Gut geschlafen, mittelfrüh erfrischt aufgewacht, nur wenig verkatert. Wie angekündigt empfing mich ein weiterer Sommermorgen, auf dem Balkon war es aber vor sieben noch sehr frisch.
Sommersamstag mit Sommersamstagprogramm: Schwimmen, Familie.
Nach dem Bloggen packte ich meine Schwimmsachen und radelte ins Dantebad durch noch angenehme Temperaturen. Zu meiner erfreuten Überraschung war das Schwimmbecken trotz Freibadwetter wenig beschwommen, ich zog meine Bahnen bis 3.000 Meter ungehindert, mit nur gelegentlichen Zwischenspurts für Überholungen, kräftig, geschmeidig und ohne sich manchmal durch leichtes Zwicken ankündigende Krämpfe. Das Ergebnis war eine neue Rekordzeit – oder ich hatte mich mit den Bahnen verzählt.
Drei Schwimmer*innen erkannte ich auf meiner Bahn von den Vorsamstagen im Dantebad wieder – da scheinen Leute einen ähnlichen Sportrhytmus zu haben wie ich. Dadurch konnte ich sofort ihr Tempo einschätzen: 1 x langsamer als ich und zügig zu überholen, 1 x schneller als ich, aber immer nur zwei Bahnen, dann ausruhen, muss also nicht vorgelassen werden, 1 x extrem viel langsamer als ich, also Gefahr des Reindotzens, besser mal beim Wenden die Bahn vor mir abchecken.
Der Himmel war leicht diesig, die Luft leicht schwül. Ich legte mich mit Musik in die Sonne, genoss immer wieder die leichte Brise. Bis zu meinem Aufbruch kurz nach eins hatte sich die Wiese immer noch nicht mit Familien gefüllt, die ich an solch einem Freibadwettersamstag erwartet hatte.
Beim Heimradeln besorgte ich Frühstückssemmeln, unterwegs zwei Verkehrsgeschichten: Zum einen drei offensichtlich betrunkene Männer in Bawaro-Lederhosen auf E-Rollern, die lachend und rufend kreuz und quer über mehrspurige und viel befahrene Kreuzungen schlingerten (gestern schien es wieder irgend ein Trachten-Ereignis in der Innenstadt zu geben). Das war gruslig, die anderen Verkehrsteilnehmenden machten einen großen Bogen. Zum anderen einer der zeitgenössischen Monster-Pkw, der an einer mehrspurigen Ampel-Kreuzung einen U-Turn versuchte – und beim ersten Abbiegen mit seinem riesigen Wendekreis nicht ganz rum kam, zurücksetzen musste. Das war lustig.
Frühstückssemmel gab es gegen zwei mit Tomate und Ricotta salata, außerdem Honigmelone und Trauben. Herr Kaltmamsell hatte währenddessen die komplexe Anreise zur Familienverabredung geplant: Sein Lieblingscousin aus USA ist mit seinem Mann im Lande, wir waren alle bei einem der beiden Brüder von Herr Kaltmamsell zum Grillen eingeladen, der hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen wohnt; die Regionalbahnen in seine Richtung waren zudem gestern mit einigen Zugausfällen und Bauarbeiten auf Alternativverbindungen stark ausgedünnt. Wir nahmen schließlich unsere Fahrräder mit in einen Zug bis Kaufering, der verspätet und sehr voll vom Münchner Hauptbahnhof abfuhr. Eine etwa zehnköpfige Jungmännergruppe in ähnlichen Bawaro-Lederhosen und deutlich angetrunken hielt es für eine besonders schlaue Idee, den Fahrradbereich des Waggons zum Gruppenabteil umzudeklarieren, weil es da so schön viele gegenüberliegende Sitze gab. Zumindest waren sie friedlich und gutmütig genug, ein wenig Platz für unsere beiden Räder zu machen, allerdings nicht genug für Befestigung. Hielten wir sie halt die dreiviertel Stunde Fahrt im Stehen fest.
Das letzte Stück bis zum Grillfest radelten wir über Felder, durch Haine und kleine Ortschaften in doch deutlicher Sommerhitze. Freudiges Treffen mit Verwandtschaft, Austausch von Neuigkeiten, Befinden, Plänen, Schlemmen mit Grillfleisch, Salat, Kartoffeln, mir schmeckten zwei Halbe alkoholfreies Weißbier (das von Franziskaner mag ich besonders gern). In der Dämmerung bekam ich reichlich Fledermäuse zu sehen.
Zurück radelten wir wieder zum Bahnhof, brachen so rechtzeit auf, dass wir gemütlich fuhren und die deutlich abgekühlte Sommernacht genossen. Ich erinnerte mich an den Sommer nach meinem Abitur, als ich immer wieder von einer der vielen privaten Abiturfeiern nachts nach Hause radelte.
Der Zug zurück war ebenfalls sehr voll (klar, wenn nur halb so viele Züge auf der Strecke fahren wie sonst). Wir mussten uns von einem Mann wegen unserer Fahrräder anpöbeln lassen; dass wir damit am exakt dafür vorgesehen Platz im Wagen standen, wollte er nicht einsehen. Wieder standen wir unabgesichert irgendwo im Gang. Zum Glück beruhigte sich die Stimmung schnell.
Zurück in der Wohnung noch ein Stück Schokolade, Fenster und Türen in die Nachtluft geöffnet.
Im Bett startete ich neue Lektüre: Meine Bibliotheks-Vormerkung Zora del Buono, Seinetwegen hatte pünktlich zur Verfügung gestanden – wieder eine Recherche zu einem gewaltsamen Tod, diesmal aber als “Roman” verkauft.
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Zu meiner derzeitigen Verzweiflung trägt die Regierungspolitik durchaus bei. Aber ja braucht es dringend eine Überarbeitung der Einwanderungspolitik (es gibt eine Einwanderungspolitik?), die nicht kurzfristige Aufreger löst, sondern die langfristigen und längst absehbaren Entwicklungen verarbeitet, mit gründlicher und fundierter Abwägung der Auswirkungen von Maßnahmen. Doch derzeit beobachte ich das Gegenteil: Wilden Aktionismus der Regierungskoalition, abzielend auf positiven Schein, deren Details uns allen noch böse um die Ohren fliegen könnten. netzpolitik.org-Co-Chefredakteurin Anna Biselli bringt meine Befürchtungen auf den Punkt:
“Autoritäre Zeitenwende, schlüsselfertig”.
Während die Rechtsradikalen nach der Macht greifen, üben sich die verbliebenen Demokraten darin, den Staat für sie schlüsselfertig vorzubereiten. Es ist noch rund ein Jahr bis zur Bundestagswahl und die einst angetretene Fortschrittskoalition für eine „moderne, freie Gesellschaft“ trägt mit dem Presslufthammer Freiheitsrechte ab, als gäbe es einen Wettlauf zu gewinnen.