Journal Donnerstag, 28. September 2023 – Berlin mit Neuer Nationalgalerie in Sparversion und Abend mit Freundin

Freitag, 29. September 2023 um 9:16

Wieder sehr gut geschlafen, und das auch noch richtig lang. Konnte ich auch deshalb entspannt, weil mein Programm erst um zwölf startete: Für diese Uhrzeit hatte ich einen Eintritt in die Neue Nationalgalerie gebucht.

Draußen tagte es wieder mit blauem Himmel und Sonne. Nach Milchkaffee und Bloggen sowie Check des Wegs zum Museum beschloss ich, zu Fuß zu gehen – um reichlich Wetter und Stadt mitzubekommen. Kurz haderte ich mit dem Raum-Zeit-Kontinuum, das mir die Möglichkeit zum Urlaubs-Rumgammeln mit Lesen, bookgemarkte Filmchen Ansehen, Blödschauen nimmt, wenn ich an Urlaubstagen Pläne habe.

Der gut einstündige Marsch entlang kleinerer und großer Straßen, außerdem durch ein Stück Tiergarten war in Sonne und sommerlicher Wärme herrlich.

Rathaus Charlottenburg.

Charlottenburger Brücke.

Tiergarten.

Hinterm Verteidigungsministerium wurde offensichtlich Besuch erwartet: Viele Fotograf*innen, aufgereihte Soldat*innen.

Neue Nationalgalerie. Ich sah mir die Sonderausstellungen an.

Von Gerhard Richter mag ich Vieles sehr gern, vor allem sein (auf mich schabernackig wirkendes) Spiel mit Fotorealismus, auch seine vielschichtig gemalten abstrakten Sachen. Das Thema “Spiegel” in dieser Schau führte mich mal wieder zu der grundsätzlichen Frage, wie viel von der Ausstellungssituation zum Werk gehört.

Sein vierteilige Zyklus “Birkenau” wiederum brachte mich zum Überlegen, wie Werke sich voneinander unterscheiden ja nach nicht sichtbarer Hintergrundgeschichte: Dieser Zyklus ist ein Palimpsest, die übermalte Version waren in Kohle und Öl abgemalte Fotografien aus dem KZ Birkenau – doch ohne dieses Wissen unterscheiden sich die Gemälde nicht von anderen in vielen Ölfarbschichten und mit Verschmieren angefertigten Richters, zum Beispiel von diesem “Abendstimmung”.

Isa Genzken war mir ganz neu, doch außer ihren ganz frühen großen Balance-Skulpturen aus Holz (“Elipsoid”, “Hyperbolo”) sagte mir nichts von ihren Werken etwas: Mein Blick kam nicht über die reine Oberfläche eines beliebig anmutenden Materialhaufens hinaus.

Sehr angetan war ich wiederum von Judit Reigls Gemälden.

Sie schienen mir perfekt zum Titel der kleinen Ausstellung zu passen, “Kraftfelder”.

Ich hatte nicht aufgepasst, denn obwohl es brettelbreit auf der Website steht und Joël mich am Vorabend nochmal darauf hingewiesen hatte, war bei mir nicht richtig angekommen, dass der eigentliche Museumsinhalt derzeit nicht zu sehen ist, die Dauerausstellung. Also all die Werke, wegen derer ich seit Wiedereröffnung überhaupt in die Neue Nationalgalerie wollte. Selber schuld, muss ich halt wiederkommen.

Nach nicht mal einer Stunde stand ich wieder draußen, beschloss auch den Rückweg zu Fuß zu gehen. Als eine Ebene meiner in ständigen Widersprüchen stehenden Persönlichkeit seufzte, was ich denn nun mit dem ganzen freien Nachmittag bis Abendverabredung anfangen solle, fiel mir zum Glück das Hadern vom Vormittag wieder ein: Ja halt Lesen, Filmchen- oder Blödschauen!

Ich spazierte in gestiegener Wärme.

In der Kleidung dominierte weiter Sommerliches.

Zurück zur Ferienwohnung nahm ich eine leicht andere Route, sah dabei einige schöne Haustüren (wichtige Touristinnenpflicht: Haustürenfotografie).

Am Karl-August-Platz sah ich endlich Nebelkrähen.

Unterwegs stolperte ich in einen Pralinenladen, umgehende Eskalation. Kurz vor Ferienwohnung besuchte ich einen Biosupermarkt, kurz nach halb drei gab’s dann zum Frühstück: Apfel, Vollkornsemmel, Stollenkonfekt, Hüttenkäse.

