Archiv für Januar 2024

Journal Mittwoch, 3. Januar 2024 – Muße statt Wandern

Donnerstag, 4. Januar 2024

Wecker auf sechs (zur Abwechslung mal wieder eine richtig schlechte Nacht, meine Nasenschleimhäute finden es gerade lustig, einfach zuzuschwellen), es sollte der über Monate erkämpfte FSME-Impftermin 3 endlich stattfinden – mittlerweile so spannend wie eine Fernreise per Deutscher Bahn. Ich bekam dann meine dritte FSME-Impfung tatsächlich, holte zwei Rezepte auf Vorrat.

Das frühe Aufstehen hatte mir ursprünglich auch deshalb gut gepasst, weil ich mit ein wenig Familile wandern wollte, das südliche Stück Würmweg bis Starnberg. Doch dann gab es am Dienstag gesundheitliche Probleme – nun gut, mir macht ja allein zu wandern auch Spaß. Nicht allerdings in dem neuerlichen Sturm, der schon Dienstagabend pfiff und toste, zudem immer wieder Regen brachte. Die Luft war zwar beim kurzen Gang zu Arztpraxis und zurück herrlich gewesen, das Draußen lockte, aber zum einen wäre “Erste Fußgängerin, die 2024 in Bayern vom Baum erschlagen wurde” nicht, der Superlativ gewesen, mit dem ich in die Geschichte eingehen wollte, außerdem fielen mir dann doch ein paar Draußenaufenthaltsmöglichkeiten ein, die das kommunale Rettungswesen potenziell weniger belasteten.

Das Ergebnis war ein echter Urlaubstag mit Nachgeben momentaner Ideen. Nachmittags forschte ich nochmal gründlich in mir, ob da nicht doch etwas aufzuarbeiten, aufzulesen, zu erledigen war? Doch nein, ich hatte wirklich frei.

Kurz vor Mittag ging ich zu Einkäufen in die Fußgängerzone, nahm unterwegs einen Mittagscappuccino in einer Espressobar, die ich mal ausprobieren wollte, ich zahlte einen Charlottenburger Preis (und konnte der Kundin vor mir, die erst beim Zahlen das große Schild “no cash CARDS ONLY” sah, aus der Klemme helfen). Im Oberpollinger, in dem ich vorher noch nie gewesen war, guckte ich mich nach Unterwäsche um – aber ich werde die neue Saison abwarten, in meiner Größe gab es kein einziges der Modelle, die mir gefielen und meinen Kriterien genügten. Außerdem wäre ich wirklich dankbar für eine Sortierung in BH (BüstenHALTER) und BD (BüstenDEKO).

Bei Manufactum staubte ich Königsberger Weihnachtsmarzipan um die Hälfte ab, im Hofbräuhausmühlenladen kaufte ich Mehle, im Supermarkt Salat fürs Abendessen, meine Wege nahm ich möglichst über selten gegangene Straßen und vorbei an interessanten Schaufenstern.

Zurück daheim Frühstück um kurz vor zwei: Apfel, selbstgebackenes Brot, Frau Schwiegers Früchtebrot mit Butter. Beim Zeitunglesen wurde ich müde, genehmigte mir eine Siesta.

Mehr Urlaubs-Muße: Abtauchen ins nächste Buch, in der Stadtbibliothek stand das vorgemerkte Dunkelblum von Eva Menasse zum Download bereit. Ich machte es mir damit auf dem Sofa gemütlich und war gleich gefangen in Menasses herrlich österreichischer Sprache und Erzählweise.

Vor dem Abendessen nochmal die Yoga-Folge vom Vortag (Folge 1 des neuen 30-Tage-Programms von Adriene), dann gab’s Kürbis-Quiche vom Vorabend, dazu Salatherzen mit Knoblauch-Majo (Rest vom Sonntag). Nachtisch Schokolade.

Nun habe ich das auch mal erlebt: Eine erfolgreiche Reklamation. Mein Handy-Gurt von Xouxou war kaputtgegangen, den ich vergangenen März dann doch gekauft hatte, weil am No-name-Billigbändel so deutlich der Qualitätsunterschied erlebbar war. Und obwohl das ein Sonderangebot gewesen war und ich sonst zu zäheknirschendem Wegstecken neige, nutzte ich diesmal das (sehr einfach zu findende) Kontaktangebot auf der Website und schickte ein Foto des Schadens ein mit der vorsichtigen Frage, ob man das vielleicht repaireren könne? Keine 24 Stunden später kam (nach dem PR-Satz zu Qualitätssicherung) die Ankündigung, ein Ersatz sei bereits unterwegs. An dem mir beim Einbau sofort auffiel, dass die kaputt gegangene Stelle inzwischen modifiziert worden war.

