Journal Samstag, 21. September 2024 – Von Esporles nach Valldemossa
Sonntag, 22. September 2024 um 7:25Der gestrige Wanderweg erwies sich dann als komplett anders als das am Freitag getestete Stück – umso mehr freute mich, dass ich diesen perfekt ausgebauten Abschnitt am Ankommenstag erlebt hatte. Gestern verlief der Weg nämlich wild und ungestüm, Trockenmauern bekam ich nur wenige zu sehen.
Zum Frühstück war ich am Vortag um eine Wahl zwischen drei Zusammenstellungen gebeten worden; ich kreuzte diejenige an, die als Brotzeit mitnehmbare Bestandteile versprach.
Restaurant/Frühstücksraum
Aus den Tostadas rechts baute ich mir ein kleines Schinken- und ein noch kleineres Käse-Bocadillo, die beiden Mini-Croissants steckte ich ebenfalls ein. Und freute mich an dem Milchkaffee.
Auf meinem Zimmer las ich noch eine Weile, ich wollte nicht allzu früh aufbrechen: Die Tagesstrecke nach Valldemossa war mit 3,5 Stunden bemessen, was mich sonst schon wieder zu früh an mein nächstes Hotel gebracht hätte. Auch diesen Fernwanderweg hatte ich mit Gepäcktransport gebucht: Dass ich entgegen meinem Selbstbild keine Alles-im-Rucksack-Reisende bin, musste ich schon sehr jung über mich lernen, als ich es ausprobierte – und alles daran hasste. Ich hatte mich vor dem Ausprobieren für jemand gehalten, die auf solche Wanderungen geht. Bitte schauen Sie nicht auf mich herab, ich musste ja auch meinen Frieden damit machen.
Schon in der Nacht hatte ich bemerkt, dass mich einige Moskitos auf meinem Testspaziergang erwischt hatten, ich besprühte mich nach dem Duschen und noch vor dem Anziehen flächendecken mit Anti-Brumm.
Start der Wanderung. Die 3,5 Stunden Gehzeit erwiesen sich als korrekt (nach zwei Stunden zwang ich mich zu ein wenig Hinsetzen mit Aussicht als Pause), meist ging es deutlich auf- oder abwärts, teilweise so grobsteinig steil, dass ich meine Hände brauchte (für Wanderstöcke habe ich mich ja als zu doof erwiesen, ich verlasse mich lieber auf meine Muskelkraft). Das war durchaus anstrengend, aber eine zusätzliche Stunde wäre schon noch drin gewesen.
Anderen Wanderern begegnete ich kaum – allerdings gleich am Anfang einem in dieselbe Richtung mit Fraternisierungsanwandlungen. Da ich wirklich, wirklich allein gehen wollte (nur so kann ich gucken, fotografieren, denken, entdecken, mein Tempo finden, kurz: entspannen) (Wandern mit Herrn Kaltmamsell kommt dem ein wenig nahe), nothing personal, hatte ich zwei Möglichkeiten:
– Schneller gehen, um vor ihn zu kommen. Das hätte zu einer reinen Sport-Einheit mit dem einzigen Ziel Ankommen geführt. Inklusive dem Risiko Verausgabung.
– Mich immer wieder zurückfallen lassen, bis er aus dem Blick war. Das tat ich dann auch, allerdings mit Anstrengung, da er zunächst immer wieder Abzweigungen verfehlte und ich doch wieder fast gleichauf mit ihm war.
Jetzt allerdings war es herrlich. Entgegen der Wettervorhersage erstmal eine Stunde sonnig, erst dann zog der Himmel langsam zu. Die Temperatur blieb mit etwas über 20 Grad perfekt, manchmal ging sogar ein wenig Wind.
Wie schon am Vortag sah ich diese unbekannten Früchte, am Baum sehen sie so aus:
Recherchen ergaben: Erdbeerbaum (also der madroño, an dem der Bär im Wappen Madrids lehnt). Und die kann man wohl essen, werde ich bei der nächsten Begegnung versuchen.
