An jedem 5. des Monates fragt Frau Brüllen “WMDEDGT?” (“Was machst du eigentlich den ganzen Tag?”). Hier die Tagebuch-Beiträge dieses Monats. Auch die ein Beitrag zu “Ja, jetzt ist das langweilig. Aber in zwanzig Jahren!” – nur halt ohne Fokus auf Technik. Aufschreiben, alles aufschreiben.
Gut und lang geschlafen. Das Wetter draußen herbstlich gemischt, wunderbar für einen Isarlauf.
Vorher aber gemütlicher Milchkaffee beim Bloggen, Heizung hoch genug gedreht, dass ich überm Hausanzug nur eine Strickjacke brauchte, dicke Socken trug ich eh (YAY! für gut gefüllte deutsche Gasspeicher, und geheizt werden ohnehin nur Wohnzimmer und Arbeitszimmer von Herrn Kaltmamsell). Wasserfilter-Wechsel, also gab’s aus kalkärmst möglichem Münchner Wasser eine Kanne Tee Lapsang Souchong.
Katzenwäsche, Zähneputzen, Umziehen in Laufkleidung. Ich nahm nochmal die Strecke Mehr-NettO-vOm-BRutto (bei mir in der Arbeit hätte niemand damit ein Problem, daraus das Projekt MOOR zu machen) übern Alten Südfriedhof an die Isar nach Thalkirchen, zum Hinterbrühler See und alles wieder zurück, nur diesmal auf den umgekehrten Seiten wie am Sonntag zuvor. An Wetter bekam ich einmal fast alles: Wind, Regentropfen, mehr Wind, Wolken in verschiedenen Grautönen und Geschwindigkeiten, blauen Himmel und Sonne. Der Wind entblätterte Bäume, auf dem Boden blies er Blätterhaufen in Busby-Berkeley-Choreografien. Mit meiner Kleidungswahl lag ich richtig: Lange Laufhose, alter Lauf-Hoodie mit Daumenloch in den Ärmeln (Hände also halb bedeckt), leichte Mütze für warme Ohren.
Kurz vorm Flaucher-Biergarten gibt es eine große Wiese, auf der sonntagvormittags nicht mehr junge Männer Fußball spielen, ich bin schon oft an ihrem Spiel vorbeigejoggt. Gestern machten sich einige gerade an einer Bank fertig, einer fing mein Lächeln auf: “Wir hätten noch einen Platz frei!” Ich lachte und wünschte viel Spaß, fühlte mich aber ehrlich geschmeichelt und wünschte, ich hätte einfach lässig mitspielen können.
Mein Körper machte die gut anderthalb Stunden Lauf gut mit, ich kam schön ins Gedankenfließen, erst auf dem letzten Stück zwickten Hüfte und Wade.
Nach dem Duschen hatte ich Lust auf einen weiteren Milchkaffee – wer sollte mich daran hindern?
Zum Frühstück kurz vor zwei gab es einen Apfel, Granatapfelkerne mit Dickmilch und Wabenhonig, frisches Knack-und-Back-Gebäck mit Cabello-de-Angel-Füllung aus der Hand von Herrn Kaltmamsell.
Kurzer Geschäftigkeits-Abschnitt: Schimmelbekämpfung an der Klapp-Duschwand im Bad, Tausch von Sommer- gegen Winterschuhe aus dem Keller (und wieder freute mich, dass mein Kleiderbestand sowie Wandschrank-Kapazitäten sonstige Auslagerung in den Keller unnötig machen). Dann sonntägliches Rumschlumpfen mit Auflesen liegengebliebener SZ-Magazine, RSS-Feed-Schmökern in Blogs – inklusive Aussortieren von Blogs, die mich dann doch langweilen. Währenddessen wurde draußen der Wind immer heftiger, pfiff und stürmte ums Haus.
Für den abendlichen Nachtisch wickelte ich die letzte heimische Quitte aus unserem Obstkorb in doppelt Alufolie, steckte sie diesmal rechtzeitig bei 200 Grad für eine gute Stunde in den Backofen. Anschließend eine Runde Yoga-Gymnastik, während ich Herrn Kaltmamsell in der Küche klappern hörte: Er bereitete als Nachtmahl Kürbis(Ernteanteil)-Lasagne zu.
Schönheitspreise wird sie wohl nie gewinnen, die Kürbis-Lasagne, auch wenn sie diesmal ganz besonders gut schmeckte.
Während wir aßen, ließ ich das all-sonntägliche Backup auf externe Festplatte laufen (#keinBackupkeinMitleid – und ich meide abergläubisch die iCloud).
Zum Nachtisch gab es die Ofenquitte mit Joghurt und Wabenhonig.
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Ein langes Interview mit dem besonnenen Soziologen Aladin El-Mafaalani über Integration:
„’Die Infrastruktur bröckelt’“.
Aladin El-Mafaalani hat lange positiv auf die Integration in Deutschland geblickt. Nun sagt er: Wenn sich Bildungs- und Sozialpolitik nicht ändern, geht es bergab.
Unter anderem weist er auf den Schaden hin, den eine Bildungspolitik anrichtet, die Immigration ignoriert.
Ich habe schon vor mehr als zehn Jahren einen Text dazu geschrieben, dass wir sowohl die deutsche Geschichte als auch den Nahostkonflikt anders unterrichten müssten. Wie wir das tun, passt nicht in eine Migrationsgesellschaft. Der Unterricht richtet sich an Kinder und Jugendliche, deren Großeltern schon Deutsche waren. Aber in den westdeutschen Großstädten trifft das auf die meisten Schülerinnen und Schüler nicht mehr zu. Hinzu kommt ja noch, dass viele von denen familiäre Wurzeln im Nahen Osten haben. Für sie ist das alles kein historisches Thema, sondern sehr aktuell.
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Was muss an den Schulen anders werden?
Es ist schwer, das kurz zu fassen. Ich glaube, es funktioniert besser, wenn man nicht nur von der Shoah ausgeht, sondern beschreibt, dass Juden über Jahrhunderte verfolgt wurden. Dass sie keine Reiche und Kolonien gebildet oder Kriege geführt haben, aber trotzdem an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten ausgegrenzt, benachteiligt und verfolgt wurden und sie gleichzeitig für alle möglichen Probleme verantwortlich gemacht wurden. Dass die staatlich organisierte Massenvernichtung also der unvorstellbare Höhepunkt einer langen Geschichte war und die Antwort darauf der eigene Staat war, um nie wieder Opfer zu sein. Und man muss auch darüber sprechen, was die Gründung des Staates Israel für die Palästinenser, für die sich die Situation seit Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert und die heute in unwürdigen Verhältnissen leben, bedeutet.
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Sie wussten es noch nicht, aber das wollen Sie lesen.
“Taschkent in Usbekistan will mit Architektur-Mix Touristen anlocken”.
Mehr Fotos von dieser Reise nach Taschkent zeigt Maik auf instagram, zum Beispiel hier, hier und hier.