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Hiermit weise ich darauf hin, dass ein Blog aus der Ursuppe der Bloggerei seit einiger Zeit wieder am Start ist:
Kritische Masse von Martin Hufner.

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Auf instagram wieder eine besonders schöne Zusammenstellung auf dem Kanal @womeninstreet von Chris McCann.

Journal Dienstag, 2. Januar 2024 – Granta 165, Deutschland, überrascht und enttäuscht

Mittwoch, 3. Januar 2024

Ich war ja ungeheuer gespannt gewesen auf die Ausgabe 165, Deutschland, schließlich lese ich jede Ausgabe Granta gern, auch wenn mich das Thema sonst überhaupt nicht interessiert. Deshalb dauerte es auch ein paar Texte, bis ich mein Unwohlsein überhaupt zuließ mit der Behandlung eines Themas, mit dem ich mich als Deutsche, die seit 56 Jahren in Deutschland lebt (mit einem Jahr Unterbrechung für Studium in Wales), recht gut auskenne, inklusive regelmäßiger Einblicke in Außensichten in der New York Times, im Spectator, Economist, Guardian.

Es war dann das Interview zum Thema Antisemitismus in Deutschland, dass mich aus der Kurve trug: Georg Prochnik (ein US-amerikanischer Literaturwissenschaftler) interviewt dazu Emily Dische-Becker (deutsche Autorin und Forscherin in forensischer Architektur) sowie Eyal Weizmann (israelischer forensischer Architekt).
“Once Again, Germany Defines Who Is a Jew”.

Nämlich war ich sehr verblüfft (im Sinne von blieb mir die Spucke weg), dass sie sich drei Jüd*innen ausgesucht hatten, eine davon Deutsche, deren Haltung der typisch linken britischen entsprach und die alle erwünschten anti-israelischen Zitate lieferten: Die politische Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland sei nämlich demokratiefeindlich (als Beleg wurde die Einordnung der Organisation Boycott, Divestment, Sanctions – BDS als antisemitisch angeführt), das “Apartheids-System”1 in Israel würde blind unterstützt. Das cherry picking der Zitate-Geber*innen setzte sich bei den wild zusammengestellten Beispielen als Belegen heraus, quer durch die Instanzen. Es hatte fast etwas Lächerliches, wenn es nicht so schlimm gewesen wäre.

Deshalb hier eine jüdische Mainstream-Stimme aus Deutschland, die in diesem Granta Deutschland das Thema besser repräsentiert hätte – die von Ramona Ambs, ebenfalls keine wissenschaftliche Expertin fürs Thema Antisemitismus in Deutschland, sondern eine Schriftstellerin:
“Einstürzende Freundschaften”.

Und eine Stellungnahme des Zentralrats der Juden:
“Zentralrat der Juden: Kulturbetrieb verharmlost BDS-Bewegung”.

Beim Weiterlesen des Magazins vertiefte sich mein Eindruck: Das war wirklich keine liebevolle Perspektive, sondern Bestätigung von offensichtlich lang Vorgefasstem. Zum Beispiel war die einzige erwähnenswerte Großstadt, und das mehrfach, Berlin – dort leben ja auch alle englischsprachigen Expats (die edelste Sorte Ausländer*innen). Nichts an den Texten war wirklich falsch, doch ich diagnostizierte eine ausgesprochen unfreundliche Themenauswahl und Betrachtungsweise, die mich verwundert zurückließ: Wenn die Redaktion Deutschland doof findet, warum dann eine ganze Ausgabe darüber?

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Ich habe diese Woche noch frei, das ist sehr schön.

Wieder sehr lang geschlafen, das 7-Uhr-Läuten hatte ich wohl einfach in meine Träume eingebaut. Da ich normalzeitig ins Bett gegangen war, überraschte mich dieses späte Aufwachen und brachte meine Pläne durcheinander.

Wäschewaschen, Bloggen, Lektüre der Mastodon-Timeline, Wohnung gründlich durchsaugen (nach drei Wochen ohne Putzhilfe wurde es ungemütlich) vor meiner Schwimmrunde dauerten so lange, dass ich nach einer Radfahrt durch erstes Tröpfeln ins Olympiabad erst kurz vor zwölf ins Becken glitt.

