Archiv für Dezember 2023

Journal Mittwoch, 13. Dezember 2023 – Beifang aus dem Internetz

Donnerstag, 14. Dezember 2023

Das Dezemberdatum bereits deutlich zweistellig, den kriegen wir auch noch rum.

Beim Kreuzen der Theresienwiese in wieder milder Luft begegnete ich dem großen Krähenschwarm vom Dienstagmorgen; doch während er am Dienstag gerade eingeflogen kam, den dunklen Himmel weiter verdunkelte, saßen die Vögel jetzt aufgereiht auf den Spannseilen der Tollwood-Zelte.

Amselgeflöte um halb acht, auf den vorherigen Heimwegen hatte ich es auch gegen 18 Uhr gehört, die spinnen.

Mittags raus in die Düsternis, für eine Runde Bewegung in der Dezemberluft zu einem Cappuccino, beides tat gut.

Mittagessen am Schreibtisch: Pumpernickel mit Butter, Joghurt mit Quark und Maracuja.

Ein eher ruhiger Arbeitstag, viel Jahrezeitliches.

Nachmittags regnete es kräftig, doch zu Feierabend hatte es aufgehört. Ich ging über Drogeriemarkt-Besorgungen heim. Dort saß ein rotzender und hustender Herr Kaltmamsell und jammerte: “Kümmere dich um mich!” Es genügte ihm aber, von mir Ibu und Nasenspray angereicht zu bekommen, ich machte ehrlich mitfühlende Laute dazu.

Wie vereinbart gab es zum Abendessen Sushi (Ernteanteil war aufgebraucht), ich bestellte eine bunte Mischung (und Spinat-Sesam-Salat). Ich hatte mich gerade nach einer Yoga-Runde umgezogen, als der Sushi-Bote auch schon klingelte.

Schmeckte gut!

Früh ins Bett zum Lesen.

Post im Briefkasten: Die Stadt München hatte mich angeschrieben, Betreff “Vollzug des Bundesmeldegesetzes (BMG)”. “Nach einer Mitteilung des Wahlamtes”, so heißt es in dem Schreiben, solle ich nicht mehr da wohnen, wo ich wohne. Mit Bitte, den Sachverhalt aufzuklären.
Mache ich natürlich ohne weitere Umstände, aber what? Und warum Wahlamt?

§

Eine Analyse von Matthias Quent, Professor für Soziologie und Vorstands­vorsitzender des Instituts für demokratische Kultur an der Hochschule Magdeburg-Stendal, in republik.ch:
“Deutschland kippt nach rechts”.

Die Ohnmacht und eine gewisse Resignation vor dem Druck von rechts aussen ist in der demokratischen (Noch-)Mehrheit in Ost­deutschland überall zu spüren. Es scheint, als litten in der gegenwärtigen Vielfach­krise und unter rechts­extremem Dauer­beschuss grosse Teile der Zivil­gesellschaft unter einem kollektiven Burn-out.

(…)

Auch wenn der Verfassungs­schutz mit seiner jüngsten Entscheidung zu Sachsen nun schon den dritten Landes­verband der AfD als gesichert rechts­extremistisch eingestuft hat: Angst vor dem Inland­geheimdienst hat die AfD nicht mehr. Ihre Kooperationen mit Neonazis, staats­feindlichen Reichs­bürgerinnen und Über­schneidungen zum rechts­terroristischen Untergrund sind gut dokumentiert, empören aber immer weniger. Während­dessen versuchen die Rechten, ganz nach dem Vorbild Donald Trumps, die Polarisierung weiter voran­zutreiben. Die Botschaft lautet: Wir werden von denen angegriffen, weil wir für euch einstehen. Auf Telegram heisst es auf dem Kanal von Björn Höcke: «Vergesst nicht: Sie sind gegen Höcke, weil er für euch ist! 2024 wird unser Jahr.»

(…)

Weil die Gesellschaft sich immer weiter ausdifferenziert, während die Bindungs­kraft gemeinsamer Wert­vorstellungen abnimmt, ist eine politische Legitimations­krise entstanden. Und diese wird in den sozialen Netzwerken verstärkt. Viele Menschen reagieren, indem sie eigene, mitunter von Fakten und guten Argumenten losgelöste Welt­deutungen oder gar Verschwörungs­theorien entwickeln. So werden auch gesellschaftliche Institutionen infrage gestellt, was von rechts aussen planvoll befeuert wird. Aus den Trümmern der liberalen Demokratie soll eine neue autoritäre Ordnung entstehen, für die die anti­demokratischen Entwicklungen in Viktor Orbáns Ungarn die Blaupause bilden.

