Journal Sonntag, 22. September 2024 – Erst hoch, dann runter: Von Valledemossa nach Dejà

Montag, 23. September 2024 um 8:08

Ohne die Überschrift hier im Blog hätte ich Urlaubs-angemessen keinerlei Gefühl für Wochentage – was allerdings auch damit zu tun hat, dass ich mich in einer so durch-touristisierten Gegend aufhalte, dass kein Wochenrhythmus der Einwohner bemerkbar ist: Keine Sonntagsruhe, alle Läden haben auf wie immer. Kein Sonntagsmessengeläut der Kirchen.

Wieder zögerte ich meinen Aufbruch hinaus: Die Wanderung war mit einer Dauer von vier Stunden veranschlagt, Check-in in der Unterkunft am Ankunftsort aber erst um 16 Uhr möglich.

Ich war sehr gespannt gewesen auf den sensationellen Blick aus dem Hotelfenster bei Tagesanbruch – und er lieferte.

Blick von einem erhöhten Fenster auf ein mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, in erstem Morgenlicht

Blick von einem erhöhten Fenster auf ein mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, in frühem Tageslicht

Teil der Morgentoilette war wieder umfassende Mückenspray-Bedampfung: Die Stiche von Freitag an linkem Knöchel und Achillesferse machen sich in den Wanderstiefeln schmerzhaft bemerkbar. Dass ich nach dem Eindieseln eine Weile nicht gut atmen konnte? Verschmerzbar.

Beim Frühstück hatte ich keine Gelegenheit, lediglich um etwas für die Wanderung zum Mitnehmen zu bitten, da stand schon dieses reichliche und liebevoll angerichtete Tablett vor mir.

Aufsicht auf ein Frühstück mit Brot, Joghurt, Obstsalat, Honig, Marmeladen, Guacamole, Tomate, Schinken, Käse, Ei, daneben eine Tasse Cappuccino

Ich machte mir ein Schinken-Käse-Brot zur Brotzeit, nahm zusätzlich das Ei mit. Hauptsache café con leche.

Nach einer weiteren Runde Aussicht-Genießen auf meinem Zimmer verabschiedete ich mich (und erfuhr, dass das Hotel das ganze Jahr über geöffnet ist), erkundete erst mal Valldemosa – am Vortag hatte es ja geregnet. Ich fand den Ort wirklich bezaubernd.

In goldenem Morgenlich schmale gepflasterte Straße, links alte Häuser, rechts eine Mauer und Bäume, dahinter blauer Himmel

Sandsteinkirche im Gegenlicht, dahinter blauer Himmel

Die Kirche, die sich in der Zimmer-Aussicht so hervorragend gemacht hatte.

Ein langes Wasserbecken aus Stein, überdacht und umgeben von Steinbögen, draußen gepflasterte Straße, ein alter Mann geht vorbei

Im Vordergrund ein durchkomponierter Garten mit niedrigen Hecken, Rosen, Büsten, rechts ein großes sakrales Sandsteingebäude

Kartause mit Gartenanlage.

Doch wenn schon jetzt in der Nachsaison ab zehn die Reisebusladungen reindrückten und Bummeln schier unmöglich machten, will ich mir das erst gar nicht zur Hauptsaison vorstellen.

Die Wanderung gestern versprach Abenteuer: In der Wegbeschreibung für die Etappe nach Deià hieß es unter anderem „und klettern Sie über das Tor“. Ich erklärte die Ortsheilige Sante Catalina Thomás zu meiner Patronin des Tages.

Bemalte Kachel mit Heiligenszene - kleine Wanderin vor großem Mönch, der ihr einen Stock reicht - und der Schrift „Santa Catalina Thomas pregau per nosaltres“

Auch in meinem Hotel ein Bildchen von ihr.

Eisentor, links daneben eine Absperrung mit Kette, dahinter Büsche, im Hintergrund felsige Berge im Sonnenlicht

Start gleich mal mit der Anweisung: “Gehen Sie um die Kette herum” – hier ist halt alles Privatgelände, den Wanderweg hat die Verwaltung den Grundbesitzern abgerungen.

Es war eine recht anstrengende Wanderung für mich, denn erst ging’s anderthalb Stunden nur verschieden steil hoch, abschließend anderthalb Stunden steil bis mittelsteil runter: Das ist nicht meine liebste Streckenführung – und ein Grund, warum ich nicht gerne bergwandere, sondern das hügeligen Vorbergland oder Mittelgebirge bevorzuge. Beim reinen Steigen oder Absteigen muss ich mich vor allem in anspruchsvollem Gelände auf den Meter Weg vor meinen Füßen konzentrieren und bekomme für meinen Geschmack (!) zu wenig von der Umgebung mit. Zumindest schaffte ich es gestern, immer wieder für wunderbare Ausblicke anzuhalten.

