Journal Mittwoch, 7. August 2024 – Essen also

Donnerstag, 8. August 2024 um 8:01

Früher als Arbeits-früher Wecker, weil unser Zug bereits um 7:20 Uhr ging, bis dahin hatte ich gut geschlafen.

Wir machten die Wohnung Hitze-resistent, rollkofferten zum Bahnhof, beim Passieren der Portalklinik wünschte ich ein herzliches “Happy Birthgiving!” der von dort oben mit eindeutigem Auslöser brüllenden Frauenstimme. Der ICE Richtung Hamburg Altona fuhr pünktlich ab – wie der Zugchef bei seiner ersten Durchsage froh verkündete. (Verspätung hinter Köln erschien schon jetzt im Reiseplan, weil Baustelle.)

Selfie einer Frau mit kurzen Haaren, Brille, rot geschminktem Lippen im Zug, neben ihr ein Mann, der nach unten schaut

Wir verließen München bei sommerlichem Sonnenschein, ab Ulm zog der Himmel immer weiter zu. Ich freute ich mich, dass der ICE am Rhein entlang die Panorama-Strecke fuhr und nicht durch die ICE-Tunnels, so konnte ich mal wieder Retro-Deutschland und Burgen gucken.

Blick auf gegenüberliegende Rheinseite mit Ausflugsschiffen, Ort unter Weinbergen unter düsterem Himmel

Rheinlandschaft von der egegenüberliegenden Seite mit Weinbergen, oben Burg, unten Örtchen entlang dem Fluss

Rheinschleife mit Hügel und Ort mit Kirche

Meinen Mittagscappuccino hatte ich mir schon kurz hinter Mannheim im Speisewagen geholt (Zug mittlerweile dicht besetzt, aber nicht überfüllt). Brotzeit gegen eins: Aprikosen und Birne, Hüttenkäse. In Köln hatten wir die ersten zehn Minuten Verspätung eingefahren.

Blick von unten durch die Streben eines durchsichtigen Dachs, dahinter die Türme des Kölner Doms

Großstadtfluss mit Brücken

Das Sitzen war mittlerweile anstrengend geworden, aber half ja nichts, ich machte ein paar Dehn-Übungen. Nach gut sieben Stunden Fahrt stiegen wir in Essen aus, hurra, laut Google wär’s mit Auto auch nicht schneller gegangen. Der Essener Bahnhof ist gerade gründlich Baustelle, ich fühlte mich wie daheim.

Tram (fährt hier zu großen Strecken unterirdisch) zur Zeche Zollverein und unserem dortigen Hotel, wir bezogen unser Zimmer mit Förderturmblick (im Ernst, das betonte die freundliche Angestellte am Empfang).

Es war sehr warm im Zimmer (27,5 Grad), das würde ein geöffnetes Fenster allein nicht runterkühlen. Also wandten wir uns an die Klimaanlage des Zimmers.

Kleine digitale Anzeige mit Klimaanlagensymbol, „16 Grad“, „OFF“, darunter Touch-Symbole + o -

Nicht zum ersten Mal: Zwei Technik-affine Menschen touchen sich am Display einen Wolf, können alles mögliche einstellen, finden aber nicht das simple „ON“. Bis sich herausstellt: Dafür gibt‘s oben eine mechanische Taste. (Wir sind mit dem UX-Fail nicht allein.)

Es ist immer wieder überraschend, wie fertig viele Stunden Sitzen machen können, Herr Kaltmamsell und ich mussten erstmal eine Weile blöd schaun. Doch dann wurde ich schon wieder wepsert und schlug vor, die Tram zurück nach Essen zu nehmen und den Teil zu erkunden, der in Google Maps als “Stadtkern” bezeichnet wird. Das machten wir auch.

Fußgängerzone, an einer Häuserwand große, realistische Streetart eines bärtigen Manns mit Brille und Schiebermütze

Man hat hier Streetart und weitläufige Fußgängerzonen (mit einigem Leerstand – wie in allen deutschen Städten).

Eingang eines alten Kinos "Lichtburg" mit Neonlichtern und viel Messing

Man hat hier aber auch schöne alte Kinos und reichlich Theater.

Im wiederaufgebauten Dom (Essens Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe nahezu komplett platt gemacht, was hier alt aussieht, ist rekonstruiert) gefielen mir besonders die modernen Fenster von Wilhelm Buschulte.

Modernes Buntglasfenster in Beige- und Blautönen

Modernes Buntglasfenster in Blau- und Rosatönen

Nach weiterem Spaziergang waren wir hungrig und fuhren zurück in die Nähe unseres Hotels: Die Speisekarte eines mediterran orientierten Lokals hatte vertrauenswürdig ausgesehen. Mein gemischter Salat und meine Tagliatelle mit reichlich Garnelen und Lachs waren in Ordnung, dazu ein Glas Grauburgunder, auf das ich mich sehr gefreut hatte.

Spaziergang zum Hotel unter düsterem Himmel.

