Journal Donnerstag, 23. November 2023 – Immer weniger, wer ich sein möchte
Freitag, 24. November 2023Wieder recht gut geschlafen, ich genoss die Kombination aus kalter Raumluft und kuschligem Federbett ohne Schwitzen.
Draußen war es knapp über Frost kalt, erster Einsatz der neuen Winterjacke, dem gebrauchten Schnäppchen (ein Drittel des Neupreises) aus dem Internet.
Die Jacke passt, sitzt allerdings so körpernah, dass mit dickem Pulli die Ärmeleinsätze ein wenig knapp in der Achsel sind. Allerdings beteuerte Herr Kaltmamsell aus der Erfahrung mit dem Männermodell, dass die Jacke sehr wahrscheinlich nie einen dicken Pulli nötig machen wird. Auf dem Weg in die Arbeit erwies sich das langärmlige Shirt drunter als genau richtig. Meine Freude über die Geldersparnis ist ehrlich nicht so groß wie die über den Umstand, dass ich die Jacke aus zweiter Hand kaufen konnte.
Vor unserer Haustür passierte ich Verdi-Streikposten, Unikliniken werden gestern und heute bestreikt.
Ebenfalls vor unserer Haustür musste ich mich über mich selbst ärgern. Ein Mann fragte mich neben seinem Auto, wo es hier Parkplätze gebe, er habe einen Termin in der Klinik. Ich sagte ihm, dass ich selbst kein Auto hätte und hier wohnte, die denkbar am wenigsten Auskunftfähige sei. Eine andere Passantin zückte ihr Smartphone und begann für ihn Parkhäuser zu recherchieren.
Ärger über mich selbst, denn meine Reaktion war saublöd und half dem Frager überhaupt nicht. Mir war schnell klar, dass sie in dem Ärger über sein Ansinnen wurzelte: Ich unterstellte ihm Doofheit, weil er in die Münchner Innenstadt mit dem Auto gefahren war, ihm offensichtlich nicht in den Sinn gekommen war, dass irgendwas daran Probleme verursachen könnte. Nur ist halt wahrscheinlich, dass er in einem Umfeld lebt, in dem Mobilität mit eigenem Pkw die einzig denkbare ist. Und statt ihm auf dieser seiner Ebene lösungsorientiert zu helfen, z.B. indem ich nach nahen Parkhäusern suche, ließ ich meine Reaktion vom Dooffinden dominieren. Sehr wahrscheinlich werde ich immer mehr zur Vor-allem-Dooffinderin statt zu der immer verständnisvolleren Person, die ich viel lieber wäre. Ach menno.
Im Büro allgemeine Anspannung und Aufregung wegen einer wichtigen und komplexen Abendveranstaltung. Selbst hatte ich lediglich eine Rand-Funktion und konnte Anderes arbeiten – allerdings immer wieder von Abendveranstaltungs-Querschlägen unterbrochen.
Der Tag wurde strahlend sonnig, als ich mittags auf den Markt ging für Einkäufe (Äpfel, Käse), roch die Kälte nach Winter.
Ich hatte für meine dritte und damit letzte FSME-Impfung einen Arzttermin nächste Woche vereinbart, im Online-Kalender der super-technologisierten Hausarztpraxis-Kette. Selbstverständlich einen, der kompatibel mit meinen Arbeitszeiten ist. Gestern wurde auch dieser eigenmächtig verschoben (wie schon der für die Rezeptabholung im September), auf einen nicht-kompatiblen Zeitpunkt. Wozu, frage ich mich erneut, bieten sie dann überhaupt online konkrete Termine an? Das sollte ohnehin mein letzter Kontakt mit dieser Kette sein, jetzt habe ich sofort einen Anlass, eine andere Hausarztpraxis zu suchen.
Gestern Abend fand die jährliche Bürgerversammlung meines Wahlbezirks Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt statt – hatte ich seit Wochen auf dem Schirm, doch in den vergangenen Tagen wurde mir auch immer klarer, dass ich dieses Jahr aussetzen würde: Ich hatte keine Energie dafür. Auch wenn die aufziehende Erkältung zurückhaltend mit Symptomen blieb.
Wegen der beruflichen Abendveranstaltung wurde es dann doch eher später, auf dem Heimweg nur ein kurzer Abstecher in den Drogeriemarkt.
Daheim wirbelte ich eine Runde geschäftig, dann gab’s Yoga-Gymnastik, nochmal die sportliche Folge 15 von Adrienes Programm “Home”.
Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell Teile des Radicchios aus frisch geholtem Ernteanteil zu ofengebackenen Bohnen mit Radicchio und Pesto.
Statt dem Basilikumpesto im verlinkten Rezept hatte er Ernteanteil-Grünkohl für ein Pesto aus der Lameng genutzt, insgesamt schmeckte das Gericht ganz ausgezeichnet und überraschend. (Wenn man einen Ersatz für den Parmesan im Pesto findet, wäre es sogar vegan.) Nachtisch Süßigkeiten.
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Ein BBC-Artikel über den Forschungsstand zu Boviner spongiformer Enzephalopathie BSE, vulgo Rinderwahnsinn (und der Grund, warum ich in Deutschland kein Blut spenden darf: Anfang der 90er ein Jahr in UK gelebt).
“The Cows are Mad: Ten things we learned about Mad Cow Disease”.
Was mich überraschte:
There is still no definitive scientific explanation as to how humans came to be infected with vCJD. While the general consensus is that it came from eating infected meat, not everyone believes this – after all, vegetarians got vCJD too.
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Eine wunderschöne Geschichte über die jugendliche Lektüre von Siegfried Lenzens Deutschstunde:
“Lenz”.
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Im Guardian ein Interview mit der einzigartigen Tilda SWINTON:
“‘I am all for strangeness’: Tilda Swinton on artistic integrity, acting and the afterlife”.
Sie sagt viele kluge und interessante Dinge, doch ihre Persönlichkeit steckt für mich in dieser Antwort auf eine Leserinnenfrage:
What is the best and worst thing about being a fashion icon?
Sarah McLeary, Dunbar
A fashion icon is in the eye of the beholder. There is no downside and the upside is a profound amusement.