Journal Freitag, 14. Juli 2023 – Nach-Urlaubs-Erledigungen, britische Käserunde

Samstag, 15. Juli 2023 um 8:34

Sehr gut im eigenen Bett geschlafen, allein und beim Aufwachen nur kurz iritiert über die Lage des Betts im Zimmer und über den Umstand, dass vorm Schlafzimmerfenster Deutsch gesprochen wurde.

Am Himmel Wolkenschleiher, in angenehmer Sommermorgenkühle gab’s Morgenkaffee und Wasser zum Bloggen auf dem Balkon. Kofferausräumen, Wäschewaschen, Haushaltsdinge – alles ganz gemütlich. Das bedeutete, dass ich recht spät meine Schwimmpläne umsetzte, die ich bereits weit vor dem Urlaub für diesen letzten freien Tag gefasst hatte.

Ich radelte in fahlem Sonnenlicht und inmitten großer Mengen anderer Radler*innen ins Dantebad. Schwimmen ging nur so lala, auf meiner Sportbahn viele unberechenbare Mitschwimmer*innen. Vielleicht dem Wochentag geschuldet: Viele Frauen schwammen mit unbekleideten Brüsten (was im Dantebad immer schon viele taten, seit diesem Jahr ist das ausnahmslos und offiziell in allen Münchner Bädern erlaubt). Was mich daran wunderte: Nur zwei davon trugen gar kein Oberteil und schwammen in Badehose, die anderen hatten ihren teils voluminösen Badeanzug bis zur Taille runtergeschoben oder schwammen mit Bikinioberteil um den Bauch. Menschen sind verschieden.

Wegen überraschender Geschwindigkeitswechsel musste ich immer wieder plötzlich überholen, gegen Ende meiner 3.000 Meter war ein sehr schmerzhafter Wadenkrampf die Folge. Kurzes Abduschen, Eincremen, ich legte mich auf die spärlich besetzte Liegewiese und genoss eine Stunde Musikhören in angenehmer Temperatur.

Auf dem Heimweg wurde die Sonne dann deutlicher und brachte sofort Hitze mit. Leider war ich insgesamt missgelaunt (wann ungefähr kann ich im Urlaub mit dieser Entspannung rechnen, von der ich so viel höre?): Ob auf den Schwimmbahnen oder im Straßenverkehr (hier vor allem andere Radler*innen) – alles Idioten außer mir.1

Auch der Heimweg war noch frisch genug, dass ich nicht jeden Sonnenstrahl mied. Ich besorgte Espressobohnen und Frühstückssemmeln in der Maxvorstadt. Daheim um vier Frühstück bestehend aus zwei Körnersemmeln, die ich sehr genoss.

Restlicher Nachmittag mit Erledigungen: Körperpflege (die Schultern hatte ich mir auf der letzten Wanderung in den South Downs stärker sonnenverbrannt als zunächst gedacht; sie taten mir sehr leid und ich hatte das seltsame Bedürfnis, mich bei ihnen wegen dieser Vernachlässigung zu entschuldigen), Lebensmitteleinkäufe beim Vollcorner (übersichtlich, das meiste hatte Herr Kaltmamsell besorgt), mehr Wäschewaschen/-hängen/-sortieren/-aufräumen, Kofferentpacken und -aufräumen.

St. Paul vom Forum Schwanthaler Höhe aus, hochsommerlich versteckt in Blattwerk.

Es war schon sieben, als ich nach all diesen Erledigungen den Papierpoststapel anpackte, der während unseres Urlaubs eingetroffen war. Darin wie erwartet die Berufung zur Wahlhelferin, bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober trete ich wieder als Schriftführerin an. Charmante Besonderheit: Auch Herr Kaltmamsell hatte sich diesmal als Wahlhelfer beworben (er hatte eingesehen, dass man das als Bürger*in mindestens einmal gemacht haben sollte), und wir sind im selben Wahlraum eingesetzt.

Im Zentrum des Nachtmahls stand der Käse aus Neal’s Yard Dairy:

(Von elf Uhr im Uhrzeigersinn:) Gorwydd Caerphilly, Duckett’s Caerphilly (für mich ist Caerphilly das Hauptbeispiel für einen typischen und ganz eigenen britischen Käse, den man seltsamerweise nie in Deutschland bekam – jetzt eh nicht mehr), den rechten, etwas milderen fand ich noch aromatischer / der weiße Ticklemore, ein ganz milder Ziegenkäse, zu dem besonders gut der confierte Knoblauch aus Freiburg passte / Pevensey Blue, einer der typischen cremig-milden Blauschimmelkäse aus Südengland, dieser vertrug sich hervorragend mit dem Ploughman’s Pickle, das Herr Kaltmamsell am Nachmittag gekocht hatte / unten der davofließende Stinker Lynn, der sich am besten mit der frischen Gurke unterhielt und mit dem österreichischen Rosé.

Zum Nachtisch hatte Herr Kaltmamsell nochmal Erdbeeren erjagt (<3), Abschluss Schokolade.

Im Bett begann ich die nächste Lektüre: Josef Bierbichler, Mittelreich, weil es Frau Brüllen so gut gefallen hatte, ich das Buch schön länger auf meiner Wunschliste hatte und es in der Stadtbibliothek gerade verfügbar war. Benedict Wells, Vom Ende der Einsamkeit hatte ich gern gelesen, war aber nicht so recht dahinter gekommen, was mir da eigentlich erzählt wird: Die Gesellschaftsschichten, in denen der Roman spielt, kenne ich trotz geteilter Gegenwart und Verortung nur aus, na ja, Romanen, zudem stolperte ich mal wieder über die Prämisse, dass das zentrale Element jedes Menschenlebens und jeder Glückssuche im Leben Fortpflanzung ist.

