Archiv für November 2023

Journal Donnerstag, 23. November 2023 – Immer weniger, wer ich sein möchte

Freitag, 24. November 2023

Wieder recht gut geschlafen, ich genoss die Kombination aus kalter Raumluft und kuschligem Federbett ohne Schwitzen.

Draußen war es knapp über Frost kalt, erster Einsatz der neuen Winterjacke, dem gebrauchten Schnäppchen (ein Drittel des Neupreises) aus dem Internet.

Die Jacke passt, sitzt allerdings so körpernah, dass mit dickem Pulli die Ärmeleinsätze ein wenig knapp in der Achsel sind. Allerdings beteuerte Herr Kaltmamsell aus der Erfahrung mit dem Männermodell, dass die Jacke sehr wahrscheinlich nie einen dicken Pulli nötig machen wird. Auf dem Weg in die Arbeit erwies sich das langärmlige Shirt drunter als genau richtig. Meine Freude über die Geldersparnis ist ehrlich nicht so groß wie die über den Umstand, dass ich die Jacke aus zweiter Hand kaufen konnte.

Vor unserer Haustür passierte ich Verdi-Streikposten, Unikliniken werden gestern und heute bestreikt.

Ebenfalls vor unserer Haustür musste ich mich über mich selbst ärgern. Ein Mann fragte mich neben seinem Auto, wo es hier Parkplätze gebe, er habe einen Termin in der Klinik. Ich sagte ihm, dass ich selbst kein Auto hätte und hier wohnte, die denkbar am wenigsten Auskunftfähige sei. Eine andere Passantin zückte ihr Smartphone und begann für ihn Parkhäuser zu recherchieren.
Ärger über mich selbst, denn meine Reaktion war saublöd und half dem Frager überhaupt nicht. Mir war schnell klar, dass sie in dem Ärger über sein Ansinnen wurzelte: Ich unterstellte ihm Doofheit, weil er in die Münchner Innenstadt mit dem Auto gefahren war, ihm offensichtlich nicht in den Sinn gekommen war, dass irgendwas daran Probleme verursachen könnte. Nur ist halt wahrscheinlich, dass er in einem Umfeld lebt, in dem Mobilität mit eigenem Pkw die einzig denkbare ist. Und statt ihm auf dieser seiner Ebene lösungsorientiert zu helfen, z.B. indem ich nach nahen Parkhäusern suche, ließ ich meine Reaktion vom Dooffinden dominieren. Sehr wahrscheinlich werde ich immer mehr zur Vor-allem-Dooffinderin statt zu der immer verständnisvolleren Person, die ich viel lieber wäre. Ach menno.

Im Büro allgemeine Anspannung und Aufregung wegen einer wichtigen und komplexen Abendveranstaltung. Selbst hatte ich lediglich eine Rand-Funktion und konnte Anderes arbeiten – allerdings immer wieder von Abendveranstaltungs-Querschlägen unterbrochen.

Der Tag wurde strahlend sonnig, als ich mittags auf den Markt ging für Einkäufe (Äpfel, Käse), roch die Kälte nach Winter.

Ich hatte für meine dritte und damit letzte FSME-Impfung einen Arzttermin nächste Woche vereinbart, im Online-Kalender der super-technologisierten Hausarztpraxis-Kette. Selbstverständlich einen, der kompatibel mit meinen Arbeitszeiten ist. Gestern wurde auch dieser eigenmächtig verschoben (wie schon der für die Rezeptabholung im September), auf einen nicht-kompatiblen Zeitpunkt. Wozu, frage ich mich erneut, bieten sie dann überhaupt online konkrete Termine an? Das sollte ohnehin mein letzter Kontakt mit dieser Kette sein, jetzt habe ich sofort einen Anlass, eine andere Hausarztpraxis zu suchen.

Gestern Abend fand die jährliche Bürgerversammlung meines Wahlbezirks Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt statt – hatte ich seit Wochen auf dem Schirm, doch in den vergangenen Tagen wurde mir auch immer klarer, dass ich dieses Jahr aussetzen würde: Ich hatte keine Energie dafür. Auch wenn die aufziehende Erkältung zurückhaltend mit Symptomen blieb.