Dort schwamm ich gut meine 3.000 Meter zwischen wenigen anderen auf der Bahn (es ist SO! schön, dabei nicht mehr frösteln zu müssen). Auf den Rückweg (mit ganz wenigen Nieseltropfen) hatte ich ausgiebige Einkäufe beim Vollcorner gelegt, zu meiner kompletten Überraschung konnte ich dort nicht den Posten “kleiner Hokkaido” fürs Abendessen abhaken, weil nur zwei Riesen-Oschis angeboten wurden.

Daheim schnell ausgeräumt, um drei einen Apfel und selbstgebackenes Brot gefrühstückt. Dann machte ich mich stadtfein, um in der Fußgängerzone Kleidung einzukaufen. Ich hatte nämlich in einem Berliner Marc O’Polo-Laden ums Eck vom Hotel reduzierte blaue Winter-Patentpullis gesehen und es für bescheuert gehalten, dort einen zu kaufen, wenn ich wenige Minuten von daheim auch solche Läden habe. Gestern fand ich heraus, dass das ein Fehler gewesen war: Weder der Laden in der Sendlinger noch der in der Theatinerstraße hatten genau diesen Pulli. (Nein, auch nicht online, zurück daheim checkte ich das sofort.)

Da die Fußgängerzone gestern erstaunlich voll war, guckte ich auch nicht wie geplant nach Abendgarderobe, sondern verschob das auf den nächsten Anlass einer solchen. Dafür bekam ich bei einem Edeka den gewünschten Hokkaido.

Zurück daheim erste Handgriffe fürs Abendessen, das durfte nämlich ich zubereiten, damit ich das Kochen nicht ganz verlerne: Kürbis-Ricotta-Quiche.

Nachtisch selbst gebackener Stollen, auf den ich richtig Lust hatte – jahreszeitlich und lokal können wir.

Trotz langem Ausschlafen war mir früh schwindelig vor Müdigkeit und ich torkelte (wirklich) ins Bett. Vielleicht brüte ich doch was aus.

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Ein wenig Optimismus für die Zukunft des Internets (das die Jungen ja gar nicht mehr kennen, so selbstverständlich ist ihnen/uns das Online, zurecht sprechen sie nur von dessen Teilbereichen und Funktionen): Im Rolling Stone erinnert Anil Dash daran, dass es die jetzige Zersplitterung von Plattformen und Gruppen schon mal gab, nämlich vor 25 Jahren und vor Twitter und Facebook.
“The Internet Is About to Get Weird Again”.

This hearkens back to that surprising, and delightful, discovery that often underpinned the internet of a generation ago — sometimes the entire platform you were using to talk to others was just being run by one, passionate person. We’re seeing the biggest return to that human-run, personal-scale web that we’ve witnessed since the turn of the millennium, with enough momentum that it’s likely that 2024 is the first year since then that many people have the experience of making a new connection or seeing something go viral on a platform that’s being run by a regular person instead of a commercial entity. It’s going to make a lot of new things possible.

(Nur dass die Welt der Online-Kommunikation heute eine komplett andere ist, unter anderem mit so viel mehr und heterogeneren Nutzer*innen – eigentlich hoch willkommen, doch die allerallermeisten wollen eben nicht selbst aktiv sein.)

  1. Falls Sie mal nachsehen wollen, was Apartheid tatsächlich ist. []

Journal Montag, 1. Januar 2024 – Neujahrslauf mit Erfreulichem

Dienstag, 2. Januar 2024

Gut geschlafen! Beim Klogang um halb vier öffnete ich das Schlafzimmerfenster, stellte aber schnell fest, dass das voreilig war: Draußen wurde ähnlich geböllert wie am Nachmittag. Fenster wieder zu.

Lang geschlafen. Der Tag startete hell und freundlich, ich die Waschmaschine mit Bettzeug und Geschirrtüchern drin. Aber das schönste am Morgen war das Ende der Reiseverstopfung (TMI, halt für die Chronik).

Ohne Herrn Kaltmamsells Hinweis hätte ich nicht mal dran gedacht, dann merkte ich aber: Ist weg, ich habe den Bezug zum Neujahrskonzert des Wiener Philharmonieorchesters verloren. Nach Brotbacken verließ ich also fröhlich kurz nach elf das Haus zum Neujahrslauf an der Isar, ohne jedes Hadern, dass das auf Kosten dieses Konzerts ging.

