Archiv für Mai 2024

Journal Freitag, 17. Mai 2024 – Anstrengendes Berufsdings überstanden

Samstag, 18. Mai 2024

Ich hatte befürchtet, dass ich wegen eines lang geplanten Berufsdings am Freitag schlecht schlafen würde, und tatsächlich begann mich nachts immer wieder Angst zu überschwemmen, die ich mit “Jetzt ist aber mal GUT! Das wird schon!” wegschob. Klappte sogar ein bisschen.

Draußen war es morgens kühl (also: jetzt wirklich) und regnerisch, doch auf dem Weg in die Arbeit blieb ich trocken.

Das Berufsdings begann schon auf diesem Weg in die Arbeit. Und ab dann lernte ich eine Menge. Zum einen, wie gut es war, dass ich zu praktisch jedem Detail eine Alternative eingeplant hatte, wenn Standarddetail nicht funktionieren würde. Denn es funktionierte einiges nicht. Zum anderen, worauf ich mich leichtsinnigerweise verlassen hatte, weil ich nicht auf die Idee gekommen war, dass es nicht funktionieren würde – alles Dinge, für die ich nicht zuständig war. Beim nächsten Mal mache ich mich also lieber unbeliebt, indem ich die Zuständigen beweisen lasse, dass das funktioniert. Und überlege mir gleichzeitig auch dafür Alternativen. (Womit ich in solchen Situationen mangels Souveränität ganz schlecht zurechtkomme: Mit spontanen Zusatzideen während Dings.)

Nebeneffekt: Ich war schon um zehn bei 11.000 Schritten.

(Und schon wieder stecke ich in der Situation, dass ich allein auf Jobs sitze und auf keinen Fall ausfallen darf. Da wollte ich doch eigentlich nie wieder landen.)

Dazwischen am Schreibtisch irrlichternde aufgezwungene Software-Updates des Rechners, zahlreiche Neustarts erfordernd, immer wieder mit Fehlermeldungen abgebrochen – der Computer hatte offensichtlich einen ähnlichen Arbeitstag wie ich. Ich war sehr stolz darauf, dass ich nach der fünften Runde noch wusste, woran ich eigentlich gerade arbeitete ($Rechnungsvorgang).

Nach einem endlich erfolgreichen Neustart (auch mein Dings endete erfolgreich) schrieb mir Microsoft Ätsch dieses.

Planet Marketing und ich entfernen uns immer weiter voneinander. Und die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung geht ebenso an mir vorbei wie die nach Selbstfindung – MICH will ich echt nicht finden oder verwirklichen, da fallen mir Dutzende Liebere ein.

Im weiteren Verlauf des Arbeitstages wurde mir klar, dass mein Job so sehr an Komplexität gewonnen hat, dass ich einiges neu strukturieren muss (Listen! Erinnerungen! Ablagen!), um nicht unterzugehen.

Gegen zwei war das Berufsdings durch und aufgeräumt, ich hatte dazwischen irgendwann zwei Bananen und ein Töpfchen Hüttenkäse gegessen. Draußen hörte ich es hin und wieder tröpfeln (im Sinne von: an die Fensterscheibe meines Büros).

Feierabend leider nicht so pünktlich wie gerade gestern nötig, weil Querschüsse. Ich musste mit zwei Stationen U-Bahn-Fahrt bis Theresienwiese sicherstellen, noch rechtzeitig vor Öffnungsende in einen bestimmten Laden zu kommen, um eine bestimmte Bestellung für nächsten Dienstag aufzugeben.

Heim kam ich fix und alle. Herr Kaltmamsell bot mir Anlehnen an, doch es war nicht diese Art fix und alle. Ich wollte lieber eine ruhige Runde Yoga-Gymnastik – die wirkte auch. Jetzt war ich frisch genug für die Zubereitung von Crème brûlée, um die Herr Kaltmamsell gebeten hatte und die es Samstagabend geben würde.

Aufsicht auf fünf weiße flasche Schüsselchen, gefüllt mit gelber Creme

Über jahreszeitlichen Erdbeer-Gin-Tonics plante ich mit Herrn Kaltmamsell die Speisefolge der nächsten Tage – sie wird sehr Fleisch-lastig: Short Ribs, Fleischpflanzerl, Einkehren nach Wanderung.

Zwei Ballongläser mit Eis, Erdbeeren, hellrosa durchsichtigem Getränk, dahinter eine Flasche Erdbeergin

Anstoßen auf Herrn Kaltmamsells Start in die Pfingstferien.

