Journal Montag/Dienstag, 26./27. Juni 2023 – Cotswolds-Wanderung bis Stanton, und die Deko-Kissen-Frage

Mittwoch, 28. Juni 2023 um 8:36

Reisekleidung und Koffer für den Wanderteil des Urlaubs.

Koffer für den Brighton-Teil, allerdings musste hier noch der gemeinsame Kulturbeutel Platz finden.

Dass die Anreise zu unserer Unterkunft in den westenglischen Cotswolds komplex sein würde, wussten wir, sie legte dann aber auch noch unerwartete Komplexität drauf.

Erstmal aber pünktliche S-Bahn durch frühe Sommerhitze und -sonne zum Münchner Flughafen.

Pünktlicher Start.

Pünktliche Landung in London Heathrow. Heathrow Express zum Bahnhof Paddington, dort machte ich um halb drei Ortszeit Brotzeit mit einer frischen Cornish Pasty – schrecklich heiß, was gemein war, denn ich hatte solchen Hunger. Anderthalb Stunden Fahrt mit dem Regionalzug nach Moreton-in-Marsh – und dann standen wir erstmal da.

Denn ein Taxi zum zehn Kilometer entfernten Ort Broadway, in dem unsere Unterkunft lag, war keines zu bekommen, da konnte Herr Kaltmamsell die Liste mit Taxi-Anbietern im Fenster des Bahnhofsgebäudes noch so gründlich abtelefonieren: Die Nummern gab es nicht, oder es ging nur der AB dran, und der eine echte Mensch, mit dem wir sprachen, informierte uns, dass erst in anderthalb Stunden wieder ein Fahrer frei sein würde. Ein junger Einheimischer, der mit uns eingetroffen war, nahm uns jede Hoffnung: “Welcome to the English countryside!” Also entschieden wir uns für den einen Bus am Tag, der uns nach nur einer Stunde Warten fahren würde.

Nächste Komplexität: In unserem B&B öffnete niemand auf unser Klingeln. Herr Kaltmamsell telefonierte vergeblich, irgendwann auch mit der organisierenden Agentur – doch letztendlich erreichten wir nach einer halben Stunde unsere Gastgeberin, weil Herr Kaltmamsell einen Hintereingang zum Garten des Hauses fand, in dem sie fröhlich mit Gästen saß. Jetzt endlich konnten wir daran arbeiten, die Reise-Anspannung loszuwerden.

Fürs Abendessen gingen wir die Hauptstraße Broadways entlang an schmucken Häusern und vielen (durchgehend weißen) Touristen vorbei in den vorher recherchierten Supermarkt des Ortes, ich aß zurück auf unserem Zimmer einen Wrap mit Bohnen-Käse-Füllung und Coleslaw, zum Nachtisch Brownies.

Über Broadway Mauersegler und Schwalben, mittendrin viele Dohlen (deutlich hörbar), ein Rotkehlchen mit Würmern im Schnabel, das sich so nah an einem Zaunpfosten vor mir niederließ, als wollte es mit den Würmern mich füttern.

Unser B&B-Bett mit mächtigen Kissenbergen und Schmuck-Plaid, das ist ja ein durchaus üblicher Deko-Stil für Gästebetten. Dass jemand diesen Anblick gemütlich findet, kann ich akzeptieren – aber was machen Gäste, wenn sie in diesem Bett schlafen wollen? Gibt es einen designierten Platz in Hotelzimmern für Deko-Kissenberge und -Plaid bei Nacht?

Wir waren noch weit vor Nachtdunkelheit bettmüde, doch im Urlaub darf man so früh Schlafen gehen, wie man will.

§

Tiefer und guter Schlaf, ich las morgens noch ein wenig Internet vor dem Frühstück.

DIE bisherige Entdeckung in unserer Unterkunft: Die einfachste Bedienung einer Hoteldusche der westlichen Welt – ein An/Aus-Knopf für den Wasserfluss (mittlerer Druck), Temperaturregler, fertig.