Luxuriöse Beschilderung/Wegmarkierung. In sehr steilen, steinigen Abschnitten und in Geröll mit Bäumen wurde sie allerdings spärlich und ich griff zur Orientierung auf die GPS-Karte des Wander-Organisators zurück.
Erster Blick aufs Meer durch Bäume.
Auf Fotos sieht man nie, wie gach es rauf oder runter ging. Hier zum Beispiel brauchte ich dann doch meine Hände.
Blick auf Palma (das müssen Sie mir jetzt einfach glauben, es war sehr dunstig).
Blick auf mein gestriges Ziel Valldemossa.
Sound-Besonderheiten: Mal Hahnkrähen, mal das Röhren einer Verbrennerauto-Rallye.
Im letzte Drittel kam mir eine größere Gruppe Brathendl-gebräunter Menschen etwa in meinem Alter entgegen, in leichter Sportkleidung und ohne Taschen, der eine oder die andere eine kleine Wasserflasche in der Hand. Sie fragten mich auf Fremdsprach-Englisch, ob der weitere Weg schön sei. Ja, sei er, sie würden allerdings hin und wieder klettern müssen und ihre Hände brauchen. (Ich hoffte, dass sie damit genug Informationen für eine Entscheidung hatten, waren ja erwachsen.)
Valldemossa erwies sich (im Gegensatz zu Esporles) als rein touristisch, aber wirklich hübsch. Im kleinen Altstadt-Boutiquehotel entdeckte ich allerdings bei Ankunft kurz nach eins, dass mein Koffer nicht eingetroffen war. Anruf beim beauftragten Transportdienstleister, Rückruf auf Deutsch mit schwäbischem Akzent: Verkehrsprobleme, Koffer wird noch gebracht.
Ich machte mir an der “Honesty Bar” des Hotels (alles bereitgestellt, man trägt in eine Liste mt Zimmernummer ein, was man genommen hat) einen Mittagscappuccino, sah mir mein Zimmer dann zumindest an.
Sensationelle Aussicht.
Brotzeit um zwei die beiden Mini-Bocadillos und Mini-Croissants.
Um meinen Koffer abzupassen, setzte ich mich in die Lobby – die Rezeption war ab halb zwei nicht mehr besetzt. Ich las Zeitung, währenddessen begann es zu regnen. Aber! Ich sah auch einen Gecko vorbeihuschen!
Als ich meinen Koffer endlich hatte (der Transportmann überschlug sich mit Bitten um Verzeihung), ging ich erstmal unter die schöne Dusche, um Schweiß, Sonnenmilch, Mückenspray, Gestank abzuwaschen. Dieses Frische- und Sauberkeitsgefühl habe ich nach der täglichen Morgendusche NIE. In ein Kleid geschlüpft, Wanderregenjacke übergeworfen: Da ich keine Lust auf Auswärtsessen hatte, besorgte ich im einzigen Supermarkt am Ort mein Abendbrot.
Brotzeit war wohl nicht genug gewesen, ich erlebte eine meiner seltenen Fress-Attacken: Eine halbe Tüte Mischnüsse ging drauf (eigentlich samt einer Tüte Trockenfeigen und drei Eiweißriegeln die eiserne Ration für alle Fälle – dann war das halt so ein Fall).
Mit Laptop setzte ich mich zum Lesen ans Fenster und guckte immer wieder in die Hammer-Aussicht.
Sah einen Turmfalken auf dem Nebendach landen. Wolken über die Berggipfel fließen. Es dunkel werden. Hörte Stimmen der vorbeispazierenden Menschen, das Rauschen des Verkehrs auf der Landstraße, den Start von Samstagabend-Partymusik in einem Lokal. Roch Holzfeuer, gebratene Koteletts. Einmerker für einen Schreib- und Denk-Retreat: Valldemossa, Hotel Ca’s Papa, Zimmer 3.
Mein Abendessen bestand aus Birne, roter Paprika, einer Empanada mit Gemüsefüllung, Joghurt: Gut und sättigend, es passten nur noch wenige Schokonüsse hinterher.
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Journal Samstag, 21. September 2024 – Von Esporles nach Valldemossa“
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22. September 2024 um 8:08
Mit den Bildern kann ich die Insel riechen. Wilder Rosmarin. Und das Meer. Danke dafür.