§

Maximilian Buddenbohm legt seine “eigene kleine allgemeine Feldtheorie über die sozialen Entwicklungen und Verwerfungen der Gegenwart” dar, ich finde sie nachvollziehbar und nützlich.
“Zusammenreimen und weitermachen”.

Es ist nämlich so. Die Gegenwart, die wir alle in irgendeiner Weise empfinden, vermutlich auch immer aufdringlicher empfinden, sie drängt uns immer mahnender zu moralischen Entscheidungen und zu ethisch korrekten Handlungen.

Im Folgenden bietet er eine Erklärung für die extremen gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Situation an und plädiert für einen maßvollen Mittelweg.

Was mich an das sehr informative Interview mit Robert Habeck in der Süddeutschen vom 30. Juni (€), “‘Das haben wir zuletzt nicht so toll hinbekommen'”, erinnerte (den Artikel darf ich bis Sonntagabend noch verschenken, dann endet mein Digital-Abo und ich lese wieder auf Papier; melden Sie sich an die E-Mail-Adresse links oben, wenn Sie das Interview lesen möchten). Denn davon blieb mir am deutlichsten diese Passage hängen:

Gibt es dieses „Wir“ in der deutschen Gesellschaft?

Das ist nicht gegeben, sondern muss jeden Tag erarbeitet werden. Aber da muss man sich eben entscheiden: Glaubt man daran, dass es für Veränderungen Mehrheiten geben kann, oder glaubt man daran nicht. Das ist im Grunde die Frage nach dem Menschenbild. Ich will darauf setzen, dass Menschen sich nach Zusammenhalt sehnen, dass sie bereit sind, für andere etwas zu tun und dafür auch etwas zu ändern.

Zu meiner Überraschung (und Rührung) glaubt unser Wirtschaftsminister, dass Menschen sich in die Richtung entwickeln können, nicht mehr nur an ihren kurz-(kürzest-)fristigen Eigennutz zu denken (wie eben trotzige Kinder), sondern an den Nutzen einer größeren Einheit wie der Gesellschaft – der dann auch ihnen zugute kommt.

§

Wie innovativ die Deutsche Bahn sein kann, muss mir ein Brite auf Twitter erzählen. Er fährt regelmäßig von London nach München mit dem Zug und geriet gestern in einen Testzug der Deutschen Bahn, der in erster Linie auf Arbeiten unterwegs ausgerichtet ist, den “Ideenzug”. Lesen Sie selbst.

§

Zum Sport.
Das mit den Pferden und dem Reiten empfinde (!) ich (!) als komplett absurd. Man braucht es nicht mehr, denn für Transport und als Zugtiere gibt es bessere, schnellere und tierfreundlichere Mittel. Diese riesigen Säugetiere werden also mit enormem Aufwand nur für menschlichen Spaß gezüchtet und genutzt – nicht mal als Nahrung (soweit ich weiß, gibt es bei uns kein Pferdefleisch, das für den Verzehr erzeugt wurde, sondern es wird das Fohlen- und Pferdefleisch verkauft, das halt anfällt wegen Verletzung etc.).
Deshalb unterstütze ich von ganzen Herzen den finnischen Wettkampf mit Steckenpferden.

  1. Selbstverständlich weiß ich um die Unwahrscheinlichkeit dieser Aussage. []
die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Freitag, 14. Juli 2023 – Nach-Urlaubs-Erledigungen, britische Käserunde“

  1. kecks meint:

    Pferde arbeiten gern mit Menschen und Menschen gern mit Pferden, wie das bei domestizierte, sozialen Tieren und freundlichen Trainingsmethoden (die zunehmen) halt so ist. Artübergreifend. Pferde sind was Wunderbares!

  2. Sandra meint:

    Aha, die Frauen möchten also freie Brüste im Wasser, aber herumlaufen an Land wohl lieber mit Oberteil. Das kann ich persönlich gut nachvollziehen.

  3. Karin meint:

    @kecks: vollste Zustimmung! Ich möchte noch ergänzen, dass das Gefühl, mit einem ca. 500 kg schweren Lebewesen kommunizieren und seine Bewegungen synchronisieren zu können, einfach fantastisch ist.
    @vorspeisenplatte: wenn Sie das so sehen mit den Pferden, dem Reiten, ist dann nicht fast jede Sportart außer Laufen irgendwie absurd? Schwimmen in Becken mit gechlortem, nicht zum Trinken oder Waschen geeigneten Becken, in denen man sich nicht voran, sondern nur hin und her bewegt, zum Beispiel…. Mir würden da noch viele andere Beispiele einfallen, dieses war naheliegend.

  4. Jojo meint:

    Zum Thema Steckenpferde habe ich eben etwas nettes gefunden, die haben richtig Spaß bei der Sache: https://twitter.com/sarcarsten/status/1680193039996731392?t=r14CphpBUj5pLSj3m4BmIA&s=19

  5. kid37 meint:

    Steckenpferde erfordern eine ganz eigene Eleganz. Es ist auch faszinierend, dass sich um diese DIY-Subkultur bereits ein ausgeprägter Markt entwickelt hat mit unterschiedlichen Arten (Allrounder, Dressur usw.). In den 90ern hätte man jetzt schnell eine Zeitschrift dafür auf den Markt gebracht. Hübsche Sache, ich wünschte, viele würden mit dem Steckenpferd in die Stadt reiten statt mit eScootern, die dann nur im Weg rumliegen.

  6. die Kaltmamsell meint:

    Ah, kid37, schon stelle ich mir eigene Lokale vor, die sich auf Steckenpferdreitende einrichten, mit Stange davor, an die man sie anbinden kann…

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