englischer Humor, im Schaufenster eines Hardware Stores in Winchcombe.
Um zu zeigen, dass nicht alle Wege des Cotswolds Way supermalerisch sind (aber die allermeisten).
Blick zurück nach Winchcombe.
Eine Schaukel! In freier Wildbahn!
(Foto: Herr Kaltmamsell) Bisschen kurz, aber jede Schaukel ist besser als keine Schaukel.
Sehenswürdigkeit am Weg: Belas Knap, ein Hügelgrab.
Dem brummenden Strom der Hochspannungsleitung spielte ich ein bisschen “Ohm, sweet Ohm” von Kraftwerk vor.
Eine der vielen kissing gates, die wir gestern passierten, immer die Gelegenheit für einen Kuss wahrnehmend.
Nach einem kleinen Abstieg machten wir gegen drei im Wald auf einem Baumstamm Brotzeitpause, ich aß Apfel, Eiweißriegel, gemischte Nüsse. Beim Aufstehen nach der Pause bemerkte ich eine schmerzhafte Stelle am Schienbein, obwohl nichts am Schaft der neuen Stiefel dort drücken konnte. Ich beschloss gleich mal, am nächsten Tag in die alten Stiefeln zu wechseln.
In der letzten Wanderstunde in der Nähe von Cheltenham (das wir immer wieder unter uns sahen) stießen wir nicht nur immer wieder auf Pferde, sondern auch auf viele Kaninchen.
Unsere Unterkunft in Cleeve Hill. Das waren insgesamt gemessene 21 Kilometer in gut sechs Stunden mit drei Pausen.
Wir wurde erstmal in den Stiefelraum geführt, wo wir unsere Wanderschuhe lassen mussten, dann zu unserem Zimmer für die Nacht – ohne Kissenberge auf dem Bett, aber arg klein und ohne Schreibtisch (ich tippte auf dem Bett sitzend). Dafür mit neckischer Aussicht auf den grünen Hügel direkt hinterm Hotel mit reichlich Schafen. Und direkt neben dem Zimmerfenster ist wohl ein Schwalbennest, das immer wieder angeflogen wird.
Nach Ausruhen mit dann halt doch Bloggen (keine Garantie für die nächsten Tage mit deutlich längeren Wanderungen!) wusch ich mir notdürftig den Wanderschweiß ab, um zum Abendessen auszugehen: Herr Kaltmamsell hatte im Pub ums Eck reserviert, genauer im einzigen Pub am Ort. Es gehörte zur Green-King-Kette, bot entsprechend nichts Einheimisches oder Saisonales an.
Doch ich freute mich an Kürbis-Rote-Beete-Ravioli (Herr Kaltmamsell hatte Halloumi-Sticks zur Vorspeise).
Ganz besonders am großen Salat mit Halloumi (gegenüber gab es chicken pie mit chips. Und auf den Alkohol (Pinot noir) hatte ich mich schon den ganzen Tag gefreut. Zum Nachtisch gab es im Hotelzimmer die Pralinen aus Broadway.
Journal Montag/Dienstag, 26./27. Juni 2023 – Cotswolds-Wanderung bis Stanton, und die Deko-Kissen-Frage
Mittwoch, 28. Juni 2023Reisekleidung und Koffer für den Wanderteil des Urlaubs.
Koffer für den Brighton-Teil, allerdings musste hier noch der gemeinsame Kulturbeutel Platz finden.
Dass die Anreise zu unserer Unterkunft in den westenglischen Cotswolds komplex sein würde, wussten wir, sie legte dann aber auch noch unerwartete Komplexität drauf.
Erstmal aber pünktliche S-Bahn durch frühe Sommerhitze und -sonne zum Münchner Flughafen.
Pünktlicher Start.
Pünktliche Landung in London Heathrow. Heathrow Express zum Bahnhof Paddington, dort machte ich um halb drei Ortszeit Brotzeit mit einer frischen Cornish Pasty – schrecklich heiß, was gemein war, denn ich hatte solchen Hunger. Anderthalb Stunden Fahrt mit dem Regionalzug nach Moreton-in-Marsh – und dann standen wir erstmal da.