Gedeckter Tisch mit grünen Sets, darauf Glasteller mit Koteletts und Kohlrabi-Karotten-Salat

Zu Kalbskoteletts hatte Herr Kaltmamsell den Ernteanteil-Kohlrabi zu einem Ottolenghi-Salat mit karamelisierten Kerndln verarbeitet – hervorragend. Nachtisch Schokolade.

Journal Donnerstag, 16. Mai 2024 – Nicht weiter erwähnenswerter Arbeitstag

Freitag, 17. Mai 2024

Ich bin nix mehr gewohnt, fünf Tage Arbeitstage pro Woche fühlten sich elend lang an. Und ich musste mich morgens mehrfach daran erinnern, dass erst DONNERSTAG war.

Beim nächtlichen Aufstehen und morgens brachten mich die neuartigen Fußschmerzen sehr zum Humpeln, ich holte den Igelball und rollte beim Bloggen mit den Fußsohlen darauf herum – ohne dass ich an ursächliche Linderung glaube, ich habe eine ziemlich gute Vorstellung vom Auslöser der Schmerzen.

Gemischtwolkiger Himmel, kühle Luft deutlich unter 20 Grad, dennoch hätte ich auf dem Weg in die Arbeit die Jacke nicht wirklich gebraucht: Ich schwitzte.

Nach geordnetem Start wieder tumultöse Zustände in der Arbeit, an einem Punkt mit Boulevardtheater-Qualität, als ich gerade mit Kopfhörer über Teams telefonierte, mein Festnetz-Apparat klingelte und zwei von drei Türen meines Büros aufgingen, weil Menschen etwas von mir wollten.

Kurz vor Mittag musste ich nochmal zu einer beruflichen Erledigung raus und war sehr froh drum. Es war mild und schwül. Bei dieser Gelegenheit kauft ich mir eine Tasse Cappuccino beim Bäcker, im Mischverhältnis eher ein kleiner Latte macchiato.

Zum Mittagessen zwang ich mich pünktlich (also um halb eins), damit ich später nicht ins Hetzen kam: Apfel, Quark mit Joghurt.

Wieder war ich um zwei eigentlich durch, doch Querschüsse hielten mich wach. Ich ackerte noch eine ganze Weile. Wie durch Wasser.

Der Heimweg war schön, immer noch durch milde, jackenlose Luft und mit ein wenig Sonne. Einkäufe beim Vollcorner, damit ich am Freitag nach frühem Feierabend etwas ganz besonders Dringendes erledigen kann.

Daheim turnte ich nach vier Tagen Pause endlich mal wieder Gymnastik, diesmal australisches Pilates – noch war kein Kraft-Verlust spürbar.

Donnerstag ist Ernteanteil-Tag, ich verarbeitete den Eisbergsalat daraus mit Haselnussmus-Dressing und gebratenem grünen Spargel, köstlich und reichlich. Herr Kaltmamsell hatte der drohenden Bodensichtung in der Süßigkeiten-Schachtel gegengekauft, zum Nachtisch gab es eine Auswahl Süßigkeiten. Darunter unter anderem die Toffifee-Sonderedition Kokos – die auch mir Kokos-Skeptikerin schmeckte.

Ein besonders durstiger Tag, auch ohne nennenswerten Sport kam ich rückblickend auf vier Liter Wasser.

Journal Mittwoch, 15. Mai 2024 – Prework-Isarlauf

Donnerstag, 16. Mai 2024

Noch früherer Wecker, ich wollte mal wieder vor der Arbeit Laufen gehen, und gestern war der letzte schöne Tag vor Eintrübung angkündigt.

Ich wachte dann sogar vor Weckerklingeln auf – erleichtert, denn ich schwamm wieder in Angst

Das Fertigmachen für Sport fiel mir leicht, ich freute mich auf den Lauf.

Park mit alten Bäumen, durch die Sonne scheint, links ein paar Geräte eines Spielplatzes

Das Haupttor zum Alten Südfriedhof stand zu meiner Überraschung offen – doch es war das einzige Tor, ich kam am anderen Ende nicht raus und musste zurücklaufen.

Alter, parkähnlicher Friedhof

Alter Grabstein mit einer Frauenfigur, die in der Hand eine echte rote Rose hält

Es wurde trotzdem ein wunderbarer Lauf in frischer Luft und dem Licht der frisch aufgegangenen Sonne. Einziges, aber großes Ärgernis: Mein Kopf war zu 95 Prozent mit Arbeitsdingen beschäftigt (völlig unnötig, keine Probleme derzeit), grad dass ich mir keine E-Mails mit Selbsterinnerungen in die Arbeit schickte.

Wieder waren die Wege um halb sieben nahezu leer, ab sieben schlagartig belebter.