Ich las die Mastodon-Timeline hinterher, damit fühle ich mich derzeit über die meisten menschlichen und nachrichtlichen Neuheiten informiert. Dann stand aber schon wieder eine Aufgabe an statt Lesen, Filmchen- oder Blödschauen: Fotos sichten und benamsen, Erlebnisse aufschreiben. Doch es blieb noch reichlich Zeit, um Patrick deWitt, The Librarianist auszulesen (hmnaja).

Übrigens schmeckt mir das Leitungswasser hier in Charlottenburg besonders gut: Es ist einen Hauch säuerlicher als mein Lieblingsleitungswasser daheim in München, aber das mag ich.

Wieder hatte ich Lust auf Yoga-Gymnastik und turnte eine Folge Adriene (auf der Reise-Yogamatte übrigens anstrengender, weil sie nicht so griffig ist wie meine stationäre daheim und ich in manchen Haltungen nur mit Anspannung Wegrutschen verhindere).

Abends war ich mit einer Freundin seit Studienzeiten in der Nähe des Kottbusser Tors verabredet, nahm Bus und U-Bahn dorthin (ob das je aufhören wird, dass in der Berliner U1 automatisch diese Musik in meinem Kopf spielt?).

Es wurde ein intensiver Abend, den es schon lange gebraucht hatte.

Wir saßen draußen (!) in einem ausgesprochen hübschen Gastgarten unter alten Kastanien, ich aß Rindergulasch, dazu hatte ich aus der Weinkarte vom Niersteiner Weingut Wedekind einen Weißburgunder ausgesucht, plauderte mit Frau Bedienung über Herkunftsort und wie der Wein auf die Karte gefunden hatte.

Ich erfuhr unter anderem Neues aus Familie und Freundeskreis, lernte den Begriff “Disco Nap” für das Vorschlafen vor spätnächtlichem Ausgehen (in bestimmten Branchen ab einem bestimmten Alter für berufliche Einsätze unabdingbar, ich lachte sehr) und dass ich hier einen neuen Leser habe (*winkt*), hörte wertvolle Hinweise zu Themen, die mich derzeit bewegen.

Zurück nach Charlottenburg fuhr ich (mit zwei U-Bahnen, ich ließ mir den Heimweg wieder von Google Maps vorschlagen) schwurblig vor Dankbarkeit, dass es diesen Menschen und diese Verbindung gibt, ein Geschenk.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 28. September 2023 – Berlin mit Neuer Nationalgalerie in Sparversion und Abend mit Freundin“

  1. Flusskiesel meint:

    Dieses Hadern mit freier Zeit, die mit Aktivität zu füllen sei und dem Bedürfnis nach echter Freizeit kenne ich nur zu gut.

    Letztens beschwerte ich mich bei einem Freund darüber, das ich schon so viel Zeit eines Urlaubes mit Computerspielen verschwendet habe und er da hat mich mit großen Augen angeschaut und mich gefragt:
    ,,Ist Urlaub nicht eine Zeit, in der man machen kann, was man will?”

  2. roswitha meint:

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    Genau!

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  3. Anke meint:

    Ich höre in Berlin auch immer den Linie 1 Soundtrack im Kopf, wenn ich über deren Bahnhöfe stolper.
    Ich glaube, dass das nie aufhören wird.

    Sehr schöne Haustüren, dankeschön!

  4. Miriam meint:

    Sehr skurril: da begleite ich Sie in Gedanken auf Ihrer Berlin-Reise in Charlottenburg und dann meine ich plötzlich, Sie von weitem in einem Kreuzberger Gastgarten zu sehen, in dem ich auch grad esse! Hiermit sei noch mal von Weitem gewunken, viel Spaß noch in Berlin!

  5. Sonni meint:

    Den Disco-Nap von ca. 20 – 23 Uhr praktizierte ich bereits zwischen Anfang 20 und 29, also, bis die Zeit der Clubnächte mit dem ersten Kind endete. Mittlerweile gehen wir nur noch auf Partys und legen uns NATÜRLICH vorher hin :-) Nur das Wort kannte ich noch nicht.

  6. Andrea Stock meint:

    Ich hätte beim U-Bahn-Fahren in Berlin eher „Alle vier Minuten“ von Element of Crime als Ohrwurm im Kopf ;-)
    Danke für die Bilder aus Berlin. Das Museum Berggruen hat leider wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, sonst hätte ich Ihnen das gern empfohlen.

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