Denn ein Taxi zum zehn Kilometer entfernten Ort Broadway, in dem unsere Unterkunft lag, war keines zu bekommen, da konnte Herr Kaltmamsell die Liste mit Taxi-Anbietern im Fenster des Bahnhofsgebäudes noch so gründlich abtelefonieren: Die Nummern gab es nicht, oder es ging nur der AB dran, und der eine echte Mensch, mit dem wir sprachen, informierte uns, dass erst in anderthalb Stunden wieder ein Fahrer frei sein würde. Ein junger Einheimischer, der mit uns eingetroffen war, nahm uns jede Hoffnung: “Welcome to the English countryside!” Also entschieden wir uns für den einen Bus am Tag, der uns nach nur einer Stunde Warten fahren würde.
Nächste Komplexität: In unserem B&B öffnete niemand auf unser Klingeln. Herr Kaltmamsell telefonierte vergeblich, irgendwann auch mit der organisierenden Agentur – doch letztendlich erreichten wir nach einer halben Stunde unsere Gastgeberin, weil Herr Kaltmamsell einen Hintereingang zum Garten des Hauses fand, in dem sie fröhlich mit Gästen saß. Jetzt endlich konnten wir daran arbeiten, die Reise-Anspannung loszuwerden.
Fürs Abendessen gingen wir die Hauptstraße Broadways entlang an schmucken Häusern und vielen (durchgehend weißen) Touristen vorbei in den vorher recherchierten Supermarkt des Ortes, ich aß zurück auf unserem Zimmer einen Wrap mit Bohnen-Käse-Füllung und Coleslaw, zum Nachtisch Brownies.
Über Broadway Mauersegler und Schwalben, mittendrin viele Dohlen (deutlich hörbar), ein Rotkehlchen mit Würmern im Schnabel, das sich so nah an einem Zaunpfosten vor mir niederließ, als wollte es mit den Würmern mich füttern.
Unser B&B-Bett mit mächtigen Kissenbergen und Schmuck-Plaid, das ist ja ein durchaus üblicher Deko-Stil für Gästebetten. Dass jemand diesen Anblick gemütlich findet, kann ich akzeptieren – aber was machen Gäste, wenn sie in diesem Bett schlafen wollen? Gibt es einen designierten Platz in Hotelzimmern für Deko-Kissenberge und -Plaid bei Nacht?
Wir waren noch weit vor Nachtdunkelheit bettmüde, doch im Urlaub darf man so früh Schlafen gehen, wie man will.
§
Tiefer und guter Schlaf, ich las morgens noch ein wenig Internet vor dem Frühstück.
DIE bisherige Entdeckung in unserer Unterkunft: Die einfachste Bedienung einer Hoteldusche der westlichen Welt – ein An/Aus-Knopf für den Wasserfluss (mittlerer Druck), Temperaturregler, fertig.
Frühstücksraum unserer Unterkunft, wir setzten uns ans Fenster. Dass das Haus aus dem 16. Jahrhundert stammen soll, wird durch den Steinboden und die riesige Feuerstelle links an der Wand glaubwürdig. Herr Kaltmamsell bediente sich ausgiebig an den zahlreichen liebevollen frischen Frühstücksgerichten (u.a. selbst gemachtes Kompott mit Joghurt, verschiedene selbstgebackene Kuchen, selbst gemixter Smoothie), die Hausherrin unterstrich bei den Zutaten die lokale Herkunft, und er ließ sich englisches Frühstück braten.
Bei mir wollte sich trotz Urlaub keinerlei Frühstücks-Appetit einstellen, ich musste mich wortreich dafür entschuldigen, dass ich nur ein Kännchen Tee bestellte.
An unserem Zimmerfenster ritt jemand auf einem weißen Pferd vorbei, und die Regeln für Telefonieren auf Pferd sind wahrscheinlich laxer als die für Telefonieren am Steuer.