Wegen der beruflichen Abendveranstaltung wurde es dann doch eher später, auf dem Heimweg nur ein kurzer Abstecher in den Drogeriemarkt.

Daheim wirbelte ich eine Runde geschäftig, dann gab’s Yoga-Gymnastik, nochmal die sportliche Folge 15 von Adrienes Programm “Home”.

Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell Teile des Radicchios aus frisch geholtem Ernteanteil zu ofengebackenen Bohnen mit Radicchio und Pesto.

Statt dem Basilikumpesto im verlinkten Rezept hatte er Ernteanteil-Grünkohl für ein Pesto aus der Lameng genutzt, insgesamt schmeckte das Gericht ganz ausgezeichnet und überraschend. (Wenn man einen Ersatz für den Parmesan im Pesto findet, wäre es sogar vegan.) Nachtisch Süßigkeiten.

§

Ein BBC-Artikel über den Forschungsstand zu Boviner spongiformer Enzephalopathie BSE, vulgo Rinderwahnsinn (und der Grund, warum ich in Deutschland kein Blut spenden darf: Anfang der 90er ein Jahr in UK gelebt).

“The Cows are Mad: Ten things we learned about Mad Cow Disease”.

Was mich überraschte:

There is still no definitive scientific explanation as to how humans came to be infected with vCJD. While the general consensus is that it came from eating infected meat, not everyone believes this – after all, vegetarians got vCJD too.

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Eine wunderschöne Geschichte über die jugendliche Lektüre von Siegfried Lenzens Deutschstunde:
“Lenz”.

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Im Guardian ein Interview mit der einzigartigen Tilda SWINTON:
“‘I am all for strangeness’: Tilda Swinton on artistic integrity, acting and the afterlife”.

Sie sagt viele kluge und interessante Dinge, doch ihre Persönlichkeit steckt für mich in dieser Antwort auf eine Leserinnenfrage:

What is the best and worst thing about being a fashion icon?
Sarah McLeary, Dunbar
A fashion icon is in the eye of the beholder. There is no downside and the upside is a profound amusement.

Journal Mittwoch, 22. November 2023 – Kürzeste Tage

Donnerstag, 23. November 2023

Housekeeping: Die mobile Ansicht der Vorspeisenplatte auf Smartphone-Bildschirmen wird laut Blogheinzelmännchen erst beim nächsten Update der Blog-Software WordPress zu ihrer gewohnten Form zurückkehren; bis dahin hat der Herr ein Plug-in installiert, das zum selben Ergebnis führt. Sie sollten auf ihren Handys wieder bequemer lesen können.

Marsch unter düsterem Himmel in die Arbeit, die Temperatur war deutlich gesunken. Ich spüre derzeit auch, dass wir in den Wochen mit den kürzesten Tagen stecken, morgens im Dunklen aus dem Haus, Feierabend im Dunklen. Erst Ende Januar werden die Tage wieder länger sein als im Moment.

Morgens der erste Schneefall des Jahres vorm Bürofenster – aber nicht mal eine Minute lang, ohne das Juchzen einer Kollegin hätte ich ihn verpasst.

Ich griff den Tipp von Kommentatorin Christine auf und recherchierte auf der Website der SBB nach Tickets für die Schweiz-Fahrt in zehn Tagen: Bingo, ich danke für den Hinweis. Jetzt ist es zwar die Verbindung mit den sportlichen acht Minuten Umstieg in Karlsruhe geworden (sportlich für die Deutsche Bahn, nicht für uns), doch wenn wir hier den Anschlusszug verpassen, fährt der nächste nur eine Stunde später.

Mittagsausflug zu einem Cappuccino, jetzt war es richtig winterlich kalt.

So wenig es auch mit meinem Selbstbild zusammenpasste: In mir braute sich eine Kränklichkeit zusammen, die mit spürbarer Luftröhre am Morgen startete und zu langsam steigender Schwächlichkeit über den Tag führte. Mal sehen, wohin sich das entwickelt.

Nach Feierabend erste Einkäufe fürs wochenendliche Backen: Ich werde alle vier Thüringer Stollen abfeiern, dieses Wochenende ist die einzige rechtzeitige Gelegenheit.

Daheim eine Runde Yoga-Gymnastik, die meinem Kreuz besonders gut tat.

