Archiv für Juni 2023

Journal Donnerstag, 1. Juni 2023 – Frühling zu Sommer

Freitag, 2. Juni 2023

Gut geschlafen bis auf eine Krampf-Attacke, diesmal überraschend im rechten hinteren Oberschenkel. Körper! Immer für eine Überraschung gut! Aktuell mit Körper-Komik: Ich spüre immer wieder Schmerzen an der operierten Hüfte, was immer noch erstmal Sorge auslöst – bis mir einfällt, dass ich mich kürzlich heftig an der Hüfte gestoßen habe (Spitze des Fahrradsattels, fragen Sie nicht), dort ein blauer Fleck prangt und die Schmerzen sehr wahrscheinlich keine besorgniserregende Ursache haben.

Auf dem Weg in die Arbeit bemerkte ich das Ansteigen der Temperatur: Unter leicht diesigem Himmel und ohne Wind fehlte die Morgenfrische.

Die Robinien am Heimeranplatz blühen – aber gerochen habe ich ihren Duft noch nicht.

Im Büro Vollpower-Vormittag mit Wind von vorn, außerdem planmäßig neue Menschen. Von den verschiedenen Erzeugern des Trubels war nur einer vor Ort – 60 Prozent mobiles Arbeiten der Abteilung bedeutet auch, dass die Leute keinen Eindruck vom Gesamttrubel bekommen.

Kurz vor zwölf legte sich der Trubel, ich konnte raushuschen auf einen Mittagscappuccino. Und betrat beim Verlassen des Bürogebäudes Sommer: Fast eine Woche hatte ich mich über den sonnigen und frischen Frühling gefreut, gestern wurde es in langen Ärmeln in der Sonne bereits unangenehm – ich bin doch noch nicht durch mit meiner Frühlingskleidung!

Spätes Mittagessen, es gab Mango mit Sojajoghurt.

Der Nachmittag war nochmal… abwechslungsreich, ab vier schleppte ich mich nur noch erschöpft durch.

Auf dem Heimweg unter wieder verschleiertem Himmel Supermarkt-Einkäufe. Daheim fand ich den ja immer noch Sabbatical genießenden Herrn Kaltmamsell auf dem Balkon lesend vor, beleuchtet von Blätter-gefilterter Sonne, und freute mich an diesem Anblick. Eine Einheit Yoga-Gymnastik, dann durfte ich Abendessen zubereiten: Den Ernteanteil-Salat und die wunderbar frischen -Radieserlblätter sowie den -Schnittknoblauch machte ich mit zugekauften Tomaten und harten Eiern zu einer Schüssel Salat. Angemacht mit Joghurt-Dressing, das ich mir zu Studienzeiten ausdachte und bis heute so mache: viel Joghurt sowie je ein Teelöffel Meerrettich, Senf, Majo außerdem Salz und Pfeffer. Weil ich aber seither dazugelernt habe, ergänze ich mittlerweile einen Teelöffel Ahornsirup. Schmeckte sehr gut. Dann gab es noch ordentlich Käse, Nachtisch Schokolade.

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In der gestrigen Süddeutschen Zeitung ein ausgewogener und für mich nachvollziehbarer Kommentar von Ronen Steinke zur Verurteilung der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. zu fünf Jahren Haft (leider wieder €):
“Es gibt keine gute Selbstjustiz – auch nicht gegen Nazis”.

Es gibt keine “berechtigte” Knochenbrecherei im Morgengrauen, selbst wenn sie sich gegen tatsächlich gefährliche Neonazis richtet. Das Gewaltmonopol hat der Staat – und wie er keine Körperstrafen verhängen und vollstrecken darf, so dürfen das erst recht und selbstverständlich keine Privatleute.

Aber:

Übeltaten, die aus der linken Szene kommen, nach allen Regeln der Kunst auszuleuchten und rasch und strikt vor Gericht zu bringen, das ist ein Lieblingsprojekt einer sächsischen Landespolitik gewesen, die währenddessen gegen rechte Hetzer und Gewalttäter noch immer oft eher lasch vorgeht. Die Linken seien ja genauso schlimm – das ist nicht nur ein zynischer Whataboutism, mit dem die Behörden von eigener, schlechter Arbeit ablenken.

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Ich wusste nicht, dass die Sängerin Karen Carpenter auch das Schlagzeug spielte bei den Carpenters – so schön.

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https://youtu.be/-XYBj0J99i8

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Kakadu führt Traumleben vor.

Journal Mittwoch, 31. Mai 2023 – Lerchenprivileg

Donnerstag, 1. Juni 2023

(Ein Entwurf-Fragment dieses Posts ging bereits gestern Morgen versehentlich online, ich musste lernen, dass Zurückstellen auf “Entwurf” nicht die Veröffentlichung zurücknimmt, gnarf.)

Wir Lerchen kennen nicht den kreativen Zauber von Nachtstunden, stellen unsere Stühle beim Ausgehen nicht selbst auf die Tische, kennen überhaupt “Nachtleben” und seine vielfältige Welt nur aus Erzählungen, müssen uns in die uncoole Streber- und Spießerrolle einfinden, sitzen vor acht im Büro, weil wir morgens am produktivsten sind. Aber. Wir können zwischen Mitte Mai und Ende Juli den Wecker auf Fabrik-Frühschicht stellen (keine exakte Uhrzeit, um die Eulen nicht völlig zu verschrecken) und bei entsprechender Neigung noch vor dem Arbeitstag eine Laufrunde an der Isar einlegen, selbst diejenigen unter uns Lerchen, die unter einer Stunde gar nicht erst mit dem Laufen anfangen.

