Archiv für Januar 2024

Journal Mittwoch, 17. Januar 2024 – Eisregen und wirklich exotisches Essen

Donnerstag, 18. Januar 2024

Endlich mal wieder eine gute Nacht, sie hätte ruhig länger als bis zum Weckerklingeln dauern dürfen.

Glatteis war angekündigt, Glatteis bekamen wir. In Nieselregen verließ ich das Haus und sah sofort das verdächtige Krakelee auf dem Boden: Hier löste sich gerade eine Eisschicht. Mit festem Blick auf den halben Meter vor meinen Stiefelspitzen ging ich also sehr vorsichtig in die Arbeit, war beim Kreuzen der Theresienwiese froh über den liegengebliebenen Schnee, der unter einer Eisglasur für Trittsicherheit sorgte.

Andere Fußgänger*innen wirkten ähnlich konzentriert, Radler schoben eher. Definitiv die Art Knistern unterm Schuh, die ich nicht brauche. Ich finde es allerdings superfaszinierend, wie präzise solche Wetterlagen heutzutage prognostiziert werden.

Es regnete über den Morgen und Vormittag ernsthaft, der Boden sah vom Bürofenster aus verdächtig glatt aus, mittags änderte ich also meine Cappuccino-Ausflugspläne zu Cappuccino bei Nachbars: Die bessere Wahl, denn zwischen gestreuten Flächen lag immer noch dickes, nasses Eis.

Als Mittagessen gab es Vollkornbrot mit Butter (die letzten Scheiben, nächstes Mal kaufe ich wieder Pumpernickel), zwei Orangen.

Bis zum Feierabend hatte es das Glatteis aber weggeregnet und -geschmolzen, ich kam problemlos über ein paar Lebensmitteleinkäufe nach Hause.

Dort eine Folge Yoga-Gymnastik, bevor es zum exotischen Abendessen ging. Man muss beim Essen ja auch mal auf Risiko gehen. Würmer probieren, Heuschrecken. Oder im Münchner Ratskeller “Grünkohl & Bremer Pinkel” bestellen.

Einen Moment lang wartete ich darauf, dass der Grünkohl noch serviert würde, dann sah ich das Grüne unter dem gebratenen (! – es ist nicht schön, was das mit der Haut macht) Pinkel. Nichts davon hatte mit dem zu tun, was ich in Bremen gelernt habe, das Vollbad in Standard-Bratensauce war auch keine gute Idee. Ich werde nächsten Winter eine Grünkohlreise nach Norddeutschland antreten müssen.

Satt wurden wir, und zur Tagesschau saßen wir schon wieder daheim.

Im Bett Sina Pousset, Schwimmen ausgelesen, es wurde nicht besser, leistete sich dann auch noch angestrengte Enthüllungen im Abgang.

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Solidarische Landwirtschaft bedeutet für mich auch, viel mehr Informationen über die Anbaubedingungen und aktuellen Einflüsse meines Gemüses und Obsts zu bekommen. Als Kartoffelkombinats-Genossin sorgt mindestens der wöchentliche Newsletter Kartoffeldruck dafür, gestern erhielt ich einen Lagebericht von Crowdfarming mit sehr gemischten Neuigkeiten – kein Wunder, Nachrichten von der extremen Dürre in Spanien waren ja auch nach Deutschland gelangt:
“Danksagung zur Ernte 2023”.

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Mein Feminismus feiert auch Musik-Ikonen, die zum Rhythmus ihrer künstlichen Fingernägel singen.

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Sigi Schwab ist gestorben, und ich erfuhr es erst gestern aus der Zeitung.

Ich kannte ihn auf Platte und im Konzert in erster Linie aus den 80ern, als er mit der Percussion Academia tourte.

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https://youtu.be/5-vqW8VE8D4?feature=shared

Aus dem Nachruf in der Süddeutschen erfuhr ich, dass er in die internationale Musikgeschichte mit einem Scherz einging:

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https://youtu.be/bWOsijt0wgY?feature=shared

Journal Dienstag, 16. Januar 2024 – Routine-Dienstag mit Ausflug in die Blutenburgstraße

Mittwoch, 17. Januar 2024

Nicht ganz so unruhige Nacht, aber unruhig genug, dass ich mich an ein paar wüste Träume erinnere.

Auf dem Weg in die Arbeit unter klarem Himmel suchte ich angestrengt nachdenkend nach einem Arbeitsauftrag für jemanden, der sonst nicht zu tun hat und sich langweilt, das war auch ein nächtlicher Unruhefaktor gewesen (und ist es immer wieder in meinem Arbeitsalltag).

Fast idealer Arbeitstag mit genau dem richtigen Maß an Emsigkeit und Abwechslung: Recherchen mit Ergebnis, etwas gelernt, kleinere Ideen gehabt, Reinfliegendes sofort einsortieren und verarbeiten können, Themen geklärt, genetworkt (!).

Keine Zeit für Mittagscappuccino, zumindest aber für Zeitungslektüre beim Mittagessen: ein Kanten selbstgebackenes Brot, Granatapfelkerne mit Joghurt.

Über Mittag zog der Himmel zu und verlegte sich wieder auf geschlossen und grau.

Nach Feierabend machte ich einen größeren Umweg, um zu ein wenig Bewegung zu kommen: Ich ging in die Blutenburgstraße zu dem kleinen Laden Donosti und kaufte dort baskischen Wein Txakoli (die Sorte Gorrondona hatte mir von den drei Test-Flaschen am besten geschmeckt), außerdem Café torrefacto und Turrón. Nach Hause spazierte ich die ganze schmale Blutenburgstraße lang, die einen sehr lebendigen und heimeligen Eindruck macht.