Mit Herrn Kaltmamsell die Balkonpflanzen reingeholt, jetzt ist es tatsächlich zu kalt draußen für sie.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell den Rest der Lauch-Käse-Suppe vom Vorabend, außerdem hatte er die Ernteanteil-Karotten zu Ofenfritten verarbeitet, sehr gut. Nachtisch reichlich Weihnachtssüßigkeiten.

§

Der Guardian zeigt:
“40 outrageous photos that changed fashion, from teenage Kate Moss to Twiggy in a mini and Lady Gaga’s meat dress”.

A great fashion photograph is not just about a great outfit. It captures a moment in history. It is more than a portrait of a person; it is a portrait of all of us at that moment.

Journal Dienstag, 21. November 2023 – Rückkehr zu Routine

Mittwoch, 22. November 2023

Erste Nacht unterm winterlichen Federbett, das sperrangelweit offene Fenster war kein Problem.

Rückkehr zur Morgenroutine inklusive Bank- und Seitstütz. Meine Zeitung musste ich wieder suchen: In den vergangenen Wochen liegt sie mal vor der Wohnungstür oder vor den Briefkästen, mal irgendwo im Flur auf dem Wohn-Stockwerk oder im Briefkasten, gestern war sie vor die Haustür geworfen worden, die Einzelteile großflächig verstreut. Aber hey! Sie war da.

Unter dunkeldüsterem Himmel und in kühler Luft in die Arbeit, Taschenregenschirm im Anschlag. Ich brauchte ihn vorerst nicht.

Vielfältige Emisgkeit im Büro, aber Zeit für einen Mittagscappuccino bei Nachbars. Gute Nachrichten: Seit etwa einer Woche ist es im Büro zimmerwarm, ich benötige keine zusätzlichen Jacken.

Mittagessen war zum einen eine Scheibe Brot (ihr müsst mir wirklich mal genauer erklären, was an dem Brot von Julius Brantner so Heißer-Scheiß-gut sein soll: Auch der Hauslaib ist deutlich zu sauer, die sehr dunkle Krume deutet auf Färbe-Nachhilfe hin, die ganzen Getreidekörner darin beißen sich steinhart und hätten vor dem Backen ein paar Stunden Einweichen in Wasser vertragen), zum anderen Granatapfel und Mango mit Joghurt.

Weiter geschäftiger Nachmittag, an dessen Ende es immer wieder heftig regnete. Als ich mich auf den Heimweg machte, erwischte ich eine Regenpause. Einkäufe beim Lidl, vor allem Weihnachtssüßigkeiten, auf dem letzten Stück vor Zuhause brauchte ich dann doch noch meinen Schirm.

Auf die nächste Folge Yoga-Gymnastik freute ich mich: Ich hatte sie im Schnelldurchlauf gecheckt und keine Laberphasen entdeckt. Sie war dann auch sportlich und fordernd.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl den Lauch aus Ernteanteil als Lauch-Käse-Suppe mit Hackfleisch, sehr sättigend. Zum Nachtisch reichlich Weihnachtssüßigkeiten.

Ich versuchte vergeblich, Zugtickets in die Schweiz für eine Abend-Einladung in zwei Wochen zu besorgen, die Deutsche Bahn verweigerte den Online-Verkauf: “Es tut uns leid, wir können die von Ihnen gewählte Verbindung online nicht verkaufen.” (Auch alternative Zeiten nicht.) Das bedeutet einen Ausflug am Mittwoch nach Feierabend zum auf Jahre provisorischen Münchner Hauptbahnhof, ich bin gespannt, welchen Grund der erzwungene Offline-Verkauf hat.

§

Wichtige Hinweise von Nele Pollatschek gestern in der Süddeutschen (€):
“Freunde, das ist schmutzig”.

Antisemitismus ist keine Spezialität einiger Antisemiten. Er kann jedem passieren.

(…)

Eines der größten Probleme im Umgang mit Antisemitismus liegt darin, diese beiden Aussagen zu verwechseln. Sobald es um Antisemitismus geht – oder um Sexismus, Rassismus, die meisten Arten diskriminatorischen Verhaltens -, verlernen kompetente Diskursteilnehmer plötzlich den Unterschied zwischen “Du hast x getan” und “Du bist x”, zwischen einer Tat und einer Persönlichkeit.