Dann wurde es wieder etwas umständlich. Weder am Start unserer Wanderung noch am gestrigen Zielort hatte es noch Übernachtungsmöglichkeiten gegeben, deswegen hatte die Agentur uns für zwei Nächte dazwischen untergebracht. Das bedeutete aber, dass uns ein Taxi zum Wanderstart bringen musste, abends vom Wanderziel abholen – alles von der Agentur organisiert.
Start des Cotswold Ways ist Chipping Campden, ein ausgesprochen reizender Ort.
Links die alte Markthalle.
Markthalle von innen.
Das Wetter war deutlich auf der düsteren Seite, wir sahen den ganzen Tag fast keinen Sonnenstrahl. Dafür tröpfelte es immer wieder, ich trug die meiste Zeit meine Wanderjacke. Das trübte zwar die zahlreichen großartig weiten Blicke, war als Wanderwetter aber super. Als schlecht erwies sich, dass ich mich für eine kurze Hose entschieden hatte: Die Wege waren oft dicht zugewachsen, meine Beine machten unangenehme Bekanntschaft mit Brennnesseln und Brombeerranken.
Andere Wander*innen trafen wir immer wieder, irgendwann wurde ich entspannter mit der Dynamik, dass man einander mehrfach überholt/begegnet, weil mal die anderen, mal man selbst zum Gucken oder für Pausen anhält. Aus “Hello” wird halt irgendwann “Hello again”. ABER! Keinerlei Radler*innen, null, nada, weder Touren-, noch Wander- oder Mountain-.
Hier sind Strohdächer typisch, wir kamen an frischer Strohdeckerei vorbei.
Blick zurück nach Chipping Campden.
Auf diesem schönen Weg spazierte ein paar hundert Meter lang ein Rebhuhn vor uns her.
Immer wieder kreuzten wir Schafweiden, begegneten der regionaltypischen Rasse Cotswolds Lion in verschiedenen Stadien der Rasur von dick bewollt bis eben geschoren. Sonstige spannende Tiere vor allem Greifvögel in der Luft: Hauptsächlich Milane, hin und wieder ein Bussard. Und die Türkentauben sind hier groß! Mal sehen, ob ich irgendwo Taubenbrüste auf der Speisekarte sehe.
Erklärtafeln und das von der Agentur mitgelieferte Wanderbüchl halfen uns, einige der vielen saisonalen Wiesenblumen zu identifizieren.
Spotted orchid (Fuchs’ Knabenkraut?).
Pyramidal orchid (Pyramiden-Hundswurz?). Wir sahen auch erfreulich viele Schmetterlinge, in den Wiesen und Wäldern summte und brummte es.
Ehemaliger Steinbruch mit Brocken des typischen Kalksteins der Gegend. Herr Kaltmamsell brachte mir den Begriff Oolith bei (Sedimentgestein, das aus kleinen Mineralkügelchen – Ooiden – besteht, diese Kügelchen sah ich auch bei genauerer Betrachtung).
Broadway Tower. Wegen trüber Aussicht reizte uns der Aufstieg nicht, der außerdem Geld gekostet hätte. Im dazugehörigen schönen Café am Parkplatz (von dem uns andere Wanderer an einem Aussichtspunkt beim Smalltalk erzählt hatten) machten wir kurz nach zwölf Kaffeepause.
Blick auf Broadway, das wir durchquerten.
Rechts unser B&B.
Auf einer Wiese machten wir kurz vor drei Brotzeitpause, ich aß vernünftig einen Apfel und einige Mischnüsse.
Unser Zielort Stanton, ganz viel Cotswolds-Idyll.
Das waren in sehr gemütlichen fünfeinhalb Stunden 16 Kilometer Wanderung gewesen. Da das der kürzeste und einfachste Abschnitt war, hatte ich meine neuen Wanderschuhe getragen – sie machten sich ganz hervorragend.
St. Michael’s, 1000 Jahre alt.
Unsere Taxifahrerin wartete schon auf uns, auf der Fahrt zurück zu unserem B&B in Broadway erzählte sie, dass sie in siebter Generation in den Cotswolds lebe.
Weil wir schon kurz nach vier zurück im B&B waren, schrieb ich Blogpost und bearbeitete die Fotos dazu. Nach diesen zwei Stunden war ich sehr hungrig und ging mit Herrn Kaltmamsell raus zum Abendessen.
