Journal Donnerstag, 11. Juli 2024 – Byzantinische Penrose-Treppen

Freitag, 12. Juli 2024 um 6:27

Besonders guter Schlaf, eventuell nur nicht genug. Das Wetter ist derzeit eine Überraschungstüte, gestern stand ich zu unvorhergesehenem Regen auf.

Doch mein Marsch in die Arbeit fiel genau in die halbe Stunde mit blauem Himmel und Nach-Regen-Frische vor der nächsten Schwül-Welle – super. Unterwegs fiel mir eine Frau auf, die mit ihrem Handy die oberen Hälfte eines schlichten Gebäudes auf der gegenüberliegenden Straßenseite fotografierte. Ich folgte ihrem Blick: Da saß ein Falke überm Fenster!

Emsiger Vormittag mit eher Unvorhergesehenem. Mittags ging ich auf einen externen Cappuccino, lief gleich weiter für Käsekauf zum Markt auf dem Georg-Freundorfer-Platz – doch der Käsestand war nicht da! Ich hoffe, dass die Betreibenden nur im Urlaub sind. Käse bekam ich dann in einem Obst-/Gemüse-Feinkostladen auf dem Rückweg.

Mittagessen war Pumpernickel mit Butter, viele Pfirsiche.

Nachmittags wurde es interessant und lustig – wenn auch nicht lustig gemeint. Die byzantinischen Schleifen und Muster mancher Abrechnungsprozesse winden sich so weit entfernt von jeder Verhältnismäßigkeit, dass ich hiermit nie wieder über die Penrose-Treppe von Change-Management-Beratungsagenturen witzeln werde. Effizienz und Nutzen sind sehr wahrscheinlich schlicht überschätzt, Hauptsache die Leute sind weg von der Straße und haben genug zu tun. Notfalls halt Erfundenes.

Zu spät durfte es nicht werden, da ich gestern Ernteanteil-Abholdienst hatte, Herr Kaltmamsell war beruflich verhindert. Es war gerade mal wieder sonnig, dazu schwülheiß. Ernteanteil abgeholt (unser Verteilerpunkt bei einem Coworking-Space im 1. Stock eines schraddligen Nachkriegsbaus ist ein ganz kleiner mit nur acht Kisten), daheim ausgepackt, zum Teil gewaschen.

Die Wohnung war kühl genug für eine wirklich wohltuende Runde Gymnastik, die genau richtig anstrengte, damit ich mich sportlich fühlte.

Als Nachtmahl machte ich einen Salat aus Ernteanteil: Lollo rosso, Gurke, Lauchzwiebel (zugekauft, musste weg), eine gehackte Karotte mit Joghurtdressing. Dann gab’s noch Käse, zum Nachtisch Schokolade.

Im Bett startete ich neue Lektüre: Vicki Baum, Es war alles ganz anders. Erinnerungen. Schon die ersten Seiten (Bildschirme) bewiesen wieder, wie gut sie schreiben konnte.

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Eine Mauerseglerretterin erklärt in einem Mastodon-Thread Hintergründe ihrer Einsätze.

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Rücksichtsvolles Reisen bezog sich ja bislang vor allem auf CO2-freundliche An- und Abreise. Jetzt kommt für mich zusätzlich das schlechte Gewissen hinzu, wenn ich am Zielort durch meinen Tourismus die Alltagsstruktur der Einheimischen zerstöre. Ausgerechnet dieses Jahr habe ich auf Mallorca gebucht. Reiner Wandler hat für die taz aufgeschrieben, was ich und die anderen Massentourist*innen dort angerichtet haben:
“Massentourismus auf Mallorca:
Vertreibung aus dem Urlaubsparadies”.

Mallorca hat 308.000 Hotelplätze und 104.000 Plätze in Ferienvermietungen. Hinzu kommen die Ferienvermietungen, die ohne Lizenz abgewickelt werden. Wie viele Wohnungen dadurch dem örtlichen Wohnungsmarkt zusätzlich entzogen werden, weiß niemand so genau. Dazu kommen die Ausländer – meist aus Mittel- und Nordeuropa –, die sich eine Ferienwohnung kaufen. Diese steht dann bis auf ein paar Monate im Jahr leer. Ein Drittel aller 2023 auf den Balearen verkauften Wohnungen gingen an ausländische Kunden.

(Zudem taucht in dem Artikel das komplett irrsinnige System des spanischen Wegs zu einem Beamtenposten auf, die oposiciones.)

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Auf insta zeigt unsere Gärtnerei des Kartoffelkombinats, wie’s den Tomaten geht!

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 11. Juli 2024 – Byzantinische Penrose-Treppen“

  1. Neeva meint:

    Es tut mir ja in der Bildungsbürgerdünkelseele weh die Ballermanntouristen zu verteidigen, aber die Touristen können nun wirklich nichts für kurzsichtige Politik, die Jahrzehnte lang auf Regulierung verzichtet.
    Man kann Regelungen treffen, dass Immobilien nicht als Ferienhäuser verkauft werden. Zumindest kann man hohe Steuern darauf erheben. Man kann sowas wie Airbnb verbieten. Man kann es auch kontrollieren. Man kann staatlich kontrollierte Wohnungen bauen (oder Wohnungsgenossenschaften rechtlich gut stellen, wenn es sonst zu “kommunistisch” wird). Man kann alles das mit Sonderabgaben von den Touristen finanzieren. Oder die Großvermieter und Immobilienfirmen besteuern.
    Es wurde sich halt entschieden, nichts zu machen.

    Man kann sogar gezielt andere Industrien als den Tourismus ansiedeln. Oder große Behörden in solche Gebiete verlegen.

  2. N. Aunyn meint:

    Den Artikel fand ich krass – besonders das Beispiel von der Lehrerin, die täglich von Ibiza nach Mallorca fliegt …
    Allerdings erleben wir auch in bestimmten Teilen Kreuzbergs – bei uns vor der Haustür – die Rollkofferizierung.

  3. Trulla meint:

    Mir fällt Sylt ein: same, same, but different…

    Geld regiert die Welt, oder?

  4. Nina meint:

    „Effizienz und Nutzen sind sehr wahrscheinlich schlicht überschätzt, Hauptsache die Leute sind weg von der Straße und haben genug zu tun. Notfalls halt Erfundenes.“ Original meine Gedanken bei der täglichen beruflichen Kommunikation mit Berliner Behörden (Bezirk und Senat, nimmt sich nüscht).

  5. Hauptschulblues meint:

    taz-Artikel hin oder her – der ist schon in Ordnung. Aber: Das alles weiß man/frau schon lange als einigermaßen aufgeschlossene/r Mitteleuropäer:in.

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