Journal Mittwoch, 24. April 2024 – Nora Abdel-Maksoud, Doping

Donnerstag, 25. April 2024 um 8:37

Es wurde wieder nur mühsam hell zu grauem Himmel. Zumindest blieb die Kälte vorerst niederschlagsfrei (noch zwei Tage, hielt ich mir vor Augen, am Freitag sollten die Temperaturen spürbar steigen).

Wieder in Winterkleidung in die Arbeit.

Trotz allem marschierte ich auf einen Mittagscappuccino ins Westend, die Bewegung tat auch bei leichtem Nieseln gut.

Mittagessen Pumpernickel mit Butter, eine Orange. Dazu Schneegestöber vorm Fenster. Die Bürojalousien wollten dennoch ständig runter, regelmäßiges Aufspringen, um sie davon abzuhalten.

Feierabend machte ich schon um halb vier: Ich hatte abends einen Theatertermin. Auf dem Heimweg wurde ich nochmal angegraupelt, jetzt war aber wirklich mal gut.

Straße mit Blick auf nassen Bürgersteig, rechts ein Stromkasten auf dessen Seite eine weiße Figur gesprüht ist

Das Männchen scheint der Westend-Patron zu sein.

Für mein Theaterabo hatte ich gestern Begleitung; wir trafen uns vor der Vorstellung zum Abendessen im Blauen Haus. Dort gab es Salätchen zur Vorspeise, dann ließ ich mir Tomate-Mozzarella-Ravioli mit brauner Butter servieren, die mir wunderbar schmeckten.

Gegeben wurde gestern in den Kammerspielen das frisch geschriebene Theaterstück (!) Doping von Nora Abdel-Maksoud, die auch Regie geführt hatte, angekündigt als “Komödie” – ich konnte mich nicht erinnern, in den Kammerspielen je eine “Komödie” gesehen zu haben und war ausgesprochen gespannt. Begleiterscheinung dieser raren Gattung: Nur gut anderthalb Stunden Spielzeit, das hatte ich ja seit der Intendanz von Johan Simons nicht mehr gehabt. Außerdem rar: Der Zuschauerraum war voll, sogar proppenvoll bis auf den letzten Platz, und das Publikum hörte sich ausgesprochen amüsierwillig an.

Doping startete mit voller und eher platter Breitseite: Dem Monolog eines FDP-Lokalpolitikers auf Sylt, erwartbaren Leistungsgesellschaftsstatements, Komik-Niveau eher Fernsehen. Mit brachialer Komik ging es auch weiter: Politiker scheitert gesundheitlich an seinen eigenen Standards, muss unbedingt für eine zentrale Wahlveranstaltung wieder funktionisfähig gemacht werden, wird in eine Geheimklinik gebracht. Das war gnadenlos immer weiter überdreht und durchgespielt, irgendwann ließ auch ich meine eher angespannten Augenbrauen sinken und mich amüsieren.

Vincent Redetzki als Jung-FDPler zeigte wunderbar die geistigen Verbiegungen, die ein Man-muss-nur-wollen-Idealist bei Kontrollverlust benötigt, um diese Ideologie aufrecht zu erhalten. Seinen Mentor spielte Stefan Merki und stand für die Verwechselbarkeit von Leistungsideal und Egoismus (und durfte die schöne Zusammenfassung des FDP-Wahlprogramms sagen: “Freiheit, Eigenverantwortung und: Wer soll das bezahlen?”). Şafak Şengül stellte seine ständig unterschätzte Tochter dar, die in ihrer Schlauheit unbeabsichtigte Absurditäten aus dem Neoliberalismus ihres Vaters kitzelt. Und dann hatten wir als Krankenhauspersonal Eva Bay als Pflegerin, die die Monologe zur Forderung von equal share für Frauen bekam, Wiebke Puls in der am meisten überdrehten Rolle des Chefarztes mit brutalem Waterkant-Akzent, den ich zuletzt im Ohnsorg-Theater als solch komisches Stilmittel gesehen hatte (ich bin alt). Bühnenbild eher keines, lediglich ein pinkfarbenes Dreivierteilrund als Wand, das hin- und hergefahren wurde.

Insgesamt schon eine Gaudi, die Absurdität und Destruktivität der aktuellen FDP-Ideologie in erwartbare Spitzen getrieben, gepredigt natürlich zum eh schon bekehrten Kammerspiel-Publikum. Der Abend hatte etwas von politischem Kabarett der Lach- und Schieß-Generation (schöne Erinnerung, ich bin – siehe oben – alt) (und dieselbe Erinnerung, sehe ich, hat Wolfgang Höbel im Spiegel, aber der ist halt auch alt).

Der Heimweg begann saukalt, ich gab meinem Frieren und der fehlenden Bewegungslust nach und nahm für die eine Station eine U-Bahn nach Hause.

§

“The Evolution of Stupidity (and Octopus Intelligence)”.

via Buddenbohm

Dieser Artikel über Dummheit hat mir zum ersten Mal eine Definition von Intelligenz geboten, die mich (vorerst?) zufrieden stellt. Ich war bislang eher auf “denkt sehr schnell” ausgewichen. Aber hier (meine Umschreibung):
– Ignoranz ist das Fehlen von relevanten Daten/Informationen, die für die Lösung eines Problems erforderlich ist.
– Intelligenz ist das Ableiten einfacher Lösungen für komplexe Probleme. Mit Intelligenz helfen Informationen zur schnelleren Problemlösung. Problemlösung mit Intelligenz ist signifikant schneller als die mit reinem Ausprobieren.
– Dummheit ist die Anwendung einer Regel oder eines Gedankengebäudes, ohne dass Hinzufügen von Daten oder Informationen die Problemlösung verbessert. Extreme Dummheit ist in Problemlösung langsamer als reines Ausprobieren.

Was menschliche Intelligenz in obigem Sinn laut dem Artikel von der unterscheidet, die wir an Tieren beobachten: Durch Aufzeichnung können wir Wissen und Erkenntnisse über viele Generationen kommunizieren, sie immer weiter verbessern. Tiere können immer nur von Lebenden lernen.

die Kaltmamsell

Comments are closed.

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.