Wir hakten Fish’n chips von unserer Englandliste ab, bemerkenswert hier waren die crushed peas mit Minze. Ich aß alles auf.
Wieder früh ins Bett.
Journal Sonntag, 25. Juni 2023 – Der vorläufig letzte tägliche Blogpost
Montag, 26. Juni 2023Zu früh aufgewacht, Schlaf auf Freibad verschoben.
Der Morgen war deutlich zu kühl für Balkonkaffee, aus demselben Grund verbummelte ich den Start ins Freibad bis zehn. Dann aber radelte ich auf der Panoramastrecke in Lindenduft zum Dantebad, im Juni scheint alles Grün in München aus Linden zu bestehen.
An der Damen-Innendusche wurde Schlange gestanden, unter anderem weil zwei davon ausgefallen waren (nicht erst seit gestern), ich ging unter die kalte Außenbrause (das morgentoilettliche Reinigungsduschen hatte ich bereits daheim absolviert). Auch die beiden Sportschwimmbahnen waren dicht gepackt, ich legte die ersten paar hundert Meter wegen ständiger Überhol-Spurts in Rekordzeit zurück und machte mich bereits auf Genussfreiheit gefasst. Doch zum Glück war ich wohl nur in einen Schichtwechsel geraten, ab ca. elf Uhr konnte ich wie gewohnt Spazierenschwimmen.
Schnelles Abtrocknen und Sonnencremen, auf der ausgedorrten Liegewiese breitete ich mich aus und hörte ein Stündchen Musik. Heimradeln über einen Bäcker Wimmer, Frühstück kurz vor drei wurden zwei Körnersemmeln und gesammeltes Restobst im Haus.
Urlaubsvorbereitungen: Mutter radlfähig machen, letzte Wäsche waschen, Einsatz Geschirrspülmaschine und Packen terminieren. Außerdem sicherte ich Reservierungen in den Restaurants in Brighton und London, in denen wir ganz besonders gern essen möchten.
Ich stellte fest: Weiße Streifen vom Schwimmen in der Sonne habe ich mittlerweile nicht mehr nur wegen Bikini, sondern auch wegen Falten (Hals, Armbeugen).
Zeitunglesen auf dem Balkon, Yoga-Gymnastik, dann legte ich alles von meiner Pack-Liste raus auf mein Bett, um es dann auf die beiden Koffer zu verteilen (der große für den Wander-Teil, der kleinere mit allem, was wir erst in Brighton brauchen werden).
Herr Kaltmamsell servierte das Abendessen: Zu Buschbohnen aus Ernteanteil gab es Flatironsteak aus der Pfanne. Danach reichlich Schokolade.
Und jetzt müssen wir alle ganz stark sein: In diesem Urlaub habe ich vor, nicht jeden Tag zu bloggen, sondern alle drei bis vier Tage, vielleicht auch nur eine Wochenzusammenfassung. Ich möchte herausfinden, was ein bis zwei Stunden am Tag zusätzlich zur freien Verfügung bewirken, werde also abends lediglich die Fotos des Tages von meinem Smartphone runterladen und beschriften, ein paar Notizen zu den Ereignissen des Tages festhalten.
Wir alle müssen das, weil ich mir dadurch ja auch die Möglichkeit zum späteren Nachschlagen, zum kleinteiligen Wiedererleben des Urlaubs nehme, denn das mache ich durchaus: Mich an einen Urlaub erinnern und ihn dann im eigenen Blog nochmal nachvollziehen.
Aber das probieren wir jetzt mal aus.
§
Elias Hirschl hat 2022 den Publikumspreis beim Bachmannpreis in Klagenfurt gewonnen und wurde damit automatisch Klagenfurter Stadtschreiber 2023. Was ihn nicht daran hindert, Klagenfurt geradeaus zu beschreiben:
“Was hat Jörg Haiders Tennislehrer mit dem Bachmannpreis zu tun?”
via engl
§
Spannender Krautreporter-Artikel, frei zu lesen:
“Interview: ‘Wir müssen in der Geschichte von Europa und Afrika alles infrage stellen'”.
