Journal Freitag, 26. Juli 2024 – Ferienstart für 50 Prozent des Haushalts / Scott Alexander Howard, The other valley
Samstag, 27. Juli 2024 um 9:12Ganz gut geschlafen, hätte gern mehr als bloß bis Weckerklingeln sein dürfen. Durch die offenen Fenster und Balkontüren kam frische, kühle Sommerluft herein.
Die Bohnen klettern dieses Jahr besonders hoch. Und blühen schön!
Ferienzeit bedeutet weiterhin Flugzeit, Flüge sind offensichtlich immer noch viel zu hoch subventioniert.
Frischer Marsch in die Arbeit, über mir große Gruppen schrillender Mauersegler – ich rechne jeden Tag mit ihrem Abzug. Im Büro gleich mal hochkonzentriertes Planen und Organisieren – der für mich angenehme Teil mit Recherchen, Tabellen und Listen, ohne Telefonate und Menschen.
Draußen mal Wolken, mal Sonne, vor allem aber war mein Büro überraschend kalt: Ich brauchte eine Strickjacke über meinem Sommerkleid.
Auf meinem Marsch zum und vom Mittagscappuccino im Westend suchte ich die Sonne und ließ mich von ihr ordentlich durchwärmen. Das hielt auch für danach.
Zu Mittag gab es die zweite Hälfte Pumpernickel mit Butter vom Vortag, außerdem Mango mit Joghurt.
Ruhiger Arbeitsnachmittag, ich konnte problemlos pünktlich Feierabend machen. Auf dem Heimweg Einkäufe: Ein Obstladen bot die ersehnten Mirabellen an, dazu kaufte ich doch nochmal Pfirsiche. Weitere Lebensmittel beim Vollcorner – auf dem Weg dorthin sah ich im Einkaufszentrum ein schönes Männer-Shirt, und da Herr Kaltmamsell geäußert hatte, ihm fehle es an T-Shirts, kaufte ich es ihm (natürlich mit Option des Zurückgebens bei Nichtgefallen).
Zu Hause traf ich auf einen Herrn Kaltmamsell, der von Freude über den Start seiner Sommerferien geradezu trunken war. Mit ihm war ich zum Ferienfeiern verabredet, davor war aber noch Zeit für Yoga-Gymnastik, gestern mit intensiver Dehnerei.
Fürs aushäusige Nachtmahl hatte ich einen Tisch im Il Castagno an der Hackerbrücke resierviert: Das Lokal kenne ich ja von den beiden Jahren, die ich in einem Büro mit Blick auf deren Gastgarten arbeitete (dessen Tische eine zuverlässige Wettervorhersage waren: Wenn eingedeckt wurde, hielt das Wetter), wir waren schon lang nicht mehr dort gewesen.
Das Überraschungsmenü gab es immer noch, wir entschieden uns für die Variante mit Fisch. Eigentlich, das wusste ich noch, ist das ein kalabrisches Lokal (vor über zehn Jahren gab es hin und wieder explizit kalabrische Menüs), also bestellte ich dazu eine Flasche kalabrischen Mare Chiaro von Ippolito 1845 – stellte sich mit seiner Frische und Mineralität als guter Begleiter heraus.
Zu essen gab es:
Bruschetta mit Thunfischsauce und Garnelen
Schwertfisch-Carpaccio mit Ruccola (sehr gut) – vor neuem T-Shirt
Selbstgemachte Linguine mit schwarzem Trüffel (die Pasta besonders gut)
Wir saßen wunderbar im warmen Abendlicht, von den Gleisen tönte hin und wieder Quietschen der Züge, neben uns saß eine große und friedlich-vergnügte Familiengesellschaft.
Hauptgang mit Saibling, eher fad
Nachtisch mit u.a. einem interessanten Tonkabohnen-Flan
Zum Abschluss bekamen wir ein Gläschen kalabrischen Grappa, sehr aromatisch. Heimweg durch meine erste wirklich cremig-milde Sommernacht.
Hackerbrücke vor Sommerabendhimmel
Ich hoffe, dass sich der Abriss des ikonischen BR-Gebäudes verhindern lässt.
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Scott Alexander Howard, The other valley
Ein besonders interessantes Set-up, eine raffinierte Erzählstimme – der Kanadier Howard hat in seinem ersten Roman gleich mal vielversprechend vorgelegt.
