Archiv für Oktober 2023

Journal Dienstag, 24. Oktober 2023 – Right now

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Kleine Serie, hier begonnen, vom Erfinder ganz anders gemeint, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 fortgesetzt. 2015 musste ich offline nehmen, 2016 hatte ich keine Lust. 2017 zum ersten Mal abends erfasst, 2018 und 2022 wieder.

Ich lese… praktisch den ganzen Tag. Im zeitlichen Verlauf Web, E-Mails, Pressepiegel, Chat, Unterlagen, Zeitung, E-Mails, Agenden, Hintergrundinfos, Web, Roman.

Ich trage… weiterhin keine Winterkleidung, es ist wie im vergangenen Oktober zu warm für die Jahreszeit.

Ich habe… endlich keine Halsschmerzen mehr.

Ich höre… sehr gut, manchmal zu gut, zum Beispiel Martinshörner. Mittlerweile habe ich Hemmungen Fahrrad zu fahren, weil ich mir dabei nicht ganz schnell die Ohren zuhalten kann.

Ich trinke… über den Tag Milchkaffee, Wasser, Tee (schwarz und Kräuter-), Wasser, ein bis zweimal die Woche Cocktails/Wein.

Ich esse… erst ab Mittag, und seit einiger Zeit habe ich keine Lust auf Snacks, auch nicht auf den im Kolleginnenkreis mitgebrachten Kuchen. Am meisten freue ich mich über das Abendessen und die abschließende Schokolade.

Ich stehe… stark und fest, freue mich über die Kraft darin.

Ich gehe… schnell und kraftvoll, genieße sehr, dass mein Körper mir das ermöglicht. (Und habe immer seltener Verwendung für Schuhe, in denen das nicht funktioniert.)

Ich lache… zu meiner Erleichterung regelmäßig und verhältnismäßig gnädig über mich selbst.

Ich sehe… immer schlechter, fürchte ich. Oder ich brauche dann doch eine Bildschirmbrille zusätzlich zu meiner Gleichtsicht-?

Ich mag… Veränderung. (Aber nicht jede.)

Ich schreibe… so alltäglich, selbstverständlich und gern wie andere Leute fernsehen.

Ich weiß… wenig hundertprozentig sicher. Ich neige eher zur Verwendung von fundierten Wahrscheinlichkeiten.

Ich möchte… meist in Ruhe gelassen werden.

§

Gestern regnete es hin und wieder, ein grauer Tag. Reichlich emsige Arbeit, Mittagscappuccino im Westend, Mittagessen Apfel, Laugenzöpferl, Mango mit Sojajoghurt.
Nach Feierabend ließ ich meine Beine wachsenthaaren, ist mir inzwischen wirklich lieber als Rasieren. Lebensmitteleinkäufe im Edeka.
Ich kam zu spät für Yoga-Gymnastik heim, bedauerte das aber nicht allzu sehr.
Nachtmahl restliches Süßkartoffel-Curry, zu dem Herr Kaltmamsell zweierlei indisches Pfannenbrot gemachte hatte: Vor allem das blättrige Vollkorn-/Nichtvollkorn-Butterschmalzbrot war der Hit.
Nachtisch Vanillepudding und Schokolade.
Im Bett Start einer neuen Lektüre: Teresa Präauer, Kochen im falschen Jahrhundert – las sich wie eine ausgearbeitete Magazin-Kolumne.

Journal Montag, 23. Oktober 2023 – Vortrag? Welcher Vortrag?

Dienstag, 24. Oktober 2023

Nur wenig durch Angst gestörte Nacht, aber ich wachte eine Stunde zu früh auf.

Durch milde Luft in die Arbeit spaziert, dort ordentlich was weggearbeitet.

Den Angst-Vortrag vorgetragen. Weniger peinlo, eher gähn, meine Interaktionsideen zündeten nicht. Aber rum ist rum, ab jetzt einfach nie wieder daran denken. (Außer an den großen Spaß bei der Vorbereitung: Den festhalten als Erinnerung, sollte ich wieder mal gefragt werden.)