Was wir über Kolonialismus wissen, haben ausgerechnet jene aufgeschrieben, die davon profitiert haben. Wir haben den Literatur-Professor James Orao gefragt, welcher Geschichte wir noch trauen können.
Journal Samstag, 24. Juni 2023 – Vom Kartoffelkombinat-Film mitgenommen
Sonntag, 25. Juni 2023Ausgeschlafen, mit Kopfweh und Kieferschmerzen (?) aufgewacht. Das Draußen eher trübe, sollte aber im Verlauf des Vormittags aufhellen.
Da ich mich derzeit körperlich fit fühle, sah ich keinen Anlass für Schonung vor den Wandertagen und gönnte mir eine Laufrunde an der Isar, und zwar im lang nicht mehr besuchten nördlichen Englischen Garten.
Mit der U-Bahn zum Odeonsplatz, diese zwei Stationen wurden ja mit Pendelverkehr bedient. Wie angekündigt entwickelte sich der Himmel von gemischtwolkig zu immer sonniger, sofort stieg die Temperatur. Ich mäßigte mich und lief nur unter anderthalb Stunden, blieb dabei soweit wie möglich im Schatten.
Die Rückfahrt wurde etwas umständlich, aber daran hatte ich selbst schuld: Zwar war mir sehr bewusst, dass gestern CSD in München gefeiert wurde (den ganzen Tag über wimmelte die Innenstadt vor Regenbogen-Volk), doch ich hatte nicht konsequent daraus geschlossen, dass das den Tram-Verkehr behindern würde. Am Tivoli musste ich also flugs umplanen, nahm einen Bus zur Giselastraße, U-Bahn zum Odeonsplatz (Touristen beraten, wie sie von dort zum Tierpark kommen, mich für die Umstände entschuldigt: “Wissen’S, wir bauen.”), Pendel-U-Bahn zum Sendlinger Tor. Von dort ging ich auf den geplanten Abstecher zum Semmelholen. Völlig in Ordnung, nur war ich mittlerweile wirklich sehr durstig und stürzte daheim erstmal zwei Gläser Wasser hinunter.
Nach dem Duschen sorgte ich für den Abend vor: Die beiden kleinen Kohlrabis aus Ernteanteil wurden roh Salat mit Zitronensaft und Joghurt, ich bereitete Pizzateig zu, stellte ihn zum Gehen in den Kühlschrank.
Frühstück kurz vor zwei war ein Kichererbsensalat, den Herr Kaltmamsell mit roter Paprika, Limettensaft, Chilisalz und Ernteanteil-Koriander, dem aromatischsten, den ich je erlebt habe, angemacht hatte. Außerdem Semmeln.
Dann gingen wir die paar Minuten hinüber zum Kino am Sendlinger Tor zur Weltpremiere des Dokumentarfilms über unser Kartoffelkombinat, Das Kombinat.
https://youtu.be/ZyeNS6Pw360
Ich sah im Publikum einige bekannte Gesichter anderer Genossenschaftler*innen.
Moritz Springer hatte für die Doku das Kartoffelkombinat von 2013 bis 2022 begleitet, also ab kurz vor dem Zeitpunkt meines Beitritts, konzentrierte sich vor allem auf die beiden Gründer Daniel Überall und Simon Scholl, zudem auf Gärtner Benny. Der Film nahm mich sehr mit: Jetzt verstand ich die Hintergründe des Hin und Her, als es erst hieß, Vorstand Daniel werde zurücktreten, als es dann aber überraschend Simon war, der sein Amt abgab. Ich ahnte wohl, dass das Zeichen einer Krise war, doch jetzt sah ich auch, wie viel Schmerz dahinter stand, es zog mir das Herz zusammen – die Leute auf der Leinwand kannte ich ja alle und mag sie sehr.
Nach der Aufführung, vor der Fragerunde: Moritz Springer links mit Mikrophon, rechts davon das Kartoffelkombinats-Team, das im Film auftaucht.
