Der durcheinandere Alkohol vom Freitagabend strafte mich mit einer unruhigen Nacht und Kopfschmerzen, die erst nach Stunden und Bekämpfung mit Ibu und Koffein wichen. Selber schuld.
Den Morgen startete ich wie geplant mit dem Backen einer Mohnrolle; vergangene Woche war mir die Packung Graumohn in die Hände gefallen, die ich vor etwa einem Jahr gekauft hatte und dann gründlich vergessen (passiert mir selten), so hatte ich auch das Mindesthaltbarkeitsdatum im Mai nicht durchrauschen gehört.
Der Hefeteig ließ sich diesmal recht bitten, aber wie Bäckerstochter Novemberregen einst ihren Vater zitierte: Irgendwann kommt er schon, man muss ihm halt Zeit geben. (Weswegen ich Hefeteig immer noch für den einfachsten halte, aber er verträgt sich nicht mit Backen nach Zeitplan.) Gestern hatte ich die Zeit, nach zwei Stunden Gehen stellte ich endlich die eindeutige Vergrößerung fest. Da mir Mohn in den vergangenen Jahren nur in 200-Gramm-Packungen begegnet, nahm ich statt der im Rezept angegebenen 250 Gramm weniger: Auch das kein Problem.
Gelang sehr gut.
Das Wetter sah gemischt schön aus, ich freute mich auf einen Isarlauf. Bereits in Sportkleidung ging ich zu einer nahen Änderungsschneiderei (Rock fertig geändert, aber Chefin erkrankt und kein Preis vermerkt – ich muss nochmal kommen, macht echt nichts) und stellte fest, dass es gegen elf selbst für eine Windjacke zu warm war. Also zog ich in Caprihose und kurzen Ärmeln los. Für Anfahrt per U-Bahn, Fotos unterwegs, Schrittzählen und abschließenden Semmelkauf musste ich nur mein Smartphone mitnehmen: Öffi-Ticket drauf, Fotoapparat, Fitness-Tracker, Kartenzahlung. TECHNIK IST SO SUPER!
(Plus Wohnungsschlüssel, na gut, halte ich aber für lediglich eine Frage der Zeit, entsprechende Technik gibt’s ja schon.) via @dentaku.
Ich lief meine gewohnte Strecke von Odeonsplatz über Hofgarten, Englischen Garten zum Tivoli, dann isarabwärts nach Norden und zum Tivoli zurück. Das fühlte sich wunderbar an, die Luft roch herbstlich, aber mild.
Weil ich gerade beim Technikschwärmen bin: Dass mein Handy solche Bilder macht! Fotoapparate und frühe digitale Geräte wären überfordert gewesen, sowohl die strahlende Theatinerkirche als auch die beschatteten Menschen im Vordergrund richtig zu beleuchten. Die Technik HDR (High Dynamic Range) macht mehrere Aufnahmen gleichzeitig und legt sie übereinandern – blitzschnell. Wie halt das menschliche Auge im Zusammenspiel mit der Bildverarbeitung im menschlichen Gehirn, deshalb sieht das Fotos aus wie der Anblick, den ich sah. Es kommt nur noch selten vor, dass die Aufnahme zu viel verbessert und deshalb nicht das zeigt, was ich eigentlich fotografieren will; auch das wird wohl bald Vergangenheit.
Auch vier Wochen nach dem letzten Versuch: Weiterlaufmöglichkeit gesperrt, auf beiden Seiten der Isar. Und Recherche ergibt: Das ist nur der Anfang, ich muss mich wohl noch auf Jahre nach einer anderen Strecke umsehen, es wird ja gleich eine ganz neue Brücke gebaut. (Aber toll, wie viele Infos heutzutage zu Bauprojekten online zur Verfügung stehen. Jetzt bin ich noch trauriger, dass ich als Fußgängerin nicht näher komme, weil: Brückenbau! Behelfsbrücke! Pfähle in die Isar!) Diesmal sah ich von Klettereien ab und bog nach links Richtung Aumeister. Der Lohn: Neue Ansichten.
Und wieder zurück.
Zurück vom Tivoli mit der Tram, die gleichzeitig mit mir an der Haltestelle eintraf. Dehnen also wieder in der fahrenden Bahn. Vor der Wohnungstür wartete die erste 5-Kilo-Lieferung Granatäpfel von meinem adoptierten Crowdfarming-Baum (den ich übrigens “Graná” getauft habe, mit liebevollen Gedanken an die andalusische Freundin mit schwerem andalusischen Dialekt, die mir erst glaubte, dass das Obst “granada” heißt und nicht “graná”, als ich ihr den Wörterbucheintrag zeigte).
Frühstück kurz nach zwei: Ein weiterer Teil Endiviensalat, dieser mit Zitrus-Vinaigrette, dann reichlich Mohnrolle (köstlich). Jetzt war ich sehr müde. Ich wartete noch die laufende Waschmaschine ab, nach dem Wäscheaufhängen legte ich mich zum Nachholen des Nachtschlafs auf eine Siesta hin.
Am Sonntag sind wir mit meinen Eltern bei Schwiegers eingeladen, ich darf den Nachtisch beisteuern und machte Mousse au chocolat.
Wie schon die letzen Male wurde die Mousse grieslig. Zumindest kann ich jetzt ausschließen, dass es am Kakaogehalt der Schokolade liegt: Ich verwendete nicht die 70-prozentige der vergangenen Male, sonder 55-prozentige wie in meiner Jugend.
Aber meine Laune war eh am Kippen, der Vortrag am Montag belastete mich immer mehr, ich begann mich klassisch verrückt zu machen. Das ist reine Stoffwechselsache (die Beruhigungsargumente und -mantren kenne ich alle, mein Kopf ist nicht das Problem – und vor 20 Jahren war ich noch komplett anders), ich werde in der realen Situation so zittrig und aufgeregt sein, dass ich all die tollen Ideen vergesse oder vermassle, das Publikum wird nichts mit meiner Präsentationsform anfangen können, ich werde die zwei Stunden irgendwie rumbringen und danach viel Energie dafür aufbringen müssen, nie wieder daran zu denken. Ich werde keinen wirklichen Schaden angerichtet haben, nur enthält die streng verschlossene Peinlichkeitskammer einen Vorfall mehr.
Eine Runde Yoga-Gymnastik, dann servierte Herr Kaltmamsell das Nachtmahl: Der Ernteanteil-Mangold wurde eine Coca de verdura, eigentlich sowas Ähnliches (kein Schmalz, sondern nur Olivenöl, halb so viel Mangold, und Mozzarella war auch noch da).
Sehr, sehr köstlich. Nachtisch Mohnrolle und Schokolade.
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Gute Nachrichten:
“Blitz-Aktion
IG Metall ist drin bei Tesla”.
“Das nächste Ziel ist die Wahl eines echten Betriebsrats.”
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Was macht Simone Biles wohl in ihrer Freizeit? Ich stelle mir sowas vor.