(…)

Wahre Sätze sind wahr, unabhängig davon, wer sie spricht.

Falsche Sätze sind falsch, auch wenn sie von einem Genie gesagt werden.

Antisemitische Petitionen sind antisemitisch, egal wer sie unterschreibt.

§

“Auch Delfine haben schwulen Sex”.

Es ist längst bekannt, dass auch Tiere gleichgeschlechtlichen Sex haben. Eine neue Studie zeigt jetzt, wie weit verbreitet er in der Tierwelt ist.

Wofür auch weiterhin jeglicher Nachweis in der Tierwelt fehlt: Diskriminierung homosexueller Partnerschaften.

§

Musik!

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/zZQh4IL7unM?feature=shared

via @sauer_lauwarm

Journal Montag, 20. November 2023 – Abschied vom Schweizer Besuch

Dienstag, 21. November 2023

Der Wecker klingelte wie gewohnt an einem Arbeitstag, doch ein wenig Morgen nutzte ich noch für letzte Gespräche mit und Abschied von unserem Besuch. Es war viel Seufzens über den Umstand, dass auch wir (wie so viele meiner Freund*innen) zu weit voneinander entfernt für spontane Einladungen und Treffen wohnen.

Kurzes Räumen, damit der montägliche Herr Putzmann eine putzbare Wohnung vorfindet, dann marschierte ich in milder Luft in die Arbeit, nur eine knappe Stunde später als sonst (Herr Kaltmamsell hatte uns schon gegen halb acht Richtung Arbeit verlassen).

Im Büro sorgten der freie Freitag und der spätere Arbeitsstart erstmal für Tempo und ein wenig Unübersichtlichkeit.

Schneller Mittagscappuccino bei Nachbars (dort war bereits Weihnachtsdeko aktiv), später gab es zum Mittagessen eingeweichtes Muesli mit Sojajoghurt. Bei der Lektüre der Süddeutschen merkte ich mal wieder mein Alter: Die Netzkolumne erklärte “Lurking” als neuen Begriff (für nur Mitlesen/-gucken auf Online-Plattformen, ohne sich durch eigene Beiträge zu beteiligen und sichtbar zu machen), ich dachte sofort an die Internet-Foren, aus denen ich den Begriff kenne, und da wurde mir bewusst, dass die halt über 20 Jahre her sind.

Mühsame Rückkehr in die Realität: Ich hatte drei Tage lang nahezu null Nachrichten mitbekommen. Auch nichts aus den Blogs meiner kleinen Internetfreund*innen.

Der Gedanke an Yoga fühlte sich an wie ein Gedanke an ein anderes Leben.

Nach Feierabend spazierte ich in herrlicher milder Luft unter buntem Himmel nach Hause, unterwegs Einkäufe im Vollcorner. Daheim warteten zahlreiche Häuslichkeiten auf mich, unter anderem tauschte ich jetzt mein Sommer- gegen das Winterbettzeug. Es dauerte, bis ich zu meiner Yoga-Gymnastik kam – und bald griff ich zum übertragenden Handy, um das besinnliche Eingangsgelaber abzukürzen. Dann bekam ich tatsächlich angenehme Bewegung.

Wir haben wieder Granatäpfel im Haus, das ist schön. Das Crowdfarming-Paket war diesmal nicht anweisungsgemäß vor der Haustür abgestellt worden (klappt aber in ca. 90 Prozent der Fälle) – Herr Kaltmamsell musste es aus einer Paketstation anschleppen (nicht ich, weil nach meinem Feierabend bereits geschlossen). Beim Öffnen zeigte sich, dass nicht sorgsam mit dem Paket umgegangen worden war, eine Frucht war geplatzt. Die schlachtete ich gleich mal für mein dienstägliches Mittagesssen.

Das Nachtmahl bestand aus köstlichen Resten vom Wochenende (Kopytka, Tomatensauce, Kartoffelrösti), außerdem aus dem Ernteanteil-Cardy (wilde Artischocke). Nachtisch restliche Mango-Kokos-Speise, restlicher Birnen-Crumble.