Der erwartete Antriebs-Abfall nach Hochspannung kam diesmal nicht plötzlich, auf Adrenalin arbeitete ich noch mit Turbo den Schreibtisch nahezu leer.

Mittagessen: zwei Äpfel, ein Stück Mangold-Kuchen vom Samstagabend, der auch kalt sehr gut schmeckte. Erst danach wich langsam die Luft aus mir, ich wurde steinmüde.

Dennoch produktiver Nachmittag. Nach Feierabend spazierte ich über ein paar Lebensmitteleinkäufe nach Hause, dort Maniküre (GNA), eine Runde Yoga-Gymnastik (in Adrienes Yoga-Camp von 2016 sind die Folgen zwischen 30 und über 40 Minuten lang, damit im Schnitt zehn Minuten länger als ihre 30-Tages-Programme, die ich bislang kannte – das zieht sich manchmal so, dass ich fast die Lust verliere).

Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell die Süßkartoffeln aus Ernteanteil. Ich mag Süßkartoffeln und hatte auf Mastodon um Rezeptempfehlungen gebeten, freundlicherweise hatte ich daraufhin zahlreiche Tipps bekommen. Die Wahl fiel auf Süßkartoffel-Curry mit Spinat und Kokosmilch, Herr Kaltmamsell kochte, die optionalen Kichererbsen erbat ich auch.

Schmeckte gut, doch der Süßkartoffel-Geschmack kam mir nicht genug raus. Nachtisch restliche Mohnrolle und Schokolade.

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Tobi Müller schreibt auf republik.ch:
“Tschüssikowski, Berlin”.

Sie sei over, hört man alle paar Jahre über Europas Hauptstadt der Kreativen. Nur gilt jetzt zum ersten Mal: Es könnte tatsächlich stimmen.

Mit interessanten Hintergründen aus der mir so fremden Club-Szene und dem Schlüssel-Satz:

Vorbei ist Berlin immer nur für die, die es sich nicht mehr leisten können.

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Aus meiner Serie Schöne Alte Frauen: Isabella Rossellini – unretouchiert auf dem Cover der Vogue Italia.

Journal Sonntag, 22. Oktober 2023 – Sonntag mit allen Eltern

Montag, 23. Oktober 2023

Nacht mit viel Schlaf und vielen unruhigen Träumen, wie vorhergesehen geprägt von der aufziehenden Vortrags-Katastrophe am Montag.

Am Vorabend und nachts hatte es ein wenig geregnet, doch die Luft, die durch die zum Lüften geöffneten Fenster ins Schlafzimmer kam, war weiterhin mild.

Also bekam die neue Kürbis-Bluse einen Auftritt in der Kombination, für die ich sie mir ursprünglich gekauft hatte. (In einem Hallhuber-Räumungsverkauf in der Kaufingerstraße; gestern las ich, dass die Firma wohl nicht aus der Insolvenz gerettet werden kann.)

Wir waren bei Schwiegers in bei Augsburg zum Sonntagsbraten eingeladen, also gemütlicher Regionalzug nach Augsburg, draußen immer schöneres Wetter, im Gepäck unter anderem die Mousse au chocolat zum Nachtisch. Tram hinaus nach Haunstetten, wo bei Schwiegers bereits meine Eltern eingetroffen waren. Hocherfreutes Wiedersehen, zum Aperitif ein Limoncello Spritz (holla!) und unter anderem eine Guacamole (in dieser Familie legendär) mit neuem Twist: ein wenig Räucherspeck, der sich ausgezeichnet machte.

Klassischer Sonntagsbraten: Schweinernes (mit sensationeller Kruste), Kartoffelknödel, Blaukraut. Dazu Austausch von Hausschlachtungsgeschichte, von Schwarzschlachtungen direkt nach dem Krieg bis zur Schlachtung, die ich seinerzeit in meinem Rundfunkvolontariat 1987/88 zu einer Radioreportage genutzt hatte.

