Journal Samstag, 3. Juni 2023 – Sonnenwandern: Zu Fuß von Starnberg nach Pasing
Sonntag, 4. Juni 2023 um 8:50Der viele Wein vom Vorabend beeinträchtigte meinen Schlaf kaum, ich wachte ausgeruht und nur ganz wenig verkatert auf.
Für gestern hatten Herr Kaltmamsell und ich uns eine Wanderung vorgenommen, ich hatte gezielt eine längere Strecke ausgesucht, um uns endlich auf die Ganztages-Etappen des diesjährigen Fernwanderwegs Cotswold Way vorzubereiten: Ca. 23 Kilometer die Würm entlang von Starnberg nach Pasing.
Das angekündigte Wetter war mit Sonne und 24 Grad ideal, wir kannten die Route bereits in die andere Richtung. Ich hatte die Gegenrichtung zum einen zur Abwechslung vorgeschlagen, zum anderen würden wir beim Wandern nach Norden die Sonne im Rücken haben. Ich trug trotz der leichten Strecke mit sehr bequemen Wegen meine Wanderstiefel: Test, ob eine lange Strecke in warmen Temperaturen automatisch roten Ausschlag (“Wanderkrätze”) erzeugen würde.
Und so genossen wir tatsächlich ideales Wanderwetter mit leichtem Wind, in schattigen Abschnitten war es sogar für nackte Schultern etwas zu frisch. Was wir für die mindestens so langen Etappen in England übten: regelmäßige Pausen. Und zwar nicht erst bei Ausruh-Bedürfnis, sondern stur alle zwei Stunden, damit erst gar kein echtes Ausruh-Bedürfnis entsteht.
Die Ausblicke und Anblicke im Leutstettener Moos und an der Würm waren märchenhaft, ich sah zum ersten Mal im Leben Wasseramseln – allerdings sah ich sie nicht tauchen, das konnte ich bei erster Begegnung aber nicht gleich erwarten. Zumindest konnte ich sie lang genug beobachten, um ihre lustigen Kniebeugen zu sehen.
Allerdings erwischten wir eine nicht optimale Streckenführung: Etwa ein Drittel des Wegs (zwischen Gauting und Planegg) führte Straßen entlang, wir mühten uns vergeblich immer wieder in Flussnähe zu kommen. Womit wir gerechnet hatten: Viele Radler*innen, die Route ist als Fahrradwanderung ausgeschildert – mit dem hohen Straßenanteil wahrscheinlich dafür wirklich besser geeignet. Alle Beteiligten kamen gut miteinander aus.
Erster Hinweis auf unser Wanderthema, hier noch minus Idylle.
Start des Idylls im Leutstettener Moos.
Blick zurück von Leutstetten zum Starnberger See.
Mühltal.
Endlich an der Würm – sie stand in voller Blüte.
Um halb zwei Brotzeitpause nach gut zwei Stunden Wandern (Glockenapfel vom Vollcorner, ich hatte mich sehr gefreut, auf diese Sorte zu stoßen).
Vor Gauting “Roter Flieder” oder wie ich dieses Jahr Herrn Kaltmamsell beibrachte, dass Kastanien nicht unbedingt weiß blühen (und die rot blühenden unanfällig für die Miniermotte sind, möglicherweise mittlerweile bevorzugt gepflanzt werden).
Diesen Pfad an der Würm abseits der Straße hatte Herr Kaltmamsell bei einer Wanderung in die Gegenrichtung entdeckt, er ersparte uns einen Kilometer Straße – ließ uns auf herrliche Grundstücke auf der anderen Seite sehen und war abenteuerlich wild.
Herrliche deutsche Sprache – hier in Stockdorf.
St. Margaret in Krailling.
In Planegg gab es um vier eine zweite Pause. Ein wenig Sorge bereitete mir, dass Herr Kaltmamsell mit seinen vertrauten Wanderschuhen kämpfte, sie drückten ihn. Er betonte, dass er einfach seine Einlagen vergessen habe, ich hoffe, das war wirklich die Ursache. Selbst lief ich völlig unbeschwert, das darf in England gern so bleiben. Daheim sah ich: Wanderkrätze nur ganz leicht.
Am Pasinger S-Bahn-Gleis trafen wir nach gut sechs Stunden Wanderung auf Bekannte – und freuten uns, dass wir auf ihre Frage “Wo kommt ihr denn her?” antworteten: “Aus Starnberg.”
Problemlose Fahrt an den Stachus, auf dem letzten Abschnitt nach Hause kaufte ich am Standl noch Erdbeeren für den Abend.
Daheim füllten wir auf dem Balkon das viel genutzte Wasserschälchen nach: Zu unserer großen Freude trauen sich dieses Jahr auch die Distelfinken aus den Bäumen davor ran.
Räumen und Ausruhen, dann briet Herr Kaltmamsell uns Würste zum Nachtmahl, dazu aus Ernteanteil Grelos (Stängelkohl). Ich hatte sogar Lust auf ein Glas Weißwein dazu. Danach gab es große Mengen Erdbeeren (jetzt sind die heimischen richtig gut), noch ein wenig Schokolade.
Im Bett den nächsten Roman angefangen und mich von ihm nach China mitnehmen lassen: Fang Fang, Michael Kahn-Ackermann (Übers.), Weiches Begräbnis.
§
Ein Text von Friederike Gräff in der taz, der mir nahe geht. Auch mich bestürzt es immer wieder, wenn Menschen die Nachricht vom Tod eines sehr alten Menschen mit “na ja, er war doch schon alt” abtun: Für Nahestehende, für Angehörige und Freunde, ist dieser Tod ein schmerzlicher Verlust, der durch die Länge der gemeinsam verbrachten Lebensjahre sicher nicht geringer wird.
“Trauer ist alterslos”.
4 Kommentare zu „Journal Samstag, 3. Juni 2023 – Sonnenwandern: Zu Fuß von Starnberg nach Pasing“
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4. Juni 2023 um 10:27
Meine Oma wurde 93 und war einfach für alle schon immer da. Niemand kannte ein Leben ohne sie. Und wenn ein fester Bestandteil deines Lebens plötzlich für immer verschwindet, ist das schlimm. Auch wenn es ihr gar nicht mehr gut ging und das oft gesagte “vielleicht war’s besser so” schon auch seine Berechtigung hatte.
Freut euch an euren Omas und Eltern, solange ihr sie habt!
4. Juni 2023 um 19:09
Schlimm ist, dass das dann dazu beiträgt, dass sich oft die Trauernden die Trauer selbst nicht mehr zugestehen. Sie erzählen von ihrem Verlust und dann kommt von ihnen selbst ganz schnell ein “aber so ist das Leben” oder ähnliches. Als wenn sie sich ihre Trauer wegdiskutieren wollten.
5. Juni 2023 um 18:15
Wird der Cotswold way eine Tour mit geplanten Übernachtungen. Ich bin jetzt nicht der große Wanderer, aber Cotswolds-Fan und schon ein wenig neidisch…
5. Juni 2023 um 19:20
Ja, Kateb116, wir haben die Tour von einer Agentur organisieren lassen.