§

Muss man leider immer wieder wiederholen: Die Vorstellung, dass in “der Steinzeit” (also ganz, ganz früher) Männer jagten und Frauen daheim blieben oder Beeren sammelten, ist reine Projektion heutiger Verhältnisse und lässt sich durch Forschung nicht belegen. Umso alberner, wenn ständig Geschlechterstereotypen und Zuweisungen mit Evolution am Beispiel Steinzeit gerechtfertigt werden. Hier also eine aktuelle Neuauflage der Widerlegung:
“The Theory That Men Evolved to Hunt and Women Evolved to Gather Is Wrong”.

Even if you’re not an anthropologist, you’ve probably encountered one of this field’s most influential notions, known as Man the Hunter. The theory proposes that hunting was a major driver of human evolution and that men carried this activity out to the exclusion of women. It holds that human ancestors had a division of labor, rooted in biological differences between males and females, in which males evolved to hunt and provide, and females tended to children and domestic duties. It assumes that males are physically superior to females and that pregnancy and child-rearing reduce or eliminate a female’s ability to hunt.

(…)

Anthropologists also look at damage on our ancestors’ skeletons for clues to their behavior. Neandertals are the best-studied extinct members of the human family because we have a rich fossil record of their remains. Neandertal females and males do not differ in their trauma patterns, nor do they exhibit sex differences in pathology from repetitive actions. Their skeletons show the same patterns of wear and tear. This finding suggests that they were doing the same things, from ambush-hunting large game animals to processing hides for leather. Yes, Neandertal women were spearing woolly rhinoceroses, and Neandertal men were making clothing.

§

Wunderschöner Tango!

via Joël

Journal Sonntag, 19. November 2023 – Schweizer Besuch mit Botanischem Garten und Schlosspark Nymphenburg, Einkaufsmissverständnisse

Montag, 20. November 2023

Eine gute Nacht, doch ich stand zu Regen auf.

Gemütliche Morgenstunden mit dem Besuch. Bis wir fertiggegammelt hatten, war der Regen versiegt, der Tag wurde heller. Das freute uns auch, weil der Plan für den Tag ein Besuch des Botanischen Gartens war – wieder etwas, was ich noch nie gemacht hatte, wozu ich einen Pflanzen- und Tier-interessierten Besuch brauchte.

Am späten Vormittag nahmen wir eine Tram hinaus nach Nymphenburg. Jetzt im Winter waren vor allem die Gewächshäuser des Botanischen Gartens interessant.

Besuch und Herr Kaltmamsell vor Bitterorangenbaum.

Die Tür eines Tropenhauses kündigte frei laufende Schildkröten an und bat um sorgfältiges Schließen dieser Tür. Die Tiere sahen allerdings nicht nach Fluchtgedanken aus.

Eine von mehreren Orchideen – überhaupt sahen wir für die Jahreszeit erstaunlich viele Blüten.

Vor allem aber lernte ich eine Menge, unter anderem wie Ingwer über der Erde aussieht.

Oder dass so Erdnüsse wachsen. Die Pflanze der Ananas kannte ich schon, doch jetzt sah ich eine live.

Hier die Pflanze der Vanilleschote.

Kakaoschoten am Baum.

Das Wetter war schön geworden, blauer Himmel sorgte für Hintergrund.

Zwei Sorten Wasser im Angebot: Dass das Wasser der Würm die Wasserwege im Schlosspark Nymphenburg speist, wusste ich sogar. Und es kommt bis in den Botanischen Garten.

Viele, viele Kamelien im Viktorianischen Gewächshaus.

Ein Gewächshaus mit abgefahrenen Geweihfarnen.

Die Außenanlagen in Winterruhe – und doch bekam ich einen Eindruck, wie prächtig und überraschend weitläufig das Gelände ist. Und fasste den festen Vorsatz für Besuche im späten Frühling und im Sommer.

Auch hier nochmal ein kleines Gewächshaus mit Fleischfresserpflanzen.

Uns war nach Einkehren, das führte zu einer weiteren Entdeckung: Das Café des Botanischen Gartens. Allein schon ein schöner Innenraum, doch im Sommer muss es phantastisch sein, auf der Terrasse mit Blick auf den Garten zu sitzen.

Nach Cappuccino, Espresso, Kakao, Schorle, Wasser, Weißbier spazierten über die Farnschlucht (toll!) in den Park des Nymphenburger Schlosses, in dem wie erwartet viel sonntägliches Spaziervolk unterwegs war.