Holzplankenweg zwischen Bäumen vor blauem Himmel

Sonniges Flussbett mit Bäumen, im Vordergrund eine Brüstung

Flaucher

Pfad zwischen Laubbäumen, hinter denen die Sonne scheint

Idealer Lauf-Untergrund.

Ich beschränkte mich auf 70 Minuten, um den restlichen Tagesablauf nicht zu schief werden zu lassen. Tatsächlich kam ich nach zackigem Marsch nur 40 Minuten nach meinem üblichen Start im Büro an. Dort war bereits das eine oder andere aufgelaufen und ich geriet erst mal in ein wenig Hektik, doch nichts war angebrannt.

Zwischen zwei Online-Terminen Mittagscappuccino bei Nachbars, dann geschäftliche Einkäufe im Supermarkt (Bewirtung für eine Besprechung war bewilligt worden, aber mangels Inhouse Catering muss das Zeug halt selbst organisiert werden, wenn Auftrag an einen externen Caterer überdimensioniert wäre). Als Mittagessen hatte ich einen Apfel und eingeweichtes Muesli mit Sojajoghurt dabei.

Emsiger Nachmittag, ich bekam richtig was weggeschafft. Das Wetter begann umzuschlagen, erst mal mit einem ordentlichen Regenguss. Als ich nach Feierabend in die Innenstadt marschierte, war es allerdings schon wieder trocken und nur ein wenig kühl.

Ich genieße es ungemein, dass ich dieses Jahre einen richtigen und schönen Frühling erleben darf, etwas zwischen 8-Grad-Regen und 28-Grad-Hitze – das sich deutlich anders anfühlt und deutlich anders riecht als Sommer.

Braunes Eichhörnchen auf frisch gemähter Wiese

Niedlichkeitsattacke vorm Bavariapark.

Ich kaufte fürs Abendessen ein: Spargel samt Peripherie. Daheim machte ich mich gleich an die Zubereitung von Folienspargel mit Eierhacksauce. Schmeckte ganz ausgezeichnet. Nachtisch Schokolade.

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Was man nicht alles aushalten muß, bis man endlich zu alt für alles ist.

Das und noch mehr hier.

§

Wie alte Leute (also wie ich) zu 80er-Musik tanzen.

Selbstverständlich, wie denn sonst? Deshalb fände ich viel interessanter zu sehen, wie meine Nifften darauf tanzen. (Brüderchen, das ist ein Arbeitsauftrag.)

Hier noch viel viel mehr davon. Und ich sehe in allen erst mal den/die 16-18-Jährigen, die ich damals in Discos, auf Partys traf.

Journal Dienstag, 14. Mai 2024 – Didier Eribon, Sonja Finck (Übers.), Eine Arbeiterin

Mittwoch, 15. Mai 2024

Wieder eine gute Nacht, doch wieder endete sie in einer unangenehmen Angstphase.

Nochmal Sonnen-Power draußen, ich marschierte in kurzen Ärmeln in die Arbeit (eine Jacke wäre wirklich angenehm gewesen, doch ich war wieder zu faul zum Heimschleppen).

Die Lösung meines Problems mit der Handyzahl-App (VIMPay übrigens, mit der meine Bank, die Sparda, zusammenarbeitet), von der eine erforderliche und angeblich abgeschickte TAN nie eintraf, nicht bei Dutzenden Versuchen und über mehrere Tage: Ich hatte am Sonntag an die Service-Adresse geschrieben, die am Montag zurückschrieb, “richte die PushTAN-Verbindung bitte nochmals anhand der folgenden Anleitung ein”. Stellte sich heraus: Ich hatte diese Funktion nie eingerichtet. Und wie ich bei neuerlichem Aufruf der App herausfand, ist sie auch gar nicht erforderlich, jetzt gab es eine Möglichkeit, auch ohne weiterzukommen. UX-Hölle in Lehrbuch-Qualität.

Emsiger Vormittag, aber ich hatte Zeit für einen Mittagscappuccino im Westend.

Cappuccinotasse auf einem Holztresen vor einem Fenster, durch das man eine sonnenbeschienene Straße und ein altes Haus sieht

Zu Mittag gab es einen Kanten selbstgebackenes Brot und Mango mit Sojajoghurt.

Der Nachmittag war zäh, doch ich schaffte Dinge weg (und fand nicht heraus, wie ich für Outlook-Besprechungen Agenda und Protokolle in OneNote bastle, die nicht nur zu meinem persönlichen OneNote führen). Außerdem plagten mich Schwäche und Schwindel – wie ich aus meinem Blog weiß, bekomme ich den besonders häufig im Mai.