Zu Hause Yoga-Gymnastik, als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch Shakshuka – ein Genuss. Nachtisch zu viel Süßigkeiten.

Früh ins Bett zum Lesen, Sina Poussets Schwimmen ist auf eine schlechte Weise seltsam (ich glaube ihr keine einzige der Romanfiguren, habe nicht eine der skizzierten Umgebungen vor Augen, die Handlung wirkt angestrengt konstruiert), das wollte ich bald weghaben.

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Der Guardian ordnet die lautstarken deutschen Proteste von Landwirt*innen international ein.
“Why Europe’s farmers are protesting – and the far right is taking note”.

Autor Ajit Niranjan fasst die Demos in den Niederlanden, in Belgien und in Irland (zu hohe Nitratwerte im Boden durch Massentierhaltung), Spanien (Bewässerungsbeschränkungen in anhaltender Dürre), Frankreich (Regulierung des Einsatzes von Pestiziden) und jetzt auch in Deutschland unbarmherzig zusammen:

In recent years, farmers in western Europe have fought with increasing ferocity against policies to protect the planet that they say cost too much.

Übersetzt: In den vergangenen Jahren widersetzen sich Landwirte in Westeuropa immer heftiger gegen eine Politik zum Schutz des Planeten, weil der Preis dafür ihrer Meinung nach zu hoch ist.

Die Unterwanderung dieser Proteste durch rechtsextreme Populisten ist ebensowenig Deutschland vorbehalten: In den Niederlanden wurde eine rechte Landwirtschaftspartei gegründet, nicht nur in Deutschland werden Verschwörungstheorien nach Jahrhunderte bewährtem Muster verbreitet. Außerdem weist Niranjan auf die Spaltung der konservativen Kräfte im Europaparlament hin.

Journal Montag, 15. Januar 2024 – Möglicherweise das prägendste Buch meiner Lesegeschichte: Friedrich Torberg, Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten

Dienstag, 16. Januar 2024

Immer wieder hatte ich behauptet, dass ich Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten von Friedrich Torberg alle paar Jahre lese, doch Nachschlagen bei mir selbst (-> Blog) ergibt, dass die letzte Lektüre mindestens 15 Jahre her sein muss.

Es war schon ein enormer Zufall, der mir dieses Buch seinerzeit in die Kinderhände gelegt hat. Meine Mutter hatte es sich in meiner Erinnerung auf einen Lesetipp in der Brigitte hin gekauft, das allein eine Ausnahme, denn meine Mutter kaufte sich sonst keine Bücher. Ziemlich sicher bin ich, dass sie es auf einen Urlaub bei meiner Tante in Italien mitnahm. Wenn Die Tante Jolesch 1975 erschien, war ich also neun oder zehn, als ich es zum ersten Mal las. Damals wusste ich bereits einiges über den Massenmord des Naziregimes an Juden (das Wort “Holocaust” wurde erst deutlich später benutzt), meine Mutter hatte mir schon früh kindgerecht davon erzählt (ob der Anlass eine Frage von mir war? meine Mutter berichtet, dass ich ständig zu allem möglichen fragte), und jetzt erlebte ich anhand der Buchlektüre eine jüdische Welt vor diesem Menschheitsverbrechen – ich war ungeheuer fasziniert und bin es im Grunde bis heute, fieberte mit jedem Detail mit. Friedrich Torberg war halt mein Karl May, man sucht sich’s nicht aus.

Die jüngste Lektüre erinnerte mich daran, wie viele Wörter ich hier lernte. Und wie viele der beschriebenen Welten später eine Entsprechung in meinem Leben bekamen. In der Tante Jolesch las ich zum Beispiel erstmals die Beschreibung einer Zeitungsredaktion; später war ich es, die Polizeiberichte verarbeitete, in meiner Zeit beim Lokalradio sogar eines sehr früh morgens persönlich abholte und bei dieser Gelegenheit die Einsatzzentrale gezeigt bekam. Später sowie über die Jahrzehnte meiner Berufstätigkeit kam ich zum Schluss, dass Tageszeitungsredaktionen und -verlage tatsächlich eine überdurchschnittliche Quote an Spinner*innen und Käuzen versammeln – und das sagt jemand, die in mehreren PR-Agenturen tätig war. Viel an meiner Lesegeschichte verlief entlang Autoren, die in diesem Buch auftauchten, meine Wien-Besuche ohnehin.

Diesmal schrieb ich beim Lesen mit. Und bemerkte, dass die für mich relevanten Zitate in zwei Kategorien fallen: Die einen, die ich regelmäßig anwende. Die anderen, die ich regelmäßig assoziiere, die aber auf einen wirklich passenden Einsatz noch warten (und ich rechne nicht unbedingt mit einer Gelegenheit).

Ich notiere hier die wichtigsten Zitate und ihre Bedeutung für mich persönlich. Den Kontext müssen Sie sich schon selbst holen, zur Hilfe (und für mich als eine Art ganz individuelle Konkordanz) habe ich die Seitenzahlen in der oben abgebildeten Ausgabe hinterlegt, nämlich in der einzig relevanten, Dießen 1975 (mit mindestens zwei Tippfehlern).

“Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.”
Tante Jolesch (S. 17)
Zutiefst wahr und regelmäßig anwendbar. Wird oft unkorrekt zitiert.

“Alle Städte sind gleich, nur Venedig is e bissele anders.”
Tante Jolesch (S. 22)
Ja.

“Wie soll es mir gefallen am Balkan?”
Frau Zwicker (S. 23)
Vernichtendstes Urteil über einen Aufenthaltsort überhaupt.