Der Deko-Graureiher im Schlosspark machte seinen Job und wurde bei der Futtersuche viel fotografiert.

Highlight unseres Spaziergangs: Als wir gerade auf einem Steg über den Kanal vorm Schloss standen und das Gebäude im malerischen Abendgold bewunderten, startete vor uns ein Schwan, hob ab und flog mit lautem Flügelrauschen über unsere Köpfe hinweg.

In der Tram nach Hause die Überraschung, als ich mit Herrn Kaltmamsell den Zeitplan für die Zubereitung des Abendessens für den Besuch absprach.
Er so: “Wie viele Scheiben Schweinenacken hast du denn gekauft?”
“Ich? Ich dachte, du kaufst das Fleisch!”
Oder: Wie wir das Nachtmahl sehr fix umplanen mussten, zumal der Besuch aus Gründen praktisch keinerlei Restaurantessen riskieren kann.

Daheim holten wir also zwei Dosen portugiesischer Jahrgangs-Sardinen aus der Vorratskammer, servierten sie mit Brot und Rieslingsekt. Die ursprünglich geplante Vorspeise klappte: Ofen-Sellerie auf Haselnussmusspiegel (dazu badischer Grauburgunder Ziereisen). Als Hauptgang war geplant gewesen: Schweinenacken nach Oma Art mit Kopytka (polnische Kartoffelnudeln), ließ sich ohne Schweinenacken nicht bewerkstelligen. Doch Herr Kaltmamsell machte trotzdem Kopytka, die gab es mit einer scharfen Tomatensauce und Rosenkohl aus dem Ofen. Den Nachtisch hatte ich gebastelt: Birnen-Crumble. Alles schmeckte und wir wurden satt, den nächsten komlexeren Lebensmitteleinkauf werden wir anders planen.

Journal Samstag, 19. November 2023 – Schweizer Besuch mit Altem Peter und Zuloaga

Sonntag, 19. November 2023

Abschnittsweises Aufstehen gestern Morgen: Erst setzten sich Herr Kaltmamsell und ich zu unseren Morgenmilchkaffees, dann kam der Schweizer Besuch aus dem Schlafzimmer.

Gemütliche erste Stunden, niemand von uns Vieren frühstückt so richtig, die mit überhaupt Appetit knabberten ein wenig trocken Brot.

Zu meiner erfreuten Überraschung hellte sich das Regenwetter auf: Der Himmel wurde immer bunter, zeigte nach und nach Flecken von Blau, angekündigt war sogar Sonne. Der eine wirkliche Programmpunkt des Tages war ein Besuch der Zuloaga-Ausstellung in der Kunsthalle; ich hatte uns für eine VHS-Führung um eins angemeldet.

Bis wir alle geduscht waren, Herr Kaltmamsell den Key Lime Pie als abendlichen Nachtisch gebacken hatte, war es kurz vor Zwölf-Uhr-Läuten. Weil Besuch von außerhalb ja die Pflicht hat, Einheimische zu Sehenswürdigkeiten zu bringen, hatte er den Wunsch nach Besteigung des Alten Peters geäußert – da oben waren weder Herr Kaltmamsell noch ich je gewesen.

Die Schlange am Kassenhäuschen ( FÜNF Euro?!) war übersichtlich und bewegte sich rasch.

Schon auf dem Weg nach oben begannen wir allerdings an der Koordiniertheit des Angebots zu zweifeln. An einigen Stellen mussten sich Auf- und Absteigende umständlich absprechen, um auf den sehr schmalen Treppen überhaupt aneinander vorbei zu kommen, mal mussten die einen ein paar Absätze hoch, die anderen ein paar Absätze hinab zurückgehen, um irgendeine Form von Nische fürs Passieren zu finden. Eine absteigende Besucherin empfahl uns ohnehin zu warten, oben sei kein Platz mehr.

Der Ein-Personen-schmale Aussichtsumgang selbst war tatsächlich knackvoll (keine Überraschung an einem trockenen Samstagmittag), darauf bewegte sich nichts (ein Schild gab zwar eine Richtung des Rundwegs vor, wurde aber ignoriert), alle paar Minuten schaffte jemand einen Schritt. Dafür wurde gern mit Blick aufs Handy telefoniert. Ich sah keine Chance, rechtzeitig vor unserem Termin in der Ausstellung den Turm zu umrunden und gab nach der Hälfte (es gab zwei Türen nach draußen) auf.