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Maximilian Buddenbohm sieht sich mal wieder um und konstatiert:
“Hinnehmendes Abwarten in bröckelnden Kulissen.”

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Wie man lustiges Multimedia-Erzählen auch machen kann und dabei nicht nach Journalistikschule aussieht, zeigt The Verge mit:
“The year Twitter died”.

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Was archäologische “Blockbergungen” sind, habe ich im Museum für Vorgeschichte in Halle gelernt, dessen Werkstatt dafür berühmt ist. Hier erklärt sie Museumsdirektor Harald Meller samt einigen Beispielen (das Massengrab von Lützen habe ich damals in der Ausstellung “Krieg” gesehen):

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https://youtu.be/oEQlgllwdAk?si=9eXx7kmzTW1Rn1OK

Journal Dienstag, 12. Dezember 2023 – Grete Weil, Der Weg zur Grenze

Mittwoch, 13. Dezember 2023

Grete Weils Roman Der Weg zur Grenze, geschrieben 1944/45 im niederländischen Versteck/Exil, erstveröffentlicht erst 2022, also 23 Jahre nach Weils Tod, hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht.
(Dass Weil – hier ein schönes Altersfoto – darin auch eigene Erlebnisse verarbeitet, halte ich für den literarischen Wert für irrelevant, er gehört ganz klar nicht zum Genre Autofiktion. Ich finde es deshalb auch schlecht, dass ein Foto der Autorin für den Titel verwendet wurde.)

Er erzählt die Geschichte von Monika Merton, einer Münchnerin, die sich als junges Mädchen nach dem Ersten Weltkrieg in ihren gleichaltrigen Cousin Klaus verliebt. Die Geschichte dieser Liebe ist auch die von Monikas politischem Bewusstwerden, die Geschichte der historischen Ereignisse bis ins Dritte Reich – die dazu führen, dass die Jüdin Monika mit Skiern über die Grenze nach Österreich fliehen muss.

Allein schon die Rahmengeschichte dieser Flucht nahm mich für den Roman ein: Monika, Anfang 30, begegnet im Zug in die Berge dem jungen Lyriker Andreas, die beiden sind flüchtig bekannt. Da er seine Skikameraden verloren hat und sie ihm ihre Pläne erzählt, schließt er sich ihr an – und ist körperlich komplett überfordert. Die gut trainierte, kräftige Monika muss ihn geradezu zu ihrer Skihütte tragen. Wie in vielen anderen Details des Romans lässt die Erzählstimme nicht erkennen, dass sie sich des Stereotypenbruchs bewusst wäre. Diesem naiven Andreas erzählt sie auf der Hütte die eigentliche Romangeschichte.

Doch der Romantitel ist auch Metapher: Er beschreibt den Weg zur Grenze des unmenschlichen nationalsozialistischen Terror-Regimes, auch das Überschreiten dieser Grenze. Schauplätze von Monikas Erwachsenwerden und ihrer Beziehung zu Klaus sind unter anderem München, das Voralpenland, Berlin – Weil schafft es immer wieder, mit wenigen Sätzen Atmosphäre und Zeit lebendig zu machen.

In immer neue Gegenden nahm mich der Roman mit, einmal für einige Seiten in ein Südfrankreich, das es – wie natürlich alles andere in dem Roman – längst nicht mehr gibt.
Wieder ein paar Pinselstriche Hintergrund: Sommer, das Paar in kurzen grauen Hosen, der gut ausgestattete Weinkeller des einfachen Landhotels, die Überraschung über den “täglichen Capucine, einen besonders hellen Kaffee, mit schaumig geschlagener Milch”.

Was mich überraschte: Es werden gesellschaftliche Themen besprochen, mit denen wir bis heute ringen, wir gerne als woke beschimpften. Zum Beispiel die Privilegiertheit der Hauptperson, derer sie sich zwar bewusst ist (eine so begüterte Studentin, dass sie in Berlin ohne nachzudenken Taxis herbeiwinkt), die dennoch in einer Szene detailiert analysiert wird von einem eng befreundeten Kommilitonen, der sich aus der väterlichen Schmiede in Abendkursen zum Abitur und Studium kämpfen musste.

