Journal Freitag, 3. November 2023 – Kleinkunstkonzert / eine vertraute Stimme aus Israel

Samstag, 4. November 2023 um 9:38

Wieder eine Nacht mit dreimal Aufwachen – nicht wirklich belastend, aber zweimal weniger wären mir lieber.

Der Regen hatte aufgehört, auf dem Weg in die Arbeit war es nur noch grau und kalt (Mütze, Handschuhe).

Wieder ein Frier-Tag im Büro, ich beginne zu verstehen, warum die Kolleginnen auf dieser Seite des Gebäudes immer schon mit Teppich-artigen Umhängen hantierten. Jetzt kapitulierte ich dann doch, wir sind ja noch nicht mal im richtigen Winter, und bestellte einen Thermo-Rolli. Wenn der passt und sich gut anfühlt, bestelle ich in anderen Farben nach. Und ich werde Lust an und Freude über schöne Kleidung fürs Büro verlieren.

Um die Mittagszeit regnete es energisch, das macht weitere Wege zum Mittagscappuccino unattraktiv: Ich ging nur rüber zu Nachbars. Mittagessen: Je ein Apfel Nicoter und Pinowa, Quark mit Joghurt.

Pünktlicher Feierabend, denn ich hatte Pläne: In Ingolstadt gab es ein Konzert mit Familienbeteiligung, dafür hatte ich Herrn Kaltmamsell und mir Karten zurücklegen lassen.

Vom Hauptbahnhof nahmen wir im Regentröpfeln einen Bus in die Ingolstädter Innenstadt. Wir hatten uns für kurzes Abendessen vorm Konzert ein indisches Lokal empfehlen lassen, das Chai Roti in der Dollstraße, das bereits seit Jahren “Urban Food” anbietet. Es stellte sich als Volltreffer heraus: Einrichtung und Speisekarte weit entfernt vom Durchschnitts-Inder.

Ich bestellte auch hier das bei Madam Chutney in München entdeckte Pav Bhaji, bekam besonders schmackhaftes Gemüse, Herr Kaltmamsell hatte von den südindischen Spezialitäten Masala Dosa, einen gefüllten Reis-Pfannkuchen mit scharfer Gemüsesuppe (Samber) und Kokos-Chutney – hervorragend (wir tauschten nach der Hälfte Teller). Dazu zwei untypische Brote.

Wir spazierten zur Kleinkunstbühne Neue Welt, in meiner Jugend und bis 2016 eine Kleinkunstkneipe (dann mochte Wirt Walter „Woidl“ Haber nach 33 Jahren nicht mehr) – vermutlich die Wirtschaft, in die ich am häufigsten ausging (im cooleren Mo fühlte ich mich nie heimisch, außerdem gab’s in der Neuen Welt für erinnerte 5 Mark ein überbackenes Schinken-Käse-Brot auf der Basis einer mächtigen Scheibe vom Roggen-Laib, von dem man gut satt wurde).

Großes Hurra beim Wiedersehen mit gesamter Bruderfamilie (da die Kinder darin erwachsen werden und eigene Wege gehen, ist ihre Beteiligung nicht selbstverständlich) und meiner Mutter.

Das Konzert dauerte recht lang, wir standen erst deutlich nach halb elf wieder auf der Straße. Zum Glück checkte Herr Kaltmamsell die Zugverbindung, die ich für die Rückfahrt recherchiert hatte: Diese Regionalbahn um 23:36 Uhr, die letzte Deutschland-Ticket-Möglichkeit des Abends, war nämlich jetzt gestrichen. Wir besorgten rasch Karten für den kurz davor abfahrenden ICE und marschierten zackig zum Hauptbahnhof. Ich freute mich über die kalte frische Luft ohne Regen, am Hauptbahnhof hörten wir, dass der Grund für den plötzlichen Zugausfall “Reparaturen am Zug” waren – so wird das echt nichts mit der Verkehrswende.

Aber für mehr Geld kamen wir sogar früher in München an, Schlafengehen noch vor eins.

§

Wenn Sie Lila, die vor Jahrzehnten nach Israel ausgewanderte Jülicherin, wie ich über ihr Blog Rungholt kennengelernt haben, möchten Sie vermutlich ihr aktuelles Lebenszeichen lesen. Und von ihrem 7. Oktober.
“Guten Morgen, ihr Lieben,”

(Das war der Moment, in dem ich dann doch weinen musste.)

Lila war es, die mir vor über 15 Jahren den Kassam-Ticker im Web zeigte, an dem ich sehen konnte, wie viele der Boden-Boden-Raketen aus den Palästinensergebieten auf israelisches Territorium geschossen wurden, oft über lange Zeit täglich, fast immer mit Schäden für die Zivilbevölkerung bis zu Todesfällen. Deutsche Medien erwähnten sie nur, wenn Israel die Abschussrampen angriff – und das eigentlich nur indirekt, weil sie von “Vergeltungsschlägen für Raketenangriffe” sprachen und schrieben. Fast normale News-Mechanik, denn tägliche Kleinigkeiten sind halt uninteressant, das größere Abwehrereignis interessanter. Ich erinnere mich auch an Lilas Erleichterung, als das Abwehrsystem Iron Dome endlich griff.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Freitag, 3. November 2023 – Kleinkunstkonzert / eine vertraute Stimme aus Israel“

  1. Trulla meint:

    Ich weine beim Lesen dieser schrecklichem Lebensumstände, die Lisa uns – stellvertretend für viele – mitteilt.

    Ich verzweifle an der Ignoranz von Mitbürgern, gute Menschen eigentlich, die sich auch angesichts der Barbarei vom 7. Oktober nicht von dem Narrativ der nur bedauernswerten Palästinenser lösen können. Obwohl durch Wahlen die Hamas ermächtigt wurde, das unmenschliche, unterdrückende System im Gaza Streifen aufrecht zu erhalten, die eigenen Leute als Geiseln zu halten, deren furchtbare Armut zu fördern und damit zu ewigen Opfern zu stilisieren, weil die geflossenen Gelder für das einzige und absolute Ziel der Vernichtung alles jüdischen Lebens verwendet wird.

    Ich bemühe mich, Verständnis zu wecken dafür, dass Israel jetzt gezwungen ist, sich zu wehren. Andernfalls erfüllt sich der grausame Wunsch der fundamentalen islamischen Welt “from the river to the sea”. Israel hat keine andere Option.

    Ich beklage alle unschuldigen Opfer von Terror und Gewalt, egal welcher Herkunft sie sind.

    Ich bin sehr froh über Robert Habecks kluge und eindeutige Rede. Es war an der Zeit dafür.

  2. Trulla meint:

    Bitte um Verzeihung, natürlich meinte ich Lila!

    Und noch ein Satz:

    Ich schäme mich für unser Land. Das Schweigen ist zu laut.

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