Mit etwas weniger Mühe schafften wir es wieder runter, verabredeten uns für einen weiteren Versuch an einem noch unbestimmten Wochentag.

In der Kunsthalle sammelten wir uns am angegeben Punkt für Gruppenführungen und ließen uns eine gute Stunde lang von einer Kunsthistorikerin Konzept und Inhalte der Ausstellung erklären, Bilder, Entwicklungen und warum der einst auch in Deutschland berühmte und anerkannte Maler Zuloaga heute hierzulande nahezu unbekannt ist. Ich gebe hier nichts davon wieder, denn im Dezember werde ich die Ausstellung nochmal mit meiner Familie als Adventspaziergang besuchen, und die liest hier mit. Für eine sachliche Beurteilung der Ausstellung fehlt mir ohnehin die emotionale Distanz.

Für Einkehr zum Kaffeetrinken ging ich einem Tipp nach, den ich schon oft bekommen hatte: Vom Kaufhausrestaurant des Kaufhofs am Marienplatz habe man eine wunderbare Aussicht über den Platz und darüber hinaus. Doch die konnten wir nicht finden, die Fensterplätze, die wir sahen, lagen an schrägen Dachfenstern und ging auf Straßen hinaus. Wir tranken trotzdem hier Cappuccino/Schorle/Bier, ratschten.

Weiterspazieren um die Residenz. Als ich einen anderen Tipp weitergab, nämlich Einkehren in der uncoolen Pfälzer Weinstube, schlug der Besuch vor, das doch jetzt gleich zu tun. Und so verbrachten wir Zeit über Weinen und Gesprächen in diesen wirklich schönen Räumen und hobensenkten den Altersschnitt deutlich.

Gemütlicher Spaziergang mit Sight-Seeing- und Shopping-Umwegen.

Zurück daheim stürzten wir uns in die abendliche Kulinarik: Als Aperitif gab’s Whiskey Sour mit Saft von Meyer Lemons und Nüsschen, der fabelhafte Herr Kaltmamsell, der sich dafür bereits früher aus der Weinstube verabschiedet hatte, sorgte für den Rest.

Zu Kürbis-Champignon-Apfel-Salat als Vorspeise öffnete ich einen südenglischen Wein vom Albourne Estate, den wir aus Brighton mitgebracht hatten: Spritzig und pfurztrocken, im Mittelteil fand ich ihn allerdings ein wenig leer.

Hauptspeise ohne Abbildung: Herr Kaltmamsell hatte einen hervorragenden Steak&Kidney Pie nach Delia Smith zubereitet, dazu gab’s einen Württemberger Lemberger/Merlot.

Der Key Lime Pie zum Nachtisch sah leider nur im Ganzen so präsentabel aus: Die Füllung hatte unter dem Tausch von süßer Kondensmilch gegen süße Kokoskondensmilch gelitten und war nicht fest geworden. Schmeckte aber sehr gut.

Journal Freitag, 17. November 2023 – Schweizer Besuch mit Turner und Verdi

Samstag, 18. November 2023

Gestern hatte ich mir frei genommen, denn es kam Besuch aus der Schweiz. Nach dem Bloggen war ich mit Räumen und Vorbereiten beschäftigt (Herr Kaltmamsell hatte sich als Lehrer natürlich nicht freinehmen können und war in die Arbeit gegangen), sobald die Läden öffneten, brach ich zu Einkäufen auf – im strömenden Regen und in Eile nahm ich für eine Station die U-Bahn: Feines beim Dallmayr, Fisch und Salat in der Galeria Kaufhof am Marienplatz, Brot beim Brantner (Hausbrot) und beim Zöttl (Wurzelbrot).

Daheim schnelles Auspacken, dann war es schon Zeit zum Abholen: Mit entspannten 20 Minuten Verspätung traf der Besuch am Münchner Hauptbahnhof ein. Welcher Hauptbahnhof?

