Journal Dienstag, 3. Oktober 2023 – Dann doch noch Oktoberfest
Mittwoch, 4. Oktober 2023Eine gute Nacht, der Lumbago störte meinen Schlaf nicht, allerdinge irritierte die Thermacare-Bauchbinde mich Kleidungsfrei-Schläferin bei Bewegungen ein wenig.
Gleich nach dem Aufstehen goss ich Pflanzen, öffnete dabei einige Fenster und Balkontüren – und vergaß sie wieder zu schließen, weil es so mild von Draußen reinkam. Ab neun setzte ich mich zum Lesen auf den Balkon.
Meine verhexte LWS-Muskulatur signalisierte klar, dass sie keinen Isarlauf mitmachen würde. Wie also sonst das herrliche (wenn auch unzeitgemäße) Wetter nutzen? Sie werden es nicht glauben: Ich ging mit Herrn Kaltmamsell aufs Oktoberfest. Leitwunsch war eine gute Bratwurst, solch eine hatte ich nämlich schon sehr lang nicht mehr bekommen: Auf dem Frühlingsfest war sie kalt gewesen, auf einer Party danach offensichtlich schon sehr lange warmgehalten und trocken. Eine langjährige Oktoberfest-Bewohnerin mit hohen kulinarischen Ansprüchen hatte mir den Tipp gegeben, dass die Würschtl-Braterei Wallner beim Löwenbräu-Zelt gute habe. Dort spazierten wir also hin.
Dafür, dass Menschen auf allen Wegen zur Theresienwiese in großen Massen strömten, war das Gelände selbst dann gar nicht so voll oder gar überlaufen. Die Türen der Festzelte standen offen, es war wohl noch gut ein Platz darin zu bekommen.
Überraschung auch über die Weltläufigkeit des Angebots. Während ich mich zum Löwenbräu-Zelt orientierte, guckte Herr Kaltmamsell in die Süßigkeiten-Auslagen: Er suchte Türkischen Honig, frisch vom Block gesäbelt.
Und da hatte ich sie endlich, meine Bratwurst. Sie war zwar auch sichtlich nicht ganz frisch gebraten, aber heiß, saftig und wirklich gut gewürzt. Satt war ich davon allerdings nicht, ich kaufte mir noch einen Rahmfleck aus Roggenteig und mit Speck.
Seit Jugendtagen vertraut: der Schriftzug des Autoscooters Distel.
Herr Kaltmamsell wurde fündig:
Es war ganz schön heiß auf dem schattenlosen Asphalt-Gelände, wir gingen heim. (Lachen tät ich, wenn durch Klimawandel das Oktoberfest tatsächlich in den Oktober gelegt würde.)
Wieder auf dem Balkon fuhr ich meinen Arbeitsrechner hoch, um den Urlaub langsam ausklingen zu lassen. In anderthalb Stunden hatte ich den Inhalt meines Postfachs gesichtet, und auch wenn mindestens ein Problem nicht in meiner Abwesenheit hatte gelöst werden können, hoffte ich nun auf besseren Nachtschlaf und Ausbleiben der Panikphase am Morgen im Büro.
Der angekündigte Wetterumschwung blieb weiter aus, es zog mich nochmal nach draußen. Schon der Rundgang übers Oktoberfest hatte meinem gefährdeten Kreuz gut getan, ich machte mich auf einen Spaziergang an die Isar – in Sandalen!
Über den Alten Südfriedhof…
… am Westermühlbach entlang ging ich an den Fluss, spazierte Richtung Thalkirchen.
Auf den Kiesbänken am Flaucher lagen die Nackterten flächendeckend, die Gesamtfarbe so spät im Sommer ließ mich an Hendlbratereien denken.
Hinterbrühler See. Von dort ging ich einen bislang nur bemerkten Steig zum Hochufer, diesmal wasserfern spazierte ich nach Großhesselohe und nahm von dort eine S- und eine U-Bahn zurück ans Sendlinger Tor.
Dort auch gestern 26 Grad im Schatten.
Zum Nachtmahl gingen wir chinesisch essen ins Glockenbachviertel – nicht ganz geglückt, weil unsere Bestellung verloren ging und dann durcheinander. Mittlerweile hatte der Himmel zugezogen, es kam Wind auf, der hin und wieder ein paar Regentropfen brachte.
Daheim gab’s zum Nachtisch Apple Crisp und Schokolade.
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Die taz deckt auf.
“Django Asül über Niederbayern:
‘Wir wissen, wer die echte CSU ist”.
Da der Niederbayer in der Heimat von Gleichgesinnten umgeben ist, wird das für ihn zur Norm. Und wer dann dieser Norm nicht entspricht, ist schon mal nicht normal im Sinne der Definition, hat aber die Chance, durch entsprechende Anpassungen und Modifikationen normal zu werden. Diese Gelegenheit wird jedem eingeräumt. Da kann der Niederbayer gnadenlos liberal sein.
(…)
Schwierig wird es, wenn einer, der dieser Norm nicht entspricht, meint, denen, die sich für die Norm halten, zu sagen, was jetzt eigentlich Sache ist. Dann kann atmosphärisch schon mal a bissl was ins Rutschen kommen.
(…)
Zumindest sprachlich hat Aiwanger die Niederbayern aber doch etwas in Verruf gebracht, weil er in der Öffentlichkeit ein sehr spezielles Hochdeutsch spricht und im Norden jetzt alle denken, das sei der hiesige Dialekt.
Selbst wenn er Dialekt spricht, ist sein Niederbairisch ja eine Sprache, die außer ihm niemand spricht. Wenn man mit Leuten redet, die 500 Meter von Aiwanger entfernt wohnen, dann klingen die kein bisschen wie er. Der hat hier eine Ein-Mann-Sprache kreiert.
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Nobelpreis für Katalin Karikó – zu der ich im Zusammenhang mit der Forschung bei BioNTech schon viel gelesen hatte, fasziniert von ihrem wissenschaftlichen Erfolg gegen alle Wahrscheinlichkeiten: Frau, Metzgerstochter, Migrantin, Forscherin ohne sicheren Platz in der akademischen Welt.
Ich las zum Beispiel diesen Artikel von 2020:
“How mRNA went from a scientific backwater to a pandemic crusher”.
For decades, Katalin Karikó’s work into mRNA therapeutics was overlooked by her colleagues. Now it’s at the heart of the two leading coronavirus vaccines
Hier wird ihre Geschichte und die ihres Mit-Nobelpreisgewinners Drew Weissmann beschrieben:
“How Scientists Drew Weissman (MED’87, GRS’87) and Katalin Karikó Developed the Revolutionary mRNA Technology inside COVID Vaccines”.
Gleichzeitig bitte ich zu beachten: Nein, bloß dass eine es trotz aller Widerstände und Hindernisse geschafft hat, heißt noch lang nicht, dass es jede schaffen kann (-> survivor’s bias – und typischer Denkfehler junger FDP-Wähler*innen). Es bedeutet, dass die systemische Schieflage so groß ist, dass ihre eine ganz besondere Geschichte ist – und dass die Geschichten all der an diesem System gescheiterten halt nicht erzählt werden.
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Der Bayerische Rundfunk hat den Bayerischen Landtag durchgezählt: Repräsentiert er die Bevölkerung? (Nein.)
“Bayerns Landtag: Bisher kaum Spiegelbild der Bevölkerung”.
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Und dann hätte ich eine Idee, wenn Sie heute Abend in München noch nichts vorhaben.
Mehr Infos hier.
In der Süddeutschen ein Interview mit dem Initiator.