Frühstücksraum unserer Unterkunft, wir setzten uns ans Fenster. Dass das Haus aus dem 16. Jahrhundert stammen soll, wird durch den Steinboden und die riesige Feuerstelle links an der Wand glaubwürdig. Herr Kaltmamsell bediente sich ausgiebig an den zahlreichen liebevollen frischen Frühstücksgerichten (u.a. selbst gemachtes Kompott mit Joghurt, verschiedene selbstgebackene Kuchen, selbst gemixter Smoothie), die Hausherrin unterstrich bei den Zutaten die lokale Herkunft, und er ließ sich englisches Frühstück braten.

Bei mir wollte sich trotz Urlaub keinerlei Frühstücks-Appetit einstellen, ich musste mich wortreich dafür entschuldigen, dass ich nur ein Kännchen Tee bestellte.

An unserem Zimmerfenster ritt jemand auf einem weißen Pferd vorbei, und die Regeln für Telefonieren auf Pferd sind wahrscheinlich laxer als die für Telefonieren am Steuer.

Dann wurde es wieder etwas umständlich. Weder am Start unserer Wanderung noch am gestrigen Zielort hatte es noch Übernachtungsmöglichkeiten gegeben, deswegen hatte die Agentur uns für zwei Nächte dazwischen untergebracht. Das bedeutete aber, dass uns ein Taxi zum Wanderstart bringen musste, abends vom Wanderziel abholen – alles von der Agentur organisiert.

Start des Cotswold Ways ist Chipping Campden, ein ausgesprochen reizender Ort.

Links die alte Markthalle.

Markthalle von innen.

Das Wetter war deutlich auf der düsteren Seite, wir sahen den ganzen Tag fast keinen Sonnenstrahl. Dafür tröpfelte es immer wieder, ich trug die meiste Zeit meine Wanderjacke. Das trübte zwar die zahlreichen großartig weiten Blicke, war als Wanderwetter aber super. Als schlecht erwies sich, dass ich mich für eine kurze Hose entschieden hatte: Die Wege waren oft dicht zugewachsen, meine Beine machten unangenehme Bekanntschaft mit Brennnesseln und Brombeerranken.

Andere Wander*innen trafen wir immer wieder, irgendwann wurde ich entspannter mit der Dynamik, dass man einander mehrfach überholt/begegnet, weil mal die anderen, mal man selbst zum Gucken oder für Pausen anhält. Aus “Hello” wird halt irgendwann “Hello again”. ABER! Keinerlei Radler*innen, null, nada, weder Touren-, noch Wander- oder Mountain-.

Hier sind Strohdächer typisch, wir kamen an frischer Strohdeckerei vorbei.

Blick zurück nach Chipping Campden.

Auf diesem schönen Weg spazierte ein paar hundert Meter lang ein Rebhuhn vor uns her.

Immer wieder kreuzten wir Schafweiden, begegneten der regionaltypischen Rasse Cotswolds Lion in verschiedenen Stadien der Rasur von dick bewollt bis eben geschoren. Sonstige spannende Tiere vor allem Greifvögel in der Luft: Hauptsächlich Milane, hin und wieder ein Bussard. Und die Türkentauben sind hier groß! Mal sehen, ob ich irgendwo Taubenbrüste auf der Speisekarte sehe.

Erklärtafeln und das von der Agentur mitgelieferte Wanderbüchl halfen uns, einige der vielen saisonalen Wiesenblumen zu identifizieren.

Spotted orchid (Fuchs’ Knabenkraut?).

Pyramidal orchid (Pyramiden-Hundswurz?). Wir sahen auch erfreulich viele Schmetterlinge, in den Wiesen und Wäldern summte und brummte es.

