Journal Sonntag, 23. Juni 2024 – Das Kartoffelkombinat generalversammelt

Montag, 24. Juni 2024 um 5:53

Früh aufgewacht, aber erfrischt. Das begrüßte ich, denn der Tag enthielt Pläne.

Erstmal aber war er sehr kühl und regnete bald wieder. Flott fertiggebloggt und Mastodon-Timeline nachgelesen, dann war bereits Zeit, mich für die Generalversammlung des Kartoffelkombinats fertig zu machen (Mit-Genossenschaftler Herr Kaltmamsell passte, weil er arbeiten musste).

Eine Straßenbahn brachte mich auch diesmal zum Mucca-Haus im Kreativquartier an der Schwere-Reiter-Straße. Der Regen hatte zum Glück aufgehört, mit dem Empanada-Tablett in den Händen hätte ich keine für einen Schirm frei gehabt.

Auf einer Bühne vor kargem weißen Hintergrund steht rechts ein Redner mit Mikrofon, links sitzen drei Menschen an einem Tisch

Rechts Vorstand Daniel, hinter ihm das Ergebnis des Mal-Ausflugs eines VHS-Kurses zu unserer Gärtnerei in Spielberg bei Mammendorf.

Auf einer Bühne vor kargem weißen Hintergrund steht rechts eine Rednerin mit Mikrofon, links sitzen drei Menschen an einem Tisch

Vorständin Jana, die nochmal kurz die Finanzierung des Kartoffelkombinats zusammenfasst.

Nach meinem Eindruck waren wir noch weniger Teilnehmende als vor zwei Jahren, nicht mal 100; bei mittlerweile über 3.000 Mitgliedern im Kartoffelkombinat konnte mich das immer noch wundern (2023 war ich durch eine Reise verhindert). Es gab viel Schönes, Interessantes, Spannendes zu hören und zu sehen.

Vorstand Daniel begann den Lagebericht 2023 mit Zahlen und Daten zur Lebensmittelversorgung in Deutschland: Sie ist fest in der Hand von vier großen Anbietern, fast die Hälfte sind Rewe und Edeka. Ziel ist: Hauptsache billig, im Preiskampf geht die Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte verloren. Und dass diese Preise nur mit massiver und menschenunwürdiger Ausbeutung der Arbeiter*innen erzielbar sind, ist vielfach belegt.
Nächster Zahlenblock: In Deutschland gibt es 260.000 landwirtschaftliche Betriebe, in 7.000 davon und auf nur 2 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird Gemüse angebaut. Während Deutschland 2/3 seines Gemüsebedarfs durch Importe deckt, liegt die Versorgungsquote bei Fleisch bei 127 Prozent.
Und selbst wenn mehr landwirtschaftliche Fläche in Deutschland für den Gemüseanbau genutzt werden soll: Es gibt fast niemanden mit der nötigen Fachkenntnis. Pro Jahr machen nur 15 neue Gemüseanbaumeister*innen ihren Abschluss. Deutschlandweit.

Genau zu diesen Missständen ist das Kartoffelkombinat der Gegenentwurf (u.a. haben wir bereits neun Gärtner*innen ausgebildet).

Dann aber ging es zu Positivem, nämlich den Zahlen des Kartoffelkombinats 2023: Finanziell alles tutti, Zielergebnis erreicht (wir sind ja nicht Gewinn-orientiert) – das alles von Jana im Detail erklärt und dargelegt. Ende 2023 waren wir 3.345 Genoss*innen, hatten 130 Verteilerpunkte. Der Jahresabschluss wurde von der Versammlung angenommen, Vorstand entlastet, der Aufsichtsrat mit einem neuen Mitglied für weitere drei Jahre gewählt.

Pause früher als geplant. Ich trank Kaffee und guckte mich in der umliegenden Streetart um.

Streetart u.a. mit Menschengesichtern in Schwarz-weiß

Streetart mit der Schrift "Cans & Co."

Streetart mit der Schrift "a good day 2 be wild"

Die Künstler der oberen beiden kenne ich von der Brudermühlbrücke.

Bunte Streetart mit Pikachu

Im zweiten Teil ging es um das Jahr 2024: Status und Pläne.

Wenn jemand nach der Testphase nicht beitritt oder ein bestehendes Mitglied austritt, wird natürlich immer nach den Gründen gefragt: Häufigster Grund ist Umzug, der zweithäufigste aber, dass der Ernteanteil nicht innerhalb einer Woche wegkommt. Der Grund dafür wiederum ist auf Nachfrage häufig, dass die Betreffenden nicht auf die Jahreszeiten eingehen, oft einfach wie bisher ihr Essen planen und dafür einkaufen, den Ernteanteil als Zusatz bekommen. War für uns nie der Fall, und schon als wir vor über zehn Jahren und vor Mitgliedschaft im Kartoffelkombinat zwei Jahre lang eine regionale Biokiste bezogen, planten wir auf der Basis von deren Inhalt.
Aber ich lernte ja erst vor Kurzem, dass nicht alle auf die Frage “Was essen wir heute?” erstmal nachsehen, was da ist, was weg muss.
Der Vorstand hatte sich verschiedene Gegenmittel für diesen Kündigungsgrund ausgedacht; bis Ende des Jahres soll sich die Wirksamkeit erweisen.