Nachtisch Mousse au chocolat, die gelungen schmeckte. Nach einer kleinen Weile gab’s auch noch KaffeeundKuchen, meine Mutter hatte dazu Kiachal gebacken und mitgebracht (in München heißen sie Auszog’ne) – ich blieb beim Tee.

Zurück nach München ging es mit neuem Quittengelee im Gepäck und mit Quitten. Unterwegs las ich die Wochenend-Süddeutsche aus und versuchte, die Angst vor Montag beiseite zu schieben.

Daheim bat ich Herrn Kaltmamsell sofort, sich als Testpublikum für einen Durchlauf meines Vortrags zur Verfügung zu stellen – nicht den komplett wörtlichen interaktiven (der genaue Ablauf der zwei Stunden hängt vom Publikum ab), sondern für ein Vorzeigen mit Nennung der Einzelschritte und Folienklicken. Das beruhigte mich endlich.

Eine Runde Yoga-Gymnastik. Zum Abendessen hatte ich Lust auf den restlichen Endiviensalat aus Ernteanteil und machte ihn mit einem Haselnussmus-Dressing an (Herr Kaltmamsell knabberte nur ein wenig daran), zum Nachtisch Mohnrolle.

Nur dass ich an diesem Wochenende nicht zum Bügeln gekommen bin, was ich allerdings lediglich mit Blick auf die vier offenen Tabs mit Podcasts in meinem Browser bedaure.

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Wie ein ganz normaler, Internet-typischer Arbeits-Seufzer auf Mastodon der Start zu einem wahrscheinlich Charts-brechenden Hit wurde.

Journal Samstag, 21. Oktober 2023 – Grüner Oktober in kurzen Ärmeln, Technikschwärmen

Sonntag, 22. Oktober 2023

Der durcheinandere Alkohol vom Freitagabend strafte mich mit einer unruhigen Nacht und Kopfschmerzen, die erst nach Stunden und Bekämpfung mit Ibu und Koffein wichen. Selber schuld.

Den Morgen startete ich wie geplant mit dem Backen einer Mohnrolle; vergangene Woche war mir die Packung Graumohn in die Hände gefallen, die ich vor etwa einem Jahr gekauft hatte und dann gründlich vergessen (passiert mir selten), so hatte ich auch das Mindesthaltbarkeitsdatum im Mai nicht durchrauschen gehört.

Der Hefeteig ließ sich diesmal recht bitten, aber wie Bäckerstochter Novemberregen einst ihren Vater zitierte: Irgendwann kommt er schon, man muss ihm halt Zeit geben. (Weswegen ich Hefeteig immer noch für den einfachsten halte, aber er verträgt sich nicht mit Backen nach Zeitplan.) Gestern hatte ich die Zeit, nach zwei Stunden Gehen stellte ich endlich die eindeutige Vergrößerung fest. Da mir Mohn in den vergangenen Jahren nur in 200-Gramm-Packungen begegnet, nahm ich statt der im Rezept angegebenen 250 Gramm weniger: Auch das kein Problem.

Gelang sehr gut.

Das Wetter sah gemischt schön aus, ich freute mich auf einen Isarlauf. Bereits in Sportkleidung ging ich zu einer nahen Änderungsschneiderei (Rock fertig geändert, aber Chefin erkrankt und kein Preis vermerkt – ich muss nochmal kommen, macht echt nichts) und stellte fest, dass es gegen elf selbst für eine Windjacke zu warm war. Also zog ich in Caprihose und kurzen Ärmeln los. Für Anfahrt per U-Bahn, Fotos unterwegs, Schrittzählen und abschließenden Semmelkauf musste ich nur mein Smartphone mitnehmen: Öffi-Ticket drauf, Fotoapparat, Fitness-Tracker, Kartenzahlung. TECHNIK IST SO SUPER!
(Plus Wohnungsschlüssel, na gut, halte ich aber für lediglich eine Frage der Zeit, entsprechende Technik gibt’s ja schon.) via @dentaku.

