Journal Mittwoch, 2. Oktober 2024 – Erste Etappe Rückreise bis Barcelona
Donnerstag, 3. Oktober 2024 um 7:41Gut geschlafen, bei Unterbrechungen aber bereits Alltags- und Berufsängste einströmen gefühlt.
Eos winkte zum Abschied aus Alcúdia.
Besuch beim Pensionsfrühstück, café con leche, Plausch mit Pensionswirtin unter anderem über Filmmusik (sie ließ gerade den Soundtrack von The English Patient laufen).
Gemütlich fertig gepackt. Es gab zwar eine Busverbindung zum Hafen, doch mir war eine gute halbe Stunde Bewegung lieber.
Unterwegs blieb ich an einem Biosupermarkt stehen, der die typisch spanischen Honigmelonen anbot, piel de sapo – von denen ich mich seit Jahren wundere, dass es sie in Deutschland nie auch nur halbwegs reif zu kaufen gibt. Ich testete diesen Stapel stichpunktartig: Ebenfall keine einzige essreif. Die werden einfach nicht mehr reif geerntet, warum nur? (Bleiben ja trotzdem gut transportierbar.)
Im Hafengebäude noch ein wenig Lesen, Blick aufs… Rollfeld.
Diesmal ging’s mit einer langen Gangway aufs Schiff. Die Reederei hatte mich über WhatsApp unter anderem informiert, dass mein Sitz die Klasse “Sirene” habe. Ich hoffte ich auf ganz viele Odyssee-Zitate auf dem Schiff (Cafeteria Kirke?) – doch nichts war’s.
Ablegen. Mein Platz 9U bestand aus einem riesigen Ledersessel am Fenster, das zwar recht trübe angelaufen war, aber zumindest Überblick ermöglichte.
Die sechs Stunden Fahrt bis Barcelona vertrieb ich mir mit einem Mittagessen im Selbstbedienungsrestaurant (gedünstetes Fischsteak mit Pommes und Salat – na ja), Musikhören mit Wassergucken auf Deck (die Luft warm und nur wenig windig), Zeitung- und Romanlesen.
Interessante Erfahrung beim Lesen drinnen im breiten Ledersessel: Die leichte Bewegung und die Maschinengeräusche (Gasturbinen, stand außen auf dem Schiff) fühlten sich an wie im Flugzeug.
Ich las Roxane Gay, Hunger: A Memoir of (My) Body aus: Eine sehr kluge und sehr, sehr dicke Frau in ihren 40ern schreibt über ihren Körper. Wie es kam, dass sie als schlanke Zwölfjährige, die älteste Tochter erfolgreicher Einwanderer aus Haiti nach USA, immer mehr aß, wie es ist, damit nicht aufhören zu können, wie der Alltag damit aussieht. Nichts davon las sich wirklich überraschend, und doch ging es mir sehr nahe. Gay befasst sich mit vielen Details: Sport, Kleidung, die Bestürzung der Veranstalter, wenn sie als noch unbekannte Autorin zu ihrem ersten Bestseller, aber halt mich diesem ihrem voluminösen Körper auf Lesungen auftauchte, die Bemühungen ihrer Familie (wobei sie klarmacht, dass ihre wirklich liebevollen Eltern, die sie bedinungslos unterstützen, sie nicht vor ihrer Lage bewahren konnten), ihre Zerrissenheit als Feministin zwischen Selbsthass und Selbstbestärkung. Aus all dem wurde eine Autobiografie entlang ihres Körpers, so offen und sachlich wie ihr möglich formuliert, ich merkte einerseits die schreiberische Routine, andererseits das Ringen.
Das (E-)Buch überbrückte gut, dass es an Bord zwar ein super WLAN gab, dieses aber keine Internetverbindung hatte. Als ich mit Hunger durch war, hatte ich auch wieder Mobilfunksignal.
In Barcelona schlechtes Wetter, die dunkelgrauen Wolken sahen nach Regen aus. Die Fähre legte weit außerhalb im Containerhafen an. Das bedeutete, dass wir Passagier*innen (nur ein Dutzend ohne Pkw oder Motorrad) in einen Reisebus stiegen, der eine ganze Weile bis zum Gebäude fuhr, in dem ich auf der Hinreise eingecheckt hatte.
Wieder hatte ich zwar eine Verbindung mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zum Hotel recherchiert, ging aber lieber die knappe Stunde zu Fuß, zumal der Boden zwar nass war, es aber nicht regnete.
Kurz vor neun kam ich in meinem Hotelzimmer an.
Spartanisch, dafür teuer (Kriterien waren Empfehlung und Laufweite zum Bahnhof gewesen). Zum Nachtmahl aß ich meinen Koffer leichter: Äpfel, Mischnüsse, Trockenfeigen, Schokolade. Dabei bloggte ich, mangels Tisch mit dem Laptop auf einem Kissen auf dem Schoß, meine Standardhaltung auf Stuhl (es gab einen Stuhl!) ohne Tisch.
Als ich den Laptop vorm Zähneputzen und Zu-Bett-Gehen zum Aufladen anstecken wollte, stellte ich zu meiner Bestürzung fest: Ich hatte das Ladekabel im Hotel in Alcúdia vergessen. Vor Abreise hatte ich alle Regale, Schubladen und Schränke sorgfältig gecheckt, doch das Kabel ringelte sich noch gut getarnt auf den gemusterten Fliesen. In jeder anderen Unterkunft unterwegs hätte ich das Kabel mit ein wenig Orga wiederholen können (super Busverbindungen auf Mallorca), doch hier nicht. Hektisches Nachdenken: Zuschicken lassen würde zu lange dauern, so lange will ich nicht ohne eigenen Rechner sein. Also so schnell wie möglich Ersatz kaufen. Zefix.
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Eigener Beitrag zum Thema Körper, aber eher #Internalisierung #Dysmorphie #Depression: Wenn’s in mir dunkel wird, möchte der Selbsthass-Coach immer noch wie seit Jahrzehnten “und dick bist du auch noch!” ätzen – aber das stimmt halt echt nicht, der Reflex belustigt mich. Ich warte aber darauf, dass der Coach irgendwelche Körperstellen findet, an denen noch eine Fettschicht sichtbar ist. (Rücken zwischen BH-Gurt und Hosenbund, selbstverständlich weiß ich das längst.)
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 2. Oktober 2024 – Erste Etappe Rückreise bis Barcelona“
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3. Oktober 2024 um 12:06
Viele moderne Laptops lassen sich außer mit den jeweiligen speziellen Ladekabeln auch via USB-C laden, eventuell ist das einfacher zu organisieren?
3. Oktober 2024 um 22:03
Mein 4- Jähriger fand diese genannten Fettschichten bei mir gerade gestern und meinte zu mir: „Mama, Du hast ja auch hier Backen.“ Bäm! Aber es ist so niedlich gewesen, dass es mich nicht betrübt.