Steiniger breiter Wanderweg aufwärts zwischen wenigen hohen Nadelbäumen, die sich fast alle sehr nach rechts neigen

Das Bild ist nicht schief (ich hatte eine Wasserwage im Handy zugeschaltet), die Bäume sind es.

Von weit oben Blick auf einen sonnenbeschienen Ort aus Sandsteinhäusern in einem Tal zwischen grün bewachsenen Bergen

Blick zurück auf Valldemossa.

Sehr steiniger Weg aufwärts zwischen Hartlaubbäumen, dahinter blauer Himmel

Steiniger Weg aufwärts zwischen Hartlaubbäumen, einige umgestürzt, dahinter blauer Himmel

Es lagen einige umgestürzte Bäume auf den Wegen, manchmal kletterte ich, manchmal ging ich drumrum. Die Route war streckenweise nicht einfach zu finden, neben dem GPS-Verlauf halfen Markierungen aus Steinstapeln.

Steiniger Anstieg eines Bergs ohne sichtbaren Weg

Kurz vor dem höchsten Punkt der Wanderung waren die Steintürmchen allerdings so viele, dass sie mich verwirrten – ich schlug mich freihändig durch.

Im Vordergrund ein Busch mit kleinen lila Blüten, im Hintergrund einige Bäume, dazwischen blauer Himmel

Blühender Rosmarin – der Duft!

Blick von weit oben auf Meer und Berge, darüber blauer Himmel mit Federwolken

Nach zwei Stunden verordnete ich mir eine Pause zum Ausruhen, abgezählte zehn Minuten Sitzen mit dieser Aussicht.

Links ein Pfosten mit hölzernem Schild "Dejà", daneben ein Pfad, der einen baumlosen Berg hinunter führt, im Hintergrund Meer

Nach einem Stück den Bergrücken entlang ging’s abwärts.

Rechts Bäume, daneben felsiger, steiler Weg bergab, daneben Ausblick auf Meer

Sehr abwärts.

Blick von weit oben einen Berg hinunter, der ins Meer ausläuft, darauf Yachten

Aber mit Aussicht.

Erhöhter Ausblick auf Wald und Meer, darüber dunkle Wolken, links ragt ein dürrer Baum ins Bild

Steiniger Weg abwärts zwischen lichten Bäumen

Über Wald eine Bergkette, deren Grat von Wolken überflossen wird

Jetzt kamen Wolken über die Berge, Ende des Sonnenscheins.

Breiter, heller Wanderweg, rechts einige uralte verdrehte Olivenbäume

Stein-gefasster Wanderweg zwischen Bäumen, im Vordergrund an einer Mauer aus Steinen ein gemauertes Halbrund

Um zwei hatte ich richtig Hunger und setzte mich auf die Steine hier rechts zum Brotzeiten: Birnen, Ei, Schinken-Käse-Brot.

Zwischen Bäumen zwei dunkelfellige Ziegen mit sehr großen Hörnern

Ich bekam Gesellschaft: Ihr Mäh hatte ich schon eine ganze Weile gehört – sind das Mufflons?

Wanderweg abwärts zwischen hellen Nadelbäumen

Über Tore musste ich entgegen der Wegbeschreibung an keiner Stelle klettern – sie wirkte ohnehn an einigen Stellen überholt und wich auch immer wieder vom GPS-Track ab.

Im mittleren Drittel der Wanderung waren um mich einige andere Wandergruppen, die sich bestens auf Spanisch, Deutsch, Britisch, Amerikanisch (respektive) unterhielten. Ich fühlte (!) mich gestört, ließ sie alle vorbeiziehen. Was einfach ging, denn sie hatten durchgehend ein zackiges Tempo ohne Blick nach links und rechts drauf – dreimal kamen mir auch richtige Bergläufer*innen abwärts im Galopp entgegen.

Etwas erhöhter Blick auf ein Tal mit Sandsteinhäusern

Deià

Trotz dem langen Rauf und langen Runter fühlte ich mich am Ende der Wanderung nicht verausgabt: Dass ich zur Pension nochmal hochgehen musste, störte mich gar nicht. Dennoch hätte ich arg gerne eine Runde Yoga-Gymnastik zu, Dehnen rundum geturnt.