Diesmal nahm ich eine Tram Richtung Tivoli, mit leichter Mütze und Handschuhen, kurzärmligem Oberteil unter der Winterlaufjacke war ich fürs Mittelmilde genau richtig gekleidet. Ich begegnete nicht allzu vielen Leuten, die Jogger*innen wirkten routiniert, noch nicht nach Vorsatzsportler*innen.

Gegen die ich überhaupt nichts habe! Fett Respekt und beide Daumen hoch für jeden und jede, die versuchen, sich regelmäßig zu bewegen, obwohl es ihnen kein natürliches Bedürfnis ist. Und ich würde so gern all den rotgesichtigen Anfänger*innen zuraunen, dass sie schlicht zu schnell anfangen und erst mal ganz, ganz langsam traben sollten, noch langsamer, um sich auch nur die leiseste Chance zu geben, dass sie nicht alles daran hassen – aber das wäre übergriffig und unangebracht. Aber sollten Sie zu diesen Lauf-Anfänger*innen ohne Kondition aus einer anderen Cardio-Bewegungsform gehören: Bitte lassen Sie es langsam angehen, bitte. Lächerlich langsam traben, dann wieder ein Stück gehen, langsam traben, 15 Minuten reichen für den Anfang völlig. Und erst wenn Ihnen das langweilig wird, können Sie Tempo und Dauer zulegen.

Große Freude: Hinter der Emmeramsbrücke war der Weg über die Baustelle Herzog-Heinrich-Brücke frei! Auf der westlichen Isarseite kann man jetzt durchlaufen (gegenüber nicht), ich muss also nicht die nächsten Jahre auf die Ausblicke bei Unterföhring verzichten.

Fundamente der neuen Brücke.

Rückweg entlang dem Isarkanal.

Das erste von zahlreichen zu überkletternden Hindernissen aus gestürzten Bäumen.

Der Körper machte gut mit, nur die linke Bein-Rückseite ziepte im letzten Drittel bis hoch in den Sitzbeinhöcker. Nach gut anderthalb Stunden nahm ich eine Tram zurück nach Hause.

Zum Frühstück gab’s nach einem Apfel das frisch gebackene Brot.

Nicht so ganz gelungen (sollte viel größere Poren haben), aber gutes Frühstück. Wochenend-Süddeutsche gelesen, dann mit Musik auf den Ohren ein Stündchen über die vorherigen Wochen Angefallenes gebügelt. Die gestrige Yoga-Gymnastik suchte ich speziell für Nach-Lauf-Dehnungen aus.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell einen Seeteufel-Gulasch-Rest aus der Gefriere mit Spaghetti, sehr gut. Dann noch Plätzchen und Schokolade.

Im Fernseher ließen wir Vom Winde verweht laufen, und ich erinnerte mich daran, wie glaubwürdig und vielfältig der Roman die beiden Hauptfiguren Rhett und Scarlett zeichnet – er ist bei allem zeittypischen Rassismus und verzerrter historischer Perspektive lesenswert.

Journal Sonntag, 31. Dezember 2023 – Berlin-Rückfahrt, abgekürzter Silvesterabend

Montag, 1. Januar 2024

Tiefer Schlaf, rechtzeitiger Wecker für Rückreise. Abschied vom wirklich schönen Hotel Henri.

Diesmal dann doch Weltbild-rüttelnd: Nach Morgencappuccino am Berliner Hauptbahnhof fuhr der ICE-Sprinter direkt nach München nicht nur pünktlich ein, sondern auch wie angekündigt gereiht und intakt. Die Türen öffneten sich, unsere reservierten Plätze existierten. Ich begann, existenzielle Katastrophen unterwegs zum Ausgleich zu befürchten.

Zugfahrt unter mittelbewölktem Himmel mit sehr tief stehender Wintersonne. Das Wasser, das weiterhin in vielen Senken von Wiesen und Feldern stand, erzeugte damit interessante Anblicke: Helle Spiegelflächen, im Hintergrund oft lockere Windradgrüppchen, mal waren nur die sachte kreiselnden Rotorblätter sichtbar, mal das gesamte Windrad.

Zum Teil aber auch schier endlose Überschwemmung.

Ankunft am ersten planmäßigen Halt in Halle zwei Minuten ZU FRÜH (Katastrophen-Symptom, ganz sicher).

Doch dann: Entspannung des Weltbilds bei der Anfahrt auf Nürnberg. Die Schaffnerin informiert über eine Stellwerkstörung bei Ingolstadt (also auf unserer regulären Reststrecke), sie müsse erst noch herausfinden, wie sich das auf die Ankunft in München auswirken werde.

