Journal Dienstag, 30. April 2024 – Metzgerei-Test und Casablanca
Mittwoch, 1. Mai 2024 um 7:35Die letzten Stunden der Nacht leider unruhig und mit Kopfweh, wo ich doch so wohlig mit den Frühlingsnachtdüften aus dem offenen Fenster eingeschlafen war.
Schon auf dem Weg in die Arbeit war es mild; ich bereute die Jacke, da ich wusste, dass ich sie nach Feierabend würde heimschleppen müsssen.
Die Kastanien im Bavariapark in Blütenpracht.
Ausgesprochen emsiger Vormittag, für meinen Mittagscappuccino huschte ich nur zu Nachbars.
Die Mittagspause nutzte ich, um einer Metzger-Empfehlung nachzugehen, nachdem unser Metzger Schlagbauer in Wohnungsnähe aufgegeben hat. Diese Metzgerei liegt drei U-Bahn-Stationen von der Arbeit entfernt, dort gleich beim Ausgang, ist also gut erreichbar für eine Nutzung alle paar Wochen. Auch diese hat sich vor allem auf das Angebot von fertigen Speisen verlegt, daran stand eine lange Schlange. Doch die Auswahl der Fleischtheke sah ernsthaft aus, ich bekam meine extragroß geschnittene Rindsroulade für den geplanten Farsumagru am Mittwoch. (Nennung mit Empfehlung erst nach mehr Tests.) Allerdings ist die Mittagspausenzeit überreizt, wenn es sowohl hin als auch zurück U-Bahn-Probleme gibt und ich je eine Viertelstunde warten muss, sieht künftig eher nach Feierabendeinkauf aus.
Spätes Mittagessen am Schreibtisch: Mango mit Sojajoghurt und eingeweichten Haferflocken.
Der Nachmittag wurde zackig, ich versuchte, so viel wie möglich für die große Veränderung (meiner Rahmenbedingungen, ich bleibe, wo ich bin) am Donnerstag vorzubereiten, was unter anderem zu einer beachtlichen Zahl auf meinem Schrittzähler führte.
Auf dem Heimweg (ich ließ die Jacke einfach im Büro) noch ausführliche Einkäufe im Vollcorner.
Zu Hause eine Dehn-Runde Yoga-Gymnastik, dann öffnete ich einen Feierabendwein: Meinen ersten georgischen Amphorenwein, Koncho & Co Rkatsiteli Qvevri.
Maischevergoren, doch offensichtlich gefiltert, bernsteinfarben und dennoch trocken, auf jeden Fall ein neuer Weingeschmack mit seiner Sherrynote. Gefiel mir gut, doch mir fällt erst mal keine Speise dazu ein (luftgetrockneter Schinken?).
Als Nachtmahl machte Herr Kaltmamsell aus den restlichen Ernteanteil-Kartoffeln seine ersten Gnocchi (den Rest fror er ein).
Sie waren ganz hervorragend gelungen, samtig und leicht, kein Vergleich zu dem pomfigen Klopsen aus dem Supermarkt.
Für den Nachtisch nutzten wir endlich die seit Wochen kalt gestellten Dessertschälchen aus der Gefriere und gingen zur nächstgelegenen Eisdiele in der Landwehrstraße – um grade mal noch etwas zu bekommen, die Schildchen an den Eissorten waren bereits weggeräumt: Der Eisdieler schloss gestern vorzeitig, um ein Fußballspiel anzusehen.
Selbst hatte ich mir als Abendunterhaltung Casablanca erbeten: Herr Kaltmamsell kennt den Film im Detail sehr gut, weil er ihn bereits mehrfach im Unterricht zur Vermittlung von Filmtechniken verwendet hat, von Drehbuch und Set über Besetzung und Kamera bis Film- und Zeitgeschichte. Ich aber hatte den Film nur einmal im Leben gesehen und kannte eigentlich nur die kanonischen bis ikonischen Bilder, Szenen, Dialogausschnitte.
Ich genoss ihn bei diesem zweiten Mal sehr, ein einmaliges Meisterwerk – mag die Meisterschaft auch zahllosen Zufällen geschuldet sein (zu den vielen Fans des Films gehört Steven Spielberg, hier erzählt er ein wenig, warum). Allein all die Kriegsflüchtlinge, die hier als Komparsen eingesetzt wurden und deren Vielfalt damit für immer festgehalten wurde!