Es gab einen Bericht über die Fairzeugnisse, die wir schon einmal als Sammelbestellung vom Biohof Lex bezogen (ich bin mit den Linsen, schwarzen Bohnen und der Polenta hochzufrieden), demnächst gibt es eine weitere Bestellrunde – und die Chefin des Biohofs stellte sich per Video vor.

Weiterer Berichte über die Personalsituation (angespannt) und den Status unserer Bauvorhaben (nur eines geht wirklich voran). Dann wurde es nochmal (für mich) wirklich spannend: Die Leitung des Gemüseanbaus, Benny (Freiland) und Sophie (Gewächshäuser), erzählten detaillierter, was sie wie warum machen und welche Rolle die Rahmenbedingungen spielen. Mal wieder wurde mir intensiv klar, dass der Gemüseanbau für derzeit 2.300 Haushalte überhaupt nichts mit dem Schrebergarteln zu tun hat: Höchster Respekt vor dieser Fachkenntnis. Allerdings erfuhr ich auch, dass dieses Jahr – natürlich aus guten Gründen – keine Auberginen angebaut wurden.

Bis alle Fragen beantwortet waren, auch der Kartoffelkombinat-Verein berichtet hatte, war es spät, ich konnte schier nicht mehr sitzen.

Wenn Sie Lust auf eine Testphase im Kartoffelkombinat haben: Hier lang. Und wenn Sie sich den 30. September schonmal vormerken wollen? Da wird der Dokumentarfilm über uns, Das Kombinat auf 3sat gezeigt. Uhrzeit gebe ich rechtzeitig hier durch.

Draußen war das Wetter sonnig geworden, um ein wenig Bewegung zu bekommen, ging ich zu Fuß heim. Ich nahm in dieser knappen Stunde möglichst noch gar nicht oder schon lang nicht mehr begangene Wege, ließ mich nach den Stunden in der kühlen Halle von der Sonne gut durchwärmen.

Bei Heimkehr um vier war ich dann richtig hungrig, aß ein wenig übrige Empanada (der Teig ist so super!), außerdem Pfirsiche mit Joghurt. Auf dem Balkon Zeitung ausgelesen und Ulrike Draesner, Die Verwandelten (auf den letzten Drücker vor Rückgabefrist) – atemberaubend bis zum Schluss. Es blieb noch Zeit für eine Runde Gymnastik, nach all dem Sitzen besonders wohltuend. Reisevorbereitungen für die Fahrt am Mittwoch nach Klagenfurt zum Bachmannpreislesen.

Das Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell: Der Erntanteil-Mangold war in Teigtäschchen verschwunden (aus Immer schon vegan von Katharina Seiser), dazu gab es kostbare Buschbohnen aus Ernteanteil – wenige und die einzigen dieses Jahr.

Auf Tisch grünes Platz-Set, darauf Glasteller, daruf sieben dreieckige Teigtäschchen, in der Mitte ein Bündel grüne Bohnen

Die Täschchen waren gut, schmeckten aber nicht sehr nach Mangold, die Bohnen super-aromatisch und köstlich.

Für den Nachtisch gingen wir raus zum freundlichen Nachbarschafts-Eisdieler.

Links ein Becher mit Spaghetti-Eis, rechts angeschnitten Sahne auf Eiskugeln

Herr Kaltmamsell bekam endlich sein Spaghetti-Eis, ich drei Kugeln mit Sahne, entdeckte bei dieser Gelegenheit Rosenblüteneis.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Sonntag, 23. Juni 2024 – Das Kartoffelkombinat generalversammelt“

  1. Nadine meint:

    Warum die Abwertung gegenüber Schrebergarten?
    Völlige Hochachtung gegenüber dem Kartoffelkombinat, und genauso gegenüber jedem der mit einem Schrebergarten versucht einen Teil seiner Ernährung selbst zu produzieren. Da gehört viel Erfahrung, viel Wetterglück, viel Arbeit zu. Wenn man es wirklich richtig machen will, lernt man dabei doch als Erstes Demut.
    Meine Großeltern haben so früher einen Großteil der Nahrung produziert, wie so viele (Eisenbahner, da hatten alle Familien eine Wohnung in der Genossenschaft und unterhalb dessen einen Schrebergarten).

  2. die Kaltmamsell meint:

    Wo genau, Nadine, sehen Sie die Abwertung? Ich schrieb “dass der Gemüseanbau für derzeit 2.300 Haushalte überhaupt nichts mit dem Schrebergarteln zu tun hat”.

  3. arm gemacht meint:

    Selbst bei armutsbetroffenen Menschen erlebe ich oft eher die Fragestellung: “Worauf habe ich heute Lust?” als: “Was müßte heute verwertet werden und wie mache ich das?”

  4. Beate meint:

    … ja, oder “was ist diese Woche im Discounter im Angebot”? Das kann auch helfen beim Sparen!

  5. Nadine meint:

    Als Norddeutsche hab das Garteln irgendwie verkehrt aufgefasst in Kombination mit dem Satz danach. Schrebergarteln hört sich für meine Ohren abwertend an. So als würde man nur so bisschen vor sich hin arbeiten ohne Sachverstand.

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