Nach Feierabend nahm ich eine U-Bahn in die Innenstadt, ließ mir bei einer Ärztin ein Rezept auf die Krankenkassenkarte laden, kaufte ein wenig im Kaufhaus ein und im Drogeriemarkt, kurz vor daheim noch Erdbeeren am Standl.

Ernteanteil war aufgegessen, Herr Kaltmamsell hatte Nachtmahl beim (deutschen) Traditionschinesen Shanghai am Stachus beschlossen. Da gingen wir hin.

Restauranttisch am Fenster im 1. Stock, draußen ein Schild "Chiina Restaurant Shanghai", drinnen am Tisch liest ein Mann die Speisekarte

Eine weiße Schüssel mit gebratenen Auberginenstücken, rechts davon eine Servierplatte mit Grünem Stengelgemüse

Oben ein weißer Teller mit Tofustückem in roter Sauce, unten eine Schalte Reis

Wir teilten uns Wasserspinat mit Knoblauch, Aubergine mit wenig Hack, Mapu Tofu – sehr schön unterschiedlich und aromatisch.

Zurück daheim gab es noch reichlich Erdbeeren und ein wenig Schokolade.

Im Bett begann ich neue Lektüre: Joseph Roth, Hiob.

§

Didier Eribon, Sonja Finck (Übers.), Eine Arbeiterin.
Didier Eribon schreibt über die letzte Lebensphase seiner Mutter, der titelgebenden Arbeiterin. Diesmal belustigte es mich beinahe, wie Eribon zutiefst menschliche und zwischenmenschliche Dinge mit den Werkzeugen der Soziologie analysiert (das tat er ja schon in Rückkehr nach Reims, hier besprochen). Zum Beispiel seine Schilderung, wie seine Eltern, die einander nicht ausstehen konnten, all die Jahrzehnte ihrer Ehe ein Bett teilten: Das sei halt durch ihre Zugehörigkeit zur Arbeiterklassen bedingt, in der Alternativen undenkbar gewesen seien. (PurzelchenCherie: Die Alternative ist in praktisch allen Klassen undenkbar.)

Aber auch so bewegte es mich zutiefst, wie seine Mutter am Umzug ins Pflegeheim zerbricht. Ebenso wie Eribon damit hadert, ob das durch einen Umzug in ein offeneres Wohnen für Alte ein paar Jahre zuvor hätte verhindert werden können, den seine Mutter im letzten Moment verweigerte. Eribon erkennt, wie müßig diese Frage ist, denn seine Mutter wollte halt einfach nicht.

So vieles läuft darauf hinaus, dass Menschen nun mal auch im hohen Alter und mit schwindender Kontrolle über ihren Körper immer noch eigenverantwortliche und mündige Menschen sind. Selbst wenn ihre eigenen Entscheidungen ihnen schaden. So kommt es oft zu tragischen Situationen, in denen nicht abzusehen ist, was größeren Schaden anrichtet: Der selbstverantwortliche Beschluss, allein in der eigenen Wohnung zu bleiben (auch wenn die Selbstversorgung nicht mal mit externer Pflegehilfe gesichtert werden kann, auch wenn jede Erkrankung, jeder Sturz schwerwiegende Folgen haben kann). Oder der Umzug ins Seniorenheim unter dem noch so liebevollen Druck der Anghörigen (“Es ist besser für dich.”), der mit Aufgabe der Selbstbestimmung einher geht, mit komplettem Wechsel von Alltag, Kontakten, Gewohnheiten – dem Verlust der eigenen Welt.

Und dem ultimativen Verlust von Zukunftsaussichten: Ohne Zukunft gibt es kaum ein Konzept von Selbstwirksamkeit, in einem Pflegeheim ist die Zukunft zu Ende.

Die Zeit ist stehen geblieben. Es ist kein auf die Zukunft gerichteter Entwurf mehr möglich, nicht einmal auf die unmittelbare Zukunft.

Wichtig ist in meinen Augen Eribons Hinweis darauf, dass den Pflegeheim-Bewohnenden die Möglichkeit zur Gruppenbildung, Solidarität, zum Protest gegen das System genommen ist, sollten sie mit den Umständen unzufrieden sein: Immobil und aus dem Bett heraus, ohne selbstbestimmte Kontakte lässt sich keine Revolte anzetteln. (Oder müssen wir uns auf den ersten über WhatsApp organisierten Aufstand der Patient*innen im Pflegeheim gefasst machen?) Eribon schildert, wie seine Mutter ihm und seinen Brüdern aus dem Pflegeheim-Bett Nachrichten auf den Anrufbeantworter sprach:

Meine Mutter weinte und beschwerte sich, aber sie konnte nicht für sich selbst sprechen, konnte sich kein Gehör verschaffen, zumindest nicht öffentlich. Ihre Klage gelangte nicht aus ihrem Zimmer nach außen.