“Was andere Mädchen Verhältnisse haben, geh ich in Vorträge.”
junge Dame, Blaustrumpf (S. 27)
Wandelte ich zu Studienzeiten für mich ab: Was andere Mädchen abends ausgehen, les ich Bücher.

“Was setzt du dich hin Kartenspielen mit Leuten, was sich hinsetzen Karten spielen mit dir?”
Die alte Kisch (S. 29)
Eine einleuchtende Variante von Groucho Marx’ “Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.”

“Ich habe hier nicht gebadet – ich bin nach Hause geschwommen.”
Dschingo Deutscher (S. 48)
Assoziiere ich heftig bei Aare- und Rheinschwümmen mit Wickelfisch, am heftigsten aber bei Benjamin David, der in der Isar zur Arbeit schwamm. Warte noch auf eine Gelegenheit, selbst mal in Echt nach Hause zu schwimmen.

“Die Zahl der von mir angebrunzten Kaffeesieder ist Legion.”
Ernst Stern (S. 55)
Dabei habe ich mittlerweile novemberregen vor Augen.

Essen kann man das nicht. Ich bitte um Entschuldigung.”
Frau Löwenthal (S. 65)
Darauf spielt Herr Kaltmamsell regelmäßig an, es ist immer sehr lustig. (You had to be there.)

“Wo ist das Gestrüpp für den Buben?”
Vater Taussig (S. 67)
Bei jeder ganzen Artischocke, die hier auf den Tisch kommt.

“Tse. Des wird ja net zum Derscheißen sein, morgen…”
Fritz Imhoff (S. 71)
Nach jedem wirklich nennenswerten Gelage. Wie mir jetzt auffällt, ist das letzte solche schon lang her.

“Es sind noch ein paar da, die sagen, Zwetschgenröster ist kein Kompott!” Und schüttelt drohend die erhobene Faust: “Aber ich kenn sie alle!!”
Herr Neugröschl (S. 79)
Oft bei willkürlichen Grundsatzfragen assoziiert.

“Schimpferint, dum zahleant.”
Der alte Schwarz (S. 83)
Alltag im Geschäftsleben.

“Ich hab ihm onanieren gelernt.”
Herr Feldmann (S. 90)
In meinem vorvorigen Berufsleben berichtete mein Chef von einer sehr vergleichbaren Situation im Haus des Finanzvorstands. Und mein Kleinhirn überholte mit quietschenden Reifen das Großhirn, um mich genau diesen Satz laut zitieren zu lassen. Hastig schob ich die Gesamtanekdote hinterher, schenkte dem Chef auch am nächsten Tag das Buch, kann aber bis heute nur hoffen, das mein Ansehen keinen dauerhaften Schaden genommen hat.

“Gott ist gerecht.”
Fremdling (S. 118)
Oft verwendet.

“Freilein. Bis in einer kleinen Weile werde ich brechen!”
Tommi Plessnik (S. 119)
Regelmäßig, aber eher von Herr Kaltmamsell angeführt.

“Steh schön grad, mein Kind. Damit der Herr Professor sieht, wie schief du bist.”
Eine Mutter (S. 121)
In der Zeit mit kaputter Hüfte bei jedem neuen Orthopäden/Untersuchungsberechtigten vor mich hin gemurmelt.

“Grießen mußt du. So lange grießen, bis du sie im Bett hast.”
Der rote Krasa (S. 133)
1a Tipp bei Freund*innen, die von einem neuen Schwarm berichteten. Lang her.

“Ich nähre mich von reinem Selchgift.”
Dr. Schreier (S. 141)
Schlachtschüssel-Begleitsatz.

“… da kann es schon passieren, daß man einmal die Wahrheit schreibt.”
Dr. Rudolf Keller (S. 158)
Ist das nicht in jeder Redaktion eine Standard-Entschuldigung?

“Von was wird geräädet? Vom Väägeln”
Milada Kratochvil (S. 161)
Nie angewendet, oft im Kopf gehabt.

“Mit Genuß und Belehrung gelesen!”
Professor Lutz Steiner (S. 164)
Mein Lieblings-Feedback nach Gegenlesen.

“Solche Stücke sollten öfters geschrieben werden.”
Redaktionsdiener Reimer (S. 168)
Sicher mehr als einmal nach einem Theaterbesuch und auf die Frage “Und, wie war’s?” gesagt.

“In die entgegengesetzte.”
Alfred Polgar (S. 195)
Diese Zitat habe ich schon eingesetzt und zwar in genau derselben Situation und Absicht wie im Original. Hier bin ich unsicher, ob ich froh sein soll (weil eigentlich eine Ohrfeige) oder traurig (weil unverstanden), dass sie beide Male nicht fruchtete.

“Kellnerpunkt”
(S. 196)
Nach ein paar Versuchen nur noch im Kopf angeführt, weil die Erklärung so mühselig war.

“Jetzt hab i an Masochisten – der haut z’ruck.”
Böhmische Liesel (S. 201)
In Torberg-vertrautem Kreis und bei passender Situation ein Brüller. Wirklich.

“Räuber, Mörder, Kindsverderber
gehen nur zu Doktor Sperber”
Dr. Hugo Sperber (S. 207)
Oft nützlich in der Zeit, als im Freundeskreis Jura-Staatsexamen abgelegt wurden.

“Friedrich, mein Geschoß!”
Dr. Hugo Sperber (S. 210)
Jedesmal im Kopf, wenn ich auf diesen Vornamen stoße. Was heutzutage selten passiert.

“Caróbua”
“Chabanachta”
Dr. Hugo Sperber (S. 213)
Einsatz in meiner Poker-Phase. Am Tisch saß meist auch Gisi, die jedes Jolesch-Zitat zuordnen konnte, meist noch ergänzen.