Zuvor hatte ich mich in Deiá umgesehen (nett, aber sehr übersichtlich – so hatte ich es auch vom ersten Besuch vor etwa 25 Jahren in Erinnerung). Als Abendessen hatte ich große Lust auf frische Feigen und Käse: Bekam ich sogar in einem kleinen Laden, sonst hätte ich in einem Restaurant gegessen. (Ich bedaure immer sehr, wenn ich auf meinen herbstlichen Oktoberfestflucht-Wanderungen an reifem Obst an Bäumen vorbeikomme – und dann nichts davon kaufen und essen kann. Siehe Moselsteig, spanisches Baskenland.)

Die Unterkunft stellte sich als sehr schlicht heraus, bis hin zu kein Föhn und kein Becher im Bad.

Kleines, altmodisches Hotelzimmer mit zwei Einzelbetten, vor dem Fenster ist es grün

Diesmal geht der schöne Ausblick in den Garten, ich sah gleich mal eine Mönchsgrasmücke. Doch der Garten bedeutete auch, dass ich frisch geduscht sofort Mückenspray nachlegen musste: Umgehende Attacke von sirrenden Moskitos.

Wochenend-Zeitung gelesen, gebloggt, schon war’s acht und Zeit fürs Abendessen: Wunderbar reife Feigen und ein sehr großes Stück gereifter Käse Mahón. Sehr zufriedenstellend, aber ein milderer Käse hätte tatsächlich besser zu den Feigen gepasst.

Beim abendlichen Lesen kamen die ganz dicken Socken zum Einsatz: Der kühle Boden hätte mir sonst kalte Füße und Frieren bereitet. Schon seit Nachmittag war ich sehr müde, zögerte aber das Zu-Bett-Gehen hinaus, um nicht zu früh aufzuwachen.

§

Ich möchte den Einheimischen hier wirklich nicht noch mehr Mühe machen, aber wenn sie mir bitte auf Spanisch antworteten, wenn ich sie auf Spanisch anspreche? SO schlecht ist es wirklich nicht geworden. Please?
(Katalanisch/Mallorquí-Dominanz unwahrscheinlich: Miteinander sprechen sie sehr wohl Castellano. Und in der Gastro/Hotellerie arbeiten eh – wie bei uns – viele Immigrant*innen, hier oft aus Südamerika.)

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Der ADFC macht auch dieses Jahre wieder eine Umfrage:
“Und wie ist Radfahren bei dir vor Ort?”

Je mehr mitmachen, desto größer ist die Schlagkraft der Ergebnisse. (Gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Sakratie!)

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In der Wochenend-Süddeutschen ein wichtiger Hinweis von Naika Foroutan, Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschun, zur deutschen Migrationspolitik:

Die derzeit akute Migrationspanik muss nicht nur vor dem Hintergrund der jüngsten islamistischen Attentate, sondern auch im Wissen um den eklatanten Strukturabbau im letzten Jahrzehnt diskutiert werden. Sparmaßnahmen im Zuge der Schuldenbremse haben seit 2009 zu mangelnden Investitionen in Infrastruktur und Bildung geführt und die Handlungsfähigkeit in Städten und Kommunen geschwächt. Der staatliche Strukturabbau erschwerte die Verwaltung der Zuwanderung ab 2015. Die Zivilgesellschaft sprang in die Bresche und übernahm zentrale Aufgaben, von Unterbringung bis Sprachvermittlung: Wir erinnern uns an die vielen Menschen, die von Bayern bis Bremen die Willkommenskultur formten, die Deutschland auch international in einem neuen Bild erscheinen ließ.

Rückwirkend haben sich im kollektiven Gedächtnis mit der Zuwanderung und der veränderten kulturellen Zusammensetzung des Landes die maroden Strukturen verkoppelt – aus einer Korrelation wurde im Kopf eine Kausalität: „Die Migration ist schuld, dass alles kaputtgegangen ist.“ – „Schaut euch die Krankenhäuser an, schaut euch die Arztpraxen an, schaut euch an, was das für Konsequenzen hat, wenn ein Land durch Migration überfordert wird.“

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Sonntag, 22. September 2024 – Erst hoch, dann runter: Von Valledemossa nach Dejà“

  1. Uschi aus Aachen meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

    *******************************************************

  2. Croco meint:

    So schöne Fotos, danke. Das Fernweh treibt mich sofort wieder um.

    Danke auch für den Beitrag zur Migration.
    Der Strukturabbau betrifft das Land noch mehr als städtische Regionen. „Unser Krankenhaus wird geschlossen und für die Flüchtlinge ist Geld da,“ höre ich oft.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

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