22. September 2024 um 9:00
Ich bekomme Urlaubs-Feeling! Danke für’s Mitnehmen!
22. September 2024 um 9:29
Das ist schon sehr hübsch da. Mallorca schien mir immer als ungünstige Mischung aus zu weit/zu überlaufen, aber so wirkt das recht attraktiv. Fürchtet man sich nicht vor Bränden in all dem Gestrüpp
22. September 2024 um 9:36
Derzeit fürchte ich mich eher vor schwarzen Wolken und Regen, Sabine, also: Nein.
22. September 2024 um 10:14
Wir waren einige Male auf Mallorca und nur im Nordwesten, Valldemossa, Soller u.a., sind immer selbständig gewandert. Es war jedes Mal wunderschön. Unsere liebste Reisezeit ist für diese Gegend das Frühjahr, ab April wird es zu heiß. Herbst kenne ich noch nicht dort. Weiterhin eine schöne Zeit dort wünsche ich.
22. September 2024 um 10:24
Jedes Fensterfoto wäre postkartenreif – ein Traum.
Ich begreife erst jetzt voll Bewunderung (war mir entgangen), dass Sie allein und nicht in Gruppe wandern. Ich kann das nach Ihrer Begründung gut nachvollziehen, wäre selbst aber zu sehr Bangbüx.
Ich drücke die Daumen für Wanderwetter
22. September 2024 um 10:40
Wie schön. Bei fremden Mitwanderern fürchte ich mich gelegentlich. Diese “nein, danke” Sache scheint da recht schwierig.
22. September 2024 um 10:41
Der Erdbeerbaum .. einer steht auf Balkonien, trägt aber seltenst Früchte, da er erst demnächst blüht und die Fruchtansätze meistens über den Winter erfrieren.
Früchte roh: naja, eher mehlig …
Konfitüre: schon weitaus besser
Likör: ja, gerne
Schnaps: auch
Honig: der mit Abstand bitterste Honig ever – mehr als ungewöhnlich
Weiterhin viel Spaß!
22. September 2024 um 12:49
Danke fürs Mitnehmen in meine Reiseerinnerungen. Der Norden von Mallorca ist wirklich traumhaft und Valdemossa zwar durch die Kartause (George Sand und Chopin) sehr touristisch, aber am Abend, wenn due Tagestouristen weg sind entfaltet es seinen Reiz. Wir haben dort vor einigen Jahren eine wunderbare Wanderurlaubwoche verbracht. Ich freue mich auf den weiteren Weg und bin gespannt, ob ich sie kenne.
22. September 2024 um 14:29
Ich habe auch mal gedacht, ich wäre eine Wanderin, die Zelt und alles mögliche im Rucksack mitschleppt. Aber nach einer Nacht habe ich die Wanderung abgebrochen, auch wegen Dauerregen. Ich habe doch ganz gerne eine richtige Unterkunft. Der im Link erwähnte Cateran Trail war der erste, den ich mit Gepäcktransport gemacht habe, was super war. Dort habe ich auch die Honesty Bars kennengelernt. Auf die Idee eine so organisierte Wanderung zu buchen, bin ich durch Ihren Blog gekommen. Danke und noch einen schönen Urlaub. Das sieht wirklich toll aus.
22. September 2024 um 17:44
So schöne Fotos von Valldemossa.
Ich kenne es nur im Winter und fast ohne Touristen. Das Buch von George Sand hab ich mir in der Kartause gekauft. Die beiden sind damals fast festgefroren in den kalten Räumen.
22. September 2024 um 21:02
Diese „Erdbeeren“ kenne ich! Die gibt es auch in Südfrankreich. Dort heißen sie Arbouse und der Baum Arbousier. Und ja, die kann man essen und schmecken auch ein wenig wie Erdbeeren. In Frankreich findet man vor allem im Süden Marmelade davon.
23. September 2024 um 5:09
Alles an Fernwanderungen mit Gepäcktransport ist aus meiner Sicht großartig! Weiterhin eine gute Reise…