“O Sie ostjüdische Mißgeburt! (…) Welches Ghetto hat Sie ausgespien?!”
Dr. Hugo Sperber (S. 215)
Selbe Szenerie, Ärger über verlorenes Spiel.

“Die Genesis, liebe Frau, ist nicht interessant.”
Dr. Hugo Sperber (S. 217)
Oft in meinem Kopf. Auch in Online-Meetings.

“Abortfrau mit erweitertem Kompetenzbereich”
Dr. Hugo Sperber (S. 217)
Mein Rollenvorbild beim Wiedereinstieg ins Berufsleben nach meiner Auszeit.

“Merken Sie nicht, dass Ihrer Anwesenheit lediglich dekorative Bedeutung zukommt?”
Dr. Hugo Sperber (S. 220)
Habe ich mich nie laut sagen getraut.

“Herr Staatsanwalt, wann soll mein Klient eigentlich einbrechen?”
Dr. Hugo Sperber (S. 220)
Gegenüber nahestehenden Menschen, denen man gerade gar nichts recht machen konnte.

“Ich habe oft mitten im Satz meine Weltanschauung ändern müssen…”
Franz Molnár (S. 234)
Das habe ich schon so oft zur Illustration meines Sprachniveaus im Spanischen angeführt, dass ich bis eben die Quelle vergessen hatte.

“My music isn’t lovely.”
Arnold Schönberg (S. 286)
Bei jeder Begegnung mit unangenehm atonaler Musik.

“Das Beste lassen stehn.”
Frau Paula (S. 308)
Sehr oft verwendet, zwischen Herrn Kaltmamsell und mir praktisch jedesmal, wenn auf dem Teller oder im Glas etwas übrig bleibt.

Außerdem verschaffte mir diese jüngste Lektüre der Tante Jolesch die Erkenntnis, dass ein paar von Torberg überlieferte und lieb gewonnene Zitate gar nicht darin vorkommen (sondern vermutlich in Die Erben der Tante Jolesch), zum Beispiel:
– Arkasse hatten wir schon bessere.
– Schreiben Sie doch mal einen Bestseller. (Alma Mahler-Werfel zu Friedrich Torberg)

§

An sich kann ich durchaus “hilft ja nix”, aber ich musste mir eingestehen, wie sehr mich winterliche Dunkelheit und eisige Kälte derzeit belasten und ein Gefühl des Gefangenseins erzeugen. Im Hellen und Warmen fühle ich mich gelassen und frei. (Große Hitze sperrt mich übrigens ebenso ein.)

Die Nacht war ok, der Weg in die Arbeit nicht zu kalt. Erwartbarer Büro-Montag mit Besprechungsvormittag. Mittags verlängerte ich meinen Marsch zum Cappuccino bei Nachbars ein wenig und warf eine Postkarte ein. Bei dieser Gelegenheit sah ich am Horizont sogar einen Streifen blauen Himmel, davor und danach übte dieser sich wieder in trübem Hochnebel-Grau.
Zu Mittag gab es Apfel und Vollkornbrot mit Butter.

Über den Nachmittag wurde mir immer trüber, Winter tut mir sowas von nicht gut. Mit hängenden Flügeln und in leichtem Schneefall ging ich nach Hause, besorgte unterwegs Obst als Brotzeit für die nächsten Tage.

Daheim erreichte mich die Antwort meines Bundestagsabgeordneten: Er teilt meine Sorge um die Demokratie, setzt sich aber lediglich für “eine kritische Prüfung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz” ein. Das ist mehr als nichts, vor allem bei einem CSU-Parteimitglied.

Am Sonntag um 14 Uhr geht auch München gegen rechts auf die Straße (Route wird noch veröffentlicht).

Eine Folge Yoga-Gymnastik, die mir gut gefiel, die mache ich nochmal. Währenddessen war der Schneefall dichter geworden.

Nachtmahl aus edlen Resten: Bœuf Bourguignon aus der Gefriere mit frischen Nudeln, außerdem Asiasalat aus Ernteanteil mit zugekaufter roter Paprika. Nachtisch Schokolade.

Journal Sonntag, 14. Januar 2024 – Schwarzgefärbt, unentspannter Eislauf

Montag, 15. Januar 2024

Eine Nacht mit Loch: Kurz vor halb drei begann mindestens eine Glocke von St. Matthäus zu läuten und tat das dann zehn Minuten lang (Kurzschluss?). Danach schlief ich lang nicht mehr ein. Doch ich konnte ja ausschlafen und tat das bis halb acht.

Erstmal startete ich eine Waschmaschine zum Schwarzfärben: Ich hatte festgestellt, dass meine schwarze Standardhose (ich mag sie nicht Jeans nennen, denn das setzt in meinen Augen eine bestimmte Stoffart voraus) nicht mehr wirklich schwarz war. Für ihre Funktion als anständige Hose (zumindest eine Weile, sie geht nach zwei Jahren auch ein wenig aus der Form), sollte sie wieder die richtige Farbe bekommen. Um die 600 Gramm Stoff vollzubekommen, auf die das Färbemittel ausgelegt ist, warf ich ein schwarzes Baumwoll-Shirt dazu, das ebenfalls ins Graue spielte (bereits zum zweiten Mal nachgefärbt: vor 15 Jahren hatten Eddie-Bauer-T-Shirts eine wirklich sensationelle Qualität, damals noch 100% Baumwolle) (vielleicht auch heute noch, das kann ich nicht beurteilen).