Ich lief meine gewohnte Strecke von Odeonsplatz über Hofgarten, Englischen Garten zum Tivoli, dann isarabwärts nach Norden und zum Tivoli zurück. Das fühlte sich wunderbar an, die Luft roch herbstlich, aber mild.

Weil ich gerade beim Technikschwärmen bin: Dass mein Handy solche Bilder macht! Fotoapparate und frühe digitale Geräte wären überfordert gewesen, sowohl die strahlende Theatinerkirche als auch die beschatteten Menschen im Vordergrund richtig zu beleuchten. Die Technik HDR (High Dynamic Range) macht mehrere Aufnahmen gleichzeitig und legt sie übereinandern – blitzschnell. Wie halt das menschliche Auge im Zusammenspiel mit der Bildverarbeitung im menschlichen Gehirn, deshalb sieht das Fotos aus wie der Anblick, den ich sah. Es kommt nur noch selten vor, dass die Aufnahme zu viel verbessert und deshalb nicht das zeigt, was ich eigentlich fotografieren will; auch das wird wohl bald Vergangenheit.

Auch vier Wochen nach dem letzten Versuch: Weiterlaufmöglichkeit gesperrt, auf beiden Seiten der Isar. Und Recherche ergibt: Das ist nur der Anfang, ich muss mich wohl noch auf Jahre nach einer anderen Strecke umsehen, es wird ja gleich eine ganz neue Brücke gebaut. (Aber toll, wie viele Infos heutzutage zu Bauprojekten online zur Verfügung stehen. Jetzt bin ich noch trauriger, dass ich als Fußgängerin nicht näher komme, weil: Brückenbau! Behelfsbrücke! Pfähle in die Isar!) Diesmal sah ich von Klettereien ab und bog nach links Richtung Aumeister. Der Lohn: Neue Ansichten.

Und wieder zurück.

Zurück vom Tivoli mit der Tram, die gleichzeitig mit mir an der Haltestelle eintraf. Dehnen also wieder in der fahrenden Bahn. Vor der Wohnungstür wartete die erste 5-Kilo-Lieferung Granatäpfel von meinem adoptierten Crowdfarming-Baum (den ich übrigens “Graná” getauft habe, mit liebevollen Gedanken an die andalusische Freundin mit schwerem andalusischen Dialekt, die mir erst glaubte, dass das Obst “granada” heißt und nicht “graná”, als ich ihr den Wörterbucheintrag zeigte).

Frühstück kurz nach zwei: Ein weiterer Teil Endiviensalat, dieser mit Zitrus-Vinaigrette, dann reichlich Mohnrolle (köstlich). Jetzt war ich sehr müde. Ich wartete noch die laufende Waschmaschine ab, nach dem Wäscheaufhängen legte ich mich zum Nachholen des Nachtschlafs auf eine Siesta hin.

Am Sonntag sind wir mit meinen Eltern bei Schwiegers eingeladen, ich darf den Nachtisch beisteuern und machte Mousse au chocolat.

Wie schon die letzen Male wurde die Mousse grieslig. Zumindest kann ich jetzt ausschließen, dass es am Kakaogehalt der Schokolade liegt: Ich verwendete nicht die 70-prozentige der vergangenen Male, sonder 55-prozentige wie in meiner Jugend.