Riesiger alter Kohleförderturm vor Backsteingebäuden mit der Aufschrift "Zollverein"

Alte museale Industrie-Backsteingebäude, dazwischen gepflegte Rasenfläche und Wege

Renovierte Backstein- und Glasgebäude einer alten Zeche

Schon ein bissl Hunger Games. (Jaja, ich weiß, dass District V ja der Bergbau-District ist, in diesen Fall wurde die Assoziation durch die Kombination mit dem Geschleckten hervorgerufen.) Aber auch idyllisch.

Wege durch lichten Laubwald vor bedecktem Himmel

Bevor wir ins Bett gingen und das Fenster öffneten, kühlte ich das Zimmer nochmal mit Klimaanlage runter. Verrückt.

§

Während es mich immer noch nicht reizt, anderen Menschen beim Sporttreiben zuzusehen (Ausnahmen bei ästhetischen Komponenten -> Turnen, Synchronschwimmen, Skateboard; aber Menschen dabei zusehen, wie sie rennen oder Dinge ganz weit weg werfen?), auch nicht jetzt bei den olympischen Spielen, finde ich so manche Technik dahinter spannend. Zum Beispiel dass ich am Wochenende von den Vereins-schwimmenden Nifften erfuhr, dass bei 50 Metern Kraulen tatsächlich gar nicht mehr geatmet wird. Oder dass Grundlagenmathematiker Ken Ono bessere Bewegungsabläufe für das olympische Schwimmteam der USA gefunden hat:
“US-Schwimmerinnen sind dank Mathematik schneller”.
(Ich begrüße ausdrücklich den Seitenhieb des Autors Reinhard Kleindl gegen die Floskel “keine Raketenwissenschaft” im Englischen.)

die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 7. August 2024 – Essen also“

  1. Christine meint:

    Seitdem das Einkaufszentrum am anderen Ende der Innenstadt steht, ist diese mit deutlichen Leerstand gekennzeichnet. Ja. Es gibt aber hier auch durchaus belebte Ecken. Fahren Sie für mehr Leben, Kultur (Museum), grün (Gruga) und ausreichend gutes Essen rüber nach Rüttenscheid. Das Essener Leben findet dort statt. Und ja, der Förderung ist durchaus einige wichtige Komponente :)

  2. Karin meint:

    Wie jetzt, gar nicht mehr geatmet? Also quasi 50 Meter mit einmal einatmen beim Start und dann durch? Ich bin völlig geplättet (und mal wieder entzückt über eine Information, die ich ohne Ihr Blog nie bekommen hätte).
    Außerdem: Danke für den Begriff „Retro-Deutschland“, genau das!

  3. Flusskiesel meint:

    Für ,,Hunger Games” hättet Ihr in Duisburg aussteigen müssen. Im hiesigen Landschaftspark wurde irgendein Teil eines Teiles der Filmreihe gedreht. :-)

  4. Croco meint:

    Retrodeutschland :(
    Das tut schon ein bisschen weh. Das Mittelrheintal war immer DIE Verkehrsachse Deutschlands. Alle 5 Minuten fährt ein Zug durch, der Güterverkehr läuft hier, Schallschutz gibt es fast nicht. Es gibt keine Brücke zwischen Mainz und Koblenz, nur Fähren. Bei Hoch-oder Niedrigwasser fahren sie nicht. Die Anwohner machen schon was mit.
    Dafür ist es Weltkulturerbe.
    2029 werden wir die Bundesgartenschau haben, dafür wird gerade viel geplant und getan.
    https://buga2029.blog/
    Und wir haben eine Bugabloggerin
    https://buga-blogger.de/

    Schaut Ihr Euch die Villa Hügel an? ( „ Eine Deutsche Familie“, die TV Serie zur Familie Krupp)
    Und das Containerschwimmbecken auf dem Zechengelände?

  5. Joël meint:

    Wenn Ihr schon dort seid: Das Red Dot Design Museum ist immer einen Umweg wert.

  6. Norman meint:

    Es versetzt mir jedesmal einen Stich, wenn ich diese Flucht zum kastrierten Kesselhaus (jetzt: Designmuseum) herunterschaue…

    1956

  7. Joël meint:

    Oh, das Foto kannte ich nicht. Ja das sah schon sehr anders aus.

  8. Schlosswiler meint:

    (Ausnahmen bei ästhetischen Komponenten -> Turnen, Synchronschwimmen, Skateboard; aber Menschen dabei zusehen, wie sie rennen oder Dinge ganz weit weg werfen?)

    Ist es meine subjektive Wahrnehmung, dass bei diesen olympischen Spielen genau das recht wenig im öffentlichen Fernsehen übertragen werde? Ich oute mich als extrem alt, aber bei den Spielen 1984 in Los Angeles wahr das gefühlt 50% der Übertragungen.

    Stabhochsprung geht für mich bei der Leichtathletik noch durch als ästhetische Sportart.

  9. Beate meint:

    Im Moment ist die Westerwald-ICE-Strecke gesperrt – daher durch’s schöne Rheintal!

    Hier (Frankfurter Nordend) sind übrigens immer noch Mauersegler!

  10. kid37 meint:

    “Lichtburg” übrigens das große (Premieren-)Kino in Deutschland und damit ein großes Stück Kinogeschichte. (Größter Saal auch.)

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