Der Tag wurde richtig hell, inklusive Sonne, ich freute mich besonders auf eine Laufrunde an der Isar. Dazu nahm ich eine Tram zum Tivoli, stieg aber schon einen Halt früher aus. Die Wege an der Isar Richtung Norden war dann nicht so richtig lauffreundlich: Die wenigen Sonnenstrahlen der vorhergehenden Tage hatten festgetretenen Schnee angeschmolzen, der Frost hatte ihn zu Eis gemacht. Ich sah also nicht sehr viel von der sonnigen Umgebung, hörte Vögel mehr als dass ich ihnen hinterhergucken konnte, denn mein Blick war fest auf den Weg vor mir gerichtet. Joggen in Trippelschritten und mit immer wieder aktiver Erinnerung, auch mal zu atmen.

Was ich mir aber gezielt ansah: Die vieljährige Baustelle an der Max-Joseph-Brücke, die bei meinem letzten Besuch von Weitem abgeschlossen wirkte.

Stellte sich heraus: Immer noch nicht ganz, es bleibt spannend.

Auf dieser Isarseite lief ich bis zur Emmeramsbrücke, kreuzte dort und lief weiter bis zum Kirchturm Unterföhring, auf dieser Isarseite zurück bis Paradiesstraße. Wegen der beschriebenen Glätte war das ganze eher unentspannt, ich sehnte mich nach leichterem Boden.

Auf der Rückfahrt mit der Tram stieg ich schon in der Müllerstraße aus, um im Glockenbachviertel Semmeln zu besorgen. Daheim kurzes Bügeln des noch feuchten schwarzen T-Shirts und der Hose, erst dann Duschen. Frühstück kurz vor halb drei im sonnigen Wohnzimmer bestand aus zwei Körnersemmeln und einer Orange, alles sehr köstlich.

Über den Nachmittag machte sich Muskelkater im linken Schulterbereich breit; ich erklärte mir das mit dem gestrigen Fall vom Fahrrad, denn von der Schwimmeinheit konnte das, trainiert wie ich derzeit bin, wohl kaum herrühren.

Auf dem Sofa las ich Torbergs Tante Jolesch aus, machte mir viele Notizen für den zugehörigen Blogpost.

Nächste Folge Yoga-Gymnastik, dass es nur um ein bissl Dehnen und sonst Entspannung ging, war mir gestern sehr recht.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Aloo Gobi, mit viel Aloo (Ernteanteil) und ein bisschen Gobi (Rest von Mittwochabend).

Gut! Nachtisch Schokoladenpudding, für mich mit Orangenmarmelade und für Herrn Kaltmamsell mit Rumtopf. Zweiter Nachtisch Süßigkeiten.

Social Media ist nicht nur Einigeln in Vertrautem und eigener Blase (wer schreibt bitte immer wieder diesen Schmarrn?), sondern auch, dass man wegen den Leuten, mit denen man im Internet abhängt, Kontakt zu Themen bekommt, die sonst komplett außerhalb der eigenen Wahrnehmung lägen. So gucke ich wegen herzbruch völlig artfremd Handball (!): Weil sie sich darüber begeisterte, dass die Männer-Mannschaft eines winzigen Landes (Faröer Inseln) der Männer-Mannschaft eines großen Landes (Norwegen) mit großen Menschen völlig überraschend Paroli bot und das sehr spannend war, hier der Sportschau-Spielbericht, den ich von vorn bis hinten angesehen habe. Durch dieses Angucken konnte ich auch noch besser nachvollziehen, dass Handball ein Sport ist, der sehr weh tut.

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Isolde Ruhdorfer beleuchtet für Krautreporter Mechanismen und Einfluss von Tiktok auf Nachrichtenkonsum – im Guten wie im Schlechten. Ich darf Ihnen den Artikel schenken.

“Die Teenie-Querdenker:innen”.

Die Gen Z politisiert sich auf Tiktok. Wegen der Plattform glauben mehr junge Menschen an Verschwörungsideologien. Aber Tiktok bietet auch eine Chance: mehr Aufmerksamkeit für vergessene Konflikte.

Journal Samstag, 13. Januar 2024 – Post an meinen Bundestagsabgeordneten

Sonntag, 14. Januar 2024

Hell wurde es gestern zu Nebel und Hochnebel.

Am Freitag hatte ich zusätzliche Avocados bei Crowdfarming bestellt, weil ich die eine Kiste für dieses Saison wirklich zu wenig fand.

Morgens ging ich nach dem Bloggen einem nächtlichen (unruhiger Schlaf) Verdacht nach und stellte fest, dass ohnehin noch ein Kistlein von meinem adoptierten Baum ausstand – das hatte ich vergessen. Wenigstens kommen sie mit fast zwei Wochen Abstand, aber ich musste Herrn Kaltmamsell darauf gefasst machen, dass wir Ende Januar, Anfang Februar sehr viele Avocados auf dem Speiseplan haben werden.

Über einer großen Tasse Tee nahm ich mir die Zeit, eine Nachricht an meinen Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis München Mitte zu schreiben, Stephan Pilsinger: Ich bat ihn um die Unterstützung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD und schilderte meine Angst und Sorge. (Beim Abschicken hatte ich Tränen in den Augen, ich habe echt Angst.)

Ihre*n Wahlkreisabgeordnete*n finden Sie so heraus:
1. Auf dieser Website können Sie Ihren aktuellen Wahlkreis für Bundestagswahlen recherchieren. (Nein, das muss man nicht auswendig wissen, unterscheidet sich ja auch vom Wahlkreis für andere Wahlen.)
2. Dann googlen Sie “Bundestagsabgeordneter Wahlkreis XXYY” (den oder die Sie über 1. herausgefunden haben).

