Journal Freitag, 9. August 2024 – Weniger Essen

Samstag, 10. August 2024 um 7:31

(Wie lang man wohl aus Essen schreiben muss, bis die Lust an der Doppeldeutigkeit versiegt?)

In der Nacht auf gestern also einmal Migräne mit allem – fast: Ich konnte die spät einsetzende Übelkeit überzeugen, dass aus diesem Magen echt nichts zu holen war. Sie startete nachts gegen halb drei, in den darauffolgenden Stunden verhandelte ich mit mir, wie lang ich wohl schlafen konnte, um doch an der Stadtführung im Bus teilzunehmen, die das Brautpaar liebevoll organisiert hatte und die um 9:45 Uhr startete. Wenn ich den Kaffee wegließe. Wenn ich auf Bloggen verzichtete.

Doch es ging mir immer schlechter statt besser. Triptan-Nasenspray gehört nach der langen Migräne-Pause nicht mehr zu meiner Grundausstattung, ich besitzte nicht mal mehr eines; und Ibu ist bei meinen Migränen selbst gegen die Kopfschmerzen wirkungslos. Als Herr Kaltmamsell sich aufbruchfertig machte, konnte ich ihn nur bitten, mich zu entschuldigen und das “Bitte nicht stören”-Schild an die Hotelzimmertür zu hängen. Ich schlief in Abschnitten, zwang mir hin und wieder einen Schluck Wasser rein.

Als ich um Viertel nach zwei aufwachte, hatte ich noch die Option, wenigstens die Zechen-Führung um drei zu schaffen. Ich beschloss, dafür fit genug zu sein und ging unter die Dusche. Auch wenn ich noch nicht richtig geradeaus sehen konnte, spielte mein Körper mit, absolvierte anstandslos alle Bewegungen, die für Körperhygiene und gesellschaftlich akzeptiertes Erscheinen in der Öffentlichkeit nötig waren.

Ich ließ mir vom freundlichen Hotelpersonal den Weg zum Besucherzentrum Zeche Zollverein weisen, begegnete unterwegs einigen Schafen, die ich davor durch Schilder erahnte hatte, die vor ihrer Fütterung warnten. Nach Abstimmung mit Herrn Kaltmamsell traf ich auf die restliche Gruppe Hochzeitsgäste, die am Tagesprogramm teilgenommen hatte. Und dann wurde es wie vorhergesehen sehr spannend. Für mich als Oberbayerin ist Steinkohlebergbau ohnehin exotisch, und schon die beiden vorherigen Tage mit vielen Wegen zwischen den alten Zeche-Bauten waren faszinierend gewesen. Unser Guide (offensichtlich bereits an der Umwandlung der Zeche in ein Denkmal beteiligt) erklärte die Gesamtanlage, führte uns durch ein paar Schritte der Kohlenförderung und -verarbeitung anhand der Originalausstattung, lieferte Hintergründe zu Bau, Architektur und Technik dieser Zeche, ging auf deren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingugen ein. Und berichtete über das Ende der Kohlenförderung, wie seither mit der Anlage umgegangen wurde und wird. Wirklich empfehlenswert, aber das wussten Sie vermutlich eh.

Konservierte Zechengebäude in sachlichem Stiel aus Backsetin und Industrieglas, dazwischen orange angestrichene Rohre

Als wir zurück zum Hotel kamen, sah ich gerade Teile der jüdischen Hochzeitsgesellschaft aufgebrezelt Autos besteigen: Gestern Abend war die Chuppa des protestantisch / orthodox jüdischen Paars. Korrektur: Sie fuhren zum Shabbat-Essen, die Chuppa fand am nächsten Tag statt.

Auf dem Zimmer musste ich gegen halb fünf doch mal was essen. Herr Kaltmamsell hatte mir ein Lunch-Paket vom Ausflug mitgebracht, ich aß Apfel und Käsesemmel. Mein Bauch war nur mittel einverstanden damit, aber dann hätte er vorher halt nicht hungrig schmerzen sollen. Ich ließ mir von Herrn Kaltmamsell die Details der Stadtführung erzählen: Margarethenhöhe und Alte Synagoge hatte ich ja schon gesehen, nur die vielfach empfohlene Villa Hügel hatte ich verpasst.

Ich holte den Blogpost vom Vortag nach, dann zog es mich aber nochmal nach draußen: Eine Essen-stämmige und schon lange in Berlin lebende Freundin hatte herausgefunden, dass unser Hotel in Fußweite (3 km) des Hauses lag, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Sie war schon sehr lange nicht mehr dort gewesen, also ging ich an ihrer Stelle hin und machte Fotos. Aus der benachbarten Halde, von der sie schrieb, sie sei damals gefährlich und abgesperrt gewesen, hatte man wie aus vielen Essener Halden einen wundervollen Park gemacht.

Vordergrund Wiese und Busch, hintergrund Industriebau Kokerei, rechts modernes Universitätsgebäude

Ehemaliger Industrieturm aus Holz im Gegenlich vor blauem Himmel

Fußweg durch sonnigen Park unter blauem Himmel

Während es auf der Zechenführung ein wenig geregnet hatte, wurde das Wetter jetzt immer schöner – und gegen Abend wärmer. Für die Hochzeit am Samstag ist perfektes Wetter angesagt: Sonnig, aber nur bis zu 25 Grad warm.

Ich bekam doch nochmal Hunger, die gesalzenen Erdnüsse aus dem Lunch-Paket waren genau richtig. (Bereits leise Hoffnung, dass ich nach dem wenigen Essen am Samstagmorgen Frühstückshunger aufbringen könnte.)

Blöd: Wegen Migräne den Großteil des Urlaubstages verloren. Praktisch: Migräne blockiert bei mir auch Gefühle, ich ärgerte mich also nicht mal.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Freitag, 9. August 2024 – Weniger Essen“

  1. Sonni meint:

    Mein persönlicher Höhepunkt der Doppeldeutigkeit: Die TV-Doku ‘Abnehmen in Essen’.
    Echt blöd mit der zurückgekehrten Migräne. Ich wünsche Ihnen einen gesunden und festlichen Samstag!

  2. Daniela meint:

    Auch unvergessen – Wahlkampfplakate, ich glaube Schröder:

    Der Kanzler kommt
    Essen

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.