Journal Freitag, 22. November 2024 – Losgestapft
Samstag, 23. November 2024 um 9:18Nachts einmal von Straßengeräuschen geweckt worden, darunter Schneeräumlärm.
Es dämmerte zu einem klaren, frostigen Wintertag. Das erste Mal in dieser Saison also Stapf-Aussattung.
Diesmal hatte ich mich vergewissert, dass die Ost-West-Passage über die Theresienwiese frei war: Endlich wieder Arbeitsweg in Luftlinie, der diesmal zusammefiel mit dem ersten Mal Theresienwiese im Schnee. Hier die gestrige Stapf-Strecke:
Beethovenplatz
Kaiser-Ludwig-Platz. Der Wind pustete mir hier beim Fotografieren Schneebrocken vom Baum auf die Brille.
Kollegin Bavaria bei der Arbeit
Bavariapark
Anglerstraße
Heimeranplatz
Angekommen an der Arbeit.
Im Büro unter anderem letzter Versuch, meinen Fehler wieder gut zu machen: Vergeblich, keine Kulanz auf der anderen Seite. Das bedrückte mich.
Eine andere Angelegenheit stellte sich als unerwartet kompliziert heraus, hier habe ich zum Glück Fach-Unterstützung, die mich mit “Wir finden eine Lösung” beruhigt.
Draußen schien die Sonne. Die Minusgrade erkannte ich daran, dass der Wind immer wieder Pulverschnee von Dächern an meinem Fenster vorbei blies.
Mittagscappuccino bei Nachbars, Mittagessen am Schreibtisch Äpfel, Mango mit Sojajoghurt.
Während ich nachmittags weiter emisg Dinge abarbeitete, wurde es mal düster und schneite, dann gab es wieder klassischen Winterhimmel mit verschieden grauen Wolken, dazwischen blauen Flecken. Ein Nebeneffekt: Mir wurde dezemberlich, und das ist bei mir mit unkontrollierbaren Erinnerungs-Flashs inklusive starken Emotionen nichts Gutes.
Fast pünktlicher Feierabend, auf dem Heimweg (winterlich kalt, aber warm eingepackt nicht unangenehm) Lebensmitteleinkäufe beim Vollcorner.
Zu Hause genoss ich eine Folge Yoga-Gymnastik (derzeit turne ich alle Folgen Mady Morrison ab, die ich mir eingemerkt habe, gestern war die mit der Notiz “DIE Rücken” dran), dann war aber Wochenende.
Herr Kaltmamsell überraschte mich mit einem besonders fröhlichen Blumenstrauß.
Er machte uns Wodka-Martinis aus edlem polnischen Büffelgras-Wodka: Eine sehr gute Idee.
Und er servierte das Nachtmahl: Den letzten Kürbis aus Erntenteil für die Saison (ich werde nachkaufen müssen, fühle mich noch stark unterkürbisiert) nach USA vegetarisch aus dem Ofen, dazu teilten wir uns ein Stück Entrecôte (mit viel gebratenem Knoblauch), im Glas ein kastilischer Rotwein. Nachtisch Vanille-Eis mit Meyer-Lemon-Curd, außerdem Schokolade.
Herr Kaltmamsell hatte bereits am Vorabend angemerkt, dass er möglicherweise schon wieder eine Erkältung bekomme. Dass er nach jahrzehntelanger Extremrobustheit plötzlich ständig krank wird, bin ich bereit, auf seinen Arbeitsplatz-, also Schulwechsel zurückzuführen: Völlig neues Infekt-Biotop, sein Immunsystem war auf das vorherige geeicht.
Zu Abendunterhaltung waren wir auf einem Weihnachtsfilmsender in den Film The Holiday von 2006 gestolpert, deutsch Liebe braucht keine Ferien – örks. Hatte ich seinerzeit im Kino gesehen (warum gehe ich eigentlich nicht mehr ins Kino?) und wegen seines Filmindustrie-Hintergrunds gemocht.
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Endlich habe ich mir die Zeit genommen, diesen Artikel in sechs Teilen nachzulesen:
“Mein Vormieter Max Anschel”.
Durch den Eintrag auf einer Webseite findet taz-Redakteur Gereon Asmuth heraus, dass in seinem heutigen Wohnhaus einst die Familie Anschel lebte. Der Vater wurde 1944 im KZ Stutthof ermordet, Mutter und Tochter überlebten. Der 22. November 2024 ist der 80. Todestag von Max Anschel. Hier erzählt Gereon Asmuth alles, was er über die Familie herausgefunden hat: Eine Geschichte von Verrat durch Nachbar:innen. Sie zeigt auch, wie leicht heute jeder zur NS-Geschichte recherchieren kann. Und was das Wissen darüber mit einem macht.
Fand ich auf vielen Ebenen spannend: U.a. wie und mit welchen Quellen Asmuth recherchiert hat, und dass auch in der DDR die Nazi-Mentalität nach dem Krieg lange fortlebte.
