Journal Donnerstag, 12. September 2024 – Arbeitswirbeln, Durchhalten

Freitag, 13. September 2024 um 6:26

Wieder endetet der eigentlich gute Nachtschlaf zu früh und im Angstkarussell. Draußen rauschte der Regen wie schon beim Einschlafen. Doch pünktlich zum Arbeitsweg blieb der düstere Himmel trocken, es war lediglich sehr kalt: Erste Atemwölkchen vor Radler*innenlippen an roten Ampeln.

Im Büro wartete eine lange Jobliste, die wegen drohenden Urlaubs sehr unbedingt erledigt werden musste (und die aus Rahmen-Gründen auch nicht vorher angepackt werden konnte). Doch noch bevor auch nur der Rechner hochgefahren war, begannen die Querschüsse. Zum Glück bin ich in vielen der Jobs routiniert und sehr schnell (ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich dreimal so lange dafür brauchte), fürchtete aber die Gefahr, dass die Routine mich unachtsam machte.

Mittags war die Versuchung groß, wegen der hohen Schlagzahl Cappuccino- und Marktpläne fahren zu lassen, doch mein Bockigkeits-Ich siegte über mein Panik-Ich: Cappuccino bei Nachbars, Äpfelkauf auf dem Markt, dabei Bekanntschaft mit einem sehr jungen Nachwuchs-Standler (höchstens 50 cm hoch), der meinen Geldschein annehmen und mir Rückgeld reichen durfte.

Sehr spätes Mittagessen und das auch nur mit strenger Selbtsermahnung, weil komplett appetitlos: Eben gekaufte Äpfel, Körnerbrot.

Arbeitsnachmittag mit höchster Intensität, ich bekam Zeug für drei Arbeitstage weggeschafft. Bei dieser Schlagzahl musste ich mich vor Absenden von E-Mails aktiv daran erinnern, ein paar Blümchen einzuflechten. (“Vielen Dank für die Rückmeldung!” / “Gute Reise!” et al.)

Außerdem hatte ich Zeitdruck im Nacken, weil ich für die Abholung des Ernteanteils zuständig war. Der Arbeitstag endete in gleichzeitigem Rechner-Runterfahren, in Mantel schlüpfen, Tasche packen, Abschiedsgruß an Kollegin (deren Arbeitstag meinem sehr glich, wenn auch mit ganz anderen Inhalten).

In strammem Schritt zum Ernteanteil-Abholen, in strammem Schritt heim. Beim Begrüßen von Herrn Kaltmamsell gestand ich mir einen angedeuteten Zusammenbruch zu, aber dann Zusammenreißen und Weitermachen. Ich hatte auch noch einen späten Friseurtermin, den ich tagsüber fast vergessen hätte. Davor war noch Zeit für Yoga-Gymnastik, mich erfreute eine Einheit Bauch.

In strammem Schritt zum Haareschneiden. Ich bat um sportliche Kürze, wies auf Eignung fürs Wandern, auf Eignung fürs Schwimmen ohne Badehaube hin. Als Herr Friseur allerdings “praktisch” anbot, zuckte ich: “Bitte nicht so nennen. Bei ‘praktischer Kurzhaarschnitt’ fühle ich mich alt, außerdem wachsen mir dann eine Steppweste und ein Reihenhaus.”1

Erste Male:
Irgendwann im letzten Viertel des angenehm gesprächsarmen Schnippelns guckte er mich im Spiegel an: “Viel Haare!”
Und grinste dann: “Macht Spaß!”

Selfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren nd Brille vor schwarzer Wand in Kunstlicht

Ich war zufrieden. Selfie im U-Bahnhof Sendlinger Tor.

Daheim hatte Herr Kaltmamsell bereits den Salat aus Erntanteil gewaschen. Ich machte ihn mit Haselnussmusdressing an, mischte aus Ernteanteil ein Bündelchen Ruccola, eine kleine Gurke, ein paar Tomaten unter. Hervorragend. Die Tagesschau hatte ich da schon verpasst, auch keine Energie, sie nachzuholen.

Nachtisch Warschauer Brot (eine alte Münchner Gebäck-Spezialität, mit der sich Herr Kaltmamsell vor literarischem Hintergrund beschäftigt hatte, aus Brot- und Kuchenresten hergestellt, auf einen Tipp hin gefunden bei der Brotmanufaktur (oh mei) Schmidt), sehr gut. Und ein bisschen Schokolade.

Tagesabschluss zwischen komplettem Erledigtsein und Adrenalin-Hoch, schließlich war ja noch der Freitag zu bewältigen. Ins Bett mit der ersten Wärmflasche der Saison.

  1. Gegen die, wieder zur Sicherheit, grundsätzlich überhaupt nichts einzuwenden ist. Nur ganz weit weg von mir. []
die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 12. September 2024 – Arbeitswirbeln, Durchhalten“

  1. Barbara L meint:

    Sehr schönes Gesicht mit sehr schickem Haarschnitt!

  2. Neeva meint:

    Wirklich durchschlagend wird es erst bei einer “flotten” Kurzhaarfrisur. Dann wächst eine beige Übergangsjacke. ;-)
    Mein Schwiegervater verlangt beim Friseur “militärisch kurz”. Fragt sich, was dann spontan materialisiert…

  3. Sandra meint:

    Schlagwörter:
    “flott” “über 50” “Brille”
    Frisurvorschläge im Internet…. teils echt gruselig!
    Danke fürs Bild! :-)

    Und die Ängste gibt es hier auch: vererbt und manchmal lähmend für meinen Alltag…

    Ich wünsche viel Freude und Spass im Urlaub!
    LG Sandra

  4. Sandra meint:

    50cm? Also gerade erst geboren? Da war ihm das Geld-Greifen wohl in die Wiege gelegt worden!

  5. Berit meint:

    @Sandra: Vielen Dank für den Lacher, beim Nachgooglen auch mal wieder auf das Wort “peppig” gestoßen, sowie dem absoluten Alliterationskracher “Fünf freche Frisuren ab 50”.

  6. Sandra meint:

    Also meine Mutter wollte mir (Jahrgang 86) immer einen „feschen“ Kurzhaarschnitt andrehen.

  7. outrage meint:

    nicht zu vergessen: “pfiffig”.
    was wächst einem da? eine asymmetrische brille in knallfarben?

  8. Croco meint:

    Kess, sehr kess ;)

  9. FrauC meint:

    Täuschen Sie sich mal nicht bei der Steppweste: Auf Instagram habe ich gerade Tipps gesehen, wie man jetzt im Herbst die Steppweste stylt – von einem jungen Mann Ende 20. (Über einem Sakko über einem beigen Rolli übrigens.)

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