Journal Freitag, 8. September 2023 – Wenn Verwandtschaft sich mag

Samstag, 9. September 2023 um 9:17

Wieder eine Stunde zu früh aufgewacht, die Müdigkeit wird sich summieren.

Fortgesetzte Unruhe über den nächsten Termin als Schöffin: Ich war laut Terminliste für nächsten Mittwoch eingeteilt, hatte aber weder Absage noch Ladung erhalten. Wie bereits erwähnt funktioniert die Postzustellung bei uns im Haus derzeit nicht zuverlässig, ich musste von einem verlorenen Schreiben ausgehen. Doch am Donnerstag war ich telefonisch nicht bei der Schöffenstelle im Amtsgericht durchgekommen; als das auch gestern so war, schrieb ich eine E-Mail. Zum Glück bekam ich schnell Antwort: Es war eine “Abladung” an mich geschickt worden, kam halt nie an.

Das neue 501-Outfit trug ich gleich mal in der Arbeit. Dass dieses Hosenmodell geknöpft wird und nicht reißverschlossen ist, war mir immer schon bewusst. Noch nervte das bei Klogängen nicht (häufig, weil viel, viel Tee). Wie die Verkäuferin angekündigt hatte, wurde die Jeans über den Tag weiter (meine Güte, ich habe schon lange keine altmodische Jeans aus 100 Prozent Baumwolle getragen), rutschte langsam auf die Hüften. Sie wird also doch die Wohnhose, die ich mir erhofft hatte, frisch fühlte sie sich an einigen Stellen recht stramm an, ich musste der Verkäuferin vertrauen – Fachpersonal, so wertvoll! (Ihre Kollegin war es, die mir den Trick mit den umgeschlagenen T-Shirt-Ärmeln zeigte). Mit den großen Taschen muss ich erstmal umgehen lernen: Passt schon ordentlich was rein, muss dann aber auch wieder rausgehangelt werden. Ich war überrascht, wie viel Freude ich aus einer blöden Hose schöpfte. (Über deren Kauf ich anderthalb Jahren lang nachgedacht hatte.)

Das mit der nachgeholten Jugend beschäftigte mich noch eine Weile. Bei anderen sehe ich jenseits der Lebensmitte den Kauf großer Mengen teurer Lego-Bausätze, die sie als Kinder nicht bekommen haben. Den von Motorrädern, die sie sich mit Anfang 20 nicht leisten konnten. Von umfangreichen Sound-Anlagen aus demselben Grund. Und ich bin gerührt, wie haltbar manche Sehnsüchte sind.

In dieser Hinsicht war ich möglicherweise früh vollendet: Schon in meinem Volontariat ab 19 erfüllte sich der Kindheitstraum, dass ich mir jedes Buch kaufen konnte, das ich lesen wollte. (Was selbst bei knappster Kasse so blieb, denn ich war ja kein Kind mehr und niemand konnte mir dreinreden, wofür ich mein letztes Geld ausgab.)

Raus auf einen guten Mittagscappuccino durch die warme Sonne.

Mittagessen Schokolade 100% mit Kakobohnensplittern (also Gemüse), Mango mit Sojajoghurt.

Nachmittags ordentlich zu tun, ich arbeitete auch auf einen überpünktlichen Feierabend hin: Verabredung mit Herrn Kaltmamsell’scher Verwandtschaft in Augsburg. Es waren nämlich der Kusin von Herrn Kaltmamsell aus USA samt Gemahl auf Europa-Besuch und jetzt dort, eine Berliner Kusine hatte deshalb auf dem Rückweg vom Italienurlaub ein paar Tage Zwischenstopp in Augsburg eingelegt, und die ohnehin in der Gegend wohnende Verwandtschaft aus dieser Generation (z.B. Herr Kaltmamsell und ich) nutzten das für ein Treffen.