Auf der verlinkten Sammelseite für die Verfolgten Europas 1933-1945, Mapping the lives, guckte ich auch nach meiner Wohnadresse: Keine Namen, das Haus wurde ja erst nach 1945 gebaut. Aber gleich ums Eck eine lange Liste.
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Laurie Penny schreibt über
“On transphobia, memory and mourning.”
Und darin wieder kluge Gedanken:
Sex and gender are not stable ideas. What it means to be a man or a woman has changed utterly in the space of a generation. Not because of trans rights. Because of the relative success of women’s liberation, and because of the slow collapse of neoliberalism. Because women have more options now, and women’s freedom undermines the basic, brutal heteronormative bargain that has been the bedrock of capitalism: the expectation that most women, eventually, will be obliged to do the emotional, domestic and reproductive work without which society ceases to function, to do that work seamlessly and for free. A particular consensus about both gender and sex is essential to that bargain. But it turns out that that’s a bad deal for a lot of us, and a lot of us, given the option, are opting out.
Manchmal frage ich mich inzwischen, was gewesen wäre, hätte mir das Konzept non-binary beim Aufwachsen zur Verfügung gestanden. Ob ich statt zur Einstellung “ich bin eine Frau, egal ob mein Aussehen oder Verhalten zu stereotypen Erwartungen passt oder nicht” zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Doch ich wurde groß in einer durch und durch binären Geschlechterwelt, in der ich mir außer männlich oder weiblich schlicht nichts vorstellen konnte.
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Katja Berlin geht nächstes Jahr mit ihren Torten der Wahrheit deutschlandweit auf Tour, YAY!
Hier die Termine.
(Ich fand die ja schon super, als sie noch ultragenervt in einer Agentur arbeitete und sich auf Twitter abreagierte. Heute besitzt Katja Berlin drei Superyachten, fünf Satelliten im Orbit und schubst Männer, die sie fragen “kannst du denn davon leben?”, in die Arme ihrer beiden finnischen Gorillas.)
die Kaltmamsell9 Kommentare zu „Journal Freitag, 22. November 2024 – Losgestapft“
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23. November 2024 um 10:34
Verehrte Kaltmamsell, was ist denn bitte ein Weihnachtsfilmsender? Ich als bekennende Weihnachtskitschtante werde da ja sofort hellhörig …
23. November 2024 um 11:56
Danke Frau Kaltmamsell für den Link der Sammelseite. Die Adresse meiner Großeltern war sehr aufschlussreich.
23. November 2024 um 11:59
…. in die Arme ihrer beiden finnischen Gorillas……:)
Das mit der Geschlechtereinteilung ist schon seltsam. Wieso muss das irgendwo stehen? Wer will das denn wissen, wie jemand untenrum aussieht? Ich halte diese Informationen für unwichtig.
Die einen können halt Kinder machen, die andern bringen sie auf die Welt. Und wenn sie das nicht wollen, ist das auch ihre Sache. Wen geht das was an?
Ich habe ja so eine Vermutung, dass die Einteilung zur Machtausübung dient. Aber vielleicht täusche ich mich.
23. November 2024 um 13:59
Danke für den Tipp mit der Sammelseite, die kannte ich noch nicht. Hier in Rülzheim, wo ich wohne, gab es bis 1940 eine der größten jüdischen Gemeinden in der Südpfalz und ich habe schon recht viel darüber gelesen, die Karte macht das noch greifbarer.
23. November 2024 um 15:15
Irgendein RTL-Ableger sendet seit Wochen und noch bis Weihnachten anscheinend nur noch Weihnachtsfilme, lihabiboun.
Na ja, Croco: In einer Gesellschaft mit diskriminierten Bevölkerungsgruppen verstärkt das Verschweigen/Tabuisieren des Diskriminierungsmerkmals die Unterdrückung.
23. November 2024 um 18:41
Ihre Vermutung, dass Herr Kaltmamsell seine ständigen Erkältungen einem neuen Infektbiotop verdankt, ist möglich, aber ich habe gute Beispiele für das Gegenteil: Tochter und Schwiegersohn arbeiten seit mehreren Jahren am gleichen Arbeitsplatz – ohne neue Kollegen – und ich bekomme hautnah mit, dass beide seit etlichen Wochen das gleiche Problem mit Ebbe- und Fluterkältungen haben. Trotz engem Kontakt haben sie mich, im April aus Freiburg zugezogen, nicht angesteckt. Gute Besserung an Herrn Kaltmamsell!
23. November 2024 um 19:57
Erkältungen können auch in Arbeitsüberlastung ihre Ursache haben.
23. November 2024 um 22:57
Hochinteressanter Artikel über die Recherchen von Gereon Asmuth und besonderen Dank für den Link zur Sammelstelle. Wir werden versuchen, uns dort kundig zu machen.
24. November 2024 um 9:44
Anwkdotische Erfahrung: Ich war schon an mehrere Schulen abgeordnet und kann nicht behaupten, dass ich mir dort mehr Erkältungen eingefangen habe.