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“Null Euro Eigenkapital, null Quadratmeter Anbaufläche und null Ahnung vom Gärtnern” – das Kartoffelkombinat wurde gestern 12 Jahre alt und erinnerte sich an seine Anfänge, unter anderem auf instagram (wo inzwischen regelmäßige Einblicke in unsere Gärtnerei gepostet werden, falls Sie mitgucken wollen).
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INTERNET IST TOLL! Ich glaube, ich erwähnte es schon mal. Denn Cordula Schulze hat wirklich gemacht, wovon ich seit Jahrzehnten denke: Man müsste endlich mal, bevor es weg ist. Nämlich Nachkriegsbaulücken mit provisorischer Bebauung festhalten, ich nannte sie immer Bombenlöcherfüller.
Geboren 1967 wurde ich groß mit deutschen Städten, in denen eingeschoßige Flachbauten mitten in viel höheren Häuserzeilen klar signalisierten: Hier stand mal ein Häuserzeilen-hohes Haus, das durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, danach zog jemand schnell ein Provisorium hoch.
Cordula Schulze zeigt hier ihre Sammlung:
“Provisorien in Baulücken: ephemere Dauerhaftigkeit”.
Bei dieser Gelegenheit weise ich immer darauf hin: Es wird uns noch leid tun, wenn wir die Bombenlöcherfüller in den Städten, seien sie eingeschoßig oder höher, alle beseitigt haben, nur weil wir sie in einer späteren Phase hässlich fanden. Ihre sofortige Erkennbarkeit belegte ihren unverwechselbaren Stil – der dann nur noch auf Fotos existiert. Oder wie Cordula Schulze es formuliert:
Aus meiner Sicht eignet sie sich besonders dafür, uns die langfristigen Folgen von Kriegszerstörungen vor Augen zu führen.
die Kaltmamsell
9 Kommentare zu „Journal Dienstag, 30. April 2024 – Metzgerei-Test und Casablanca“
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1. Mai 2024 um 8:29
Danke für den Link … und ja, die Folgen der Kriegszerstörungen werden immer weniger erinnert, leider.
Die Mauersegler sind da! Habe sie eben gehört …
1. Mai 2024 um 8:34
Ja, es verschwindet so viel! Ab einem gewissen Alter betrifft das immer mehr Lebensbereiche.
Städteplanerisch ist das Füllen dieser Lücken allerdings eine Chance zur Nachverdichtung ohne weiteren Flächenverbrauch für den Wohnungsbau.
1. Mai 2024 um 10:03
Guten Morgen Frau Kaltmamsel,
das Rezept für die samtigen leichten Gnocchi interessiert mich sehr, da meine bisherigen Versuche scheiterten. Einen schönen ersten Mai!
1. Mai 2024 um 12:22
Ich habe als junger Schauspieler mal bei einer Premierenfeier neben Curt Bois (“Vultures! Vultures everywhere…”) sitzen dürfen und den armen Mann mit endlosen Fragen zu den “Casablanca”-Dreharbeiten gelöchert, bis er schließlich meinte: “Junger Mann, solange Sie sich mehr für diesen Quatsch, den ich nur zum Geldverdienen gemacht hab, als zum Beispiel für Brecht und Kortner interessieren, wird aus ihnen nichts werden…”
1. Mai 2024 um 12:48
Pomfig – danke für das Wort
1. Mai 2024 um 15:07
@S. Ich habe nach Rezepten gesucht, ein paar verworfen und zwei sehr ähnliche behalten, das ist das, das ich schließlich verwendet habe:
https://fitaliancook.com/original-italienische-gnocchi-selber-machen/
@Chris Kurbjuhn: Respekt, schöne Anekdote.
1. Mai 2024 um 19:17
Kennen Sie die Bücher von Nino Haratischwili? Insbesondere in “Das mangelnde Licht” kommen auch etliche georgische Speisen vor, vielleicht finden Sie dort Anregungen für den Wein? Ansonsten habe ich auch “Das achte Leben (Für Brilka)” sehr gerne gelesen.
1. Mai 2024 um 23:19
Tolles Foto von Pflanze durch Weinglas.
6. Mai 2024 um 9:27
Vielen Dank für den Link zu den Baulücken! Mir war das überhaupt nicht bewußt (Jahrgang 1984, Dresdnerin (hier gab es nach der Bombardierung ja eher gar nix mehr…)), auch wenn mensch es sich ja eigentlich auch logisch erschließen könnte…