Aber meine Laune war eh am Kippen, der Vortrag am Montag belastete mich immer mehr, ich begann mich klassisch verrückt zu machen. Das ist reine Stoffwechselsache (die Beruhigungsargumente und -mantren kenne ich alle, mein Kopf ist nicht das Problem – und vor 20 Jahren war ich noch komplett anders), ich werde in der realen Situation so zittrig und aufgeregt sein, dass ich all die tollen Ideen vergesse oder vermassle, das Publikum wird nichts mit meiner Präsentationsform anfangen können, ich werde die zwei Stunden irgendwie rumbringen und danach viel Energie dafür aufbringen müssen, nie wieder daran zu denken. Ich werde keinen wirklichen Schaden angerichtet haben, nur enthält die streng verschlossene Peinlichkeitskammer einen Vorfall mehr.

Eine Runde Yoga-Gymnastik, dann servierte Herr Kaltmamsell das Nachtmahl: Der Ernteanteil-Mangold wurde eine Coca de verdura, eigentlich sowas Ähnliches (kein Schmalz, sondern nur Olivenöl, halb so viel Mangold, und Mozzarella war auch noch da).

Sehr, sehr köstlich. Nachtisch Mohnrolle und Schokolade.

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Gute Nachrichten:
“Blitz-Aktion
IG Metall ist drin bei Tesla”.

“Das nächste Ziel ist die Wahl eines echten Betriebsrats.”

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Was macht Simone Biles wohl in ihrer Freizeit? Ich stelle mir sowas vor.

Journal Freitag, 20. Oktober 2023 – Gesetzesentwicklung in der Praxis

Samstag, 21. Oktober 2023

Wieder vom Wecker aus tiefem Schlaf gerissen worden, Vorfreude auf das wochenendliche Ausschlafen.

In der ersten Desorientierung musste ich die allgemeine Lage überlegen: Da der gestrige Freitag einen Gerichtstermin und eine Deadline enthielt, fühlte er sich nicht sich freitäglich erleichtert wie sonst an, der Vortrag am Montag und zu Organisierendes am Wochenende wirkten nicht recht wochenendlich frei.

Wegen Gerichtstermin fuhr ich mit dem Rad in die Arbeit, es war angenehm mild.

Den Vormittag arbeitete ich so intensiv durch wie schon lang nicht mehr, allein schon wegen der zeitlichen Begrenzung bis Mittag: Ich kann’s also noch.

Schneller Mittagscappuccino in der Nachbar-Cafeteria, die Aussicht auf einen In-house-Nachfolger hat sich mittlerweile auf Februar verschoben. Als Mittagessen gab’s zwei Äpfelchen, außerdem drei hartgekochte Eier, die dringend wegmussten, also Appel und Ei.

Rüberradeln durch sonnig-gemischtes Wetter ans Justizzentrum; ich brauchte weder Mütze noch Handschuhe, den Ledermantel knöpfte ich nur zu, weil er sonst störend aufgeflattert wäre.

Den Nachmittag verbrachte ich in einem Sitzungssaal des Amtsgerichts an der Richterbank, Fortsetzung der Verhandlung von vor zwei Wochen. Das Resultat war eine empfindliche Haftstrafe für etwas, das vor der Reform des Sexualstrafrechts 2016 nicht mal eine Straftat gewesen wäre (Strafmaß lag unter dem Antrag Staatsanwaltschaft, Verteidigung plädierte auf Freispruch).

Ich bin wirklich, wirklich froh, dass die aktuelle Gesetzgebung die Schuldumkehr beendete, also dass die Schuld des Täters für eine Straftat dem Opfer zugeschrieben wurde. Sie kennen sicher auch die unsäglichen Kommentare (kein Bezug zum gestern verhandelten Fall): “sie hätte halt besser aufpassen müssen”, “hätte sie sich halt nicht so angezogen”, “hätte sie halt nicht so viel getrunken” – dass nichts davon ein Sexualdelikt rechtfertigt oder gar entschuldigt, ist seit 2016 auch gesetzlich festgelegt.