Problemlose Anreise mit Regionalbahn, ich stieg nach Langem mal wieder am Augsburger Hauptbahnhof aus: seit vielen Jahren Baustelle, Ende immer wieder neu terminiert, tatsächlich nicht absehbar. Im nahe gelegenen Biergarten der Riegele-Brauerei stieß ich auf die besagte Verwandtschaft und freute mich sehr. Ohnehin erfrischt mein Herz, dass sich diese “Enkelgruppe” (so der Whatsapp-Name), deren Eltern sich zum Teil über Kontinente verstreut hatten, schlicht mag, immer wieder weite Wege für Feiern und Treffen auf sich nimmt – nachdem die vorherige Generation immer weniger wird, hätten sich diese Verbindungen ja auch lösen können. Nächster Termin wird die Feier eines 50. Geburtstags Ende September in Berlin sein.

Wir hatten einen schönen Abend in für die Jahreszeit zu warmer Luft, mein Abendessen war eine ganz wunderbare Schweinshaxe mit saftigem, zarten Fleisch und mürb-knuspriger Kruste samt Knödel und einigen Radler-Halben.

Vor der Rückfahrt gemeinsam mit Herrn Kaltmamsell hatte ich noch Zeit, Nachtisch beim McDonald zu holen (die nahegelegene Eisdiele war bereits geschlossen): Frozen Joghurt mit Karamellsauce und Oreo-Bröseln, gut, aber bisschen viel. Die Rückfahrt selbst zog sich dann: Wie der Fahrer erklärte, hatte man eine Güterzug-Lok vor unsere Regionalbahn aufs Gleis gesetzt, nach ohnehin verspäteter Abfahrt konnte unsere Bahn dahinter nur langsam fahren. Überholung erst kurz vor München möglich.

In Bett wenig vor Mitternacht, wie so Leute mit Sozialleben.

§

@aniella ist gerade durch Teile Japans gereist und hat auf instagram berichtet. Unter ihren Stories-Fotos ist eines, das mich besonders entzückte – es könnte so ähnlich über meinem Blog hier hängen.

Mit freundlicher Genehmigung der Fotografin (danke!).

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Freitag, 8. September 2023 – Wenn Verwandtschaft sich mag“

  1. Joël meint:

    „ Ich war überrascht, wie viel Freude ich aus einer blöden Hose schöpfte“
    Ja eine Jeans ist schon was tolles. Ich trage ja fast keine anderen Hosen.

    Nur so zur Info: Ich bin Ende September auch in Berlin. :-)

  2. Sabine meint:

    Oh, eine über Generationen befreundete Familie habe ich auch, und es ist wirklich sehr sehr schön. Bei uns gibt es ein jährliches „Tantenessen“, das noch aus der Zeit der vom 1. Weltkrieg unverheiratet gebliebenen Tanten stammt und mit Karpfenessen und begeistertem Singen von Weihnachtsliedern (aber nur passend bis zum jeweiligen Adventssonntag, und nur Qualitätslieder, nicht so ein klingeling-Kitsch) begangen wird. Und als unsere Tochter letztes Jahr mit dem entfernten Cousin auf der San Francisco Bay segeln ging, hätten die jeweiligen Großmütter (Cousinen) nicht glücklicher sein können, und wir auch nicht.

    Andererseits erlebe ich gerade bei einer Freundin, wie schmerzvoll und enttäuschend es sein kann, wenn Familien zwar viel auf sich halten, sich aber ständig gemein behandeln, alles hinter einer Fassade der elegant-kultivierten Bürgerlichkeit.

    Möge möglichst vielen das Glück einer freundlichen, unterstützenden Familie zuteil werden.

  3. Rainer meint:

    Schöne Grüße an die Cousins!!

  4. Sandra meint:

    So viele Stieleis hintereinander essen, wie ich möchte…das ist mein heute gelebter Kindheitstraum.

  5. Petra meint:

    Mein E-Bike fühlt sich fast wie das damals so sehr ersehnte Hercules-Mofa an. Und das Bonanza-Rad mit Bananensattel kaufe ich mir irgendwann auch noch und hänge es einfach an die Wand zum Bewundern-selbstverständlich mit Fuchsschwanz.

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