Die Zeitgebundenheit zeigt sich dann wieder zum Beispiel in als Fakt genommenen Juden-Stereotypen: In der Welt des Romans sieht man Menschen ihr Judentum an Nase oder Teint an. Oder die Verwendung von “Rasse” als unhinterfragtes Konzept.

Gut nachvollziehbar fand ich – wie bei vielen ähnlichen Geschichten -, wie Juden in Deutschland die Flucht ein ums andere Mal aus subjektiv bestens nachvollziehbaren Gründen verschoben. Weil das alles doch einfach lächerlich war und nicht sein konnte. Bis die Flucht nicht mehr möglich war, weil das halt doch sein konnte. Überraschend fand ich hier, dass die Erzählstimme sich deshalb Vorwürfe macht: In der Rahmenhandlung betont Monika, sie (und viele andere Juden sowie andere politisch Engagierte) habe selbst Schuld an ihrer heiklen Situation, sie habe so viele Möglichkeiten zur Flucht gehabt, zum Auswandern, habe aber die Katastrophe einfach nicht wahrhaben wollen, sei blind gewesen.

Ebenfalls treffend beschrieben: Wie der Mensch sich auch im Wissen um entsetzliches Leid bei lieben Menschen und um Bedrohung an Schönem und an Kleinigkeiten freuen kann.

Indirekt wird auch erzählt, wie weit die Assimilierung der meisten deutschen Juden damals war: In der Handlung kommt kein Judentum außer der Nennung vor. Die Familie Merton feiert keine jüdischen Feiertage, keinen Sabbath, kein Rosh Hashana, dafür Weihnachten, und der Münchner Fasching spielt eine große Rolle in ihrem Leben.

Was ich glaubte, dem Roman anzusehen: dass er vor dem Ende des Dritten Reichs geschrieben wurde. Grete Weil wusste beim Verfassen nichts vom Ausmaß der Grauen des Holocausts.

Die editorische Notiz und das ausführliche Nachwort von Manuskript-Entdeckerin (eigentlich Typoskript) und Herausgeberin Ingvild Richardsen betonen, dass die teilweise sehr eigenwillige Sprache des Original-Manuskripts erhalten werden sollte. Das begrüße ich, doch wie bereits erwähnt wünsche ich mir eine Zeitreise zur lebenden Grete Weil, um mit ihr den Roman nochmal lektorierend durchzugehen. So manche der schwülstig gefühligen Passagen hätte ich abgemildert, sie passen nicht in die Reflektiertheit, die aus dem Rest spricht. Und einige bis zur Hölzernheit antiquierte Sprache (vor allem im Vergleich zu Zeitgenoss*innen wie Vicki Baum oder Thomas Mann) hätte ich versucht ihr auszureden: “Als ihm Zustimmung geworden war” passt nicht zum Rest.

Ich würde das Buch sehr gerne mit einer Leserunde gelesen haben, es war ein Erlebnis und ich habe das seltene Bedürfnis, darüber zu reden.

Hier ein Interview mit Herausgeberin Richardsen über die Veröffentlichungsgeschichte, meiner Ansicht nach interessanter als ihr Nachwort (Vorsicht Spoiler).
“Einzigartig und hellsichtig”.

(Einmerker: Beim nächsten Wandern auf dem Tegernseer Höhenweg das Grab von Grete Weil in Rottach-Egern besuchen, vielleicht auch ihr Elternhaus finden.)

§

Eine Nacht mit richtig gutem Schlaf, das Weckerklingeln störte ihn. Draußen gemischter Himmel Richtung düster, die Luft weiter deutlich über Null mild.

In der Arbeit weihnachtsnahe Stimmung, gespiegelt im allgemeinen Motivationsniveau.

Mittags verließ ich das Haus für einen Mittagscappuccino, wieder in erster Linie um der Bewegung willen.

Kurz nach meiner Rückkehr ins Büro begann es zu regnen, jetzt hatte der Tag endgültig Dezemberbeleuchtung.

Mittagessen Pumpernickel mit Butter, Mango mit Joghurt.

Sowas wie Tageslicht gab es eh nur bis ca. drei Uhr.

Nicht zu später Feierabendend, mit dem Büroschubladenschirm raus in den Regen. Einkäufe fürs Abendessen.

Zu Hause Yoga-Gymnastik, wieder mit Überspringen der ersten Minuten Besinnlichkeit. Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell den Chinakohl aus Ernteanteil als unser Standard-Nudelgericht mit Räucherlachs, sehr gut. Nachtisch Schokolade.