Über die Qualität des Films kann ich nichts sagen, dafür bin ich zu nah dran und drin. Mir ging durch den Kopf: Wann sagen sie jetzt endlich, dass die Gärtnerei vom Sigi war? Oh, die Phase im Kloster Schönbrunn kommt gar nicht vor? Und auch nicht die Zeit mit unserer ersten Vorständin Teresa Lukaschik? Alles Resultate filmerischer Entscheidungen, die sehr wahrscheinlich erst möglich machten, dass die Doku in 90 Minuten passte. Und es handelte sich ja auch nicht um eine Chronik. Der Eindruck Unbeteiligter würde mich sehr interessieren, am 28. September kommt der Film in die Kinos, sobald ich einen Ausstrahlungstermin auf 3sat weiß, gebe ich Bescheid.
Mit Herrn Kaltmamsell kaufte ich noch Erdbeeren für den Abend-Drink ein, dann bügelte ich alles weg, was zu bügeln war: In erster Linie, um aus dem Urlaub nicht zu Bügelwäsche zurückzukehren. Und um den Sonntag echt frei zu haben für Kofferpacken und Aufregung. Ich hörte dabei weder Musik noch Podcast, war mit Verarbeitung des Films beschäftigt.
Fürs Abendessen machte ich Pizza: Eine Margarita, eine bianca mit Olivenöl, Mozzarella, Parmesan, Knoblauch, Oregano.
Für selbstgemachte Pizza sehr gut geraten, ich merke mir den maximal hochgedrehten Backofen (Backstein eh) und das Ruhen der Pizza vor Einschießen in den Ofen. Dazu gab es den ersten Erdbeer-Gin&Tonic der Saison, irgendwie waren wir bislang nicht dazu gekommen.
Gestern war ich besonders dankbar für öffentlich-rechtliches Fernsehen als (soweit überhaupt möglich) belastbare Nachrichtenquelle. Die von Russland engagierte Söldner-Armee Wagner hatte völlig überraschend einen Putsch begonnen und war auf dem Weg nach Moskau, den ganzen Tag über hatte ich den Verlauf verfolgt, war aber hilflos bei der Bewertung. Abends halfen mir die Expert*innen der ARD vor Ort in der Tagesschau und im anschließenden Brennpunkt, den Vorfall und seine Hintergründe einzuordnen, zudem externe Fachleute zum Thema – ja, das war ein sehr einschneidender, wichtiger Vorfall.
Letzte telefonische Absprachen mit meiner Mutter zum Wohnunghüten.
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Rätsel Mensch: Was lässt jemanden annehmen, Gesundheitstipps, noch dazu mit einer Belastbarkeit von “Ich kenne jemanden, bei dem hat geholfen”, könnten mir per E-Mail willkommener sein als hier in den Kommentaren? Aber keine Sorge: Auch die lösche ich sofort nach Identifikation als solchen.
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Saubere Konjunktive ohne Hilfsverb sind im Deutschen schon lange ein Elite-Ding. Aber wenn man’s kann, machen sie enorm Spaß, wie @formschub beweist:
“Der konjunktive Kuchen”.
Journal Freitag, 23. Juni 2023 – Feier von Urlaubsstart und Mittsommer
Samstag, 24. Juni 2023Guter Nachtschlaf, nach Aufwachen (mal zu Regenrauschen, mal zu Stille) schlief ich immer gleich wieder ein.
Zeittypische Wetter-Ambivalenz:
1. “Oh super! Endlich ein echtes Regengebiet und nicht nur punktuelle Gewitter!”
2. “Aber muss das gerade heute Morgen kommen, wo ich doch dringend mit dem Rad in die Arbeit fahren wollte, um den privaten Vormittagtermin möglichst zeitsparend wahrnehmen zu können?!”
Ich ging also knurrend zu Fuß in die Arbeit – Rad fahre ich zu selten, als dass sich eine Komplettausstattung für Regen lohnen würde (auch wenn ich Frau Brüllen schon arg um diesen coolen Auftritt beneide – man kann nicht alles haben).