Auf den gestrigen Morgen als Gelegenheit war ich gekommen, weil ich für eine Besorgung nach Feierabend ohnehin mit dem Rad in die Arbeit fahren würde – und ein für mich akzeptabler Arbeitsbeginn nach Laufrunde nur damit zu schaffen war. Und wegen schönem Wetter, das herrliches Licht und wunderbare Luft versprach.

Mein Viertelstunden-genauer Plan für den Morgen klappte. Nach tiefem, guten Schlaf wachte ich eine Minute vor Wecker auf, trank sogar noch café con leche, putzte mir die Zähne und radelte zur Wittelsbacherbrücke. Dort startete ich meinen Lauf Richtung Thalkirchen und um den Hinterbrühler See zurück. Es war vom ersten Schritt an großartig, ich hätte jodeln mögen. Die Windjacke über kürzärmligem Laufshirt war genau die richtige Kleidung für die Morgenfrische.

Kunst unter der Brudermühlbrücke:

Mir kam eine große Gruppe creatures of the night entgegen: Durchgefeierte verträumte Goths mit leiser Musik.

Sonnengruß:

Wunderschöner Anblick zum Abschluss: Ein mächtiger Kormoran, der sein Gefieder in der Morgensonne trocknete, auf einem Felsen mitten in der Isar vor der Wittelsbacherbrücke (zu weit weg für Foto).

Gelernt unter anderem auf diesem Lauf: Enten stehen keineswegs mit den Hühnern auf, die meisten, denen ich begegnete, hatten den Schnabel noch unterm Flügel und pennten.

Ein Uhrencheck ergab in der zweiten Hälfte des Laufs leichte Verzögerung, ich holte sie mit höherem Lauftempo ein – sonst laufe ich ja immer nur so schnell, wie es sich gemütlich anfühlt, aber nach nur einer Stunde geht auch Tempo. Nach insgesamt 75 Minuten war ich zurück an meinem Radl, schwänzte das Dehnen (einmal wird schon nichts ausmachen) und fuhr heim.

Glas Wasser, duschen, schminken, anziehen, gepackten Arbeitsrucksack aufgeschnallt, in die Arbeit geradelt. Ich startete den Bürotag nur 20 Minuten später als sonst und hatte bereits ein wunderschönes Erlebnis hinter mir.

Gut zu schaffende Arbeit, wenig Haareraufen.

Zu Mittag gab es Lagerapfel, den letzten Kanten selbst gebackenes Walnussbrot, Hüttenkäse.

Den ganzen Tag blieb ich schwindelfrei, das war schön. Draußen krachten die Farben im Sonnenlicht, und die Luft, die durchs gekippte Bürofenster hereinkam, war angenehm frisch.

Nach Feierabend radelte ich nach Schwabing: Bestellte Unterwäsche war eingetroffen, ich holte sie ab. Der Radlverkehr in die Stadtmitte nach Hause war nicht ganz so schlimm wie befürchtet, ich reihte mich in den Strom ein (hätte aber kurz vor der Haustür fast noch eine alte Dame angefahren, die beim Queren der Straße umdrehte und sich in die andere Richtung bewegte – gerade als ich sie überholte).

Auf den Straßen viele Menschen in Hochsommerkleidung, also Hotpants, Strandkleidchen – diese Eskalationsstufe behalte ich mir für Hitze vor, gestern war immer noch Frühling mit 23 Grad und frischem Wind.

Zu Hause nochmal die Yoga-Gymnastik vom Vorabend. Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl Orecchiette mit Kirschtomaten und Ruccola, sehr gut. Dann gab’s die ersten richtig guten Erdbeeren der Saison mit ein wenig Pistazien-Baklava, außerdem Schokolade (zu viel, hmpf).

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Die Seite Drei der Süddeutschen thematisierte, wie es nach den Razzien um die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation steht, laut Vorspann “Zeit zu fragen, was das eigentlich bringt” (€):
“Auf die Fresse”.

Die Frage, ob die Protestformen der Letzten Generation “was bringen”, halte ich für durchaus berechtigt. Doch nützlich ist sie nur, wenn auch alle anderen Protestformen daraufhin geprüft werden und man dann vergleicht. Das wäre doch mal ein schönes Buch zwei am Wochenende.

Mir geht halt schon sehr im Kopf rum, dass Fahrradparadise wie Amsterdam, Kopenhagen oder Utrecht keineswegs nur durch wohlwollende Politiker*innen entstanden, sondern durch massiven Protest, siehe:
“‘Brauchte fast Straßenkämpfe’: Wie Amsterdam und Co. zu Fahrradstädten wurden”.
Und denen saß noch nicht mal der Klimawandel als existenzielle Bedrohung im Nacken.

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Formschub erinnert sich an die Medienlandschaft seiner (und meiner) Kindheit in den 70ern – und in welch abgrundtiefem Sexismus wir damit aufwuchsen (den meine Mutter allerdings schon damals kritisierte):
“Ganz normal”.