Abendunterhaltung: Die Graham Norton Show vom 1. Dezember mit Cher UND Julia Roberts UND Tom Hanks UND Timothée Chalamet (Letzterer definitiv keine Talkshow-Naturbegabung, die anderen hinreißend).

Sowohl Herr Kaltmamsell als auch ich bemerken dieses Jahre eine Heilig-Abend-Paralyse: Weder bei ihm noch bei mir regen sich Wünsche oder Ideen. Ich habe bereits angeboten, dass wir ihn dieses Jahr auch einfach ausfallen lassen können, nächstes Jahr gibt’s schließlich schon wieder einen. Doch das möchte Herr Kaltmamsell dann doch nicht. Mittlerweile habe ich sogar eine Idee.

Neue Lektüre im Bett: Robert Seethaler, Ein ganzes Leben.

Journal Montag, 11. Dezember 2023 – Was soll an einem Montag schon sein?

Dienstag, 12. Dezember 2023

Beim nächtlichen Klogang durch einen deutlich spürbaren Spinnweb-Faden gegangen.
Mindestens eine der paar sonst regungslos an Wand oder Decke sitzenden Spinnen in der Wohnung wird anscheinend nachts aktiv. Nein, die anderen sind auch nicht tot: Als ich sie kürzlich in einem hausfraulichen Anfall mit Handbesen wegwischte, bewegten sie sich mit deutlicher Empörung, und zwar auf genau den Punkt zurück, von dem ich sie weggewischt hatte (war vermutlich noch warmgesessen).

Düsterer Himmel, milde Luft, auf dem Weg in die Arbeit sah ich ergraute Scheehaufen nur an den Rändern und musste über keine mehr klettern.

Gut geheiztes Büro, montägliche Emsigkeit. Dazu gehörte auch der Start meiner Queste, an eine Bildschirmbrille zu gelangen. Ich dachte ja, ich hätte durch die Gleitsichtbrille langfristig mit Zweitbrillen abgeschlossen, doch irgendwann merkte ich, dass ich auf meinen (ergonomisch perfekt nach allen Regeln der Arbeitsmedizin eingestellten) Bildschirm mit in den Nacken gelegtem Kopf sah. Grund nach nochmaliger Überprüfung aller arbeitsmedizischen Parameter: Nur so sah ich scharf, nämlich durch den unteren Bereich meiner Gleitsichtbrille. Nicht gut, zumal ich ja eh mit Nackenverspannungen kämpfe.

Bei solch einer Bildschirmbrille, so wusste ich, zahlt der Arbeitgeber zu. Eher aus Spieltrieb stürzte ich mich in den dazu nötigen byzantinischen Prozess, gestern absolvierte ich einige Schritte davon. Mal sehen, ob ich ihn bis zum Ende durchspiele – oder er mir irgendwann zu albern wird und ich lieber alles selbst zahle.

Wieder keine Lust auf Cappuccino (vielleicht ändert sich gerade etwas Grundlegendes), Mittagessen Pumpernickel mit Butter, Mango mit Sojajoghurt. Draußen Regen.

Der Regen legte sich aber bis Feierabend, ich ging ohne Schirm und in milder Luft auf meine Besorgungsrunde: Weinkauf, unterm Stachus Bodyshop-Körperpflege, in einem Drogeriemarkt holte ich Fotoabzüge ab und kaufte Drogerie-Zeug.

Zu Hause gönnte ich mir nach dem Auspacken eine Yoga-Runde, mit Adrienes Home bin ich fast durch.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den kleinen Ernteanteil-Kürbis (Butternut) zu einem köstlichen und sehr sättigendem Polentagericht verarbeitet.

Nachtisch Weihnachtssüßigkeiten.

Früh ins Bett zum Auslesen von Grete Weil, Der Weg zur Grenze inklusive ausführlichem Nachwort. Besprechung folgt.

Journal Sonntag, 10. Dezember 2023 – Plätzchenbiografie

Montag, 11. Dezember 2023

Früh und erfrischt aufgewacht. Am Himmel eine ganz schmale Mondsichel unterm Morgenstern.

Nach dem Bloggen Fortsetzung der Geschäftigkeit: Spitzbuben ausstechen, dabei Freude über Körpererinnerung wie das Stippen/Drehen des Ausstecherles in Mehl, damit es nicht anklebt, und schneller Griff zur Teigkarte für die Beförderung der ausgestochenen Teiglinge aufs Backblech, Teigreste kurz ausschütteln, damit nicht zu viel zusätzliches Mehl mitkommt, rasches Verkneten und Kühlstellen für die nächste Runde.

