Journal Mittwoch, 4. Oktober 2023 – Mit 35.000 anderen am Odeonsplatz gegen Rechts

Donnerstag, 5. Oktober 2023 um 6:37

Nacht erst gegen Ende unruhig, aber nicht mal das schlimm. Ebenso wenig schlimm die LWS-Schmerzen – die ja in dieser Episode eh nicht sehr schlimm sind, ich setze halt viel dran, sie nicht noch schlimmer werden zu lassen, kenne die Hexe im Kreuz ja bis zur kompletten Unbeweglichkeit. Und gegen den Risikofaktor Skoliose mit zusammengewachsenen Lendenwirbeln hilft halt auch das Ausschalten aller anderen Risikofaktoren nie zu hundert Prozent – zumal auch hier Recherche nach den genauen akuten Ursachen und Abläufen von Lumbago wie so oft in der wissenschaftlichen Medizin nur Vages ergibt. Wir sind wieder bei Hanns Dieter Hüschs “Was von allein kommt, geht auch wieder von allein”.

Weil ich gereist war und das Münchner Abwasser einen Anstieg von Corona-Infektionen meldet, testete ich mich vor dem ersten Arbeitstag nach Langem mal wieder.

Der Weg in die Arbeit in kühler Luft, ich hatte aber immer noch keinen Herbst in der Nase.

NUUUULL! NUUUUUUULL! AUSIIIIIS!
(Wenn Sie damit etwas anfangen können, sind Sie wahrscheinlich wie ich Westdeutsche und alt.)

Der Postfach-Check am Feiertag hatte sich voll gelohnt, ich ging den ersten Arbeitstag nach Urlaub gelassen und effizient an.

Ein dreifach HOCH! für den höhenverstellbaren Schreibtisch in meinem Büro, der mir gestern überwiegendes Arbeiten im Stehen ermöglichte. Jede Sitz-Phase zahlte ich mit Schürhackl-Aufrichten, doch durchgehend Stehen fand ich halt auch anstrengend. Große Emsigkeit am Vormittag, aber es war Zeit für einen Mittagscappuccino bei Nachbars.

Mittagessen: eine riesige Birne, Pumpernickel mit Butter.

Nachmittags mehr Emsigkeit, ich musste mir hin und wieder vor Augen halten, dass diese Arbeitswoche noch zwei weitere Tage umfasst und nicht alles gestern fertigwerden musste.

Kurz vor sechs war ich am Odeonsplatz verabredet, zur politischen Veranstaltung “Zammreissen! – Bayern gegen Rechts”. Zur Hunger-Überbrückung aß ich in der U-Bahn dorthin einen kleinen Eiweißriegel.

In den nächsten Stunden sah und hörte ich viele sehenswerte Künstler*innen, Redner*innen, Bands – war besonders gerührt von Günther Sigl, Sänger der Spider Murphy Gang, der schlicht und in einfachen Worten sein 76-jähriges Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie, im Gegensatz zum Leben seines Großvaters und Vaters, als Argument anführte, dafür zu kämpfen und es sich nicht von Demokratie-feindlichen Kräften nehmen zu lassen.

Da wir gleich zu Anfang der Veranstaltung dagewesen waren, hatte ich nicht mitbekommen, wie voll es geworden war: Die Initiatoren zititerten die Polizei mit der Einschätzung, dass 35.000 Teilnehmende die Ludwigstraße hinter standen.

Zum ersten Mal sah ich La Brass Banda live, die Abfolge von Reden aus Politik und Kunst, die allesamt erfrischenden musikalischen Einlagen endeten schier nicht. Auch wenn ich versuchte, ständig in Bewegung zu bleiben und mir von Herrn Kaltmamsell einen Pulli hatte mitbringen lassen, war ich kurz vor neun körperlich durch – ich ging noch vor Ende heim. Mit heim nahm ich durchaus die Freude darüber, dass eine in wenigen Tagen hochgezogene Veranstaltung so viele Menschen mobilisieren konnte, kann mir aber nicht so recht vorstellen, dass das die reaktionären Kräfte in Bayern von der Illusion abbringt, die “Normalität” zu repräsentieren. (Erste Berichterstattung von Bayerischem Rundfunk, von der Süddeutschen.)