Daraus wurde eine gut 20 Minuten verspätete Ankunft im hellen, milden München, aber hey: Alle Menschen, die nur bis Nürnberg mitgefahren waren, hatte eine perfekte, Weltbild störende ICE-Fahrt gehabt. (20 Minuten hin oder her für die lange Strecke Berlin-München finde ich wirklich nicht schlimm, das erwartet auch von einer Autoreise niemand – ich gehöre aber auch nicht zu den Leuten, die gestern dadurch ihren Zug nach Budapest verpassten, den es sehr wahrscheinlich nicht so oft am Tag gibt.)

Auf der Münchner Bahnhofsbaustelle kaufte ich uns Frühstückssemmeln, die gab es nach Blumengießen, Kofferausräumen, Einschalten der Waschmaschine zum Frühstück um zwei, davor einen Apfel. Draußen bereits regelmäßiges Geböller.

Wie von langer Hand geplant setzte ich dann Brotteig an, der den Bestand an altem Sauerteig aufbrauchte: Auffrischbrot Jule.

Zwischen zwei Strech&Folds endlich wieder Yoga-Gymnastik, eine Einheit für den ganzen Körper (während draußen Regen prasselte – der zu meiner Überraschung das Geböller keineswegs minderte).

Silvester-Abendessen:

Die Artischocken, die wir in Berlin gekauft hatten, gab es mit selbst gemachter Majo (so köstlich! auch noch als Dip verdünnt mit Joghurt und mit reichlich Knoblauch), dann ein wenig Linsen (dazu hatte ich Herrn Kaltmamsell überredet, weil sie ein traditionelles italienisches Silvester-Gericht sind, die Linsen sollen Glück bringen und Münzen symbolisieren), dann noch spanische Pimientos de piquillo gefüllt mit Feta und weiteren spanischen Käse. Alkohol dazu war Aperol Spritz, Nachtisch edle Pralinen aus Königsbrunn, die wir zu Weihnachten geschenkt bekommen hatten, sowie spanischer Turrón, ebenfalls Weihnachtsgeschenk. Doch mal wieder überfressen.

Im Fernsehen ließen wir Das große Rennen rund um die Welt laufen, den ich noch nicht kannte, der mir als Klassiker angepriesen wurde – und den Herr Kaltmamsell praktisch mitsprechen konnte: Er hatte den Film als Kind oft gesehen. Ich wurde nicht recht warm mit dieser Art Albernheit, erkannte zwar die Hommage an Stummfilmzeiten (Väter der Klamotte durfte ich freitags am Vorabend ansehen), fand sie aber zu platt. Wir hielten eh nicht den ganzen Film durch, um halb elf war Bett und Lichtaus (Ohrstöpsel und geschlossene Fenster), das Datum würde sich auch ohne uns korrekt umstellen.

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Langsam, langsam nähere ich mich einem Zustand, in dem der Kauf eines neuen Rechners eine Option wird. Der jetzige, ein McBook Pro, ist zehn Jahre alt, und eigentlich wollte ich ihn behalten, solange er Betriebssystem-Updates mitmacht und nicht kaputt geht. Doch anders als seine Vorgänger geht dieser hier immer nur ein kleines bisschen mehr in kleinen Funktionen kaputt, so graduell wie seinerzeit unsere alte Küche, so dass ich mich mit Work-arounds daran gewöhne. Ich fürchte, ich könnte dadurch übersehen, dass er eigentlich ein Sicherheitsrisiko darstellt.

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Formschub schwärmt vom Kochen und allgemein vom praktischen Umgang mit Lebensmitteln in einer Weise, die ich kenne:
“Herdgedanken”.

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In ihrem Debütroman ergründet Anne Rabe, wie die Gewalt der DDR bis heute nachwirkt. Hier berichtet sie vom Schweigen bei ihrer Lesereise.

“Schweigen über Gewalt in der DDR:
Durchwachte Nächte”

Rabes autofiktionaler Roman Die Möglichkeit von Glück gehörte zu meinen wichtigsten Lektüren 2023. Er hatte viel Nachdenken bei mir ausgelöst, dieser Artikel jetzt weiteres, unter anderem darüber, wie elterliche Gewalt Urvertrauen und ein grundlegendes Sicherheitsgefühl zerstören kann, statt dessen hart machen (erst vor wenigen Wochen von einem Altergenossen ein nur wenig lustig gemeintes “Uns hat’s a ned g’schad!” gehört, diesmal den Widerspruch “Doch.” runtergeschluckt).