Plätzchenbacken habe ich tatsächlich von meiner Mutter gelernt. Während ich ansonsten nicht von ihren vielen Kochfertigkeiten profitierte (bockige Tochter trifft auf ungeduldige, reizbare Mutter), war bei der Weihnachtsbäckerei alles anders: Das zelebrierte meine Mutter (während sonstige Haushaltstätigkeiten Arbeit und Pflicht waren, es regierten Effizienz und Perfektion) mit Fröhlichkeit und Geduld. Sie erklärte uns Kindern viele Einzelschritte, gab Tipps, ließ uns machen. Wir waren zum Butterplätzchenausstechen abgestellt, während sie die empfindlicheren Sorten wie Vanillekipferl und Zimtsterne zubereitete, das Spritzgebäck (mit Fleischwolf) machte sie ganz allein (leider weiß sie nicht mehr, nach welchem Rezept, es bestand aus reinem Butterteig ohne Nüsse oder Mandeln, bekam kuvertierte Enden und schmeckte hinreißend).

So begann meine eigene Back-Karriere im Teenageralter auch mit Plätzchen, und zwar mit dem Plätzchen-Backbuch von Olli Leeb (hatte meine Mutter es geschenkt bekommen oder bei Erscheinen 1983 auf einen Tipp hin gekauft?), das ich gründlich durcharbeitete.

Zu Meisterschaft brachte ich es im Plätzchenbacken allerdings nie, meine Produkte sahen immer rustikal aus (schmeckten aber): Dafür war der Bastelanteil am Plätzchenbacken zu hoch, und Basteln kann ich wirklich, wirklich nicht.

Gestern nutzte ich die Backofenhitze noch für die Haselnuss-Orangen-Plätzchen – ich kämpfte beim Formen der Kugeln mit einem sehr bröseligen Teig, der beim Backen auch noch auseinander lief.

Vielleicht funktioniert das Rezept nur mit den empfohlenen Ersatz-Zutaten wie Reismehl und Erythrit (ich war überrascht, dass die Autorin die Gelegenheit ungenutzt ließ, auch die Haselnüsse durch irgendwas Synthetisches zu ersetzen).

Jetzt war die Waschmaschine mit Bettwäsche durch, ich verteilte sie über die Wohnung. Eine große Tasse Tee, noch ein Glas Wasser. Von Ferne hörte ich immer wieder das Tuten der Weihnachtsdampflok.

Große Lust auf eine Laufrunde an der Isar: Wo würde ich wohl die belaufbarsten Wege finden? Ich entschied mich für die südliche Strecke ab Thalkirchen und nahm eine U-Bahn dorthin.

Es war dann ein rechtes Gesuppe und Geschlidder auf festgetretenem Schnee und in Matsch. Aber wenn der Laufschuh mal ordentlich geflutet wurde, sind weitere Tiefpfütz-Tritte egal, zumal es mild war. In ein paar wenigen Abschnitten kam ich sogar ins ruhige Traben.

Hier ist noch kein Hochwasser hergeschmolzen.

So viel Schneebruch!

Doch insgesamt war der Laufspaß gering, ich beließ es bei ca. 80 Minuten und bestelle hiermit für meinen Heilig-Abend-Lauf (die voraussichtlich nächste Gelegenheit) entweder freie Wege oder frisch gefallenen Schnee.

Zurück daheim blieb ich erstmal in der verschwitzten Sportkleidung und holte endlich den Balkonteppich rein, inklusive grober Balkon- und etwas gründlicherer Teppichreinigung.

Nach dem Duschen stellte ich die Tahini-Plätzchen fertig (ohne Salz, weil für den Plätzchenteller).

Frühstück kurz vor zwei: Ein Schüsselchen Sesamreste, außerdem Semmeln, die ich in Thalkirchen eingekauft hatte – und ein Test-Tahini-Plätzchen, das gut und nach Tahini schmeckte.

Internetlesen, dann die Wochenend-Süddeutsche noch bei Tageslicht. Als das verschwunden war, stellte ich die Spitzbuben fertig (mit Johannisbeer-Gelee, weil vorrätig).