Als Suchergebnis sollten Sie jetzt nicht nur den Namen bekommen, sondern auch gleich deren oder dessen Website mit Kontaktmöglichkeit, an die Sie sich per Formular, E-Mail oder Brief wenden können.

Wenn die Politik die Sorgen und Nöte der Bürger*innen ernst nehmen will, dann bitte auch meine.

Gestriger Sportplan war Schwimmen (hurra!). Ich nahm das Rad raus ins Olympiabad, weil ich davon ausging, dass Wege und Straßen frei sein würden. Das traf auch zu – bis auf die paar Meter direkt vor unserer Haustür am Ende einer Sackgasse, auf denen ich mich wenige Sekunden nach dem Aufsteigen prompt hinlegte. Ein wenig Aua (spanisch übrigens pupa wie in ¿tienes pupa?) am linken Knie, zwei Passantinnen halfen mir netterweise auf. Doch das behinderte mich weder beim Radeln (knackig kalt) noch auf meiner Schwimmrunde.

Es war ziemlich viel los auf den Bahnen – ich kann nicht beurteilen, ob das mehr war als sonst um die Zeit, dafür war ich in den vergangenen Monaten zu selten am Samstag im Olympiabad. Schwimmen ging trotzdem gut, ich war aber froh über das Ende meiner 3.000 Meter.

Auf dem Rückweg radelte ich beim Vollcorner in der Maxvorstadt vorbei, noch ein paar Lebensmitteleinkäufe.

Frühstück kurz vor drei war selbstgebackenes Brot (der Teil vom Vorwochenende aus der Gefriere) und Orange. Nachmittag mit Wäscheaufhängen, mit Internet- und Zeitunglesen.

Ich freute mich an den Blumen, die ich mir am Donnerstag gegönnte hatte – doch ich hatte vergessen, WIE LAUT diese Lilien duften. Man gab mir den Tipp, den Stempel zu entfernen, und tatsächlich minderte das die Brutalbeduftung deutlich.

Eine Folge Yoga-Gymnastik, dieses wenig inspirierte Programm wird keines, bei dem ich jede Folge doppelt durchmache.

Ich stellte fest, dass ich auf der Website der VG Wort bereits die Blogposts von 2023 zur Ausschüttung anmelden konnte, die die nötigen Zugriffszahlen erreicht hatten. Das spielte ich gleich mal mit ein paar davon durch und stellte fest, dass es einen neuen Extraschritt gibt. Ich musste bestätigen:
“Insbesondere habe ich dieses Werk nicht ausschließlich durch Verwendung von KI-Systemen erstellt.”
(Was ja ein bisschen wäre wie diese Powerplates-statt-Sport-Läden: Warum sollte ich mir von einer Maschine wegnehmen lassen, was mir am meisten Spaß macht?)

Zum Apertif mixte ich nochmal einen Rosita, dazu gab’s geröstete Pistazien.

Fürs Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den Ernteanteil-Wirsing totgekocht, darin Bauernwürste erwärmt, die ich am Mittwoch aus der Ingolstädter Metzgerei Richard Huber mitgebracht hatte. Schmeckte gut, die Würscht waren besonders fein durchgedreht.

Zum Nachtisch hatte ich Schokoladenpudding gekocht, um ihn mit dem Trockenobst-Rumtopf zu servieren, der endlich so weit sein müsste.

Ja, war er – allerdings weiß ich nicht, warum ich so sicher war, dass man ihn mit Strohrum ansetzen muss: Der Rumtopf ist viel zu heftig alkoholisch, ich hatte das Bedürfnis, ihn erst mal anzuzünden. Haben Sie eine Idee, wie ich die Alkohol-Schärfe dämpfen kann?

§

Mely Kiyaks innerer Schabernacki brauchte kein Nazi-Geheimtreffen, sie fragte sich schon 2022:
“Werden sie uns mit FlixBus deportieren?”

Der Witz ist, dass man sich nie öffentlich traut darüber zu spekulieren, wie es wohl sein wird, wenn sie uns eines Tages deportieren. Der Witz besteht natürlich nie darin, dass sie es tun würden, wenn sie es könnten, sondern darin, dass wir uns nicht trauen, es laut auszusprechen. Und zwar aus – bitte festhalten – Pietät. Ihnen gegenüber. Nicht denen gegenüber, die das schon einmal erlebten, denn die sind ja bekanntlich die letzten, denen diese Möglichkeit nicht wahrscheinlich erscheint. Nein, ihnen gegenüber trauen wir uns das nicht. Wir wollen sie damit nicht in die Bredouille bringen. Sie fühlen sich dann nämlich immer so schlecht. In die Ecke gedrängt, unschuldig beschuldigt, benachteiligt, stigmatisiert.

via @oliverknabe

§

Jetzt aber durchschnaufen. Hier ein Make-up-Tutorial, mit dem auch ich etwas anfangen kann:
Der beste Weg zum Einhorn-Styling.

Journal Freitag, 12. Januar 2024 – Sonne am Himmel, Trucker- und Trecker-Gehupe auf der Straße

Samstag, 13. Januar 2024

Diese erste Arbeitswoche fühlte sich schonmal elend lang an, trotz (wegen?) des freien Tags in der Mitte, ich brauchte die Karotte der Restaurantreservierung am Freitagabend dringend.

Draußen war es weiter streng frostig, weil ich gestern Schürstiefel statt der Schneestiefel auf dem Weg in die Arbeit trug (passten zum Outfit, waren mir aber zu sperrig für Extra-Mitnahme in der Arbeitstasche), umging ich lieber die spiegelglatte Theresienwiese.

Aber: SONNE! Gestern bekamen wir auch in München den knackig-sonnigen Wintertag, der das Frieren ein wenig aufwiegt.