Diese dreieinhalb Stunden waren sehr anstrengend gewesen, körperlich wie seelisch. Dennoch hatte meine Aufmerksamkeit genug Kapazitäten frei, wieder die eigentümliche Sprachverwendung in dieser Umgebung zu registrieren: Dass die Stellungnahme des Angeklagten “Einlassung” heißt, dass statt informieren meist “vorhalten” gesagt wurde (z.B. “Die Fotos und die Aussage des Zeugen wurden der Geschädigten vorgehalten.” = ihr gezeigt und vorgelesen).

Mit diesem Jahr endet meine Zeit als Schöffin: Ich habe für die nächsten fünf Jahre keine der Berufungen erhalten, die im September versendet wurden. Das bedauere ich, doch zum einen konnte ich aus diesen vergangenen Jahren bereits sehr viel mitnehmen, zum anderen haben die Info- und Werbekampagnen zum Schöffenamt wohl in München gefruchtet und sehr viele Bewerbungen ausgelöst: Das freut mich wirklich von Herzen.

Ich musste nochmal ins Büro, dort nach ein paar Angelegenheiten sehen, Rechner einpacken, um mich auf den Vortrag am Montag final vorzubereiten. Für Freitag war das ein eher später Feierabend, auf dem Heimweg radelte ich durch immer noch milde Luft am Vollcorner vorbei, letzte Lebensmittel für wochenendliche Koch- und Backpläne.

So spät hatte ich daheim keine Lust mehr auf Yoga-Gymnastik, viel mehr auf den Freitagabend-Drink. Erst mal erledigte ich meinen Teil der Abendessens-Vorbereitung.

Ich befasste mich mit diesem Riesen-Exemplar Endivie aus unserem Ernteanteil. Ein Drittel davon ergab eine große Schüssel Salat mit Tahini-Dressing. Dann aber endlich Drinks.

Nach Langem gab’s wieder Cosmopolitans, ich hatte Zutaten auf dem Heimweg besorgt. Und weil ich den Cranberry-Muttersaft nur in einer großen Flasche bekommen hatte, wird’s jetzt wohl häufiger Cosmopolitans geben.

Zu Essen hatte ich mir gepfefferte Rinderleber gewünscht (Rezept nach Delia Smith), Herr Kaltmamsell servierte sie mit Spinat aus Ernteanteil (beides hervorragend). Im Glas ein spanischer Rotwein Dehesa la Granja, passte gut.

Zum Nachtisch hatte Herr Kaltmamsell Vanillepudding gekocht, dazu probierten wir den Rumtopf mit Trockenfrüchten, den ich Ende August angesetzt hatte. Zu unserer Überraschung waren die Früchte noch nicht weichgezogen, vielleicht mische ich auch zusätzlichen Zucker drunter.

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Ich schenke Ihnen wieder einen Artikel von Krautreporter: Tabea Berger hat recherchiert, welche Folgen die Umstellung von ALG II, vulgo “Hartz 4”, auf Bürgergeld bislang hatte.
“Bürgergeld: Immerhin droht einem das Jobcenter nicht mehr”.

Journal Donnerstag, 19. Oktober 2023 – Sendlinger Abschied

Freitag, 20. Oktober 2023

Tiefer, guter Nachtschlaf – und beim Aufwachen in die Desorientiertheit stellte ich gleich mal fest: Halsweh viel geringer, Nebenhöhlen frei, Augen nur minimal versandet. Hurra!

Die Luft war milder geworden, auf meinem Marsch in die Arbeit hätte es nicht mehr unbedingt Mütze und Handschuhe gebraucht.

Mittags ging ich in der neuen Milde auf einen Cappuccino bei Nachbars, dann zum Markt um Äpfel zu kaufen. Zwei aß ich gleich zu Mittag (SO! gut – ich hatte auch eine andere Sorte als Rubinette ausprobiert, irgendwas mit N, schmeckte ganz anders, weniger dicht, war dafür aber saftiger – kaufe ich nächste Woche wieder), außerdem Muesli und Haferflocken in Wasser eingeweicht mit Sojajoghurt.