Bettüberziehen, Romanlesen (Grete Weil, Der Weg zur Grenze: Wie verhängnisvoll es schon in den 1930ern war, dass so viele die Nazis zunächst in erster Linie als lächerliche, groteske Figuren wahrnahmen), Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell ein Lamm-Curry mit Gewürzmischung eines Familienfreunds in den USA, die Spielanleitung sah Obst, Erdnüsse und gehackte Tomaten als Beilagen vor (seine Geschichte).

Insgesamt ein deutlich ruhigerer Wochenendtag als der Samstag, noch insgesamter ein schönes Wochenende.

Vielen Dank für Ihre zahlreichen Tipps zum Aufbrauchen von viel Sesam! Wir haben jetzt eine Liste, die wir abarbeiten.

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Im National Geographic ein Artikel über die Hintergründe und Geschichte deutscher Weihnachtsmärkte – nicht nur glitzernd:
“Weihnachtsmärkte in Deutschland: Helle Lichter, dunkle Geschichte”.

Journal Samstag, 9. Dezember 2023 – Randvoller Geschäftigkeitssamstag

Sonntag, 10. Dezember 2023

Na gut, ich hatte mir für gestern ein wenig zu viel vorgenommen. Aber ein Wochenende ist rar und besteht nunmal nur aus zwei Tagen.

Schwimmen, Wäschewaschen, Plätzchenbacken, Milchreiskochen, Friseurtermin fühlten sich in der Planung auch gar nicht nach viel an.

Lang geschlafen, eigentlich auch gut, aber doof geträumt.
Möglicherweise lag der Haken der Tagesplanung ja im Ausschlafen, denn wer erst um halb acht aus dem Bett kommt, startet ihre Schwimmrunde nach gemütlichem Bloggen und Mastodonlesen an Milchkaffee, Wasser, Tee, nach Waschmaschinefüllen und nach Anfahrt mit U-Bahn (keine Lust zu heldinnenhaftem Radeln auf Split, Schnee- und Eisresten) erst um 11:27 Uhr im großen Becken des Olympiabads.

Schwimmspaß auf mäßig genutzten Bahnen. Da ich von Anfang an meine Schultern spürte (Arbeitshypothese mega-verspannter Nacken), wäre ich bereit gewesen, nach den fünf Wochen Schwimmpause nicht auf den gesamten 3.000 Metern zu bestehen (who am I actually kidding?), doch sie gingen dann selbstverständlich schadlos, ohne Frieren und mit Vergnügen im sonnenbeschienenen (IENENEN, man muss Deutsch einfach lieben) Wasser.

Meine Haut reagierte auf den langen Wasser-Aufenthalt mit ungewöhnlichem Körper-Creme-Hunger (immer wieder interessant, wie unterschiedlich der nach Duschen oder Schwimmen ist, ich konnte noch kein Muster erkennen), ich muss am Montag Nachschub im Bodyshop besorgen.

Auf der Rückfahrt mit der U-Bahn stieg ich bereits am Marienplatz aus, mit Menschenmassen, durch weitere Menschenmassen spazierte ich nach Hause, besorgte unterwegs Semmeln.

Zu Hause war das Paket Avocados von meinem adoptierten Crowdfarming-Baum eingetroffen, ich ließ es bis zum Abend unsortiert liegen, weil andere Schwerpunkte. Zum Beispiel den Inhalt der eben durchgelaufenen Waschmaschine aufzuhängen.

Kurz vor drei frühstückte ich Semmeln, dann ging es an die nächsten Programmpunkte, chopchop weil Friseurtermin um fünf.

Der Arroz con leche war diesmal sehr Vanille-lastig: Ich hatte ein frisches Glas Vanillezucker angsetzt (ausgekratzte Vanilleschoten, deren Mark für ein Rezept verwendet wurde, in ein Glas mit Zucker schließen), das vorherige enthielt noch zahlreiche ausgelaugte, die ich in die Milch warf.

Während der Milchreis köchelte, knetete ich Teig für vegane Spitzbuben und stellte ihn kalt, und ich buk Schneeflocken nach Frau Mutti. Nachdem kürzlich ihr Rezept auf instagram vorübergehend verschwunden war, nutzte ich das Wiederauftauchen zum Abschreiben.

Ein wenig Haushaltswurschteln, dann ab zum Friseurtermin – dem einzigen, den ich beim Anruf vergangene Woche außerhalb meiner Arbeitszeiten vor Weihnachten bekommen konnte. Angenehmes Stündchen mit fast reinem Geschnippel, sonst Schweigen, unterbrochen nur von Friseurfragen wie “Soll ich die Seiten länger lassen?”.