Zumindest (es gibt immer ein Zumindest) kam ich so dazu, nochmal die Theresienwiese zu kreuzen; nach meinem Urlaub wird sie bereits für den Oktoberfestaufbau gesperrt sein und erst nach Abbau im November wieder kreuzbar.
Im Büro kam ich trotz großem Schirm mit sehr feuchtem unteren 25 Prozent Kleidung an, Wechselschuhe hatte ich dabei.
Ordentlich was weggschafft (aber nichts Panisches, diesmal muss ich mir drei Urlaubswochen nicht durch Überarbeiten erkaufen), dann für Pedikürentermin ausgestempelt. Der Regen hatte aufgehört.
Diese Stencils gibt es jetzt häufiger im Westend, hier u.a. interessante Abkürzung von “eigentlich”.
Mit schönen Füßen auf dem Rückweg kurze Einkehr auf einen Mittagscappuccino.
Ich hatte diesmal meinen eigenen Disco-Nagellack mitgebracht, weil der hoffentlich auch die sieben Wandertage in Stiefeln übersteht. Vor Rückkehr an meinen Schreibtisch machte ich mir aktiv klar, dass jetzt der echte, eigentliche Jahresurlaub ansteht, mit Spaß, Erholung und all dem – von selbst schien das nicht richtig angekommen zu sein, mein Hirn machte bereits Arbeitspläne für nach dem Urlaub.
Wetter mild und sehr angenehm. Mittagessen war dann Birchermuesli mit Joghurt, mittelgute Pfirsiche und Aprikosen.
Nachmittags noch Reste weggschafft, leider unter steigendem Schwindel. Heimweg über Süßigkeiten-Einkäufe, daheim Yoga-Gymnastik.
Am Abend war ich mit Herrn Kaltmamsell zur Feier des Urlaubsstarts und des Mittsommers verabredet – zu einem ausgiebigen Essen im Romans mit besonders schönem Außenbereich. Dass ausgerechnet gestern der einzige kühle Tag zwischen zwei ausgedehnten Schönwetterperioden eintraf, war halt doof.
Wir nahmen eine U-Bahn zum Rotkreuzplatz, setzten uns auch ohne Sommerwärme an einen Außentisch, kamen wie erhofft ins Reden und Erzählen.
Das Essen in Form des Überraschungsmenüs in vier Gängen wie gewohnt anständig, die Weine der Begleitung ok (leider bekam ich nicht mal die Flaschen zu sehen, die Gläser wurden bereits eingeschenkt serviert). Das Highlight war nach Bressaola und gebratenem Ziegenkäse, etwas pomfig gefüllten Ravioli mit Gamberini und Perlhuhn mit Erbsen-Kartoffelpü zu unser beider Überraschung das Dessert:
Halbgefrorenes Zitronenmousse mit Limoncello auf Vanillecreme, sehr aromatisch, und der Süßwein, ein Moscato, erwies sich als das beste Pairing.
In meiner Jeansjacke hatte ich auch nicht gefroren, sowohl Urlaubsstart als auch Mittsommer waren hiermit gefeiert.
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Derzeitige Wettervorhersage für den Wanderurlaub in England: Zwischen 19 und 22 Grad, wenig Sonne, manchmal Regen – also super. Ich hatte mich vor einer brutalen Hitzewelle wie vergangenen Sommer in England gefürchtet.
Und um das nochmal klarzustellen: Ich bin immer noch sehr beleidigt als EU-Empfängerin der Ohrfeige Brexit. Auch wenn der größte Schaden damit wie prognostiziert in UK angerichtet wurde, hier ein Resümee der drei Jahre Brexit von Imke Köhler, ARD London.
“‘Großbritannien pfeift aus dem letzten Loch'”.
Meine Mutter ist wieder so freundlich, während unserer Abwesenheit auf unsere Wohnung aufzupassen. München möchte sie natürlich auch genießen, ich habe ihr Weg-Beschreibungen, mit Rad oder ohne, zu einigen gewünschten Zielen zusammengestellt. Ganz speziell für sie eine Tiktok-Folge sandro.cap (Anmelde-Aufforderung einfach wegklicken):
“Sätze, die man am Sendlinger Tor hört”.