(…)

Wie sollen alte Menschen, vor allem, wenn sie ihre körperlichen und manchmal auch einen Teil ihrer geistigen Fähigkeiten verloren haben, sich versammeln, sich als Gruppe mobilisieren, sich als “Wir” begreifen, und sei es nur, indem sie ihre Interessen an eine Gewerkschaft oder Partei deligieren?

Und doch stolperte ich über die soziologische Analyse der Verbindung Eribons mit seiner Mutter:

Man darf die sozialen Beziehungen – einschließlich der sich im Lauf der Zeit verändernden innerfamiliären Beziehungen – nicht psychologisieren, sondern muss sie im Kontext von Klassenverhältnissen betrachten.

Mir scheint dieser Satz unvollständig: Wenn man was erreichen/erkennen will? Oder es fehlt: Sonst…
Da ich weder Psychologin bin noch Soziologin, kann ich mir die feuilletonistische Ansicht leisten, dass eine Mischung von beiden Erklärungssystemen den größten Erkenntnisgewinn verspricht.
Kann es sein, dass Eribon seine Trauer soziologisieren möchte und dabei herzzerbrechend scheitert?

Doch Eribon knöpft sich auch seine eigenen philosophischen Lehrmeister*innen vor (u.a. Sartre) und weist ihnen nach, dass viele ihrer gesellschaftlichen Konzepte, gar Forderungen alte Menschen als Protagonist*innen ausschließen, mit alten Menschen vor Augen einfach nicht mehr funktionieren. Er beschließt sein Buch mit einem leidenschaftlichen Appell, greise Menschen nicht zu übersehen und denen eine Stimme zu leihen, die sich in ihrer letzten Lebensphase nicht mehr selbst Gehör verschaffen können.

Journal Montag, 13. Mai 2024 – Arbeitsturbulenter Wochenstart

Dienstag, 14. Mai 2024

Gut geschlafen, nur kurz vor Weckerklingeln in eine Angst-Phase geglitten.

Draußen wundervolles Wetter mit blauem Himmel und Deko-Wölkchen. Auch wenn es morgens noch ganz schön frisch war, ließ ich die Jacke daheim, um sie auf dem Heimweg nicht schleppen zu müssen. Seit einigen Tagen lustige neue Schmerzen beim Gehen: Es sticht in der rechten unteren Ferse und im linken Ballen.

Im Büro startete ich den Rechner – und fuhr sofort Achterbahn. Ich musste einen Querschuss umlenken, obwohl er in dem bestand, was mir an meinem Job am meisten Spaß macht. Doch es ging gestern wirklich, wirklich nicht. Auch deshalb ärgerte ich mich über dysfunktionales Outlook: Die Anfrage war eigentlich eine halbe Stunde vor meinem Arbeitsende vergangenen Mittwoch abgeschickt worden, da hätte ich noch einiges möglich machen können. Wie ein paar weitere E-Mails war sie aber erst deutlich später tatsächlich in meinem Postfach gelandet. (Und nein: Ich werde nicht wieder anfangen, an freien Tagen regelmäßig nach meinen Berufs-Mails zu gucken.)

Entsprechend turbulenter Vormittag mit auch schlechten Nachrichten. Ich nahm mir dennoch Zeit für einen schnellen Mittagscappuccino bei Nachbars.

Mittagessen eher früh, damit ich einen 13-Uhr-Termin schaffte: Eine Scheibe selbst gebackenes Brot, Mango mit Sojajoghurt.

Es ging munter mit Achterbahn weiter, um halb drei war ich eigentlich fix und alle. Aber die Arbeit halt noch nicht. Ab jetzt machte ich sie mit wenig Konzentration, brauchte entsprechend lang dafür.

Ich ging rechtzeitig für meinen Feierabendtermin bei der Wachsenthaarerin – wo ich auch diesmal 20 Minuten warten musste, bis eine Walk-in-Kundin fertig war. Inzwischen bin ich verärgert und frage mich, ob ich die Terminvereinbarung nicht bleiben lassen sollte und auch einfach in den Laden schneien, wenn es mir reinpasst.