Ehemaliger Steinbruch mit Brocken des typischen Kalksteins der Gegend. Herr Kaltmamsell brachte mir den Begriff Oolith bei (Sedimentgestein, das aus kleinen Mineralkügelchen – Ooiden – besteht, diese Kügelchen sah ich auch bei genauerer Betrachtung).

Broadway Tower. Wegen trüber Aussicht reizte uns der Aufstieg nicht, der außerdem Geld gekostet hätte. Im dazugehörigen schönen Café am Parkplatz (von dem uns andere Wanderer an einem Aussichtspunkt beim Smalltalk erzählt hatten) machten wir kurz nach zwölf Kaffeepause.

Blick auf Broadway, das wir durchquerten.

Rechts unser B&B.

Auf einer Wiese machten wir kurz vor drei Brotzeitpause, ich aß vernünftig einen Apfel und einige Mischnüsse.

Unser Zielort Stanton, ganz viel Cotswolds-Idyll.

Das waren in sehr gemütlichen fünfeinhalb Stunden 16 Kilometer Wanderung gewesen. Da das der kürzeste und einfachste Abschnitt war, hatte ich meine neuen Wanderschuhe getragen – sie machten sich ganz hervorragend.

St. Michael’s, 1000 Jahre alt.

Unsere Taxifahrerin wartete schon auf uns, auf der Fahrt zurück zu unserem B&B in Broadway erzählte sie, dass sie in siebter Generation in den Cotswolds lebe.

Weil wir schon kurz nach vier zurück im B&B waren, schrieb ich Blogpost und bearbeitete die Fotos dazu. Nach diesen zwei Stunden war ich sehr hungrig und ging mit Herrn Kaltmamsell raus zum Abendessen.

Wir hakten Fish’n chips von unserer Englandliste ab, bemerkenswert hier waren die crushed peas mit Minze. Ich aß alles auf.

Wieder früh ins Bett.

die Kaltmamsell

23 Kommentare zu „Journal Montag/Dienstag, 26./27. Juni 2023 – Cotswolds-Wanderung bis Stanton, und die Deko-Kissen-Frage“

  1. TomInMuc oder Tomate meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  2. Sigrid meint:

    Das klingt alles sehr wunderbar und macht Lust auf England. Ein weiterer Punkt auf der Reiseliste

  3. Flusskiesel meint:

    Mein Nervenkostümchen wäre von der komplizierten Anreise vollkommen zerrüttet gewesen, aber irgendwie scheint ja dann doch alles geklappt zu haben (habe beim Lesen mitgefiebert!).

    Ich wünsche einen schönen und erholsamen Urlaub! Man bekommt beim Lesen direkt Reiselust.

  4. engl meint:

    ach, diese überkletterhilfen, auch als wegmarkierung quer durch die weide. you know?! die haben einen namen, den ich aber vergessen habe.

  5. Lotti meint:

    Stile oder step stile (für Leitern oder Trittstufen); und in vielerlei Varianten (https://www.countrylife.co.uk/country-life/country-crossings-stile-guide-128113) , aber meine Lieblingstörchen ist das Kissing Gate.
    Danke für das Mitnehmen in die Cotswolds.

  6. die Kaltmamsell meint:

    Herr Kaltmamsell bietet das deutsche „Zaunübertritt“ an, engl.

  7. Iris meint:

    Also aus meinem früheren Leben als Zimmermädchen kann ich Ihnen sagen, was mir damals beigebracht wurde: wenn der Gast die Zierkissen und Überdecken in den Schrank legt, nicht mehr aufdecken. Und in meinem jetzigen Leben, das ich sehr oft als Gast in verschiedensten Hotels verbringe, bestätigt sich diese Regel bzw. halten sich sehr viele housekeeping Mitarbeiterinnen dran. Dazu muss natürlich Platz im Schrank sein, das ist bei den ganz hippen, neuen Hotels nicht immer gegeben. Schönen Urlaub noch!