Das Draußen war gestern weiterhin mild, ich kann mir Hoffnungen machen, dass die Schneereste in wenigen Tagen verschwunden sind.

Zurück daheim knetete ich noch die Teige für die beiden weiteren geplanten veganen Plätzchen: Haselnusskugeln und Sesamplätzchen. Von den im zweiten Rezept angegebenen je 100 Gramm weißem und schwarzen Sesam blieb fast alles übrig – haben sie damit schon mal gebacken (oder gekocht) und können mir Rezepttipps zum Aufbrauchen geben?

Jetzt sortierte ich die Avocados: Ein paar zum schnellen Nachreifen in den Obstkorb, den Rest lagerte ich im Kühlschrank.

Das Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell: Er hatte gerade einen bake (nicht ganz deckungsgleich mit unserem Auflauf) aus Kartoffel und Karotten (Ernteanteil) mit Kräutersaitlingen, Fenchelsamen und Petersilie in den Ofen geschoben, später mit Fontina überbacken, ich öffnete eine Flasche Prosecco dazu, auf die ich sehr Lust hatte.

Wunderbares Winteressen, zum Nachtisch gab es erst Obstsalat mit scharfem Gewürz aus den USA (Herrn Kaltmamsells Geschichte), dann Arroz con leche.

Dass der Tag sich so voll angefühlt hatte, mag auch daran liegen, dass für mich Abendessen der Abschluss des Tages ist, danach erledige ich nichts Größeres mehr.

Journal Freitag, 8. Dezember 2023 – Die unschönen Ansichten des Dezembers

Samstag, 9. Dezember 2023

Guter Schlaf bis zum Klogang gegen drei, dann Unruhe wegen einer Schräglage in der Arbeit, die ich nicht verursacht habe, für deren Behebung mir aber auch nichts Befriedigendes einfiel. Beim Weckerklingeln weiterhin Kopfweh, ließ sich aber durch Ibu schnell vertreiben.

Weg in die Arbeit auf festem Eis, Temperatur mit wenig unter Gefrierpunkt gut erträglich. Wie schon in den vorhergehenden Tagen sah ich deutlich mehr Radfahrende auf den Straßen, als ich bei diesem Wetter erwartet hatte (seit Samstag auch durch Schneewehen kämpfend): Radeln als alltägliche innerstädtische Fortbewegung ist ernsthaft gestiegen.

Blick zurück von Theresienhöhe auf Theresienwiese.

Im Büro hatte ich lediglich ein wenig Nacharbeit der Weihnachtsfeier erwartet, doch mich hielten Querschüsse auf Trab. Die Schräglage rückte gerade.

Auf einen Mittagscappuccino ging ich raus, weniger wegen Cappuccino-Gelüsts, sondern aus Bewegungsdrang – im Winter fühle ich mich meist eingesperrt. Es regnete leicht.

Die unschöne Seite des Dezembers.

Auf dem Rückweg kaufte ich fürs Mittagessen ein: Ich hatte von der Weihnachtsfeier übrig gebliebene Mandarinen einkalkuliert, doch die waren über Nacht verschwunden. Und so gab es später im Büro neben Pumpernickel mit Butter nach vielen, vielen Jahren mal wieder einen aromatisierten Joghurt, ich hatte Lust auf einen Müsli-Joghurt von Bauer gehabt, ganz früher regelmäßig gekauft, Geschmacksrichtung Banane-Apfel. Doch der erinnerte mich daran, wie unangenehm mir künstliches Bananenaroma schmeckt. Machte trotzdem satt.

Früher Feierabend, beladener Heimweg, nur kurzer Milchkauf im Vollcorner. Es regnete wieder, ich profitierte von der Kapuze meiner Winterjacke (so viel praktischer als Regenschirm, vielleicht lege ich mir doch noch einen Regenmantel zu). Daheim lud ich nur kurz meine Einkäufe ab, ich nutzte den frühen Feierabend für die Besorgung von Weihnachtsgeschenken.

Regen von oben, dunkler Himmel, auf den Straßen dick Rollsplit, dazwischen graue Schneehaufen und große Flächen festgetretener dunkelgrauer Schnee, die Fußgängerzone hatte wenig Festliches. Doch ich bekam alles von meiner Liste – inklusive wirklich angenehmer Einkaufserlebnisse (es gibt sie noch im Offline-Handel, die Leute, die immer noch ein Schippchen Service drauflegen). Womit man, glaube ich, Personal in großen Läden ohne Fenster immer eine kleine Freude machen kann: Infos über das aktuelle Wetter draußen.