Auf der Straße vorm Bürohaus erst eine Hup-Karawane Zugmaschinen des größten Kalibers (ich erkenne einen MAN TGX immer noch von Weitem), dann Hup-Karawane Riesen-Trecker (no, so teuer kann der Kraftstoff ja nicht sein), später sah ich nicht mehr nach, wer jetzt schon wieder ohrenbetäubend hupte. Die gesamte (auch meiner Überzeugung nach fehlgelaufene) Landwirtschaftspolitik nach dem Krieg auf EU-, Bundes- und Landesebene der jetzigen Bundesregierung in die Schuhe zu schieben, ist für mich keine Diskussionsgrundlage. Und macht mir die ständig wiederholte Forderung, diese Regierung müsse die Wählerschaft “halt mehr mitnehmen” haltlos. (Falls Sie sich die EU-Agrarreform von 2021 in Erinnerung rufen wollen, hier ein guter Überblick beim Deutschlandfunk.)

Das konzertierte Maulen auf dem Flur mit Kolleginnen über die zu niedrige Bürotemperatur wirkte: Gestern hatte ich mit lediglich Thermorolli unter Pulli warme Hände.

Mein Weg zum Mittagscappuccino führte durch Sonnenschein – allerdings löste dieser auch die Dachlawine aus, die wenige Meter vor mir niederrauschte. Die Luft roch nach Skifahren, diese Erinnerung ist auch Jahrzehnte nach meiner letzten Abfahrt lebendig.

Zu Mittag gab es am Schreibtisch Vollkornbrot mit Butter und Mango mit Sojajoghurt.

Nach Feierabend auf dem Heimweg in letztem Tageslicht und durch Kältedunst erledigte ich noch Einkäufe in Drogeriemarkt und beim Vollcorner. Daheim nur kurzes Ausruhen, dann spazierten wir zum Abendessen in die Goldmarie.

Dort gutes Abendessen mit Brot/Tomatenbutter/Salami, Lammleber/Spitzkohlsalat, Südtiroler Kasnocken / Tagliatelle Peposo und dazu passenden Weinen.

Herr Kaltmamsell nahm noch Grießflammerie zum Nachtisch, ich einen Schlehenbrand. Doch ein Wochenendfeiern mit ausgedehntem Abend wurde das nicht, die anderthalb-Stunden-Schichten für die Tischreservierung waren gestern sehr ernst gemeint und wir standen um acht schon wieder auf der Straße.

Daheim noch Süßigkeiten.

§

Verfolgen/Verbieten von Faschisten kann funktionieren (hier allerdings nur anekdotisch und in den USA belegt):
“The Proud Boys are collapsing: Surprise! Legal consequences do hurt authoritarian movements”.

Ich wackle immer noch ein wenig in der Frage eines Antrags auf AfD-Verbot, verfüge für eine Meinung noch nicht über genug Informationen (und die muss ich zur Meinungsbildung ja dann auch noch für mich gewichten). Ich bin große Freundin unserer parlamentarischen Parteien-Demokratie, und das Verbot einer Partei gehört zu den schärfsten Waffen.

Wichtigstes Gegenargument war für mich bislang, dass ein Verbot der AfD nicht das verfassungsfeindliche Gedankengut beseitigt, das in der Bevölkerung verbreitet ist. Dann wieder: Ohne AfD hat dieses Gedankengut weniger Nährboden und Futter, wird weniger gezielt verstärkt.
Ich neige (!) immer mehr zu: “Der beste Zeitpunkt für ein Verbot der AfD war vor ein paar Jahren, der zweitbeste ist jetzt.” Und: Wir müssen unsere Demokratie möglichst schützen (siehe Toleranz-Paradoxon). Eine Möglichkeit ist das Verbot von rechtsextremen, demokratiefeindlichen Organisationen – solange es noch geht und sie nicht bereits die Schaltstellen besetzen, die ein solches Verbot überhaupt beschließen und durchsetzen können. (Wie die Leute 1930 und 1933 schwanke ich und will und will das einfach nicht für ein realistisches Szenario halten.)

“Wer diese Partei wählt, gibt Menschen ein Mandat, die die Demokratie abschaffen wollen und Deportationen planen.” Gerhard Baum in der Süddeutschen (€). Er schlägt vor, als Erstes die “Junge Alternative” (JA) zu verbieten, den Nachwuchsverband der AfD, “eine weithin wirksame Vorfeldorganisation und ohne Zweifel verfassungsfeindlich”. Da diese ein Verein sei und keine Partei, reiche dafür die Unterschrift der Bundesinnenministerin.

(Mein innerer Schabernacki ist stark genug sich zu fragen, ob ich nach Verleugnung meiner Einbürgerung von 1979 wohl nach Spanien oder nach Polen deportiert würde.)

§

Fand ich eine interessante Beleuchtung von menschlichen Mechanismen:
“Psychologische Erklärungen fürs Nichtstun: Warum viele die Klimakrise scheinbar kalt lässt”.

(Kostenlos lesbar, all die Kästen und Overlays lassen sich wegklicken.)

Unter anderem das Gegenstück zum bockigen Kleinkindverhalten:

Neben der Preisgestaltung könnte allerdings auch mit Verboten gearbeitet werden, so Reese: „Verbote sind eigentlich etwas sehr Gerechtes. Wenn ich etwas verbiete, kann ich mich auch nicht mit viel Geld rein- oder rauskaufen.“ Allerdings würden Verbote bei vielen Menschen spontane Abwehr auslösen: „Dennoch können Verbote hilfreich sein, nämlich dann, wenn sie gerecht sind und der Mehrheit sehr viel Gewinn bringen, wie zum Beispiel das Nichtraucherschutzgesetz oder das Verbot, ohne Gurt Auto zu fahren, zeigen.“ Gerade die Anschnallpflicht mache zudem deutlich, dass politische Maßnahmen der schnellste Hebel seien, um soziale Normen zu verändern, sagt Uhl-Hädicke.