  8. ewa meint:

    Wieder eine schöne Reise, auf die Sie uns mitnehmen. Vielen lieben Dank! Und natürlich weiterhin einen erholsamen Aufenthalt und “gute Wanderschaft”!

  9. Thea meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  10. engl meint:

    @ Lotti: danke!
    (danach habe ich schon lange gesucht.)

  11. Miriam meint:

    Herrlich! “Old England” ist doch wahnsinnig pittoresk. Ich freue mich schon darauf, Sie auf ihrer weiteren Reise zu begleiten! Hoffentlich mit geeignetem Wetter.

  12. Wiesel meint:

    Unsere große Englandfrage ist immer: Wie schaffen wir es, unter einer großen Bettdecke zu schlafen? Wenn man es als Paar gewohnt ist, zwei seperate Bettdecken zu haben, ist die englische Großvariante eine wirkliche Herausforderung…

  13. die Kaltmamsell meint:

    Das ist sehr hilfreich, Iris, danke!

  14. Vinni meint:

    Danke, Iris, das mit den Überdecken hab ich mich auch schon oft gefragt :)

    Was die großen Decken im Doppelbett angeht, da fragen wir inzwischen, ob wir noch eine zweite Decke bekommen können, dass jeder eine eigene hat. Bisher wurde das auch in Großbritannien immer sehr freundlich aufgenommen, kann nur passieren, dass dann jeder so ein Riesending hat *g*

  15. Neeva meint:

    Wenn es denn Decken gibt und nicht drölf verschiedene Überdecken und Laken aus verschiedenen Materialien. Ich habe schon bös gerätselt zwischen welche Schicht ich mich jetzt legen soll. :-)
    Gibt halt doch kulturelle Unterschiede…

  16. Kateb meint:

    Aber nichts im Vergleich zu dem amerikanischen Laken-Kunststoffüberdecken-Chaos.

  17. Beate meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  18. Sandra meint:

    In Dufftown (Schottland) hatte ich 2 Erlebnisse, an die mich Ihr Bericht denken lässt:

    Gruseligerweise wurde uns im B&B von der Gastgeberin während des Abendessens im Esszimmer von ihr das Bett aufgedeckt! Man musste sich nur noch reinlegen und hatte mit der Deko nix am Hut

    Und durch ein bedauerliches Missverständnis bekam ich außer Tee nichts zum Frühstück, das ich unbedingt wollte: Auf dem Zettel gab es Spalten anzukreuzen und abends musste der Zettel für den Folgetag abgegeben werden. Ich wollte alles von diesem Zettel frühstücken und machte einfach über alle Zeilen hinweg in der Spalte „Yes“ ein riesiges Kreuz. Das deutete die Gastgeberin leider als Durchstreichen.

  19. lihabiboun meint:

    Oh wie schön, vielen Dank fürs Mitnehmen. Ich kenne ja das ländliche England übahaupz nicht, da ist das wie ein Urlaub …. und dann schreiben wir doch bitte alle gemeinsam einen kleinen Schlaf-Führer: Die Betten der Welt. Ich steuere dann das französische Straff-Laken plus kratzige Wolldecke bei, vielleicht auch noch die Kopfkissenwurst. Ich sage nur: Rückenbrech. Ich wünsche Ihnen noch sehr viel Vergnügen und bitte keine wehen Füße!!!

  20. Joël meint:

    Wunderschön.
    Die Fotos erinnern mich sehr an alle möglichen Fernsehserien die in England abgedreht wurden. Von Pater Brown über Poirrot und Marple bis hin zu Midsommer Murders.
    Weiterhin viel Vergnügen.

  21. Peter Ringeisen meint:

    ***** SEHR gern gelesen *****

  22. Anke meint:

    Sehr gerne gelesen, vielen Dank für den Urlaubsbericht

  23. Croco meint:

    Inspector Barnaby, an jeder Ecke.
    Eine gute Zeit wünsche ich.

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