Journal Donnerstag, 7. November 2024 – Regierung kaputt, Percival Everett, James

Freitag, 8. November 2024 um 6:20

Gut geschlafen, in einer unruhigen Phase fielen mir nützliche Dinge für die Arbeit ein.

Nebelmorgen. Beim Aufklappen des Rechners erreichte mich die Nachricht, dass Mittwochabend auch noch die Bundesregierung implodiert war und Kanzler Scholz seinen FDP-Finanzminister rausgeworfen hatte. Geben Sie mir noch ein paar Tage, bis ich mir auch nur schemenhaft vorstellen kann, dass das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl zu einer handlungsfähigen Regierung führt.

Weg in die Arbeit mit Mütze und Handschuhen, nasskalter Nebel.

Litfassäule mit Schritf "Back in Bayern" und einem Brotlaib oder Football darunter

Sie müssen schon entschuldigen, dass ich erstmal an eine Brot-Challenge gedacht habe.

An der Theresienwiese einige Hinweise, dass das Kreuzen quer rüber wieder möglich ist. Zwar stehen noch einige Gerippe der Bier-Saurier, doch auch schon erste Zelte fürs Tollwood, und der Zaun sah deutlich nach innen gerückt aus. Ich ging meinen Ums-Oktoberfest-Weg also gestern, als sei es das letzte Mal bis Juli 2025.

Straße mit Bäumen mit Rest-Herbstlaub, parkenden Autos

Wie viele Zeitungsleute mussten Mittwochabend wohl der Idee widerstehen, für Donnerstag zu titeln “Er ist wieder da”?

Obere Hälfte der Titelseite Süddeutsche mit großem Foto von Donald Trump und der Schlagzeile "Trump kehrt zurück"

Die Süddeutsche hatte widerstanden.

Zeitungskasten vor Grünanlage und Betonhaus, obere Titelseite der Abendzeitung mit Schlagzeilen "Er ist wieder da" und "... er ist dann mal weg"

Oder sie widerstanden halt nicht, zum Beispiel die Münchner Abendzeitung.

Der Arbeitsvormittag war für eine Online-Konferenz verplant, vorher wuselte ich noch Dringendstes ab. Ein Programmpunkt der Online-Konferenz war durch die Regierungs-Implosion schlagartig überholt; der Kollege präsentierte eisern im Plusquamperfekt, und strukturell waren die Inhalte ja immer noch informativ.

Nach der Veranstaltung eilte ich am späten Mittag auf den Markt (immer noch Nebel), um Äpfel zu kaufen, unter anderem für eine Samstagseinladung. Mittagessen war dann eine Hand voll Nüsse, außerdem Hüttenkäse mit Joghurt.

Am Nachmittag noch Gemischtes weggeschafft, mich nützlich gefühlt.

Nach Feierabend umfangreiche Lebensmitteleinkäufe beim Vollcorner, ebenfalls vor allem für Samstag. Daheim eine Runde Pilates, dann verwandelte ich den Zuckerhut aus eben geholtem Ernteanteil in Abendessen mit Meyer-Zitronensaft-Tahini-Dressing. Außerdem Käse, Nachtisch Schokolade.

Im Bett neue Lektüre, nach Langem wieder mit Leselampe um den Hals auf Papier, weil das Buch so in Herrn Kaltmamsells Bestand war: Ian McEwan, Nutshell. Gleich in den ersten Absätzen genoss ich das literarische Kaliber McEwans, zum Glück hatte ich alles über das Buch bereits vergessen und konnte deshalb überrascht werden: Es spricht ein Baby im Bauch seiner hochschwangeren Mutter – und nein, nicht als Klamauk (aber durchaus lustig).

§

Percival Everett, James war für mich leider eine Enttäuschung. Everett nimmt als roten Faden für die Schilderung von Mark Twains Adventures of Huckleberry Finn aus der Sicht des Schwarzen Jim auf der Flucht, dass die amerikanischen Sklaven zu dieser Zeit zwei Arten Englisch sprachen: Ein normales, oft sogar gewähltes Englisch, und die N-Sprache, wie sie ihnen auch Twain in seinem Roman zuschreibt. In einer Anfangsszene von James, das ganz aus der Ich-Perspektive der titelgebenden Hauptfigur erzählt ist, übt er mit seiner Tochter dieses Sklaven-Englisch. Im weiteren Verlauf der Handlung sprechen die Sklaven richtiges Englisch miteinander, solange niemand Weißes dabei ist, sobald einer oder eine auftaucht, wechseln sie zu Sklaven-Englisch. Jim erklärt seiner Tochter (und damit uns Leser*innen), dass die Weißen sich von Schwarzen bedroht fühlen, die auch nur halbwegs Verstand zeigen. Diese Idee gefiel mir, wenn sie auch für meinen Geschmack zu breit ausgewalzt und erklärt wurde.

Doch sonst hatte ich den Eindruck, dass der Roman lediglich eine Liste mit Aspekten der US-amerikanischen Sklaverei-Vergangenheit abarbeitete und dabei immer wieder explizit erklärte, wie sich ein Sklave dabei fühlte, darunter:
– Ausgelierfertsein
– ständige Gewalt bis hin zu Lebensgefahr
– keinerlei Selbstbestimmung
– ständige Präsenz von Vergewaltigung durch Besitzer
– bis hin zu: nein, es gab keine “guten” Sklavenhalter, und selbst wohlmeinende Weiße nutzten notfalls ihre Privilegien; ich weiß, dass das Narrativ vom guten Sklavehalter in den USA bis heute sehr lebendig ist.

Jeder Aspekt explizit erklärt im inneren Monolog oder im Dialog mit anderen Figuren. Das fand ich halt litererarisch schlicht und eindimensional.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 7. November 2024 – Regierung kaputt, Percival Everett, James

  1. FrauZimt meint:

    Ob Hape Kerkeling wohl Tantiemen kriegt für jede „Bin/ist dann mal weg“-Schlagzeile?

  2. Berit meint:

    Grad Zuckerhut gelesen und gedacht “Hm bisschen früh für ne Feuerzangenbowle, aber mein Verständnis hat sie anhand von…” *mit Händen fuchtel* “…allem”.

    Es löste sich 2 Wörter später auf.

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