Lebensmitteleinkäufe, dann ging ich einem Impuls nach: Ich hatte in der Vorwoche aus dem Augenwinkel in einem Bekleidungsladen im Forum Schwanthalerhöhe Kurzarm-Oberteile gesehen, die mir für Herrn Kaltmamsell sehr gut gefielen (und dass er nicht viele intakte besitzt, weiß ich als Wäscheverantwortliche des Haushalts). Jetzt sah ich diese attraktiven Stücke allerdings nicht im Laden: Die Angestellte, der ich sie beschrieb, erzählte, dass sie dieses Modell bereits zum Rücksenden verpackt habe – öffnete die Kiste allerdings für mich, und ich konnte ihr das Shirt in zwei Varianten abkaufen.

Blühende Bäume vor einem alten Haus

Endlich sah ich die blühenden Robinien nicht nur, sondern roch sie auch zumindest leise. Die Luft war herrlich frühlingshaft mild, ich brauchte wirklich keine Jacke.

Bei meiner Heimkehr war es dann allerdings so spät, dass ich keine Zeit mehr für Gymnastik hatte. (Herr Kaltmamsell freute sich über den Shirt-Kauf für ihn.)

Brotzeitvorbereitung, Salat angemacht, das restliche Abendessen kam von Herrn Kaltmamsell: Er servierte die roh eingefrorenen Gnocchi gegart mit Käsesauce.

Gedeckter Tisch mit weißem Teller, darin Gnocchi mit weißer Sauce, eine Schüssel mit grünem Salat

Schmeckte ausgezeichnet, man kann Gnocchi also einfrieren, ich werde Herrn Kaltmamsell zu Großproduktion treiben. Nachtisch viel Schokolade.

Vor dem frühen Zu-Bett-Gehen mit Lesen hielt ich auf dem Balkon Ausschau nach Fledermäusen, hatte bald Erfolg (SO NIEDLICH!).

§

Wegen dieser Begebenheit:

Bitte sehen Sie sich dieses Filmchen an: Gerade bei nicht-alten Menschen werden Schlaganfälle zu oft nicht gleich erkannt.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/SmZZLGnbWxc?si=PRVhvXAh7Bnyze_5

Journal Sonntag, 12. Mai 2024 – Nochmal von Ammer- zu Starnberger See gewandert

Montag, 13. Mai 2024

Gut geschlafen, früh aufgewacht, war mir recht. Draußen ein weiterer Sonnentag, wie angekündigt.

So hatte ich nach dem Bloggen noch Zeit zum Internetlesen und Einfrieren des halben Brotes.

Halbierter Brotlaib

Mein Rezept dafür steht jetzt hier.

Und trotzdem schaffte ich eine S-Bahn kurz nach halb zehn hinaus nach Herrsching am Ammersee: Ich wollte die Wanderung vom vergangenen Wochenende in die Gegenrichtung laufen. Da Herr Kaltmamsell arbeiten musste, war ich allein unterwegs.

Problemlose Anreise, ich las unterwegs die Wochenend-SZ.

Dorfansicht mit blühender Robinie, Bach und altem Haus

Herrsching sonnig, verfrühlingt und hübsch.

In einem hellgrünen Wald ein Baum mit verschlungenen Wurzeln

Der knapp einstündige Anstieg nach Andechs durchs Kienbachtal gemütlicher, als ich erwartet hatte – bislang kannte ich diesen Abschnitt nur abwärts.

Von einer Anhöhe Blick auf ein Dorf mit Zwiebelturm in Voralpenlandschaft

Aussicht von Andechs auf Erling.

Frau mit Brille und Kappe vor Voralpenlandschaft

Wander-Selfie!

Barocker Kirchenturm in Weiß mit rosa Ornamenten

Sonnige Wiese mit Weg, im Hintergrund eine Klosteranlage mit Zwiebelturm, im Vordergrund eine Laterne

Hinter Andechs einige Milane beim Termiksuchen, ich sah sie ziemlich nah. Einer rief mehrfach, vielleicht kann ich jetzt Milanrufe identifizieren.

Ich wanderte gemütlich vor mich hin, es waren deutlich mehr Menschen unterwegs als am Samstag vor einer Woche – die meisten davon auf dem Fahrrad, davon ca. 90 Prozent mit Elektroantrieb. Es ging sich wunderbar in milder Luft und angenehmer Sonne ohne Hitze, dafür mit Brise. Ich hatte mich gründlich und hochfaktorig sonnengecremt, wagte also Ärmellosigkeit.

Hinter sonniger Wiesenlandschaft ein Gutshof

Rothenfeld.

Rucksack und Wasserflasche im Schatten eines Baumes

Brotzeitpause am Bacherl in Aschering nach gut zweieinhalb Stunden. Es gab selbstgebackenes Brot mit Frischkäse, den Apfel dazu hatte ich in der S-Bahn einer Frau geschenkt, die um Essen bettelte.