Ich bereite derzeit nach Jahren mal wieder einen Vortrag vor. Für mein Timing diese Woche war es praktisch, dass ich mich noch gut an die Einordnung meiner Gefühle erinnerte:
Gefühlt fast fertig: Braucht noch einen Arbeitstag bis fertig.
Fertig, nur nochmal drüberschauen: Drüberschauen = ein Arbeitstag.
Von da bis zur tatsächlichen, sicheren Vortragbarkeit: halber Arbeitstag
(Am Montag muss ich allerdings verifizieren, ob ich nicht einen zeitraubenden Arbeitsschritt dazwischen vergessen habe.)

Als ich mich wunderte, was denn so viele Krähen ganz oben am Nachbar-Hochhaus machen, war die Antwort auch diesmal: Die Falken ärgern. Ich nutzte die Gelegenheit, die Szene dem Nachwuchs zu zeigen, daran konnte man schön die Silhouette eines Falken lernen.

Meine Styling Appreciation Group erfüllte ihre Aufgabe gestern nicht: Die schöne neue Bluse wurde weder bemerkt noch kommentiert. Ich musste in ein Büro gehen und soufflieren: “Du musst sagen: ‘Was hast du da für eine schöne neue Bluse!’.”

Das Klofoto wird dem Styling nicht gerecht, Sie müssen mir einfach glauben, dass das super aussah.

Nach Feierabend war ich mit Herrn Kaltmamsell eingeladen: Einer seiner langjährigen Freunde verlässt München und zieht weg, zum Abschied sammelte er in einem Sendlinger Wirtshaus Vertraute um sich.

Unter regendrohendem Himmel, aber in milder Luft spazierte ich über den Westpark dorthin (ein Blick auf die Route hatte mich damit überrascht, wie Westend und dieser Teil Sendlings zueinander liegen) und genoss das.

Ich freute mich über das Wiedersehen, erfuhr die spannende Geschichte eines ganz besonderen Immobilienerwerbs (solch erwachsene Dinge!). Von der attraktiven Speisekarte des Wirtshauses Wöllinger (man beachte den worst case des Website-Zugangs, von dem die Homepage spricht) aß ich Kalbfleischpflanzerl, die ganz hervorragend waren; der Gastgeber berichtete von der angeschlossenen und benachbarten Metzgerei, die hier das Fleisch zuliefert.

Für einen Arbeitstag spät zurück, Betthupferl Schokolade.

Journal Mittwoch, 18. Oktober 2023 – Return of the Halsschmerzen

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Die Erkältung versucht, originell zu sein: Ich wachte wieder mit Halsschmerzen auf. Wo die Nebenhöhlen doch noch gar nicht mit Schmerzen aufgehört hatten.

Von Sandalen-Kurzärmel-Spaziergang zu Mantel, Schal, Mütze, Handschuhe für den Weg in die Arbeit innerhalb einer Woche – ich hatte Ohrenschutz schon am Dienstagmorgen vermisst, aber dafür nicht umkehren wollen.

Wieder herbstlicher Nebel, der sich den Vormittag über hielt, auch auf dem Weg zum Mittagscappuccino brauchte ich Mütze und Handschuhe.

Mittagessen: ein wenig Brot, viel Crowdfarming-Papaya mit Sojajoghurt.

Emsiger Arbeitstag, ich hoffe, es reicht für ein gemütliches Einhalten einer größerer Deadline am Montag.

Fast pünktlicher Feierabend, den ich wollte vor der Abendessensverabredung mit Herrn Kaltmamsell noch Yoga-Gymnastik turnen; das klappte auch.

Eigentlich hatten wir bei Madame Chutney essen wollen, doch das geräumige Lokal war bereits am Dienstagmittag für Mittwochabend ausgebucht gewesen. Wir probierten es statt dessen in einem weiteren Restaurant, das “Indian Street Food” anbietet: Bindaas am Reichenbachplatz. (Und fragten uns, ob das eigentlich auch in anderen Städten a thing geworden ist, versuchten die Kriterien für die typische Klientel zu finden, auch in Abgrenzung zur Kundschaft herkömmlicher indischer Restaurants, die ja eher nicht typisch großstädtisch sind.)