Daheim musste ich mich um Pediküre kümmern (gna), dann war schon Zeit für Freitagabend-Drinks, Herr Kaltmamsell wünschte sich Negronis.

Als Nachtmahl servierte er Schmorfleisch: Ochsenschwanz und ein Stück Ochsenbacke, dazu Nudeln, ich machte den Postelein aus Ernteanteil an.

Wein dazu ein französischer Chardonnay Delmas Limoux. Schmeckte alles ganz wunderbar. Zum Nachtisch zu viel Weihnachtsgebäck und Schokolade.

Abendunterhaltung auf 3sat: Die ersten beiden Folgen des Sechsteilers Eldorado KaDeWe.

Zunächst rollte ich wieder mal Augen über die a-historischen Dialoge, die vorgeblich im Berlin der 1920er spielten, doch die Außenaufnahmen ließen im Hintergrund die Berliner Gegenwart durchfahren und -laufen, heutige Autos, Passanten, Graffiti auf den Hauswänden – ein origineller künstlerischer Kniff, dann war’s ok.

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Wenn Corona für Sie gefährlich sein könnte, passen Sie bitte auf sich auf: Die Abwasser-Analyse zeigen einen steilen Anstieg an Infektionen an.

Und die innige Bitte, wenn sie gerade irgendeine akute Infektion haben: Tragen Sie unter Menschen eine FFP2-Maske, um die anderen zu schützen.

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Auf Eis schliddernde Tiger (ich liebe es, wenn sonst majestätische Tiere tollpatschen, siehe Schwäne außerhalb Wasser).
Originalquelle Heilongjiang Siberia Tiger Park

Journal Donnerstag, 7. Dezember 2023 – Weihnachtsgefeiert

Freitag, 8. Dezember 2023

Zu früh aufgewacht, wegen Unruhe nicht mehr eingeschlafen: Die Weihnachtsfeier-Orga stresste mich zwar eigentlich gar nicht, doch mein Halbschlaf-Hirn produzierte die Sorge, ob aus den vielen Steckdosen, die ich am (eigentlich stillgelegten) Party-Ort entdeckt hatte, überhaupt Strom floss.

Der Morgen wurde wolkenlos hell, der Schnee verschwand weiter langsam, ich genoss meinen Marsch in die Arbeit bei angenehmer Winterkälte.

Steckdosen-Check in der Arbeit mithilfe Handy-Ladekabel und Handy (ich hätte daheim schon auch einen Phasenprüfer gehabt, hielt den Einsatz aber für unverhältnismäßig): War Strom drauf.

Vormittags einiges weggearbeitet, mit Kollegin Getränke-Lieferung entgegengenommen.

Mittags (wo ist mein Cappuccino-Gelüst geblieben?) gab es Pumpernickel mit Butter, Banane.

Und dann begann ich, für die Weihnachtsfeier aufzubauen. Nachmittags bis abends war Weihnachtsfeier, es ging praktisch alles glatt. Das Aufräumen dauerte ein bisschen länger als berechnet, ich kam erst kurz vor der Gebäudesperrstunde um acht raus.

Da ich schwerst bepackt mit Mitgebrachtem der Vortage war, schleifte ich mich nur zur Bushaltestelle und ließ mich mit dem 62er (problemlos) heimfahren.

Herr Kaltmamsell hatte mit dem Abendessen auf mich gewartet, er servierte ein Risotto mit dem eben geholten Ernteanteil-Lauch. Nachtisch Schokolade, und jetzt hatte auch ich Lust auf Lebkuchen.

Mit Kopfweh und emotional völlig betäubt früh ins Bett zum Lesen, weiterhin gefesselt von Grete Weils Der Weg zur Grenze: Der Roman hätte zwar dringend noch lektoriert werden müssen (aber das Werk wurde lang nach Weils Tod zum ersten Mal veröffentlicht, und eine tote Autorin lässt sich halt nicht wirklich lektorieren), aber in ihm werden unter anderem Themen diskutiert, die ich für sehr heutig gehalten hatte.

Auch mal loben: Das am Montag in die Schweiz abgeschickte Geburtstagsgeschenk traf gestern pünktlich ein.