Drei Verkehrsschilder vor einer Hecke, das oberste zeigt ein durchgestrichenes Pferd, dass gerade kackt
Aschering hat ganz eigene Verkehrsprobleme.

Ein paar Mal hörte ich unterwegs einen Kuckuck – definitiv kein Stadt-Sound.

Ab Aschering wurde es wirklich bevölkert, gemütliches und versonnenes Gehen war nicht mehr möglich, und ich schaltete um auf Sport.

Ein lichter, riesiger Laubbaum in der Sonne, links ein Seeufer, rechts im Hintergrund ein Haus, dazwischen Menschen an Bierbänken

Am Maisinger See.

In der Maisinger Schlucht überholte ich viele Familiengruppen, die meisten mit Lagekontrolle beschäftigt, einige mit der Erstellung von Foto-Dokumentation des Ausflugs. Niemand nahm den volltönenden Kuckuckruf wahr und wies Kinder darauf hin (oder fand ihn nicht erwähnenswert?).

In Starnberg musste ich nur wenige Minuten auf die nächste S-Bahn warten (llegar y besar el santo).

Riesiger See in der Sonne, im Vordergrund ein Steg, im Hintergrund Segelboote und im Dunst die Alpenkette

Aber Zeit für ein Abschiedsfoto vom Starnberger See hatte ich. Für die 16 Kilometer hatte ich diesmal mit einer ausgiebigen Pause deutlich unter fünf Stunden gebraucht, das letzte Drittel war ja auch eher Marschieren als Wandern gewesen. Problemlose und pünktliche Heimfahrt.

Daheim Häuslichkeiten und müüüüde. Ich verkniff mir eine späte Siesta, um den Nachtschlaf nicht zu gefährden. Auf dem Balkon las ich – und entdeckte möglicherweise einen frisch gebauten Eichhörnchen-Kobel in der Linde davor.

Zwischen Ästen eines Laubbaums ein welker Laubhaufen, verstärkt mit Holzwolle

Mit seiner Superduper-Kamera machte Herr Kaltmamsell ein Foto davon.

Als Nachtmahl brauchten wir auf: Herr Kaltmamsell briet aus den restlichen Ernteanteil-Kartoffeln Bratkartoffeln, dazu gab es Käsereste.

Im Fernsehen fanden wir nichts, das auch nur nebenher erträglich gewesen wäre. Statt dessen las ich weiter in Eribons Eine Arbeiterin, setzte die Lektüre im Bett fort.

Journal Samstag, 11. Mai 2024 – Wahlhilfegeschult in neuer Rolle

Sonntag, 12. Mai 2024

Früh aufgewacht, aber erfrischt, und überhaupt kam mir das sehr entgegen.

Unter anderem kam ich so kurz nach neun los auf meine Laufrunde durch einen herrlichen Frühlingstag, wundervolle klare Luft, mit leichten Beinen. Ich nahm dieselbe Runde wie schon am Donnerstag: Alter Südfriedhof, Westermühlbach, Flaucher, Maria Einsiedel und zurück.

Spielplatz in einem Park mit alten Bäumen, kleinsieht man darin zwei Kinder und eine Erwachsene

Der Nußbaumpark wurde bereits bespielt.

Park-ähnlicher Friedhof im Sonnenschein mit wenigen alten Grabsteinen

Kleineres viereckiges Graffiti an Brückenpfelier, darauf eine Kloschüssel und die Wörter "Dead" und "shit"

Unter der Braunauer Eisenbahnbrücke.

Blick durch Bäume auf sonnenbeschienenen Fluss

Blick auf FLusslandschaft unter einer Eisenbahnbrücke durch, die mit Graffiti bemalt ist, dahinter am Horizont zwei Türme eine Kirche

Ich bog auf dem Rückweg wieder zum Bäcker ab und stellte fest, dass das Glockenbachviertel wuselte: Tag der Hofflohmärkte, das Angebot bordete über und wurde rege angenommen.

Frühstück schon um zwölf: Apfel, Körnersemmel. Die frühe Uhrzeit war meinem Nachmittagstermin geschuldet: Wahlhilfeschulung für die Europawahl am 6. Juni, ich absolvierte zum ersten Mal die Schulung zur Wahlvorsteherin (werde als stellvertretende solche fungieren). Nachdem mich der letzte Einsatz bei der Landtagswahl sehr gestresst hatte, wollte ich mir das ja eigentlich nicht mehr antun. Doch Europawahl ist wirklich die einfachste Wahlhilfe (mit der war ich seinerzeit auch eingestiegen), das ging nochmal.