Zum Glück hatte sich der Regen zu einem leichten Nieseln beruhigt, auf dem Weg zu uns blieben wir nahezu trocken. Der letzte Besuch des Besuchs lag einige Jahre zurück, ich zeigte unterwegs die spannendesten Baustellen des an Baustellen reichen südlichen Bahnhofsviertels.

Erstes Zusammensitzen und aufgeregter Austausch über Kaffee und Tee in unserem Wohnzimmer, wir bekamen Schweizer Weine (ich) und ein Kochbuch (der Herr des Hauses). Am frühen Nachmittag kam Herr Kaltmamsell aus der Arbeit, mehr Zusammensitzens.

Als Pläne für den Nachmittag ergaben sich: Besuch der Turner-Ausstellung im Kunstbau mit Herrn Gast (aus grundsätzlichem Interesse und als Vorbereitung auf den bereits gebuchten anderen Ausstellungsbesuch am Samstag) und auf dem Rückweg umfassender Einkauf im Süpermarket Verdi. Frau Gast ruhte sich währenddessen aus, Herr Kaltmamsell erledigte letzte Einkäufe und bereitete das Nachtmahl vor.

Es war mein erster Besuch im Kunstbau des Lenbachhauses: Dafür bekommt man nämlich Besuch, damit man die interessanten Angebote der eigenen Heimatstadt wahrnimmt.

Die Ausstellung “Three Horizons” war überraschend strukturiert: Die präsentierten Gemälde hingen sortiert in die zu Lebzeiten ausgestellten an der einen langen Wand und die zu Lebzeiten nie ausgestellten auf der gegenüber liegenden. Das allein verschaffte einen Einblick in die unterschiedliche Rezeption des Malers und seine Einordnung zur Entstehungszeit und danach bis heute.

Die Erklärungen des Audioführers verschreckten mich zunächst mit ihrer Fülle an extrinsischen Informationen (geschichtlicher, biografischer, wirtschaftlicher Hintergrund der einzelnen Werke – das lese ich gern in einem Buch, doch in der Ausstellung selbst ist er für mich nebensächlich) doch unterm Strich bekam ich davon schon auch die Hinweise, die mich an solchen Medien interessieren, nämlich zu kunstwissenschaftlichen Aspekten. Ich stellte schnell fest, dass ich sehr wenig Turner kannte, und das recht einseitig. Gefesselt war ich auch von den ausgestellten Lehrmaterialien aus seiner Zeit als Dozent. Unterm Strich: empfehlenswert.

Der Regen hatte sich mittelverlässlich verabschiedet, zum Süpermarket gingen wir vom Königsplatz aus zu Fuß. Dort verbrachten wir viel Zeit: Ich freute mich über die Gelegenheit, denn ich hatte mich schon lang nicht mehr in den Regalen und Auslagen umgesehen, war immer nur gezielt zum Gewünschten gegangen.

Zurück daheim beschlossen wir, dass der Abend begann, unabhängig von Uhrzeit. Getränk dieses Abends sollten nämlich die drei verschiedenen baskischen Weißweine Txakoli werden, die wir kürzlich in München gefunden hatten und probieren wollten.

Erst gab es dazu geröstete Nüsschen, nach der ersten sehr hellen und spritzigen Flasche (Flysch) und nach der zweiten dunkleren, der man den Chardonnay darin anschmeckte (Arabela) setzte allmählich das Nachtmahl ein.

Ethisch saubere Foie gras mit Rosé-Champager-Gelee und einem Feldsalat, den ich sogar selbst mit Zitronen-Walnussöl-Dressing angemacht hatte. Jetzt waren wir bei unserem Lieblings-Txakoli des Abends: Gorrondona, eine Cuvée aus verschiedenen autochthonen Trauben, vielfältig, frisch und rass.

Hauptgang war ein Seeteufel-Gulasch, das Herr Kaltmamsell zubereitet hatte.

Mango mit Kokos-Tapioka, das Herr Kaltmamsell nachmittags vorbereitet hatte, war der Nachtisch.

Es wurde nicht allzu spät.

§

Wieder eine Untersuchung über die Mechaniken der erfolgreichen politischen Verschiebung nach rechts in Deutschland, diesmal beleuchtet Julia Leser fürs Verfassungsblog die ganz alltäglichen und gezielten Handgriffe, die zu einer Veränderung geführt haben:
“Mikropolitik des Rechtsrucks”.