Nachtrag: Von da aus ungefähr sang auch ich bei “Schickeria” mit.

Herr Kaltmamsell hatte Abendessen vorbereitet: Spät gab es noch Belugalinsen nach Art des Lokals Kastanie in Berlin Charlottenburg mit Mandeln und Mozzarella. Nachtisch Lebkuchen und Pralinen.

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Auf den diversen Microblooging-Plattformen ist man ziemlich damit beschäfigt, andere solche Plattformen doof zu finden – bitteschön, jeder und jede wie sie mögen. Nützlicher Hinweis von @malomalo auf Mastodon:

Übrigens ist niemand verpflichtet, stundenlang die ideale Mastodon-Instanz zu recherchieren, um sich dann nicht entscheiden zu können und dafür Mastodon als zu kompliziert abzutun. Als Normalo-User:in kann man z.B. einfach zu https://mastodon.online/ oder https://mastodon.social/ gehen, meldet sich dort an und fertig.
Beide Instanzen werden von Mastodon administriert und immer mit den neuesten Updates versorgt.

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Der Bayern-Teil der Süddeutschen beantwortete gestern die Frage, die ich mir bei meiner Oktoberfestflucht nach Nordfranken gestellt hatte: Was wird aus den kahlen, ehemals mit Fichten bewachsenen Forstwirtschaftsflächen? (€)
“Der Frankenwald stirbt”.

Experten wie Göttlein und Klemmt treiben derweil zwei andere Sorgen um. Die eine: Was wird aus den Kahlflächen? Denn das derzeitige Waldsterben im Frankenwald macht klar, was Fachleute seit Jahren prophezeien: Die Fichte hat als Baumart, die es eher kalt braucht, vielerorts in Bayern keine Zukunft mehr. Aber auch die Buche und andere Baumarten, zu denen die Förster den Waldbesitzern noch vor wenigen Jahren geraten haben, kommen mit dem Klimawandel immer schlechter zurecht. Professor Göttlein und seine Mitarbeiter haben deshalb eine “Notfallmischung” für den Frankenwald entwickelt.

Das ist Saatgut von allen möglichen heimischen krautigen Pflanzen, Sträuchern und Pionierbäumen wie der Vogelbeere und der Birke. Es wird per Drohne ausgebracht und soll verhindern, dass die Kahlflächen binnen weniger Monate zu monotonen Steppenlandschaften werden, auf jahrelang kein Wald mehr gedeihen kann, weil das dichte hohe Gras verhindert, dass die Baumsämlinge hochkommen. “Mit der Notfallmischung können wir Zeit gewinnen”, sagt Göttlein. “Zeit für die Entscheidung, welche Baumarten im Frankenwald der Zukunft stehen sollen.” Klemmt dagegen setzt auf den Umbau und die Stabilisierung der noch vorhandenen Wälder – indem man möglichst schnell möglichst viele junge Buchen und Tannen, aber auch Douglasien, Edelkastanien und andere Baumarten, die dem Klimawandel besser widerstehen als Fichten, in sie einbringt.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 4. Oktober 2023 – Mit 35.000 anderen am Odeonsplatz gegen Rechts“

  1. Hans meint:

    Zur Forschung am und im Wald:
    https://www.wochenblatt-reporter.de/rodalben/c-ratgeber/die-auswirkungen-des-klimawandels-auf-den-pfaelzerwald_a254429

  2. Simone meint:

    Ich wünsche mir, dass Demonstrationen gegen Rechts wie diese bald deutschlandweit stattfinden – am besten regelmäßig- und bin für jeden Teilnehmer dankbar. Es ist längst überfällig, dass sich die Mehrheit öffentlich zeigt und positioniert. Prominente Unterstützer würden sicher auch nicht schaden.

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