Die Schulung fand im Gebäudekomplex des KVR statt, ich mäanderte durch den wundervollen Frühlingstag im Schlachthofviertel hin.

In einem Seminarraum Blick auf Leinwand, auf der steht "Herzlich willkommen zur Schulung für Vorstehende im Wahlraum"

Blick aus einem modernen verglasten Treppenaus auf eine alte Häuserzeile

Die Schulung war spannend (auch wenn ich gerne nochmal Schriftführung übernommen hätte: es gibt neue Wahlkoffer, neue Software), ich lernte einiges auf vielen Ebenen, auch auf der menschlichen. Und ich erfuhr, dass die Landtagswahlhilfe vergangenes Jahr nicht nur mich besonders anstrengend war, aus denselben Gründen.

Auf dem Rückweg schlenderte ich und nahm mir die Zeit für Fotos.

Altmodische Ladenfront in Altbau, darüber ates Schild "Obst Lebensmittel Gemüse", davor steht ein Hollandrad

Altmodische Ladenfront in Altbau mit altem Schild "Waschmittel", rechts neben Laden ein roter Kaugummiautomat

Moderne Kirchentür in schlichter Mauer, Schrift "St. Andreas"

Blick in sonnige Stadtstraßenkreuzung mit Radler und weißem Auto, ganz im Hintergrund einer Straße sieht man die Bavaria

Im Nußbaumpark begegnete ich mehr als einer Sorte… ähm… Hörnchen in Bäumen.

Baumstamm mit Eichhörnchen

Baumkuhle mit Ratte

Das untere war nur eines einer Dreier-Gruppe.

Daheim gleich mal Brotteig geknetet – da der Buttermilchbecher nicht mehr voll war, ergänzte ich mehr Wasser.

Während der Brotteig sein Ding machte, also Gehen, setzte ich mich auf den genau richtig temperierten Balkon. Auf dem Weg zur Schulung hatte ich am Volkstheater Werbung für die aktuelle Inszenierung von Dürrenmatts Besuch der alten Dame gesehen – Check ergab einen sehr spannenden Ansatz. Da Herr Kaltmamsell sich in letzter Zeit etwas offener für Theaterbesuche zeigte, fragte ich ihn, ob er mich begleiten würde – und kaufte uns dann gleich zwei Tickets (die allerletzten für die Vorstellung, läuft für’s Volkstheater, was?).

Und weil mich die Empanada so gefreut hatte, schrieb ich das Rezept auf meine Rezeptseite.

Fürs Nachtmahl sorgte Herr Kaltmamsell: Es gab persisches Rhabarberlamm, Rhabarber aus Ernteanteil.

Gedeckter Tisch mit weißem, gefüllte Teller - Reis und Ragout, darüber große Pfanne mit Ragout, kleiner Topf mit Reis

Rhabarber, Lamm und Minze passten gut zusammen, insgesamt ist das aber nicht mein Lieblingsgeschmack. Nachtisch Schokolade.

Das Brot gelang gut:

Aufsicht auf einen schwarzen, eisernen Topf, darin ein beim Backen aufgerissener Brotlaib

Im Fernsehen stolperte ich in den Disney-Trickfilm Vaiana (englischer Originaltitel Moana. Why.). Er gefiel mir so gut, dass ich den Rechner zuklappte und ihn mit ganzer Aufmerksamkeit ansah: Ein pures Märchen mit einigen wunderschönen Ideen – allein die erzählenden Tatöwierungen! Und was die Animation mit dem Protagonisten Wasser gemacht hat, ist atemberaubend.

§

Margaret Atwood ist einem Alter (84), das mich sofort besorgt macht, wenn ich länger nichts von ihr höre. Zu meiner Beruhigung stellt sie sich in dem Interview mit Lisa Allardice im Guardian als quicklebendig heraus:
“‘I can say things other people are afraid to’: Margaret Atwood on censorship, literary feuds and Trump”.

“I’m a kind of walking opinion poll,” she says. “I can tell by the questions that people ask me what’s on their minds. What is the thing they’re obsessing about at the moment.” The backwards turn of women’s rights, with the ruling just this month that the 1864 total ban on abortion be enforced in Arizona, for example, is high on the list. But as always she is careful to stress that there is no one answer to questions about the future for women. “I have to ask which women? How old? What country? There are many different variations of women.”

§

In der vergangenen Zeit berichten Medien immer wieder über “Trends”, von denen ich vorher nichts wusste – und verstehen darunter Themen, die besonders viel durch Social Media gereicht werden. Fachmann Jens Scholz erklärt den Denkfehler des Mechanismus’ in einem Mastodon-Thread.