Journal Donnerstag, 11. Januar 2024 – Dunkler Winter und Eva Menasse, Dunkelblum

Freitag, 12. Januar 2024 um 6:31

Eine ruhigere Nacht, ich wachte recht erfrischt auf. Frostiger Weg in die Arbeit, fast alle Wege vereist. Die Zelte des Tollwood sind mittlerweile von der Theresienwiese verschwunden, es lag nur noch ein wenig Gerümpel rum.

Auch gestern hielt sich das Münchner Wetter nicht an die Vorhersage: Statt unter blauem Himmel fror ich unter grauem Hochnebel.

Ich schubste mich dennoch für einen Mittagscappuccino zum Zwecke der Frischluftbewegung aus dem Haus, auch damit mir im Büro danach richtig warm wurde.

Mittagessen zurück im Büro: Laugenzöpferl, Granatapfelkerne mit Joghurt

Auch wenn meine Wetter-App München weiter hartnäckig als sonnig anzeigte, hielt sich ebenso hartnäckig die bleierne Hochnebel-Decke, ich sah den ganzen Tag keine Sonne oder blauen Himmel.

Der Nachmittag zog sich ein wenig, ging aber dann doch rum. Ich marschierte für einen Süßigkeiten-Großeinkauf zum Aldi, dann zackig nach Hause. Von mir aus könnte es jetzt durchaus ein paar Grad wärmer werden.

Daheim wieder Yoga-Gymnastik, die Folge 6 ist bei Adriene immer Rumpftraining – in diesem Programm sehr wenig abwechslungsreich und überraschend.

Nach zwei Wochen Weihnachtspause gab es gestern wieder Ernteanteil. Aus dem Zuckerhut darin machte ich Salat mit Haselnussmus-Himberessig-Dressing. Schmeckte sehr gut, aber zum Sattwerden brauchte ich noch Pistazien (die mir in der libanesischen Nussmisschung so gut schmecken, dass ich eine Packung davon nachkaufte – diese kalifornischen leider lang nicht so gut wie die libanesischen, ich werde mal in einen der Läden an der Landwehrstraße gehen, die sie offen verkaufen) und ordentlich Süßigkeiten.

Da mir gestern Abend auch daheim nicht recht warm werden wollte, nahm ich beim Zu-Bett-Gehen die neue Wärmflasche in Betrieb, die mir das Christkind auf meinen Wunsch gebracht hatte – die alte stammte noch aus Studienzeiten, und ich wollte nicht durch ein Bad im Bett herausfinden, dass das Material dann doch ermüdet war. Diese neue hat einen kuschligen Überzug und wirkte hervorragend.

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Eva Menasse kombiniert in ihrem Roman Dunkelblum die Welt einer österreichischen Kleinstadt (Dunkelblum) an der Grenze zu Ungarn (wie sich nach einer Weile indirekt ergibt; direkt ist immer nur von “drüben” die Rede) und ihre Nazi-Vergangenheit mit den historischen Aufbrüchen in diesem Teil Europas 1989, als immer mehr DDR-Bewohner*innen über Ungarn flohen. Diese End-80er sind die Gegenwart, in der die Handlung spielt, von der aus die Vergangenheit erzählt wird. Das macht Menasse temperamentvoll und lebendig, nutzt dazu eine starke implizite Erzählstimme mit ironischem Tonfall, Einordnung der Figuren, mit farbigen, aber oft auch erbarmungslosen Beschreibungen. Diese Stimme ist deutlich österreichisch, der Roman wird durch ein Glossar ergänzt.

Die gegenwärtige Generation im Mittelpunkt sind zwei Heimkehrer nach Dunkelblum: Ein älterer Akademiker, dessen Identität sich erst nach und nach herausstellt und der Historisches erforscht, außerdem ein Nachkriegs-Geborener, längst in die große Stadt gezogen, der nach dem Haus seiner eben verstorbenen Mutter sieht und davon überrascht wird, dass sie viel über die schändliche Vergangenheit des Orts herausgefunden hat. Doch wir lernen sehr viel mehr und sehr unterschiedliche Personen und Familien kennen in dieser geschickt gewählten Zeit: als nämlich sowohl Opfer als auch Täter*innen der Nazi-Gräuel noch zahlreich am Leben waren, als Kommunikation und Recherche ohne Internet noch träge und umständlich waren. Ich folgte dieser Erzählstimme gern durch den heißen Sommer der Haupthandlung, ebenso gern zurück in vergangene Geschehnisse. Und ich begriff irgendwann, dass das Verschweigen und Unter-den-Tisch-Kehren, das Dulden und das Verdrängen nicht spezifisch mit den Verbrechen der Nazi-Zeit zu hatten, sondern einfach zu dieser Kleinstadtwelt gehörten, diese Art des Zusammenlebens erst ermöglichten.

Ein Zitat, das einem Kapitel vorangestellt wird, gefiel mir besonders gut:

Hier empfohlen die Rezension von Hanna Engelmeier in der Süddeutschen, die auch den historischen Hintergrund des Romans erklärt (und unter anderem die schöne Bezeichnung “nationalsozialistische Wiederaufbereitungsanlage” für den Ort verwendet), aber die Haltung der Erzählstimme kritisiert:
“Puppenhäuser der Verbrecher”.

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Wo Mathe und Magie überlappen.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 11. Januar 2024 – Dunkler Winter und Eva Menasse, Dunkelblum

  1. Anne meint:

    Wenn Sie mögen, gehen wir bei Ihrem nächsten Berlinbesuch Pistazien und Nüsse kaufen.

  2. Barbara meint:

    Ich finde, Adrienne ist mittlerweile so langweilig geworden, dass ich sie gar nicht mehr ertragen kann. Alle anderen sind besser: Jessica R, Mady, Two Birds usw.. Ich mag auch Julia Reppel aber das ist wahrscheinlich nicht Ihre Geschmackrichtung.

  3. Andrea Stock meint:

    Mathe schon, Magie eher weniger – das Ganze nennt sich planned pooling. Es gibt auch extra dafür gefärbte Wolle – Herzliche Grüße- Andrea

  4. Hauptschulblues meint:

    Ich habe “Dunkelblum” mehrfach verschenkt. Frau Engelmeiers Besprechung konnte ich damals nicht zustimmen. Mehr Tiefe wäre dem Thema nicht gerecht geworden.
    Das Buch hat ganz viel mit der Haltung eines großen Teils der österreichischen Bevölkerung zu tun. Ich bin dort aufgewachsen, an der österreichischen Grenze, die zu Fuß zu erreichen war.

  5. FrauC meint:

    Vielen Dank für den Häkel-Link! Da tun sich ganz neue Welten auf, das werde ich mal ausprobieren!

  6. Joriste meint:

    planned pooling. Verrückt! Einfach toll dieses Internet, Danke Frau Kaltmamsell und Andrea Stock fürs Zeigen, ich begebe mich hinab ins rabbithole.

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