Unterwegs kamen wir am beleuchteten Sportplatz auf dem Dach des Bellevue di Monaco vorbei.

Wir erwischten den richtigen Moment und bekamen auch ohne Reservierung einen Tisch im Bindaas, nach uns mussten die Leute recht lang warten. Pav Bhaji wurde auch hier angeboten, schmeckte uns als Vorspeise nicht ganz so gut wie beim ersten Mal. Dann aßen wir ein Kichererbsen-Curry Chana Massala und Bharta (Püree aus gegrillter, geräucherter Aubergine), beides gut. Das Naan-Brot beim Bindaas fand ich sogar besonders gut.

Heimweg in überraschendem Regen, zu Hause gab’s zum Nachtisch Schokolade.

Ich hatte eine Bestätigungsmail meiner Kündigung erhalten: Nachdem ich meine Sportvereinsmitgliedschaft so konsequent nicht nutze (Sport treibe ich halt im Wohnzimmer, im Schwimmbad, an der Isar), zahle ich für den Beitrag nach knapp fünf Jahren lieber Physio und Bäderkarte.

Die Halsschmerzen waren über den Tag trotz Lutschtabletten schlimmer geworden, ich spürte Nebenhöhlen und Luftröhre schmerzhaft. Das zog mich ganz schön runter, mir als Somatopsychikerin schlagen körperliche Beschwerden ja fast immer aufs Gemüt.

§

Ein weiteres Kapitel in Novemberregens pragmatischer Sicht auf das Großziehen von Nachwuchs, diesmal auf Teenager-Leichtsinn.
“17. Oktober 2023”.
(Allerdings denke ich mir auch hier, dass sie möglicherweise schlicht das passende Kind dazu hat und ihr Vorgehen, ihre Erfahrungen nicht pauschalisierbar sind.)

Ich bin unsicher, ob „Leichtsinn“ hier das passende Wort ist, vielleicht würde ich eher sagen, das Teenager in ihren Risikoeinschätzungen oft noch etwas unterkomplex denken. Es ist nicht so, dass sie das Risiko sehen und sich aktiv dafür entscheiden, es einzugehen. Sie sehen es schlicht nicht oder nicht in derselben Ausprägung wie Menschen mit mehr Lebenserfahrung. Vielleicht erkennen sie an dieser Formulierung schon meinen recht milden Blick. Absolut wichtig finde ich den Schutz von Leib und Leben, der Rest ist mehr oder weniger verhandelbar. Deshalb ist es wichtig, es den Teenagern ganz leicht zu machen, weniger Risiken einzugehen. Das können ganz einfache Dinge sein wie ein Badezimmerschrank mit Kondomvorräten, an denen sich auch Gastteenies gerne bedienen dürfen oder eine Taxiapp auf dem Handy, die automatisch über das Konto der Eltern bucht und so in Notfällen immer für einen sicheren Heimweg zur Verfügung steht, das kann die Abmachung sein, auf ein bestimmtes Signal hin das Kind anzurufen und streng nach Hause zu beordern, damit es in unangenehmen Situation gehen kann ohne Gesicht zu verlieren, das kann die Abmachung sein, immer alle Softdrinkrechnungen zu übernehmen. Im Idealfall schafft man es noch, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen so dass sie wissen, dass sie jederzeit anrufen können und es wird geholfen ohne Fragen zu stellen, oft funkt dann aber dazwischen, dass das Kind die eigenen Eltern vor Sorgen schützen möchte und dann doch nicht anruft, es kann also sinnvoll sein, dafür eine emotional etwas weiter entfernte Person zu finden. Ich bin diese Person für einige Freund*innen von M, für M wiederum ist es jemand anders.