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Tischkarten-Idee für die nächste Hochzeit von Hauck & Bauer.

Journal Donnerstag, 11. Januar 2024 – Dunkler Winter und Eva Menasse, Dunkelblum

Freitag, 12. Januar 2024

Eine ruhigere Nacht, ich wachte recht erfrischt auf. Frostiger Weg in die Arbeit, fast alle Wege vereist. Die Zelte des Tollwood sind mittlerweile von der Theresienwiese verschwunden, es lag nur noch ein wenig Gerümpel rum.

Auch gestern hielt sich das Münchner Wetter nicht an die Vorhersage: Statt unter blauem Himmel fror ich unter grauem Hochnebel.

Ich schubste mich dennoch für einen Mittagscappuccino zum Zwecke der Frischluftbewegung aus dem Haus, auch damit mir im Büro danach richtig warm wurde.

Mittagessen zurück im Büro: Laugenzöpferl, Granatapfelkerne mit Joghurt

Auch wenn meine Wetter-App München weiter hartnäckig als sonnig anzeigte, hielt sich ebenso hartnäckig die bleierne Hochnebel-Decke, ich sah den ganzen Tag keine Sonne oder blauen Himmel.

Der Nachmittag zog sich ein wenig, ging aber dann doch rum. Ich marschierte für einen Süßigkeiten-Großeinkauf zum Aldi, dann zackig nach Hause. Von mir aus könnte es jetzt durchaus ein paar Grad wärmer werden.

Daheim wieder Yoga-Gymnastik, die Folge 6 ist bei Adriene immer Rumpftraining – in diesem Programm sehr wenig abwechslungsreich und überraschend.

Nach zwei Wochen Weihnachtspause gab es gestern wieder Ernteanteil. Aus dem Zuckerhut darin machte ich Salat mit Haselnussmus-Himberessig-Dressing. Schmeckte sehr gut, aber zum Sattwerden brauchte ich noch Pistazien (die mir in der libanesischen Nussmisschung so gut schmecken, dass ich eine Packung davon nachkaufte – diese kalifornischen leider lang nicht so gut wie die libanesischen, ich werde mal in einen der Läden an der Landwehrstraße gehen, die sie offen verkaufen) und ordentlich Süßigkeiten.

Da mir gestern Abend auch daheim nicht recht warm werden wollte, nahm ich beim Zu-Bett-Gehen die neue Wärmflasche in Betrieb, die mir das Christkind auf meinen Wunsch gebracht hatte – die alte stammte noch aus Studienzeiten, und ich wollte nicht durch ein Bad im Bett herausfinden, dass das Material dann doch ermüdet war. Diese neue hat einen kuschligen Überzug und wirkte hervorragend.

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Eva Menasse kombiniert in ihrem Roman Dunkelblum die Welt einer österreichischen Kleinstadt (Dunkelblum) an der Grenze zu Ungarn (wie sich nach einer Weile indirekt ergibt; direkt ist immer nur von “drüben” die Rede) und ihre Nazi-Vergangenheit mit den historischen Aufbrüchen in diesem Teil Europas 1989, als immer mehr DDR-Bewohner*innen über Ungarn flohen. Diese End-80er sind die Gegenwart, in der die Handlung spielt, von der aus die Vergangenheit erzählt wird. Das macht Menasse temperamentvoll und lebendig, nutzt dazu eine starke implizite Erzählstimme mit ironischem Tonfall, Einordnung der Figuren, mit farbigen, aber oft auch erbarmungslosen Beschreibungen. Diese Stimme ist deutlich österreichisch, der Roman wird durch ein Glossar ergänzt.

Die gegenwärtige Generation im Mittelpunkt sind zwei Heimkehrer nach Dunkelblum: Ein älterer Akademiker, dessen Identität sich erst nach und nach herausstellt und der Historisches erforscht, außerdem ein Nachkriegs-Geborener, längst in die große Stadt gezogen, der nach dem Haus seiner eben verstorbenen Mutter sieht und davon überrascht wird, dass sie viel über die schändliche Vergangenheit des Orts herausgefunden hat. Doch wir lernen sehr viel mehr und sehr unterschiedliche Personen und Familien kennen in dieser geschickt gewählten Zeit: als nämlich sowohl Opfer als auch Täter*innen der Nazi-Gräuel noch zahlreich am Leben waren, als Kommunikation und Recherche ohne Internet noch träge und umständlich waren. Ich folgte dieser Erzählstimme gern durch den heißen Sommer der Haupthandlung, ebenso gern zurück in vergangene Geschehnisse. Und ich begriff irgendwann, dass das Verschweigen und Unter-den-Tisch-Kehren, das Dulden und das Verdrängen nicht spezifisch mit den Verbrechen der Nazi-Zeit zu hatten, sondern einfach zu dieser Kleinstadtwelt gehörten, diese Art des Zusammenlebens erst ermöglichten.

Ein Zitat, das einem Kapitel vorangestellt wird, gefiel mir besonders gut:

Hier empfohlen die Rezension von Hanna Engelmeier in der Süddeutschen, die auch den historischen Hintergrund des Romans erklärt (und unter anderem die schöne Bezeichnung “nationalsozialistische Wiederaufbereitungsanlage” für den Ort verwendet), aber die Haltung der Erzählstimme kritisiert:
“Puppenhäuser der Verbrecher”.

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Wo Mathe und Magie überlappen.