Die Erzählung kommt von einem Ich, das sich schnell als junges Mädchen Odile kurz vor dem Schulabschluss herausstellt, und so entfaltet sich die Welt der “Valleys”, der Täler: In Alltag und physikalischen Gesetzen ähnelt sie unserer sehr; die Unterschiede, die diese Welt ganz anders machen, zeigen sich nach und nach, meist indirekt und werden nicht explizit erklärt – das gefiel mir erzähltechnisch schon mal sehr gut. Der Kernpunkt: Neben diesem Tal gibt es noch weitere, in denen alles 20 Jahre zeitversetzt ist: Odiles Tal grenzt auf einer Seite an eines, in dem es 20 Jahre vorher ist, auf der anderen Seite 20 Jahre später. Die Grenzen zu diesen anderen Täler sind schwer bewacht, von Grenzpolizist*innen und einem breiten Zaunstreifen. Nur in Trauerfällen und nach einem langen bürokratischen Prozess darf diese Grenze von Einzelnen passiert werden. Über die Anträge entscheidet der Conseil – und Odile bewirbt sich für eine Ausbildung in diesem Gremium.
Aus dem Set-up entwickeln sich alltägliche Probleme und Fragen, die jeden und jede treffen. Ich fühlte mich an das altgriechische Konzept der Moiren erinnert: Klotho (spinnt den Lebensfaden), Lachesis (misst die Länge des Lebensfadens) und Atropos (schneidet den Lebensfaden ab) bestimmen den Zeitpunkt des Todes; dieser ist festgesetzt, und wer sich dagegen wehrt, macht sich der Hybris schuldig. Diese Situation des tertium non datur führt in die klassische tragische Situation. In The other valley wird das an einem konkreten Beispiel vorgeführt: Am Anfang des Romans sieht Odile etwas, was nicht für ihre Augen bestimmt ist – und zu diesem Zeitpunkt kennen wir Leser*innen ihre Welt noch so wenig, dass wir fast verpassen, welche Information sie dadurch erfährt und die sie nahezu zerbricht.
Odile ist eine nicht wirklich sympathische Protagonistin: Zu Anfang Pubertäts-unglücklich und gleichzeitig selbstgerecht, ich konnte ihre Zerrissenheit nachfühlen, auch ihre spätere Bitterkeit und Hilflosigkeit gegenüber Erinnerungen. Diese Innensicht samt wackliger Moral macht sie zu einer unzuverlässigen Erzählstimme mit der Möglichkeit, dass Manches ganz anders war.
Das Ganze fand ich ausgezeichnet gemacht – umso übler nehme ich dem Roman sein Ende. Bin aber bereit, diese dem Verlag und Markt-Anpassung zuzurechnen statt dem Autor. Den ich auf jeden Fall im Auge behalten werde.
die Kaltmamsell3 Kommentare zu „Journal Freitag, 26. Juli 2024 – Ferienstart für 50 Prozent des Haushalts / Scott Alexander Howard, The other valley“
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27. Juli 2024 um 9:54
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Pfirsiche bzw. Nektarinen aus Spanien nach wenig schmecken, während Pfirsiche aus Italien sehr aromatisch sind. Ich achte seither immer auf die Herkunft der Früchte. Leider gibt es Pfirsiche aus Italien nicht so oft, da muss man sehr danach schauen. Neulich gab es auch klasse Aprikosen aus Moldawien, die waren auch deutlich besser als die aus Spanien. Die Renekloden bei mir im Garten brauchen auch noch ein bisschen. Halten Sie also weiter die Augen offen, da kommen vielleicht noch welche.
27. Juli 2024 um 12:57
Ist das das neue T-Shirt? Wow!
Der letzte Schultag vor den Sommerferien ist pures Glück, für alle Beteiligten. Man muss ihn zelebrieren. Falls man noch bis zehn zählen kann, kann man das auch genießen.
27. Juli 2024 um 13:47
Ich mag ja lieber weiße Pfirsiche, noch lieber weiße Nektarinen und am allerliebsten weiße Plattnektarinen. Sind nur schwer zu bekommen, Lidl hat ab und zu welche, zur Zeit gibt es sehr gute. Und die halten sich im Kühlschrank gut und sind nach einem Tag bei Sommertemperatur perfekt.